mtsblatt für den Vezir? Nagold rrnü für Altenßeig-Sta-t. Allgemeine Anzeiger für die Bezirks Nagold, Lalw und Freudenstadt.

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Nach dem Rücktritt des Eintagministers Dr. Müller- Bonn, des früheren rheinischen Sonderbündlers, der auf Empfehlung von Dr. Hermes durch den neüen Reichs­kanzler berufen worden sein soll, ist jetzt die Lücke im neuen Reichskabinett wieder ausgefüllt. Dr. Luther, der Oberbürgermeister von Essen, ist einer der tüchtigsten Selbstverwaltungsbeamten, die Deutschland hat, wirklich eine Persönlichkeit und einKopf". Aus dem deutschen Städtetag in Stuttgart im vorigen Jahr hat er sich mit einem glänzenden Referat für die Belange der Städte dem Reich gegenüber eingesetzt und ist dadurch in Süd­deutschland bekannt geworden. Er war schon einmal unter Stegerwald zum Minister ausersehen. Nach dem sozialdemokratischen Parlamentsdienst gilt er als An­hänger der freien Wirtschaft. Ob das völlig zutrifft, muß sich erst noch zeigen. Seine Tätigkeit als Oberbürger­bürgermeister in Essen, die auch bei den Sozialdemokra­ten Anerkennung findet, bürgt dafür, daß er aus dem Posten des Reichsernährungsministers ebenso seinen Mann stellen wird. Dr. jur. Hans Luther ist 1870 in Berlin geboren. Sein Vater war ein angesehener Ber­liner Kaufmann. Mit 28 Jahren wurde Dr. Luther Stadtrat in Magdeburg und blieb dort bis Januar 1913. Dann übernahm er die Geschäftsführung des preußischen Städtetages. Im Juni 1918 berief ihn ein einmütiger Beschluß sämtlicher Parteirichtuugen als Oberbürgermeister nach Essen. Im Sommer 1920 wurde er in den neugebildeten Reichswirtschaftsrat berufen. Dr. Luther gehört keiner politischen Partei an.

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wird gemeldet:

Korvettenkapitän a. D. und Gründer der Organisation 0 (---- Consul) Hermann Ehrhardt wurde in München verhaftet. Ehrhardt trat als Führer einer revolutionären Gruppe, der 2. Marinebrigade, ein. Zur Zeit der Revo­lution war er Führer dieser Truppe im Baltikum, die der Regierung viel zu schaffen machte. Er war ein tüchtiger Offizier, der seine Truppe in der Hand hatte. MitNoske kam er dann in Konflikt, weil dieser der Forderung der Entente gemäß seine Truppe auslösen wollte. Ehrhardt aber hatte versprochen, ihre Fortexistenz unter allen Um­ständen zu sichern. Auf Befehl von General Lüttwitz in den Tagen des Kapp-Putsches marschierte er mit seinen 4500 Mann in Berlin ein, um die Reichsregierung zu stürzen. Nach dem Zusammenbruch des Putsches zog sich die aufständische Brigade mit ihrem Führer in das Mun­sterlager zurück; die verfassungsmäßige Regierung war damals noch zu schwach, um Ehrhardt zu verhaften. Dort hat der Mann, der offenbar keine moralischen Hem­mungen kennt, ni einer Ansprache an seine Truppen erklärt, daß er bitter bereue, während des Putsches ver­säumt zu haben, die Unterstaatssekretäre zu erschießen, die sich bekanntlich dem Generalstreik des Volkes an­geschlossen hatten. Nachdem er sich der Verhaftung im Munsterlager durch die Flucht entzogen hatte, verschwand er für lange Zeit, angeblich nach Ungarn. Erst ganz all­mählich wurde es in Deutschland bekannt, daß es ihm gelungen war, hauptsächlich aus ehemaligen Offizieren seiner Trupp e die berüchtigte Organisation 0 zu Sün­den, der bekanntlich die Mörder Erzbergers augehÄten und diejenigen Rathenaus nahestanden. Sie hat der ruhigen Entwicklung Deutschlands ungeheuer geschadet. Ehrhardt selbst hatte in den letzten Jahren einen Wohn­sitz in Salzburg und Innsbruck, kam aRw nicht selten nach München. Minister Dr. Schweyer mußte im bay­rischen Landtag selbst zugestehen, daß Ehrhardt nach sei­ner Flucht wiederholt in München bei dem Polizeipräsi­denten Pöhner und auch on anderen bayrischen Stellen vorkellia aeworden sei.

Strömungen im Auslande.

