Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirks Nagold, Calw und Freuden stadt

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Altensteig, Montag de« S. Oktober.

Jahrgang Lvrr

Was Deutschland schon bezahlte.

Tie französischen Politiker behaupten bei jeder Ge­legenheit, daß Deutschland seinen Verpflichtungen nicht Nachkomme und noch nichts bezahlt habe. In einer Bro­schüre der Reparationskommission, die dieser Tage in Parrs veröffentlicht wurde, werden die Zahlungen Deutsch­lands nach Schätzungen fcstgestellt. Tie Veröffentlichung hat bei französischen Politikern unliebsames Aussehen er­regt.

Tie erste Periode beginnt mit dem Inkrafttreten des Friedensvcrlrages am 10. Januar 1920, obwohl Deutsch­land bereits vorher Lieferungen ausgeführt hatte, und endet mit 30. April 1921. Während dieser ersten Pe­riode wurden alle Zahlungen Deutschlands für die Be­satzungskosten aufgebraucht. Diese Besatzungskosten be­trugen bis zum 30. April 2131904000 Goldmark, dazu klommen die Kosten der amerikanischen Armee mit 1010614000 Goldmark. Tie Regelung der letztgenann­ten Summe wurde bisher vertagt. Nach Abzug der Zah­lungen, die Deutschland für den Ankauf von Lebensmit­teln und Rohmaterialien machen konnte, genügte die Summe kaum für die Auslagen der Besatzungstruppen. Allerdings rechnet die Wiederherstellungskommission nur die Barzahlungen und rechnet z. B. die Saargruben, de­ren Wert vorläufig auf 400 Millionen Goldmark fest­gesetzt wurde, einstweilen noch nicht an, ebenso nicht die Staatsgüter, die Polen übertragen wurden usw. Ins­gesamt betragen also die Zahlungen vom 11 Nov. 1918 bis 30. April 1921:

in Geld 112121000 Goldmark

an Materiallieferungen 1251064 OM Lieferungen beim Waffen­stillstand 1183 226 OM

Unterseekabel 49 OM 000

unbewegliche Güter 2 504 342 OM

zus. 5 099 753 MO Goldmark

Tie zweite Periode beginnt am 1. Mai 1921 und endet am 31. Dezember.

Tie dritte Periode beginnt nach der Forderung Deutsch­lands um Gewährung eines teilweisen Moratoriums. Sie umfaßt die Zahlungen gemäß den Beschlüssen von Cannes, nämlich 31 Millionen Goldmark alle 10 Tage, sowie die Zahlungen gemäß den Beschlüssen vom 21. März 1922, an welchem Tage Deutschland ein teilweises Mora­torium gegeben wurde. Vom 1. Mai 1921 bis 30. April 1922 betrugen die Zahlungen Deutschlands:

in Geld 1313 680 490 Goldmark

an Naturalliefcrungen 560 475 417

nach dem Waffenstillstands­bedingungen 3 678 816

zus. 1877 834 723 Goldmark

Im ganzen bezahlte also Deutschland, wenn man die Beträge bis zum 30. April 1921 und diejenigen bis zum 30. April 1922 zusammenrechnet, 6 977 587 723 Goldmark ---- mehr als 3000 Milliarden Pa­piermarkwert von heute.

Dabei sind aber die Handelsschiffe nur teilweise in Rechnung gestellt.

Oesterreichs Versklavung.

Oesterreich hat sich an den Völkerbund um Hilfe aus finanzieller und politischer Not gewandt. Was es dort in der Vereinigung der Völker zu Sicherung ihrer Erobe­rungen erreicht hat, geht aus den drei Schlußprotokollen des Völkerbundsrates hervor:

Das erste erklärt: Die Regierungen von England, Frankreich, Italien und der Tschechoslowakei verpflichten sich, daß die politische Unabhängigkeit, territoriale Inte­grität und Souveränität Oesterreichs respektiert wird, daß i sie nicht versuchen werden, spezielle Vorteile Wirtschaft- ! licher oder finanzieller Natur zu suchen. Tie österrei- ! chische Regierung erklärt, sie verpflichte sich, nach den Be- > stiinmungen des Artikels 66 des Vertrages von Saint Germain, ihre Unabhängigkeit nicht antasten zu lassen und sich jeder Verhandlung und jeder wirtschaftlichen oder finanziellen Verpflichtung zu enthalten, die diese Unab­hängigkeit direkt oder indirekt gefährden könnte.

Im zweüen Protokoll verpflichten sich die vier aus­ländischen Regierungen zur Garantie des Zinsendienstes m Höhe von 84 Prozent für neue österreichische Obli­gationen im Gesamtwert von 650 Millionen Goldkronen,

vorbehaltlich der Ratifikation durch "die vier in Frage kommenden Parlamente. Tie Verwendung des Erträg­nisses einer österreichischen Anleihe ist von der Zustim­mung eines unter der Verantwortlichkeit des Völker­bundsrats stehenden und von ihm eingesetzten General­kommissars in Wien und eines Kontrollkomitecs mit dem Sitz in Gens, aus den Vertretern der Garautieregie- rungen abhängig. In diesem Kontrollkomitee sichern sich die vier Regierungen je 20 Stimmen (!), weitere 20 Stim­men werden den Regierungen überlassen, die die restlichen 10 Prozent der Zinsengarantie übernehmen. Das Kon- trollkomiteee hat darüber zu wachen, daß die von Oester­reich für den Zinsendienst ausgestellten Pfänder finanziell Meckmäßig v.rwendet werden.

