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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Aiyeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und Freudenstadt

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BUenfterg, Samstag d«u 14. Oktober.

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Pr-t- 80 Mark

SonnLagsgedanken. ,

Ter Kirche Kraft. ^

Tas Licht ungetrübter göttlicher Offenbarung ifl viel zu rein und glänzend, als daß es den armen, gar schwachen Menschen gemäß und erträglich wäre. Tie Kirche aber tritt als wohltätige Vermittlerin ein, um zu dämpfen und ermäßigen, damit allen geholfen und damit vielen wohl werde.

Goethe. Gespräch mit Eckermann. !

Zum Sonntag.

Bon Jahr zu Jahr hacken wir tieferen Grund, Kirch-- wcihsonntag zu feiern. Immer wilder wogen die Wel­len gegen unsere Kirche.Hinweg mit dieser" ist der Kampfruf Tausender. Wo aber Wogen branden, richtet man Wälle auf. Woraus formt sich der Wall zum Schutze unserer Kirche? Ter eine Baustoff ist die Liebe. Laß unsere Liebe zur Kirche brennender, opferfreudiger wäre! Wir wollen zu denen gehören, die sich gerne finden lassen im Gotteshaus, weil es uns ein Stück wahrer Heimat verwirklicht! Unsere Liebe zur Kirche soll nicht aufhören, sobald eine Leistung für sie irr Aussicht steht! Ter andere Baustoff ist das Gebet. Wir Wissens zu wenig, welches Mittel wir damit in Händen haben, unsere von vielen gehaßte und an­gefeindete Kirche zu decken. Sie, ihre Glieder, ihre Diener, ihre Mängel, Fehler, Nöte, ihre Gottesdienste, ist dir das alles Gegenstand ernsten Gebets? Auch von dir hängt es ab, ob das Zusammenkommen der Ge­meinde im Gotteshaus wirklicher Gottesdienst ist, durch den wir uns selbst Gott weihen zum Opfer in seinem Dienst. So angewendet, wird der heutige Kirchweih­sonntag unserer Kirche und unserem Volk zur inneren Stärkung helfen. M. St.

Zur Lage.

Ein schwarze Woche in der w ir t s ch a st l i che n Ent­wicklung Deutschlands liegt hinter uns. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß der Dollar, der in der Vorkriegszeit 4,25 Mark galt, am 10. Oktober mit rund 3000 Papiermark bewertet wurde. Nach Erklärungen der Reichsregierung ist die Mark zu 99tzck entwertet. Die Ursache darin hat man in der schlechten Lage unserer Handels- und Zahlungsbilanz zu suchen. Tie Flucht vor der Mark ist die Triebkraft der sturzartigen Verschlech­terung unserer Währung im Inland und des Ueber- gangs zur Zahlung in ausländischen Devisen. Es ist zu befürchten, daß Deutschland bei dieser Entwicklung seine eigene Währung einbüßt, Spartätwkeit und Kapitalbil­dung ganz unterbunden werden. Damit würde dann die Politische Entscheidung auch über das Schicksal des deutschen Volkes uns aus der Hand gleiten, es fiele ganz in wirtschaftliche und politische Sklaverei. So ist es erklärlich, daß die Reichsregierung allerdings viel zu spät und beinahe in letzter Stunde eine sofort wirksame Notverordnung gegen die Devisen­spekulation erlassen hat. Sie richtet sich gegen die Verwendung ausländischer Zahlungsmittel zu spekula­tiven Zwecken. TieFakturierung" in Auslandswährung soll unterbunden werden. Das ist zunächst der währungs­politische Zweck. Geplant sind ferner wirtschaftspolitische Maßnahmen durch Schaffung eines Anlagepapieres, um neu zu bildendes Kapital zu einem günstigen Zins an­zulegen, sog. Goldschatzwechsel. Tie Wirkung dieser Mass­nahmen muß abgewartet werden, zumal die Ausfüh­rungsbestimmungen noch nicht vorliegcn, die Reichsbank dw Prüfungsstelle nicht übernehmen-will und der Handel durch zu erbringende Nachweise für den notwendigen An- 'nuf voll Devisen belastet wird.

. Wohl zieht d er Herbst im Purpurschein über das deut- Ws Land: die Blätter fallen, die Preise steigen und der ^snter steht vor der Türe mit einem Sack voll Frage- Mchm. Was wird er uns bringen? Tariferhöhung über 4-anferhöhung in Verkehr und Handel, Preissteigerung uur allen Warenaebieten lind bei allen Lebensmitteln,