Man schreibt uns:

In den Hauptländern der Entente, England, Italien und Frankreich, haben sich in den letzten Wochen die Tinge sehr zu Ungunsten Deutschlands verändert. In Italien trug der Faszismus den Sieg davon. Diese Bewegung kennzeichnet man vielleicht am besten mit den Worten Mussolinis:Der Parlamentarismus ist Lüge, der Sozialismus ist Lüge, die sozialistische Inter­nationale ist Lüge und die bürgerliche Internationale ist Lüge, der Völkerbund ist Lüge. Wahrheit ist nur, daß an Stelle des Klassenkampfes der Kampf der prole­tarischen Völker gegen die reichen Völker zu treten hat". Man hätte auf Grund dieses Programms erwarten können, daß Mussolini gegen das verarmte deutsche Volk die bisherige, ausgleichende italienische Politik fortsetzte, statt dessen äußerte er sich außerordentlich deutschfeind­lich, spricht von der deutschen Bedrohung Frankreichs und Italien versteht vollkommen, daß Frankreich Gewalt­maßnahmen gegen Deutschland ergreifen will und ver­langt für Italien auch größere Kriegsentschädigungs­zahlungen.

Diejenigen Politiker in Frankreich, die die gewalt­same Abtrennung des Rheinlandes und des Ruhrbezirks fordern, werden also in Mussolini einen verständnis­vollen Freund finden, wenn sie jetzt auf eine energische iPolitik dringen. Dem nationalen Block ist sogar Herr Poincare nicht tatkräftig genug. Die Wünsche der fran­zösischen Schwerindustrie nach Beherrschung des Ruhr­kohlenbezirks hat er nicht befriedigt und ganz offen spricht man in der französischen Deputiertenkammer von dem Sturze Poincares. I

Englands Politiker resignieren. Sie erken­nen wohl den unheimlichen Fehler des Versailler Frie­dens, der Frankreich die militärische Alleinherrschaft in Europa verschaffte, aber fühlen sich dem übermächtigen Frankreich gegenüber nicht stark genug, um dessen Poli­tik zu durchkreuzen. Das englische Volk verlangt ferner nichts wie Ruhe. England wird sich aus den europäischen Händeln möglichst herausziehen, sich feinem Weltreiche widmen und die englische Presse gibt den Deutschen den Rat: Helft euch selbst! !

Deutschland aber liegt in seiner ohnmächtigen Parteizerrissenhcie, selbst die größte Not vermag, scheint es, die deutschen Parteien nicht zu der Selbstüberwindung! zu bringen, daß sie gemeinschaftlich das Vertrauen des Auslandes und einen günstigen Ausgang der Brüs-. seler Konferenz bezüglich der Reparationen zu erringen suchen und dann das Werk der Markstabilisierung und der gleichzeitigen Organisation der Mehrleistung in An­griff nehmen. K, Li

Neues vom Tage.

Unerhörte Steigerung des Drnckpapierpreises. Berlin, 3. Dez. Nach langen Verhandlungen ist der lDruckpapierpreis für Dezember vom Reichs- wirtschaftsministertum auf rund 445 Mk. pro Kilo­ramm festgesetzt worden. Dieser Preis wird durch ückvergütungen der Zell- und Holzstossabrilanten um etwa 40 Mk. je Kilogramm auf rund 405 Mk. herab­gesetzt werden. Die Zahlungsbedingungen sollen zu­künftig dahin geändert werden, daß das Papier sieben Tage nach der Absendung zu bezahlen ist. Die Zei­tungsverleger haben diesen Preis für unerträglich erklärt. Damit hat der Druckpapierpreis das 2000- fache des Friedenspreises erreicht. Damit ist das Schick­sal vieler deutscher Zeitungen besiegelt.

Ter französische Plan für Brüssel.

Berlin, 3. Dez. DasHamburger Fremdenblatt" veröffentlicht Einzelheiten aus den französisch-belgi- ! schen Verhandlungen über die Reparationsfrage. Dar­nach brachte Poincare dem belgischen Minister den s Inhalt des französischen Planes zur Kenntnis^ der Sr die Brüsseler Konferenz bestimmt sein soll. Dieser Plan soll eine Befristung des Mo- ! ratoriums für Deutschland auf 3 Jahre vor- ! sehen unter der Voraussetzung, daß sich die Alliierten zu folgenden Uederwachungsmaßnahmen verstehen soll­ten:

1. Errichtung einer Zollschranke östlich des be­setzten Gebietes, die einer Kommission Deuane mixte unterstellt sein soll. Die Teilnehmer dieser Kommission sollen von den einzelnen Mächten im Verhältnis ihrer ! Truvvenaahl gestellt werden.