Im dritten Protokoll ist d e r österreichischen Re- lierung auferlegt, vom Parlament die Ratifi­zierung der Unabhängigkeitsverpslichtung des ersten Pro­tokolls zu erwirken und in einem Monat unter Mitwir­kung des Generalkommissars und einer Völkerbunddelega­tion ein Reform- und Sanierungsprogramm auszuar­beiten, das durch Erhöhung der Staatseinnahmen und Einschränkung der Ausgaben, Einstellung der Banknoten­presse und der Verwendung der Garantieanleihe die Re­publik in den Stand setzen soll, binnen zweier Jahre das Gleichgewicht im Staatshaushalt herzustellen. Das Par­lament hat zur Sicherung dieses Reform- und Sanie­rungsprogramms ein Gesetz zu genehmigen, das die jetzig^ und jede kommende Regierung ermächtigt, während dieser zwei Jahre ohne jede Befragung des Parlaments stlle not­wendigen Maßnahmen innerhalb der Grenzen des so rasch wie möglich vom österreichischen Parlament zu geneh­migenden Programms durchzuführen. Tie Regierung hat ferner alle notwendige Vorsorge zur Aufrechterhaltung der Ruhe u.nd Ordnung zu treffen. Tie Pfänder be­stehen zunächst in der Bruttoeinnahme der Zölle und dem Tabakmonopol. Tie Kosten des General­kommissars und seines Personals sind von Oesterreich zu tragen. Tie drei Protokolle werden als Genfer Konven­tion bezeichnet und sind als Einheit zu betrachten.

Damit wird Oesterreich zur Privatdomäne der Alliier­tem

Der Fechenbach-Prozeß.

In München wird zur Zeit ein Journalistenprozeß abgewickelt, der weithin größtes Aufsehen erregt, da er starken politischen Einschlag hat.

- Tie Anklageschrift gegen Fechenbach, Gargas und Lembcke führt aus: Der beschuldigte Fechenbach war Geheimsekretär des im Februar 1919 ermordeten bayerischen Revolutions-Ministerpräsidenten Eisner. Fechenbach war auch nach der Ermordung Eisners bis bis 31. März 19l9 im bayerischen Ministerium des Aeußern als Geheimsekretär tätig. Im Ministerium des Aeußern gelangte Fechenbach in den Besitz gehei­mer Dokumente, darunter eines Memorandums Erzbergers vom September 1914. Ein Bekanntwerden dieser Geheimdokumente im Auslände war nach An­nahme der Anklage geeignet, den Feindbund im Früh­jahr 1919 bei der Abfassung des Versailler Diktats zu ungunsten Deutschlands und der einzelnen Staa- ^ ren, insbesondere Bayerns, zu beeinflussen. Fechen- ^ bach händigte im April 1919 je eine Abschrift dieser i sämtlichen Geheimdokumente dem Vertreter des ihm ! als deutschfeindlich bekanntenJournal de Geneve" - und der Pariser imperialistischen ZeitungLe Jour- ' nal" aus. ,

Der Beschuldigte Garges war Leiter der Berliner f Agentur eines .^Internationalen Korrespondenzbu­reaus" und sammelte u. a. Nachrichten darüber, ob i in Deutschland und insbesondere in Bayern dem Ver- f sailler Vertrag zuwiderlausende Bestrebungen im < Gange sind, übermittelte sie an die Londoner Zentrale j seines Bureaus. Manche Nachrichten übersandte Gar­gas auch' unmittelbar derTimes", deren Dsutsch- fcindlichkeit ihm bekannt war. Gargas stellte in ganz Deutschland eigene gut bezahlte Agenten an, um ge­wisse Nachrichten, insbesondere aus Bayern, zu er­halten, denen auch die Beschuldigten Fechenbach und Lembcke angehörten.

Das Ergebnis der bisherigen Prozeßtage gegen Fechenbach u. Gen. kann dahin zusammengesaßt werden: Klar und scharf trat das Bild eines Mannes (Fechenbach) vor Augen, der in seinem Machtkitzel von großer Eitelkeit befallen ist und sich nicht nur inner­lich, sondern auch äußerlich als die rechte Hand des damaligen Revolutions-Ministerpräsidenten Eisner fühlt. Politische Unreife und eine einseitige politische Einstelluna vervollständigen das Bild dieses jungen

