228. Amts- und Anzeigeblatt für den OderamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: «mal wöchentlich. Snzeigenprel«: Im vberamts« bezirk Lalw für di« einspaltige BorgtSzeile 10 Pfg.. außerhalb desselben IL Psg., Reklamen 25 Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

Dienstag, den 3V. September 1913.

Amtliche Bekanntmachungen

K. Oberamt Calw.

Bekanntmachung,

brtr. Besorgung des oberamtsiirztlichen Dienstes im Bezirk

Calw.

Nachdem der K. Oberamts-Arzt, Herr Medizinalrat Or. Müller hier, seinem Ansuchen gemäß mit Wirkung vom 1. Ok­tober d. Js. an in den Ruhestand versetzt worden ist, werden bis aus weiteres die wichtigeren Amtsgeschäfte eines Ober­amtsarzt von Herrn Oberamts-Arzt Or. Harbin in Neuen­bürg, die sonstigen Amtsgeschäfte eines solchen vom Herrn Distriktsarzt Or. Mezger in Calw wahrgenommen. (Zu vergl. auch oberamtl. Bekanntm. vom 6. Juni d. Js. im Calwer Tagblatt Nr. 129.)

Den 29. Sept. 1913.

Reg.-Rat Binder.

Englisch-irische Sorgen.

Irland steht vor einem Bürgerkrieg. Von der Regierung ist Irland Home Rule, d. i. Selbstverwaltung, zugestandcn worden. Dagegen wehren sich die Konservativen mit allen Mitteln und dagegen wehren sich aufs Erbittertste die nur ein Viertel der Bewohner Irlands ausmachenden Protestanten. Diese wohnen in der Hauptsache im Norden des Landes in Ulster um Belfast. Die Ulsterleute wollen sich nicht von der irischen katholischen Mehrheit verwalten lassen und haben in ihrem Führer, dem Rechtsanwalt Carson, einen hinreißend kühnen Vorkämpfer für ihren Widerstand. Wie wir schon mit- geteilt haben, organisierte dieser Carson ein Freiw. Union­korps und eineVorläufige Regierung'", um das Ulsterland von dem neuen irischen Parlament völlig unabhängig zu hal­ten. Was ihm aber nicht so leicht gelingen dürste. Der Sekretär im Handelsamt, Robertson, hielt in Newcastle eine Rede, worin er u. a. sagte: Sir Edward CarsonsVorläufige Regierung" ist praktisch eine Unmöglichkeit. Al­lein schon der Postdienst würde sich als der heikle Punkt der ganzen Lage erweisen, denn die britische Postverwaltung würde in keine Verbindung mit dieserRegierung" treten, und Belfast würde dann von der ganzen übrigen Welt ab­geschnitten sein. Sir E. Carson ist nicht gerichtlich verfolgt worden, wie auch die Anhänger des Frauenstimmrechts nicht, weil die Regierung nicht aus einemKönig" Carson einen Heiligen" Carson machen wollte. Sir Edward mit all seiner Prahlerei hat sich doch fürsorglich innerhalb des Ge­setzes gehalten und es würde unklug sein, ihn wegen seines leeren Geschwätzes zu verfolgen. Ein weiteres Regierungs- Mitglied, der Lordadvokat von Schottland Alexander Ure hielt in Uphall bei Edinburgh eine Rede, worin er vorschlug, daß dievorläufige Regierung" Carsons gegebenenfalls von den Banken ebenso behandelt werde wie eine zahlungsunfähige südamerikanische Republik, dann würde diese Regierung in wenigen Wochen zusammenbrechen. Wenn die Konservativen die Herrschaft der Belfaster Extremen abschütteln wollten, so würde die Regierung bereit sein, mit ihnen über die Frage einer stärkeren Vertretung Ulsters im irischen Parlament zu verhandeln, und die Regierung würde dann auch dem Vor­schlag, daß Ulster in den Angelegenheiten des Unterrichts und der Religion volle Selbständigkeit erhalte, ein geneigtes Ohr leihen. Er freue sich, Anzeichen zu sehen, wovon er hoffe, daß sie im Lauf der nächsten Woche zu einer gemeinschaftl. Besprechung und zu einem freundschaftlichen Mittelweg füh­ren würden. Carson hielt am "27. Sept. in Belfast eine Parade über die Freiwilligen von Ulster, wobei er sagte. Angesichts des glänzenden, überwältigenden Machtaufgebots, das ich vor mir habe, bin ich überzeugt, daß es imstande wäre, erfolgreich eine vorläufige Regierung aufzurichten." Er ver­sprach den Freiwilligen, daß Homerule niemals kommen werde, solange sie festbleiben. An der Parade nahmen vierzehn Ba­taillone Freiwilliger von Ulster teil. Anstatt des üblichen Ehrensaluts brachten sie drei Hurrarufe auf das Vereinigte Königreich aus, während gleichzeitig eine große Unionjack- flaggc entfaltet wurde. Die Freiwilligen und die Zuschauer sangen die Nationalhymne. Die Parade wurde von dem in­aktiven General George Richardson befehligt. Bataillonskom- mandeure waren inaktive Offiziere des Heeres und der Miliz­offiziere. Einen Ausweg aus der kritischen Lagt schlägt der irische Dichter Bernhard Shaw vor, indem er Ulster an