Teuerung ohne Matz und ohne Ende, Einschränkungen in der gesamten Lebenshaltung, die noch vor Jahresfrist kein Mensch geahnt oder nur zu prophezeien gewagt hat. Schon der Haushalt der Familie erfordert eine Umstel­lung, denn er bringt Riesenaufgaben und Riesenanfor- dernngen. Noch mehr der der Gemeinden, der Länder und des Reiches. Ter württembergische Staatshaus­haltplan für das laufende Jahr, der im Landtag in dieser Woche in der Hauptaussprache zu Ende beraten wurde, ist dafür ein Beispiel. Er schließt auf der Grund­lage der Preise vom Jahr 1921 mit einem Fehlbetrag von 770 Millionen Mark ab, dürfte aber heute schon ein mehrfaches Milliardendesizit aufweisen. Noch schlim­mer ist es beim Reich, wo es gleich in Hunderte von Mil­liarden geht. Niemand kann es hindern, daß Arbeiter, Be­amte und Angestellte beinahe Woche für Woche um Ver­besserung ihrer Gehaltsbezüge vorstellig werden, denn die verteuerte Lebenshaltung macht dies erforderlich. Reich, Länder und Gemeinden erhöhen die Gebühren und Ab­gaben, treiben die Tarife im Verkehr neuestens ist be­reits wieder für 1. Dezember eine Erhöhung der Post- und Fernsprechgebühren angekündigt und doch ist alles nur Flickwerk für Wochen in einer Entwicklung, die den Zerfall der deutschen Wirtschaft verbirgt oder hinauszögert.

Schon meldet sich die Reparationskommis­sion, um die Frage der deutschen Zahlungen und Wiedergutmachungen erneut aufzurollen. Sie hat nach der vorläufigen Entspannung der Orientkrise und unter ihrem neuen Vorsitzenden, dem französischen Justizminister Bar- thou, neuen Tatendrang für die Auspowerung Deutsch­lands. Barthou ist das gefügigste Werkzeug Poincares. Er hat seinerzeit den Sturz Briands in Cannes be­trieben und Platz geschaffen für Poincare. Deutschlands Schicksalsfrage, die Reparationen, ist damit in Hände gegeben, die für die kommenden Monate das Schlimmste befürchten lassen. Schon tönt aus Paris ne Parole: Deutschland hat vertragswidrig seine schwebende Schuld vermehrt, es muß Rechenschaft gefordert, eine Finanz­kontrolle schärfster Art cingeführ't werden . Man hat in Paris vergessen, daß die Zusage der deutschen Regierung, in der sie sich zur Verlangsamung der Notenausgabe verpflichtete, ausdrücklich abhängig gemacht wurde von der Gewährung einer internationalen Anleihe. Air Frank­reich ist diese Anleihe gescheitert trotz der Mahnungen der Finanzfachleute, der amerikanischen Bankiers und des früheren englischen Schatzkanzlers Mac Kenn«. Tie Po­litik hat über die wirtschaftliche Vernunft gesiegt. Man glaubt aber, daß in der Reparationsfrage noch vor der Brüsseler Konferenz neue wichtige Entscheidungen fallen, die von wirtschaftspolitischen Erwägungen diktiert werden. Tie sich immer häufenden Sachliefernngsabkommen zwi­schen französischen und deutschen Gesellschaften bedingen eine Vermehrung der Inflation, so daß Frankreich eine Lösung der Reparationsfrage für sich, ohne die Verbün­deten anstrebt. Was das für Deutschland zu bedeuten hätte, ist leicht erkennbar

Dazu kommt, daß die englisch-französische Orient- Verständigung nach Nachrichten aus Italien und Frankreich auf Kosten Deutschlands erfolgt sei. England habe die Unterstützung Frankreichs in seiner Orrentpoltiik durch Anerkennung der französischen For­derungen nach politischen und militärischen Garantien im Rheinland erkauft und die französischen Ansprüche ans das Saargebiet anerkannt. Nur bezüglich des Ruhrgebiets habe England Vorbehalte gemacht. Ob dies den Tat­sachen entspricht, sei dahingestellt, zweifellos liegt es je­doch in der Richtung der Politik Poincares und Bar- thous. Nebenbei erfährt man aus den noch andauernden Beratungen der Reparationskommission, daß der eng­lische Bevollmächtigte Bradbury beantragt hat, Deutsch­land für längere Zeit von allen Barzahlungen zu ent­binden, auch fiir die Jahre 1923 und 1924, dafür aber eine umso schärfere Finanzkontrolle einzurichten. Wie die Tinge liegen, werden uns die kommenden Wochen schwere Stunden bereiten in der Reparationsfrage. Er­freulich ist, daß Frankreich sich endlich der Pflicht der Menschlichkeit bewußt wird, und 22 in Toulon zurückge­haltene deutsch Kriegsgefangene entläßt, leider noch vier zurückbehält.