2. Die Beteiligung alliierten Kapitals an allen im besetzten Gebiet befindlichen chemischen und metallurgischen Fabriken von mehr als 500 Arbeitern. Diese Beteiligung soll nicht unter 25 und nicht über 45 Prozent betragen,

3 die Kontrolle der indirekten Steuern durch eine interalliierte Beamtenschaft,

4. besondere Maßnahmen gegen die Abwan­derung des Kapitals ins Ausland und die Durchführung einer Abgabe in ausländischen Valuten,

5. Stabilisierung der Mark vermittels einer interalliierten Anleihe unter gleichzeitiger Heran­ziehung des Goldbestandes der Reichsbank und

6. eine Erhöhung der Kohlenlieferungen um 25 Proz. und Steigerung des Holzex­ports auf Reparationskonto um 20 Prozent.

Tic Londoner Borkonferenz.

Paris, 3. Dez. Auf die Einladung Bonar Laws zur Ministervräiidenten-Zusammenkunft in London hat der italienische Ministerpräsident geantwortet, daß er um Verlegung der Zusammenkunft nach Bologna bit­tet. Bonar Law hat darauf erwidert, daß er London vorläufig nicht verlassen könne und hat noch einmal das Ersuchen ausgesprochen, daß Mussolini ebenso wie der französische und belgische Ministerpräsident nach London rommen möge. Der Hauptgrund zu die­sem Verhalten des englischen Ministerpräsidenten soll darin liegen, daß man eine sehr gründliche Behand­lung der zur Sprache kommenden Probleme wünscht und Bonar Law das dafür notwendige Material am besten in London zur Hand hat. Es ist beschlossen worden, daß mit den Ministern zusammen auch die finanziellen Sachverständigen sich vereini­gen, um die Beratungen mit ihrem Gutachten zu un­terstützen.

Die Londoner Vorkonferenz am 9. Dezember.

Berlin, 3. Dez. Es steht nunmehr fest, daß die Vorbesprechung der Verbündeten Ministervräsidenten am 9. Dezember in London stattfinden wird. Theu- n i s und Ja spar (Belgien) haben ihr Kommen end­gültig angekündigt, ebenso Mussolini. Poincare wird vom Finanzminister de Lasteyrie begleitet sein. Neben Bonar Law nimmt für England Schatz- kanzlcr Baldwin an der Besvrechung teil. Die Konferenz wird bis zum 11. oder 12. Dezember dauern. Der erste Tag wird der Darlegung der verschiedenen Ansichten dienen, wobei der Reparationsplan Poin­cares den größten Raum einnehmen dürfte. Der zweite Tag dient der Diskussion; am dritten Tag sollen dann Beschlüsse gefaßt werden.

Frankreich gegen jedes Moratorium.

Paris, 3. Dez. DerTemps" führt aus: Nach den Berichten aus England hofft die englische Regierung darauf, daß Poincare seinen Plan für die Verrech­nung der Reparationen und der interalliierten Kriegs­schulden vorlegen wird. England will aber eine endgültige Entscheidung erst fällen, wenn die Haltung Amerikas bekannt ist. Bonar Law würde es vorziehen, dem Deutschen Reich zunächst ein kurzes Moratorium für die nächsten zwei Zahlungen rm Januar und Februar zu bewilligen, um inzwischen durch die Sachverständigen einen neuen Plan vor­bereiten zu lassen. In dem Artikel desTemps" wird weiterhin ausgesührt. daß Frankreich kei- nem Moratorium, sei es lang oder kurz, pro­visorisch oder endgültig, zu stimmen dürfte, ohne daß es Sicherheiten in den Händen habe. Wir wer­den uns, so sagt das Blatt, bei dieser Frage durch »eine monarchistische, kommunistische, oder anders ge­artete Drohung schrecken. lassen, durch die man in

Franzosen. Su machen

!Z« »er Trehnete Peil care».

DerPetit Parisien" schreibt: Damit ist der An­fan g zu dem von der französischen Regierung jetzt ent­worfenen System gemacht, wodurch die deutschen Zahlungen auf direktem Weg erzielt wer­den sollen. Deutschland erklärt sich unfähig, seinen ^Verpflichtungen nachzukommen. Es hat indessen reiche Hilfsquellen am linken Rheinufer, das Frankreich be­setzt hält. Deutschland erhebt in diesem Gebiet Steuern, es hat staatliche Eisenbahnen und Kohlengruben, die entweder Preußen oder dem bayerischen Staat ge­hören und es hat fiskalischen Besitz. Alle diese Hilfs­quellen, auf die wir die Hand legen können, wird man eines Tages ergreifen müssen, wenn Deutschland fort­fährt, sich der Zahlung der Wiedergutmachungen zu entziehen. Das Blatt fügt hinzu, daß es gut sei, gerade Bayern die neue Methode kennen lernen zu lassen, denn in Bayern sei der schärfste Nationalis­mus zu Hause, der eingestandenermaßen die Repu­blik stürzen möchte. Es sei also nützlich, daß Frank­reich seine Macht über Bayern ausüben kann.