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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw.

Nr. 229.

88. Jahrgang.

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Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- bezirk Ealw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Mittwoch, -en t Oktober MS.

Amtliche Veka«ntm<rchrri»gen.

§. Oberamk.

Bekanntmachung,

betr. die landwirtschaftliche Winterschule in Leonberg.

Den Besuch dieser Schule, welche am Montag, den 10. November d. Js., vormittags 9>» Uhr. wieder eröffnet werden wird, bringe ich der bäuerlichen Be­völkerung in empfehlende Erinnerung.

Auch für den jungen Bauern ist es notwendig, daß er neben den in der Volksschule erworbenen Elementarkennt­nissen sichFachkenntniffe" aneignet. Die praktischen Hand­arbeiten wird der junge Mann im Wirtschaftsbetrieb des Va­ters erlernen können; der Vater kann seinen Sohn auch in die für den Landwirtschaftsbetrieb gültigen Grundregeln ein­weisen, allein zur Erteilung eines förmlichen Unterrichts in den Landwirtschaftsfächern an die Jungen wird er weder Zeit noch Lust haben. Und doch gilt es auch für den jungen Bauern, viel zu lernen, um selbst den kleinsten Betrieb unter Zuhilfenahme der neuesten Erfahrungen der Praxis und der Landwirtschaftswissenschaft zu einem rationellen und rentab­len Betrieb zu gestalten.

Um vorwärts zu kommen, genügt es heutzutage nicht mehr, daß man im bäuerlichen Handwerk nur mit dem im Bauernhause heimischen Fleiß und mit der dem Bauern eigenen Ausdauer und Zähigkeit weiterschafft, sondern es ist notwendig, die harte Arbeit nach bestimmten, durch die Wis­senschaft erprobten Grundregeln zu leisten. Manches könnte tu der Bauernwirtschaft mit Ersparung von viel Mühe und Ar­beit besser gemacht werden. In der landw. Winterschule ist dem Bauernsohn Gelegenheit geboten, das in der Volks­schule Erlernte aufzufrischen und neu zu befestigen und viel Neues, was nur den landw. Beruf trifft, hinzuzulernen. Der junge Mann soll aufgeklärt werden über die Ackerbestellung, die Bodenmcliorationen, die Auswahl der besten Pflanzcn- sorten, die richtige Anwendung der Kunstdünger und die Er­nährung der Pflanzen. Die sachgemäße Züchtung der landw. Haustiere, deren Ernährung, ihre Pflege, insbesondere auch während einer Krankheit und bei der Geburt, u. a. m. setzen Kenntnisse voraus, die man sich von selbst nicht so leicht an­eignen kann. Seitdem sich das Geschäft des Landwirts nicht mehr in den engen Schranken vollzieht, wie vor einigen Jahr­zehnten, ist es notwendig geworden, daß der junge Bauer für den schriftlichen Verkehr mit Berufsgenoffen, Geschäftsleuten aller Art und Beamtungen sich ausbildet und mit der Führung der notwendigsten Geschäftsbücher sich vertraut macht. In zwei Winterkursen von nur 4 Monaten Dauer November bis Mitte März wird dem jungen Landwirt ohne ihn mit unnötigem Ballast zu beschweren alles das geboten, was er für seinen späteren Beruf notwendig braucht. Bei den gerin­gen, für einen Kurs nur etwa 300 Mark (einschließlich Kost und Wohnung) betragenden Kosten sollte kein einsichtiger Land­wirt versäumen, seinen Sohn eine landwirtschaftliche Winter­schule besuchen zu lassen.

Lehrpläne der Schule, Aufnahmebedingungen und An­meldeformulare können von dem Schulvorstand, Herrn Land­wirtschafts-Inspektor Ströbele in Leonberg, bezogen werden. Bemerkt wird, daß der landwirtschftl. Bezirksverein Calw je­dem Kursteilnehmer, besten Vater diesem Verein als Mitglied angehört, einen Kostenbeitrag von 25 gewährt.