Mannes. Dr. jur. Gargas ist ein Ostjude, Mitam - i- ter angesehenster wissenschaftlicher Zeitungen und Zeit­schriften, österreichischer Hojadrotat, der deutschen, pol­nischen, französischen, englischen und holländis.. en Sprache mächtig, in Krakan, Paris und im Haag ig, ihm wird im auswärtigen Amt in Berlin das Lektorat über die polnische Presse ü ert-aqen. Hier erhält Gar­gas vom Regierungsrat Dr. Schwarz Jnforma tonen, die er ins Ausland verhökert. Schwarz übergibt die­sem Materim gegen den Staatskommissar Weiämann, und teilt ihm mit, daß eine Untersuchung, die sich mit den Uebergriffsn Bayerns befaßt, gegen Weißmann eingeleitet sei. Das alles verwendete Gargas in der ausländischen Presse gegen Deutschland. Die journalistische Betriebsamkeit des Tr. GargaS geht daraus hervor, daß allein 2000 seiner Berichte bei den Akten lieacn. Daneben hat Gargas aber noch Zeit, Handels^ -äste zu treiben, Rohöl. 200 000 Zelt­bahnen, Telegr. -enstangen, zu verkaufen, Rohölfel­der in Wechgackften zu erwerben, russische und ukrai­nische Schulbücher, Kupferstiche und Gemälde alter Meister zu verkaufen. Er behauptet, nur 7500 Mk. Mo­natsgehalt als Berliner Vertreter der Londoner Nach­richtenzentrale erhaben zu haben. Daneben gab er aber fast allmonatlich große Empfänge in den ersten Hotels für Münchener Parteisekretäre, Politiker.

Ter Münchener Vertreter derDeutschen Allgemei­nen Zeitung", Lembcke, erklärte, innerpolitisch zur Deutschen Vockspartei, außenpolitisch zu den Demo­kraten zu gehören. Er spricht von Vaterlandsliebe, Reichseinheit und Zurückstellung des Parteihaders.

Ter Prozeß brachte die Feststellung, daß Lembcke als Vorsitzender des Verbandes ausländischer^ Jour­nalisten in München peinlich darauf sah, daß keine zweifelhaften ron den Mitgliedern bedient

wurden, während er selbst seine Mitarbeit derartigen zweifelhaften Presseorgane:. .... Auslande bzw. im be­setzten Gebiet anbot. Ter Vorsitzende hielt Lembcke eine Anzahl Briefs aus dem Auslande vor, in denen Lemcke immer wieder von der großen Not Deutsch­lands sprach. Lembcke bekräftigte dies, worauf dann der Vorsitzende eine Reihe von Weinrechnungen und Rechnungen von Pelzankäufen vorlas, die Lembcke in der Zeit, wo er über die große Not Deutschland ge­schrieben hat, für seine persönlichen Bedürfnisse ge­macht hat.

Der Aeberfall auf Bozen.

In der deutschen Stadt Bozen in Südtirol hat bei von der italienischen Regierung anerkannte Fazismu- Revolution gemacht, die das Deutschtum vernichten will Tie Faszisten wollen die Deutschen teilnehmen lassen ar jenen Rechten, welche die italienischen Bürger innerhall der geschichtlichen und geographischen Grenzen ihrer Na­tion genießen. Ter Vorstoß der Faszisten nach Süd tirol war für die Unternehmer von Erfolg gekrönt. Ter Sturm auf das Rathaus von Bozen glich einer Filmauf­nahme. Das Gebäude war von Finanziert und Cara- binieri umstellt. Als für die Faszisten das Kommando zum Vvrgehen gegeben wurde, drängten diese durch die Reihzn. Das Kommando zum Vorstoß kam aus den: Rat- Hause selbst, Waffen wurden nicht angewendet, es gab deshalb nur Beulen und Quetschwunden, nur der Kom­mandant der Faszistenabteilung Verona, Eliseo, erhielt einen Kolbenschlag auf den Kopf. Mit dem Pulver wurde Mspart, die Bajonette blieben versorgt, ebenso die Säbel. Es öffnete sich das Tor des Rathauses, besorgt von un­bekannten, freundschaftlich gesinnten Händen, die Fas z i- sten drangen ein und besetzten die Amtsräume. Vizc- bürgermeister Christanell und die Beamten wurden aufge- sordert, die Räume zu verlassen, ihre Tätigkeit im Hanse soll damit aber nicht beendest sein, sondern, so wurde ihnen bedeutet, die Beamten werden wieder gerufen werden. Ter Gemeinderat von Bozen hat infolge dieser Ereig­nisse seine Tätigkeit niedergelegt, well die Faszisten ehrcn- wörtlich die Versicherung abgegeben hatten, sie würden nach dem Rücktritt des Gemeinderates von Bozen ab- ziehen. Nach militärischer Gepflogenheit wurde auch so­fort requiriert. Tie Sorge für das Wohlbefinden des Magens wurde aber nicht der Stadtvertretung über­tragen, sondern dem Zivilkommissariat, allerdings wurde daran die Drohung geknüpft, in Ermangelung von Nah­rungsmitteln werden dei Männer, diezur Verteidigung der Italiener dieser Gegend nach Bozen gekommen, sind", auf Unkosten der Gemeinde verpflegt. Also Kriegssitten mitten im Frieden. Eine neue Forderung der Faszistep- ist die Herausgabe einer deutschen Kirche für die Italie­ner Nun Hill ein von der Reaieruua in Rom cinae-

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