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l Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altenstsig-Sta-L. Allgemeiner Anzeiger für dis Bezirks Nagold, Lalw und Freuden stadt
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Altenfteig, Dienstag den 17. Oktober.
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Lloyd George verteidigt seine Politik, 1
London, 16 . Okt. In einer Rede, die Lloyd Georgs Semstag nachmittag im Reformklub von Manchesters hielt, betonte er zunächst, daß es niemals die Wsicht des. britischen Kabinetts gewesen sei, einen Krieg zu ent-- j sesslln. England sei durchaus friedlich gesinnt und wüm- ssch: keinen Krieg. Tie jüngsten Verhandlungen seien m einer Weise geführt worden, daß dabei Englands' Stellung ohnegleichen gewesen sei. Während der ganzen; Tauer der Verhandlungen sei die Negierung der Gegenstand Von Verleumdungen gewesen. Tas Land werde über derartige Handlungen Richter sein. In den Orientfra- k gen verfolge England drei Ziele, die ?
Freiheit der Meerengen durchsetzen, wollte ein lieber- ! greifen des Krieges nach Europa verhindern und eure - Wiederholung der unerträglichen Schrecken von Klein- f ! Am in Konstantinopel und Thrazien verhüten. Ter Ministerpräsident erinnerte daran, daß der Weltkrieg im > Z,:hrc 1914 auf dem Balkan begonnen habe. Seit 1914 ! Men die Türken, amtlichen Feststellungen zufolge, IH 2 j Millionen Armenier und 500000 Griechen uiederge- s gemetzelt. Lloyd George richtete lebhafte Angriffe gegen r seine liberalen Kritiker. Lloyd George bedauerte die von den Liberalen vertretene Anschauung, daß England zwischen Türken und Griechen sich nicht eiuzumischcn hätte. Tas sei nicht die Lehre des alten Gladstone gewesen. Die Politik des gegenwärtigen englischen Kabinetts eutspre- s che durchaus den höchsten Überlieferungen Englands, s George legte sodann dar, daß nach den Berichten des Ge- j nerals Harington in Konstantinopel sich 15—20 000 be- s wafsnete Türken befänden. Anderseits kam der englischen s Regierung von der französischen Regierung die f Nachricht zu, daß, wenn die Griechen oder Türken in f die neutrale Zone eindrängcn, die Verbündeten Wider- ! stand leisten müßten. Dieser Ansicht der französischen Regierung pflichtete die englische bei. Es sei zwecklos, j einen Gegner bluffen zu wollen, der ein ausgezeichneter r Kämpfer sei. Die Türkei sah ein, daß es England ernst Var, und nur so konnte der Friede ausrechterhalten wer- i den. Man sage, daß das englische Kabinett entgegen den ; Regeln der alten diplomatischen Schule gehandelt hat. Um so schlimmer für die alte Diplomatie! Sie habe den furchtbarsten Weltkrieg zustande gebracht, den die Welt jemals sah. Tie Diplomatie von Amateuren habe im Jahre 1922 den Frieden zustandegebracht. Lloyd George habe die Politik Englands im Orient nicht vom Zaun gebrochen, sondern ererbt. 1 Einzelne Abmachungen wären vor seiner Uebernahme der ! Ministerpräsidsntschaft schon geschlossen worden. Tie eng- ! lifche Orientpolitik mußte eine Umgestaltung erfahren, l Tabei war man aber erfolgreich. j
Mit großer Schärfe kritisiert der „Temps" die Rede i Lloyd Georges. Ter englische Ministerpräsident habe eine f Wahlrede gehalten, und um die patriotischen Leidenschaften z zu entfachen, gegen die Türkei und das heißt in diesem ! Falle gegen Frankreich gesprochen. Keine feindliche Re- s gierung habe während des Krieges Frankreich und Jta- i lien stärker beleidigt, als jetzt ein Bundesgenosse, f Frankreich habe die neutrale Zone an der Meerenge ge- ! schützt, solange Gefahr bestand, daß die Griechen den j Krieg in den Bosporus tragen würden. Jetzt nach Besei- tigung dieser Gefahr, haben Frankreich und Italien, die ! uicht nach der Beherrschung der Wasserstraßen streben, : keinen Grund, ihre Truppen gegen die Türkei zu schicken, i Mer England habe seine eigenen Pläne. Erst habe es r angesichts seiner schwachen Position in Tschanak die ' politische Unterstützung Frankreichs gebraucht,, um die Türkei zur Räumung der neutralen Zone zu bewegen. chÄ, da dies gelungen, der Vertrag von Mudania unter- znchnet und die Stellung bei Tschanak ausgebaut ist, ändert Lloyd George den Ton. Jetzt verleumdet er Frankreich und Italien. Er strebe die Eroberung der ? Mengen an, die mit der Unabhängigkeit der Türkei und oen Lebensintercssen Rußlands uicht vereinbar ist.