Calw, den 27, September 1913.

Reg.-Rat Binder.

Szenen wecbse!.

Das Augenmerk der politischen Welt wird neuerdings von den Vorgängen in Albanien abgelenkt auf die H a l t u n g der Türkei, die Miene macht, nachdem sie sich kampflos Adrianopel holte, nun noch weiter zu gehen und, gestutzt aus die zur Zeit schlagfertig dastehende Armee bester Trup­pen, den Griechen mit den Waffen Salonik streitig zu machen. Der Augenblick ist gut gewählt, da Serbien durch den Ausstand der Albaner genugsam beschäftigt ist, so daß Griechenland im wesentlichen isoliert dasteht. Denn daß etwa Rumänien einen Krieg beginnen würde, um den Hellenen ihre mazedonische Beute ungeschmälert zu erhalten und ihnen den Weg nach Konstantinopel freizuhalten, ist nicht anzunehmen. So stehen die Chancen der Türkei bei einer etwaigen Auseinandersetz­ung wesentlich bester als zu Beginn des Balkankriegs. Im!

> vorigen Jahr hatte sie es mit einem Vierbund zu tun, der nach einheitlichem Plan vorging und sich seit Monaten für den Ucberfall gerüstet hatte. Jetzt ist die Türkei an sich vielleicht kaum bester gerüstet als damals, aber aus dem Vierbund ist inzwischen ein Dreibund geworden, dessen Glieder finanziell erschöpft sind und dessen Menschenmaterial so schwer gelitten hat, daß ein großes Ruhebedürfnis auch die kriegerischsten Gemüter erfaßt hat. Die Türkei ist zwar gleichfalls in Fi­nanznöten, aber sie ist diesen Zustand schon zu lange gewöhnt, um ihn noch irgendwie stärker zu empfinden. Und die armen Bauern in Anatolien und Syrien sind an Hunger, an Not und ununterbrochenen jahrzehntelangen Kriegsdienst so ge­wöhnt, daß die türkischen Truppen kaum in schlechterem Zu­stand sein werden, als vor einem Jahr. Dazu kommt, daß jetzt kaum mehr direkt feindliche Elemente in den türkischen Reihen stecken, die beim ersten Kanonenschuß sich denBe­freiern" überliefern. Was jetzt den Befehlen Enver Beys und seiner Leute folgte, sind nach Religion und Nationalität ein­heitliche Truppen, die sich wahrscheinlich besser schlagen wer­den, als die zusammengewürfelten Haufen zu Beginn des gro­ßen Balkanringens. Das ist ja überhaupt das Merkwürdige an diesem Osmanenreich, daß es immer erst unter dem Druck von vernichtenden Niederlagen, von unerträglichen Demütig­ungen zum Leben zu erwachen scheint. Oft genug schien es, als ob die Türkei dem Untergang rettungslos entgegentreibe, und dann zeigte sich doch wieder, daß diesem Volk und seiner Regierung eine ungeheure Spannkraft im Leiden gegeben ist, die oft noch Schicksalswendungen herbeiführt, wenn alles verloren schien. Die Ziele der Rückgewinnung der Hafen­stadt am Aegäischen Meere u. eine günstigere Regelung der Jn- selsragen, die den Türken vorschwebt, beunruhigen Griechen­land. Umsomehr, als die Annahme nicht grundlos ist, daß die Türken in den Bulgaren willkommene Helfershelfer, aktive oder Passive, finden würden. Und entsprechend dem Ernst der Lage ist König Konstantin gestern von England nach Athen abgereist, um in seinem Reiche zu sein, wo wichtige Entscheidungen zu wessen sind. Die Türkei hat Griechenland Unterhändler geschickt, deren Forderungen aber noch nicht be­kannt sind. Doch scheint es sich zu bestätigen, daß die Türkei von Griechenland über die Staatsangehörigkeit der musel­manischen Gemeinden, Schulen und Wakufs die Anerkennung der gleichen Bestimmungen erwartet, die Bulgarien in dem Friedensvertrage mit der Pforte angenommen hat. Gewisse Anzeichen sprechen dafür, daß die Jnselfrage in den Vorschlägen Reschid Beis nicht eine so ausschlaggebende Rolle spielt, wie es nach Meldungen der letzten Tage erscheinen konnte. Die Jnselfrage dürfte vielleicht einstweilen wieder ausgeschaltet sein. Eine Nachricht der Wiener Allgemeiner Zeitung besagt, die Pforte verlange für sämtliche von Grie­chenland besetzten Inseln Autonomie unter Oberhoheit des Sultans. Von dem Maße des Entgegenkommens Grie­chenlands gegenüber der Türkei wird es abhängen, ob nicht in absehbarer Zeit ein vierter Balkankrieg losbricht. Welche Ueberraschungen sind auf dem Balkan nicht möglich?