Auch in der inneren Politik ist, wie man einst­mals sagte, die Sauregurkenzeit vorüber. Tie Demo­kraten haben auf ihrem Reichsparteitag in Elberfeld ein­drucksvoll getagt und die Richtlinien ihrer Politik auf Erhaltung des 'Staates und der Einheit des Reiches neu

gefestigt. Die Frage der Arbeitsgemeinschaft der Mitte zwischen Zentrum, Bolkspartei und Demokraten kommt mit dem Zusammentritt des Reichstags am kommenden Dienstag erneut ins Rollen. Am Zustandekommen ist nach den zustimmmden Erklärungen der Parteiführer nicht zu zweifeln. Ob sich die neue Konstellation bei der bevorstehenden Abstimmung über die erhöhten Getreide­preise für das erste llmlagedrittel bemerkbar macht, muß sich noch zeigen. Der Widerstand der Bereinigten Sozial­demokratischen Partei besteht fort. Die Rei chspräfi- dentenwahl, die für 3. Dezember geplant ist, bildet einen Hauptpunkt des ersten Beratungstags im Reichs­parlament. Ob der Vorschlag des Reichskabinetts an­genommen wird, erscheint fraglich, da die Führer der Koa­litionsparteien noch mit dem Reichspräsidenten Ebert, für den sie wohl eintreten - obwohl das Zentrum sich noch nicht geäußert hat unterhandeln. Nach einer Berliner Meldung soll Generalfeldmarschall von Hin- denburg die Kandidatur zum Reichspräsidenten auf Ersuchen der Teutschnationalen angenommen haben. Be­stätigung ist jedoch abzuwarten.

Ti' Orientkrise hat durch die Konferenz in Mu- dania einen vorläufigen Abschluß erhalten. Nach der Verständigung Englands und Frankreichs, die Lord Cur- zon in Paris erzielte, und wobei er über die Auffassung Lloyd Georges einen Sieg davontrug, haben sich auch Türken und Griechen darein gefunden. Griechenland schwimmt in der Politik Venizelos, der von der revo­lutionären Regierung zum außerordentlichen Botschafter bei den Westmächten ernannt wurde, rmd gibt Thrazien frei. Die Türkei hat die neutrale Zone anerkannt und überläßt den Alliierten Ostthrazien zur Besetzung bis zur Räumung durch die Griechen. Was es wollte, wird es in kurzer Frist aus englisch-französischer Hand entgegen­nehmen. Ter Friedenskonferenz bleibt die Regelung der heiklen Frage der Meerengen Vorbehalten. So atmet Europa wieder erleichtert auf yb der beseitigten Span­nung im nahen Osten. Nur in England wirkt die ver­fehlte Orientpolitik nach. Lloyd Georges Stellung er­scheint erschüttert, da er nur mit Hilfe Frankreichs die friedliche Beilegung der Krise erzielte. Noch vor Jahres­schluß sollen die englischen Neuwahlen vor sich gehen, wobei dann die Würfel über Englands künftige Politik und auch den allgewaltigen Lloyd George fallen. Auch das französische Parlament hat seine Ar­beit ausgenommen. Tie Eröffnungssitzung stand bereits im Zeichen einer Debatte um Deutschland und die Re­parationen. Tie Linke forderte eine Politik der Mäßigung und Klugheit, aber Poincare weiß, daß er den National­block und damit fast M der Abgeordneten hinter seiner Gewaltpolitik hat.

Der NathenaU'Mordprozeß.

Ein Geständnis Techows. Rede» der Verteidiger.

^ Leipzig, 13. Okt.

Tre Donnerstagsverhandlung begann mit einer auf- klarenden Bemerkung des Präsidenten über die Straf­taten. Bei Günther könne auch auf Beaüwtiaung erkannt werden. Bei Ernst Werner Techow könne nach der Anklage Mittäterschaft, aber möglicherweise auch Beihilfe in Frage kommen.

Ter Präsident fragt den Angeklagten Ernll Werner Techow:Ich möchte wissen, weshalb Sie Kern Ihr Ehrenwort gegeben haben?" Techow:Es ging so rasch, mir blieb nichts anderes übrig." Präsi­dent:Weshalb konnten Sie nicht ausschlagen?" Techow:Ich habe eine Aussage gemacht, die ich nicht machen wollte, aber nicht anders konnte." (Ter Angeklagte weint.) Präsident:Nun machen Sie aber mal eine Aussage, die den Tatsachen ent­spricht. Denken Sie an Ihre Mutter, es geht um Ihr Leben. Kern ist ein Verbrecher und ist tot." Te­chow:Kern sagte zu mir, wenn ich mich wei­gere. würde er mich nied er sch i e ß e n."

Oberreichsanwalt:Wer war dabei?" Te­chow:Kern und Fischer."

Tie Redender 13 Verteidiger zielten darauf ab, die Grundlage der A..klage zu erschüttern: Alle erwähnten Verbände und Organisationen scheiden als Urheber aus, weil sie mit der Mordtat nichts zu tun haben. Es handelt sich um die Einzeltat eines un­reifen politischen Fanatikers, des Kern, der seine Ge­hilfen hinzugezogen hat. Auf keinen Fall komme für die Angeklagten Mittäterschaft, sondern höchstens Bei­hilfe wie beim älteren Techow, sonst aber meist Be­günstigung in Betracht. Haupt und Kopf der Aktion sei Kern gewesen,'der glaubte, in Rathenau den Kopf der Regierung zu treffen.