England angliedern will. Er schreibt:Der Ulster Pro­testant glaubt, daß das, was er Papsttum nennt, seinen Cha­rakter zerstören und ihn selbst schwach und wertlos machen würde. Ihn: bedeutet Katholik soviel wie Lügner, Faullen­zer und Priesterdiener. Er mag selbst alle die Fehler besitzen, deren er die Katholiken anklagt, und der Sklave eines Unter­nehmers sein, dessen freche Räuberei und Gleichgültigkeit den Interessen seiner Arbeiter gegenüber kein Priester den Mut hätte nachzuahmen, aber das geniert ihn nicht weiter: sein Thema sind die Fehler des Nachbars, nicht seine eigenen, und sv kämpft er deshalb nicht nur als Fanatiker, sondern auch als ernster Moralist. Warum sollte man also diese ultraprotestan­tische Ecke Ulster nicht zu einem Anhängsel von England machen? Es würde keine Schwierigkeit geben, die Grafschaft Down Downshire zu nennen, sie an Cheflre anzuschließen und den englischen Regierungsbehörden, den englischen Schulbe­hörden usw. zu unterstellen. Diese Ordnung der Dinge würde den Vorteil einer fertigen anglikanischen Kirche in sich schlie­ßen. Ulster würde dann von England nicht verraten und verlassen werden. Würde englischer sein als je. Würde nicht nur mit England verbunden, sondern geradezu einheitlich ver­schmolzen sein.

Stadt, Bezirk ««d Nachbarschaft

Talw, 30. September 1913.

Herbst-Hauptprobe der Feuerwehr.