Das Urteil im Rathenau-Mordprozeß, l
Leipzig, 14. Okt. I
Das Urteil im Prozeß Rathenau vor dem Staats- ! gerichtshof wurde am Samstag um 3 Uhr verkündet. ? Es wurden verurteilt: !
Ernst Werner Techow wegen Beihilfe zum Mord ? z« 13 Jahren Zuchthaus und 1V Jahren Ehrverlust, r Hans Gerd Techow wegen Beihilfe und Begiinfti- s gnng zn 4 Jahren nnd 1 Monat Gefängnis. s
Willst Günther wegen Beihilfe in Tateinheit mit ? Begünstigung zu 8 Jahren Zuchthaus und 4« Jahren j Ehrverlust. j
Ernst v. Salomon und Niedrig wegen Beihilfe zu ! 8 Jahren Zuchthaus und 8 Jahren Ehrverlust. s
Jlfemann wegen Beihilfe und Begünstigung, we- ! gen Vergehens gegen die Verordnung über den Waf- ! fenbcsih zu 2 Monaten Gefängnis.
Tillefsen wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung z» 3 Jahren Gefängnis.
Maas; wegen desselben Vergehens zu 2 Jahren Gefängnis.
Tie Kosten des Verfahrens werden den Verurteilten auferlegt.
Freigesprochen werden: Warnccke, Steinbeck und Voß unter Auferlegung der Kosten auf die Reichskasse. Außerdem wird auf Einziehung der Maschinenpistole erkannt. Tie Gefängnisstrafen gegen Schütt und Tteste! gelten als durch Untersuchungshaft verbüßt. Schütt und Tiestel erhielten wegen Begünstigung 2 Monate Gefängnis.
Tie Urteilsbegründung geht davon aus, daß der Rathenaumord eines der fluchwürdigsten Verbrechen der Geschichte war, an dessen Folgen r er ge- gnältes Vaterland unsäglich gelitten hat und noch leiden wird. Wenn in diesem furchtbaren Winter Hun- derrtausende von Männern, Frauen und Kindern durch Hunger und Kälte zugrunde gehen, so ist das zum größten Teil auf die Mörder Rathenaus zurückzufnh- ren, denn Tr. Rathenau wäre der Mann gewesen, dies zu verhindern. In der Begründung heißt es dann weiter, daß sich die eigentlichen Mörder, Kern und ! Fischer, der irdischen Gerechtigkeit entzogen haben. Tie k heute Verurteilten waren ihre willenlose Werkzeuge, i Kern und Fischer haben unter Mißbrauch ihres An- « sehens die Verurteilten in ihren Bann gezogen, um r sie als Gehilfen für ihre Tat zu gewinnen, und haben r sie dann ihrem Schicksal überlassen. Obwohl man den ! Verurteilten ein gewisses Mitleid nicht versagen könne, ! wären doch die Strafen am Platze. Tie Urteils- H Begründung stellt dann ausdrücklich fest, daß die Stra- s fen nicht nach dem Gesetz zum Schuhe der r Republik gefällt worden sind, sondern nach dem ! bisher geltenden Strafrecht. !
