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Amtsblatt für den Bszirk Nagow und für Altensteig Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Calw und Freuden stadt

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Altensteig, Freitag de« S. Oktober.

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Völkerbund und Abrüstung.

Mit der Versicherung, daß, die angenommene Resolution eines der bedeutendsten Ereignisse in den Analen des Völkerbunds darstelle, hat der chilenische Gesandte m Lon­don, Edwards, die Sitzung der Bundesversammlung in Amf über die Abrüstungsfrage geschlossen. Lora Robert Lccil und der Senator de Jouvenel beglückwünschten sich, voll Seligkeit, daß sie ihre Anschauungen so wenig ver­einen konnten, und man unterließ nicht, die Redefrist schleunigst aus 10 Minuten herabzusetzen. Denn man wollte nach Hause fahren. Laute Worte und donnernde Fansarenstöße, Blumenbouquets und Glückwunschadressen überkleistern den leisen Katzenjammer.

Tie Väter des Versailler Vertrages machten es sich leicht, indem sie in Artikel 10 und 11 des Völkerbunds- Pakts dem jungen Bund ein Kuckucksei ins Nest legten. Man eilte, schreibt dieT. A. Z.", in Versailles über die Angelegenheit hinweg es gab schließlich wichtigere Tinge zu tun und man übersah, daß die Verhält­nisse später noch schwieriger sein mußten. Wilson stol­perte mit samt seiner ganzen Politik über diese Artikel, m denen die Bundesmitglieder sich gegenseitige Hilfe gegen jeden Angriff von außen zusagten und in denen jeder Krieg einzelner Bundesmitgliedcr als den ganzen Bund angehend bezeichnet wird, Amerika zeigte die kalte Schuster. Am den Völkerbund fiel das lästge Erbe jener Versailler Weltweisen.

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis sich der Bund aus seine hehre Aufgabe besann, die ihm die Sicherheit seiner Mitglieder gegen alle Angriffe von außen anver- lraute. Auch der in Versailles als moralische Konzes­sion an die Zaungäste aus aller Welt gedachte Artikel 3 der Völkerbundssatzung mit jener ominösen Forderung nach Herabsetzung der Rüstungen aus ein Mindestmaß beunruhigte das Gewissen der Ratsmitglieder. Kein Zwei­fel, es mußte etwas geschehen. Tie Bundesversammlung von 1920 berief für 1921 eine aus Militärs, Politi­kern und Wirtschaftlern gemischte Kommission, die in Paris unter dem Vorsitz Vivianis das Abrüstungsproblem lebhaft studierte". Man beschloß, an alle Bundesmitglic- der ein Schreiben zu richten und sie um Auskunft zu er­suchen, wie sie sich eine Herabminderung ihres Militär­etats vorstellten. Tugendsame Bescheidenheit! Marschall Foch war im gleichen Zeitpunkt nicht ganz so milde ge­stimmt, und General Weygand, sein treuer Helfer, hielt es für überflüssig, hinzuzufügen, daß er den Völkerbund meinte, als er sprach:Man muß blind sein, wenn man den militärischen Geist nicht erkennt, der jenseits des Rheins die Oberhand hat!" Es blieb bei diesen Briefen und einigen nichtssagenden Antworten.

Tie Konferenz von Washington brachte die französische Politik zeitweise der Gefahr der Wrüstung nahe. Washington entstand aus ganz anderen Motiven wie die Abrüstungsklausel des Bölkerbundpaktes. Diese war als eine Geste gedacht, in Washington aber versam­melte man sich aus reiner politischer und wirtschaftlicher Notwendigkeit. Tie Fragen des Fernen Ostens ver­langten ebenso gebieterisch einen Ausgleich, - wie die auf längere Tauer wegen ihrer Kosten äbsolut undurchführ­baren Schiffsbauprogramme der angelsächsischen Mächte und Japans. Ter Einhalt im Flottenrüsten, den das politisch und wirtschaftlich bedingte Ergebnis der Washing­toner Konferenz brachte, bedeutete tatsächlich einen Schritt auf dem Wege zur Abrüstung, welche realpolitischen Zu­sammenhänge auch sonst hier mitgespielt haben mögen. Abrüstnngsidealisten der ganzen Welt verkündeten, daß Gens die andere Hälfte der Aufgabe, die Landabrüstung, erfüllen werde. Und was ist geworden?