Wirbelnder Trommelschlag durchhallte gestern nach­mittag 5 Uhr die Sraßen der Stadt und rief die feuer­wehrpflichtige Bürgerschaft zum Sammelpunkt nach der Salzgasse vor die Eeräteräume. Bald waren die Mann­schaften in blanker, funkelnder Ausrüstung versammelt und harrten in langer Front des Befehls zum Abrücken nach dem Brühl, wo das gesamte Korps mit seinen Lösch- und Rettungsgeräten auf seine Leistungsfähigkeit hin geprüft werden sollte. Für diese gestrige Haupt­probe hatte sich der Bezirksfeuerlöschinspektor, Oberamts- baumeifter R i d e r e r - Calw, angesagt, und ihr wurde deshalb von Feuerwehr und Einwohnerschaft mit Recht erhöhtes Interesse zugewandt. Die Stadtkapelle führte kurz nach >66 Ahr das Korps, zusammen mit der Sa­nitätskolonne, in langem Zuge und schneidigem Marsch­tritt zum Brühl. Dort vollzog unter Assistenz des Kommandanten Dreiß, im Beisein von Stadtschultheiß Conz und Stadtbaumeister König der Bezirksfeuerlösch­inspektor die Besichtigung. Auch die Zuschauer, die in großer Zahl dem abwechslungsreichen Schauspiel an­wohnten, und unter denen selbstverständlich die Buben eine gewichtige Rolle spielten, erhielten den Eindruck, daß diese Besichtigung gründlich vor sich ging. Einige Kompagnien mußten unter den Augen des Inspizieren­den Geräteübungen vornehmen. Dann, nach erfolgter Mannschafts- und Eerätevorführung hatte das Korps die Hauptaufgabe des Abends zu lösen. Es war angenommen worden, daß das Frohnmayersche Haus Ecke Badgasse brenne und der Wind treibe die Flammen auf das Gebäude von Pfannkuch u. Cie. zu. Rasch und umsichtig hatte hier nun die Feuerwehr ein­zugreifen und im Augenblick war das Vrandobjekt unter Wasser genommen. Aus dem Innern desselben mußten Verwundete gerettet werden, die von der Sanitäts­kolonne in Behandlung genommen wurden. Sicher und mit der Ruhe, die den geschulten Feuerwehrmann ver­rät, ging der Angriff und die Bewältigung des Feuers vor sich. Die Umstehenden konnten erkennen, daß wir in Calw ein tapferes, diszipliniertes Feuerwehrkorps besitzen, das sich selbst, seinen Führern und der Stadt alle Ehre macht. Es war 7 Uhr geworden, bis das Signal zum Abbruch der Uebung geblasen wurde. Von 280 Mann, die das Korps zählt, machten 227 die Uebung mit. Nachdem alsdann die Geräte an ihren Aufbewah­rungsort geschafft waren, zog das Korps zur Gene­ralversammlung nach demBad. Hof". Dort nahm Kommandant Dreiß das Wort zur Begrüßung und forderte die Kameraden auf, zum Gedächtnis an den durch den Tod verlorenen Hauptmann der 3. Komp., Schuhmachermstr. Sattler, sich von ihren Sitzen zu er­heben. Darauf sprach sich Bezirksfeuerlöschinspektor R i - derer über den Verlauf der Uebung aus. Er rechne

Bezugtprels: In der Stadt mit Lrägerlohn Mk. 1.25 vierteLjühriich. Post- LezugSpreis für den Ort-- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. ILO. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.» in Bayern und Reich 42 Pfg.

es sich zur Ehre an, in der Mitte der Feuerwehr zu weilen, um über die stattgehabte Uebung sich auszu­sprechen. Er hatte Gelegenheit, am Samstag abend den Uebungen der 1. Komp, anzuwohnen und hat über die Schulübungen mit den beiden mech. Leitern und Bock­leitern sehr guten Eindruck gewonnen. Der Eesamtein- druck der heutigen Uebung auf ihn war ein sehr guter u. er hatte über die Schulübung der 4. Komp, nur ein Lob. Er begrüßte auch die Sanitätskolonne, daß sie ausgerückt ist, um nöt. Falls bei Unglück bei der Hand zu sein und wünschte der Feuerwehr auch künftig alles Gute. Stadtschultheiß Conz war auch anwesend. Der Abend wurde ausgefüllt durch Musikvorträge von der Stadtkapelle, auch die Rede eines Feuerwehrmannes von der 7. Komp, trug zur Erheiterung bei.

Noch ein Wort über den Wettgesang in Tübingen.