In der Sitzung, in der die Verkündigung des Ur- ! teils erfolgte, waren außerordentlich scharfe Vorsichts- » Maßnahmen seitens der Sicherheitspolizei getroffen j worden. — Vor dem Gerichtsgebäude wartete eine i sehr große Menschenmenge auf die Verkündigung des ! Urteils. Z
Berlin, 15. Okt. Tie Morgenblätter besprechen das ! Urteil des Leipziger Staatsgertchtshofs im Rathenau- s Prozeß. Tie deutschnationale „Deutsche Zeitung" r nennt die Strafen ungeheuerlich. Tie Techows gehörten, j in eine Besserungsanstalt. Tie „Kreuzzeitung" schreibt, absolute Klarheit sei darüber geschaffen, daß, die Tentschnationale Volkspartei und andere natro- nale Vereinigungen in keinerlei Beziehungen zu dem Morden standen. Der „Tag" äußert sich ähnlich, ^n der „Germania" werden die Beteiligten als unchristlich und undeutsch charakterisiert. Deutschland komme aus der Mordluft nicht heraus, wenn nicht, das „Liebe deinen Nächsten" Gewicht erhalte. In der „Vossifchen Zeitung" heißt es, der Prozeß habe erwiesen, daß es Mordorganisationen in T-eutscyland gebe und die Anstiftung zum Mord bei uns gefahr- j los sei. Die Fäden des planmäßigen Kampfes gegen die Republik seien unentwirrt. Das „Ber liner - Tageblatt" spricht die Hoffnung aus, daß durch das j gerechte und würdige Urteil des Staatsgerichtshofes : das Unkraut, das den Boden der Republik mit Un- ^ fruchtbarkeit bedrohe, entwurzelt werde. Die "Rote- ; Fahne" glaubt daß der Prozeß die vollkommene - Untauglichkeit des Staatsgerichtshofes erwiesen habe. « Die „Deutsche A-llg. Zeitung" hofft auf eine 1 Reinigung der - politischen Atmosphäre nnd aus dre j Zurückdrängung sinnloser Bestrebungen und Taten, die i nur aus einer nachwirkenden Kriegspsychose zu be- s ? greifen sind. Erfüllt sich diese Hoffnung, dann rst j der arme Walter Rathenau nicht umsonst gestorben.
^ Der ..Vorwärts" urteilt: So billia wäre ern.,
Ministermord unter dem alten System nicht gewesen.' 33 Jahre Zuchthaus, das war unter dem alten System gerade die Sühne für einen verprügelten Gendarmen. Das ist das schlimmste Manko dieses Prozesses: die Mordorganijation ist dadurch nicht enthüllt, nicht zerstört. Gewiß ragt das Urteil des Staatsgertchtshofs bei allem noch immer turmhoch über die Schandurteile reaktionärer Gerichte, die überführte Mörder glatt laufen ließen, wenn sie ihrer Richtung angehörten. Ein Fortschritt ist es demgegenüber gewiß, aber es ist nicht die republikanische Tat, die man erwartet hatte. Die „Frankfurter Zeitung" bemerkt: Niemand wird ehrlicherweise behaupten können, daß sich dieser Gerichtshof, der von den Gegnern der Republik als Revolutionstribunal geschmäht worden ist, von Gefühlen des Hasses und der politischem Voreingenommenheit habe leiten lassen; man könnte eher hon einer Ueberoüjektivität sprechen, die in der Eindringlichkeit der Befragung manches vermissen ließ. Gs wird manche geben, die das Urteil angesichts eines sso furchtbaren Verbrc Yens und der überlegten Art,