Lord Robert Cecil ergriff die Initiative. Er wollte den Sinn des Artikels 10 der Völkerbundssatzung durch einen alle Bundesmitglieder umfassenden allgemeinen Ga- vanticpakt verwirklicht wissen. De Jouvenel, der prourpt die Gefahr für Frankreich witterte, warf das System der Einzelgarantieverträgc in die Debatte, die den Ge­lamtpakt ersetzen könnten. Das System der Einzelverträge verkehrt aber das des Kollektivvertrages geradezu in sein Gegenteil. Tie zweite Streitfrage lautete: Soll der Garantiepakt eine Vorbedingung der Abrüstung sein, oder IE ^ Abrüstung schrittweise Hand in Hand mit der Schaffung des Paktes verwirklicht werden? Den Garan- ^'.Et als eine Vorbedingung für die Wrüstung be- -'"chnen, heißt, wie die Franzosen es verstehen, sine These " der Theorie annehmen, ihre Umseüuna in die Praris

aber aus die lange Bank schieben, was hier gleichbedeutend mit verhindern ist.

In diesem Stadium der Verhandlung erfolgte jener Schachzug, der wegen seiner Raffiniertheit sich in den Genfer Annalen denkwürdiger ausnehmen wird, als alle positiven und negativen Ergebnisse langatmiger Debat­ten. Im stillen Einverständnis mit de Jouvenel brachte Lord Robert Cecil plötzlich die Reparationsfrage auf das Genfer Tapet. Allgemeines Erschrecken der be­zopften Häupter. Das Entsetzen aber legte sich sofort, als man augenblinzelnd die Absicht der Urheber dieser Idee erkannte und wandelte sich in eitel Glückseligkeit. Mit aller erforderlichen Feierlichkeit wurde die vereinigte Ro- svlution Cecil-de Jouvenel angenommen, die als Vorbe­dingung der Wrüstung die Erledigung der Reparations­frage bezeichnet, und in der sich der Völkerbund bereit erklärt, auf Verlangen der alliierten Regierungen sich mit der Reparationsfrage zu befassen. Ohne Völkerbundsbrille betrachtet heißt das:

1. Ter Bund hat sich einen hervorragenden Eindruck vor aller Welt durch seine freimütige Diskussion der bren­nendste europäischen Probleme gesichert.

2. Tie Wrüstungsfrage ist bis auf weiteres erledigt, denn die Alliierten werden, wie die Tinge heute stehen, die Reparationsfrage nicht an den Völkerbund abgeben.

Der Brand von Smyrna.

Ein italienischer Berichterstatter schildert die Brand- !atastrophe von Smyrna wie folgt:

Es schien, als sollte in Smyrna wieder Ruhe ein­lehren. Das türkische Kommando hatte den Offizieren ltrengere Weisungen erteilt, da und dort öffnete sich nieder ein Laden. Die Häuser am Quai öffneten ihre Fenster wieder, es gingen Leute durch die Straßen. Tausende von Griechen und Armeniern hatten sich in die Kirchen, Schulen, Klöster und Höfe der Italiener geflüchtet; dort erflehten sie und erhielten auch Binden in italienischen Farben. Die lottrige Pferdebahn, mit Ser die französische Quaigesellschaft seit undenklichen Zeiten das Leben von Smyrna heimsucht, fing wieder an zu Verkehren. Es schien, als sollte das Schießen aufhören. Wer weiß, vielleicht war es weiter möglich, dort zu leben... Ta, gegen Mittag, sah man Flammen­säulen von vier verschiedenen Punkten des armenischen Viertels in die Höhe steigen. Der von diesen Bränden hervorgerufene Alarm hatte zunächst die Bevölkerung nicht erschreckt. Man glaubte, der Brand könnte leicht eingedämmt werden. Als aber nach drei oder vier Stunden ganze Straßenreihen in Flammen standen und das Feuer sich in rasender Eile den europäischen Vierteln zuwandte, da bemächtigte sich der Bevölke­rung eine Panik, und die Leute flohen in Verzweif­lung vor dem Verderben. An den Orten, wo sich die Griechen und Armenier angesammelt hatten, steigerte sich die Angst noch durch die Besorgnis, sie könnten niedergemetzelt werden, wenn sie sich hinauswagten. Die Schiffe sandten sofort bewaffnete Patrouillen aufs Land. Gegen Sonnenuntergang war die ganze Stadt in Tumult und Wirrwarr. Mit unerbittlicher Schnel- j ligkeit griff das Feuer ganze Quartiere an, legte sie - mit Einsturz und hochaussteigenden Flammen in Schutt ' und Asche. Tie Decken, die Fußböden, die Treppen, ! die fast durchweg aus Holz waren ,gaben dem Feuer unerschöpfliche Nahrung. Schreckensrufe mischten sich j unter das rasende Knistern. Von Zeit zu Zeit gab r es Massenexplosionen und Einschlagen von Geschossen rings herum, worauf neue und noch eindringlichere ! Schreckensrufe folgten. Die vielen im griechischen und ! armenischen Stadtviertel verborgenen Munitionskisten flogen in die Luft. Verzweifelt suchten die Leute rn ihren eigenen Häusern ihre Angehörigen, die Kin- ! der und die Kranken zu retten, sie bemühten sich, das ; Geld, die Kostbarkeiten in Sicherheit zu bringen, und . eiligst lief man auf die Banken, um die Einlagen zu- ! rückzuholen und einander zuvorzukommen. Doch die j Banken hatten kaum Zeit, ihren Bestand an Wert- . papieren en bloc zu retten und an Bord der Schiffe zu i verbringen. Ter etwa vier Kilometer lange Quai am j Meere belebte sich mit Verzweifelten: Frauen, die mit Kindern auf den Armen geflohen waren, blut­überströmte Männer, notdürftig bekleidete Mädchen; sie alle liefen und schrien wirr durcheinander. Auf den Straßen im Innern der Stadt gesellte sich zur Angst vor dem Feuer noch die vor Metzeleien.

Was am Abend in den schon von Flammen ein-

Türe ihrer Kausiaven avgeschlachtet, wahrend sie et­was von ihrem Hab und Gut in Sicherheit bringen wollten. Das Gesindel drang in die Straßen ein, wo­hin das Feuer noch nicht gelangt war, überflutete die Häuser, griff die Männer an, verübte Greueltaten gegen Frauen, Mädchen, sogar Kinder, und gab sich dann dem Gemetzel und dem Raub hin.

Bei Sonnenuntergang ereignete sich eine besonders entsetzliche Szene. Im italienischen St. Antonio-Spital waren etwa 80 Kranke und Verwundete, die in den letzten Tagen dorthin verbracht worden waren, fast lauter Fremde. Vom KreuzerVittorio Emanuele" war ein Arzt zur Pflege dorthin beordert worden. Als das Feuer das Spital ringsherum bedrohte, heulten die ans Bett gefesselten Kranken vor Schrecken. Die Seeleute luden sie auf die Schultern, auf Bahren, und mitten durch den Tumult der aufgeregten Menge, die niemand durchlassen wollte, gelang es ihnen, sie in das Soldatenheim in der Nähe des Quais zu bringen, wo sie zunächst sicher schienen. Als aber die Seeleute mit unglaublichen Anstrengungen etwa 30 Kranke an Bord der Boote gebracht hatten, war auch das Soldatenheim von den Flammen umhüllt. Tie Seeleute gingen auch dort hinein und konnten durch Feuer und Rauch hindurch einige retten. Mehr war nicht möglich, denn die Treppe stürzte zusammen und etwa 40 Kranke kamen in den Flammen um.