Die Kritik des Preisgerichts über den Preisgesang des Licderkranzes Calw, die wir in der gestrigen Nummer ab­druckten, ist nach zwei Seiten hin bemerkenswert und verlangt geradezu, daß diese in einer so sangesfreudigen, musikalischen Stadt wie Calw und in Bezug auf den preisgekrönten Verein sowie dessen Vorrang vor andern Vereinen in der Nähe und im übrigen Württemberg besondere Hervorkehrung erfahren. Der Beurteilung der einzelnen Leistungen der Abteilungen IIV, über die Professor Wörz-Tübingen Bericht erstattet, ist eine Reiheallgemeiner Bemerkungen" vorangestellt, die sich mit dem Stimmenmatcrial, der Tonbildung, der Auswahl der Wettgesänge, der geistigen Auffassung der Chöre durch die Vereine, die harmonische Reinheit, Rhythmus usw. usw. be­schäftigen. Dabei heißt es unterAuswahl der Wettgesänge": In der Auswahl der Wettgesänge ist eine Wendung zum Bessern unverkennbar gewesen. Man mußte freilich vor allem in der Abteilung II (gehob. Volksgesang, in der der Liederlr. Calw sang) auch Heuer eine Anzahl minderwertiger Chor- erzeugniffe an sich vorbeiziehen lassen, für die man sich mit dein besten Willen nicht erwärmen konnte." Und alseine Frage und Mahnung zugleich" ist bemerkt, ob die Vereine der drei oberen Abteilungen des Preisgesanges nicht auf die Vorfüh­rung alter, wenn auch erprobter, so doch abgesungener Män­nerchöre verzichten möchten. Sie sollen nach brauchbarem Neuem forschen, das keineswegs so rar sei, als man annehme. Es gehöre zur Vorführung neuer Liederspenden nur ein biß­chen Mut. ... Betrachtet man diese Anregungen und Wünsche in Bezug auf den Liederkranz Calw, dann darf der sich rühmen, gerade auch sie in befriedigendster Weise erfüllt zu haben. Und damit ist dem Vereinsdirigenten, Rektor Beutel, ein außerordentlich gutes Zeugnis ausgestellt. Zunächst darum, weil der von ihm gewählte Chor ganz sicher zu den Chören der Abteilung II gehört, die musikalisch zu den edelsten Gaben der neueren Männerchorliteratur zählen; er hat ferner das Wagnis unternommen, in diesem einen Chor vorzutragen, der noch auf keinem Liederfest Württembergs erklungen ist und hat damit eben den Mut gezeigt, den die Kritik in »er Hauptsache an den Gesangsdirigenten vermißt denn der Dirigent ist maßgebend für die Wahl des Preischores. So mußte schon im Hinblick auf Qualität und Neuheit des Cho­res beim Preisgericht ein guter Eindruck aufkommen. Was schließlich das Können des Liederkranzes im Verhältnis zu den mitkonkurrierenden Vereinen der Nachbarschaft angeht, so ist ein Vergleich mit den gegenseitigen Kritiken nicht ohne Interesse. Ueber den L i e d e r k r a n z N a g o l d, der als 8. unter den mit dem 2. Preis ausgezeichneten Vereinen der Abtlg. II aufgeführt ist, ist gesagt, daß die Leistung in tech­nischer Beziehung zu keinen Ausstellungen erheblichen Anlaß gegeben habe,freilich hatte sich der Vereine eine ziemlich einfach zu lösende Aufgabe gestellt. Das Stimmen­

material ist ja wohl nicht hervorragend, immerhin ließe sich unsres Dafürhaltens durch regelmäßige Uebungen noch man­ches erreichen." Am Neuenbürger Namensvetter setzt der fachmännische Kritiker aus: Die Sänger taten, was sie konnten, sodaß schwere Verstöße in keiner Rubrik vermerkt sind. Dcw Gesamteindruck war ein 2. Preis angemessen . . . Habe der 1. Tenor das erstemal das h noch leidlich heraus­gebracht, so sei es ihm in Strophe 2 völlig verknallt. Durch­schnittlich sei eine befriüiigende Leistung erzielt worden. In derselben Abteilung, wie die genannten Vereine, sang auch der Sängerbund Birkenfeld, der mit dem