in der es ausgeführt wurde, zu milde finden. Todesstrafe konnte nur für den älteren Techow in Frage kommen, der vor einigen Tagen 21 Jahre geworden ist. Aus der langen Tauer d.r Gew„M- beratung, die erst eine halbe Stunde vor der Urteilsverkündung beendet war, ist zu entnehmen, daß die Meinungen geteilt waren, ob bei Techow Mittäterschaft, die Voraussetzung der Todesstrafe, anzunehmen sei. Wenn schließlich die Mittäterschaft verneint und nur Beihilfe zum Mord ausgesprochen wurde, so geschah das nicht — und diese Feststellung ist für die ganze Beurteilung von Wichtigkeit — weil das Gericht! an dem Bewußtsein Techows von der unmittelbarem Ausführung des Mordes und seiner Bereitschaft zur! Mithilfe irgendwie gezweifelt hätte — es ist hier vielmehr durchweg der Darstellung des Oberreichs- anwaltes gefolgt —, sondern weil es sich der Rechtsauffassung des Reichsgerichts angeschlossen hat, wonach es darauf ankommt, ob der Angeklagte die Tat als seine eigene betrachtet oder als die Tat eines anderen hat befördern wollen. Wegen Beihilfe hat dann der Staatsgerichtshof die höchste zulässige Strafe, 15 Jahre Zuchthaus, und zugleich die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf 10 Jahre ausgesprochen.
Blutiger Sonntag in Berlin.
Berlin, 16. Okt. Der Bund für Freiheit und Oft»- nnng hatte für Sonntag vormittag seine Mitglieder nach dem Zirkus Busch zu einer Versammlung eingeladen, in der bekannte Redner über Deutschlands Not sprechen sollten. Bereits um 9 Uhr sammelten sich infolge einest Aufrufs der „Roten Fahne" mehrere hundert Personen, vor dem Zirkus an, die die Versammlungsteilnehmer, durch Redensarten belästigten und tätlich angrifsen. AlK Schutzpolizei einem Verletzten zu Hilfe eilte, wurde eich Beamter am Hinterkopf schwer verletzt, so daA er besinnungslos niederstürzte. Eine zufällig vorbeifahrende Radfahrpatrouille der Schutzpolizei von vier Manu wurde von den Rädern gerissen und niedergeschlagen. Tie Räder wurden gestohlen. Ms weiters Verstärkungen der Schutzpolizei heranrückten, war die Menge bereits bis auf 1000 Personen angewachsen. Bei der Räumung des Platzes vor dem Zirkus wurde den Beamten großer Widerstand entgegengesetzt. Neun Rädelsführer wurden fe st genommen. Einem weiteren Aufgebot der Beamten gelang es schließlich, die Demonstranten in die Seitenstraßen abzudrängen. Nach den bisherigen Feststellungen dürsten von den Teilnehmern der Versammlung und von den Demonstranten 26 verletzt sein. Bier Beamte wurden verletzt, davon zwei sehr erheblich. Bei den Tumultszenen am Eingang des Zirkus wurden mehrere Fensterscheiben und Türen zertrümmert. Ten Verhafteten wurden aus der Woche Dolche, Totschläger, Schlagringe und andere gefährliche Waffen abgenommen. Zwei Ünterwachtmeistern wurden schwer verletzt. Man Hatte die Beamten hinterrücks überfallen und ihnen mt iihren eigenen Seitengewehren die Verletzungen beigebracht. Zwei Versammlungsteilnehmer wurden von Demonstranten ins Wasser geworfen, von einem Fischer aber gerettet. Ein Zeitungsverkäufer, der die „Deutsche Zeitung" feilbot, wurde von der Menge furchtbar mißhandelt nnd seiner Zeitungen beraubt. Nach Ansicht der Aerzte dürfte er nicht mit dem Leben davonkommen. Um 11 Uhr war die Versammlung beendet. Tie Teilnehmer gingen in kleinen Trupps auseinander. Tie Seitenstraßen wurden immer noch von zahlreichen Demonstranten besetzt gebalten.