Rote Glut ergoß sich über die heulende Menge, die längs der Quais angesammelt war. Alle wollten in die wenigen Boote steigen und es gab ein Gedränge. Niemand hatte Erbarmen mit dem anderen, Näch­sten, nur etwa ein Familienglied für ein anderes: Nehmt unser Mädchen mit, es ist 16 Jahre alt! Uns nicht, aber unser Kind von 16 Jahren!" und sie streckten flehentlich die Arme, damit die Seeleute es nehmen. Hintendrein drängte sich die Menge, begierig, sich zu retten, und Hunderte von Unglücklichen stürz­ten vom äußersten Rand des Quais ins Wasser. Tort sah man Hände, die über der Fläche sich wild beweg­ten, Köpfe, die verschwanden und wieder auftauchten, dann nichts mehr. An Rettung war nicht zu denken. Jeden Augenblick gab es wieder eine neue Tragödie: immer wieder ein Gedrchnge, ein Ruf und ein Fall ins Wasser. Vom Schmerz verwirrte Mütter woll­ten ihre Kinder reichen und warfen sie in die Boote: viele fielen ins Wasser, die Mütter stürzten ihnen nach, um sie zu retten, und kamen mit ihnen n:n. Eine Mutter mit einem kleinen Kinde auf dem Arme bat flehentlich, sie mitzunehmen. Doch war es un­nütz, es waren keine Boote mehr da; da warf sie sich ins Wasser und schwamm bis zurSardegna", wo sie, das Kind am Halse, ausgenommen wurde. Viele andere, die ebenfalls herüberzuschwimmen versuchten, trieben ver'weifelt im Wasser herum. Aber 200 000 Personen aus Feuer und Wasser zu retten. Leute, de­nen der Schrecken vor Metzeleien in die Glieder geiah­ten war, und die unter dem Eindruck einer einer fürch­terlichen Panik standen, das war unmöglich.

Viele brachen in ein Gelächter aus, als sie am Quai angelangt waren; sie waren verrückt geworden. Einer kam am Hemd dorthin; er setzte sich ans User, schoß sich eine Revolverkugel in den Kopf und fiel um. Aber soll man diese einzelnen Schreckensszenen aus­malen? Das Ganze war eine fürchterliche Tr-' ie.

Als wir mit zwei Offizieren desVittorio Ma­nuele" an Bord gingen, da hatte der Brand, der seit vier Tagen gedauert hatte, noch da und dort ausge­dehnte Nahrungsstellen. Aber Smyrna war eine ein­zige Ruine von Häusern und ein großer Kirchhof. Von Smyrna ist sozusagen nichts mehr da: ein paar Quartiere, ein paar Vorstädte, lieber 250 000 Personen sind obdachlos; Massakres, Brände, das Wasser ha­ben über 10 000 Opfer gefordert. Unermeßliche Reich- tümer sind verloren gegangen. Zerstörung ohne Ende! Wer hat Smyrna angezündet? Eine schreckliche Frage, vor deren Beantwortung man zurückbebt.

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Der neue Getreidepreis.

Berlin, 5. Okt. Der Beschluß des Reichskabinetts, die Preise für Umlagegetreide,zu verdreifachen, hat die erste grobe ^ ' mieriqkeit in dieser Frage über­wunden. Nach demLok.-Anz." haben die sozialistischen Minister einer Erhöhung der Umlagepreise im Prinzip zugestimmt, sich jedoch zunächst gegen die vom Reichs- ernährungswinister vorgeschlagene Verdreifachung der Preise gewandt. Tie Zustimmung der sozialistist wn Minister zu dem neuen Gesetzentwurf über die Oie­

gehüllten Quartieren sich zutrug, das übersteigt alle treideumlage ist schließlich unter der Voraussc -mg

Einbildungskraft. Vom Schrecken verstörte Leute stürz- erfolgt, daß die Regierung über die Gestaltung s>es

ten heraus, und auf den Treppen, unter den Türen., auf künftigen Brotpreises die Vertreter der Gewerkschaften

den Straßen griffen Verbrecherbanden die Unglücklichen z hört und mit den Zentralarbeitsgemeinschaften über an. Waren es Armenier, waren es Griechen? Tann eine Anpassung der Gehälter und Löhne an den neuen

machten sie sie nieder. -Handeltreibende wurden an der ! Brotvreis verkandelt.