Ein albanischer Aufruf.

Wallona, 30. Sept. Eine Anzahl von albanischen Notabeln aus verschiedenen Gegenden des Landes rich­ten folgenden Ausruf an die zivilisierten Nationen: Das albanische Volk, das seit Jahrhunderten beständig sein Blut für seine Freiheit vergoß, und die Bahnen für die Erfolge der Balkanstaaten eröffnet hat, hat noch immer nicht Gerechtigkeit finden können. Hier in Süd- Albanien schmachten Hunderte unserer Brüder in den griechischen Gefängnissen; sogar die nationale Haar­tracht bildet den Gegenstand der Verfolgung durch die Ortsbehörden. Die Derwische werden krumm und lahm geschlagen und getötet. In Eoritza und Delwino, die bereits Albanien zugesprochen sind, herrscht vollständige Anarchie. In Nord-Albanien setzen die Serben ihr Zerstörungswerk fort. Die Abschlachtung ganzer Fa­milien ist an der Tagesordnung. Jüngst wurden al­banische Hirten gehängt und ihre Leichen durch Ba­jonettstiche zerstückelt. Nicht einmal die Unschuld wird geachtet: die Serben verbrennen alle Kin­de r , deren sie sich bemächtigen, bei lebendigem Leibe. Die unmenschlichen Taten, die von den Serben, die unser Volk ausrotten wollen, begangen werden, haben die Albanier zur Verzweiflung gebracht. Da sie nichts

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vterlelführltch, Post- bezugSprtziS für den Orts- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.» in Bayern und Reich 42 Pfg.

mehr zu verlieren haben, und am Ende ihrer Geduld angelangt sind, haben unsere unglücklichen Brüder zu dem einzigen Mittel, das ihnen blieb, Zuflucht genom­men: ihr Leben teuer zu verkaufen und die Ehre ihrer Familien zu retten. Die Leiden, denen sie ausgesetzt sind, haben sie gezwungen, den erlösenden Tod auf dem Schlachtfeld zu suchen. Im Namen der Mensch­lichkeit rufen wir die zivilisierten Nationen an, bei den Großmächten sich ins Mittel legen zu wollen, aus daß sie nicht zulassen, daß diese Bevölkerung, die seit Jahrhunderten der Verfolgung ihr nationales Dasein bewahren konnte, auf diese Weise durch die Serben und Griechen vernichtet werde.

Paris, 30. Sept. Der serbische Ministerpräsident Pasitsch gab einem Mitarbeiter desTemps" gegenüber u. a. folgende Erklärung ab: In 8 Tagen, vielleicht noch früher, wird un­sere Konzentration vollendet sein und wir werden den ent­scheidenden Schlag folgen lasten können. Unsere Generale werden keinen Eroberungskrieg, sondern einen Sicherungs­krieg unternehmen. Um uns zu schützen, werden wir die strategisch wichtigen Punkte besetzen müssen, deren Besitz un­sere Sicherheit verbürgt. Es scheint mir notwendig, daß uns unsere Defensive in jedem Fall bis zur Wasserscheide des Drinflusses und zum Adriatischen Meere führt. Wir werden künftig eine strategische oder vielmehr vernunftgemäße Grenze zwischen uns und Albanien verlangen. Wir verlangen keine Ausdehnung, aber eine Grenzberichtigung, durch die beider­seits Opfer auferlegt werden können.

Stadt, Bezirkad Nachbarschaft.

Calw, den 1. Oktober 1913.

Der Calwer Kirchhof

hat bekanntermaßen in seinem unteren Teil dieses Jahr eine durchgreifende Neuerung erfahren. Was da neugemacht wurde, ist alles gut und schön; wenn erst die Hecken heraufwachsen und das Grün mehr Hintergrund abgibt als jetzt möglich ist, wird man seine aufrichtige Freude am Ganzen haben können. Ich möchte nun auf einige Punkte Hinweisen, die dringend der Beachtung bedürfen: Zum ersten ist es unbedingt notwendig, die Back st einmauer gegen die Hirsauer Straße zu ver­gipsen oder zu bestechen. Diese Mauer stammt aus der Zeit des ärgsten Darniederliegens des Geschmacks und kann nur als ein wirkliches Gegenbeispiel wie man es nämlich nicht machen soll bezeichnet werden. Es muß einmal gesagt werden, die Stadt ist vor jedem Wanderer, der offenen Augs daran vorbeikommt, blamiert, wenn sie diese Mauer beläßt. Ich glaube auch nicht, daß das Grün der wilden Reben oder des Epheus, der im Kirchhof dankenswerter Weise gepflanzt wur­de, je imstand sein wird, diese Häßlichkeit zuzudecken, zumal diese Pflanzen an den glatten Backsteinen nicht Fuß fassen können. Nachdem man soviel Geld für die Verschönerung des Kirchhofs aufgewendet hat, sollte dieser nach außen am meisten zu Tage tretende unschöne Zustand doch auch noch beseitigt werden können. Ferner: Ter Friedhof bietet in seinen Fa­miliengräbern eine Menge guter alter Bildhauerkunst, die an sich schon der Erhaltung wert ist, sie bietet ferner ein lebendes Familienarchiv der Calwer Geschlechter. Viele Namen sind heute nur mehr in der Erinnerung vorhanden; alte Namen, die einst weit über die Stadt hinaus einen guten Klang hatten. Wie steht es nun mit der Pflege dieser Grä­ber? Leider recht schlecht. Es hat hier an den Terrasten- wänden der Epheu derart überhandgenommen, daß er die al­ten Grabmale teils ganz verdeckt, die Tafeln einfach unsicht­bar macht, teils hat er mit seinen Kletterfüßen sich so fest an den weichen Stein angeklammert, daß schon bei dem vorsich­tigen Versuch, die Tafel zu befreien, die oberen Steinschichten abblättern, so daß die Schrift und die bildhauerischen Figuren zerstört werden. Ter Epheu ist an diesen Mauern ein überaus schöner Schmuck als Umrahmung der Grabmäler; sobald er aber in die Grabtafeln hineinwächst und verdeckt was uns interessieren muß, muß er zurückgedämmt werden, und zwar rücksichtslos, ehe er seine Zerstörungsarbeit beginnen kann. Jetzt schon sind eine ganze Reihe von Tafeln, soweit sie über­haupt dem Auge zugänglich sind, nur noch mit großer Mühe entzifferbar, viele lasten die Schriften nur noch ahnen. Heut­zutage, wo der Mensch wieder gerne an seine Vorfahren und an die früheren Geschlechter zurückdenkt, wo mancher nach seinem Stammbaum forscht, sollte man es nicht mehr sagen