Der Friedensapostel Carnegie. In derZukunft" liest man: Von den Goldmachern der Vereinigten Staaten ist mir Herr Andrew Carnegie der unange­nehmste. Das Gehabe des Friedensglöckners ist widrig. Carnegie war Weberlehrling, Depeschenboy, Laufbursche: und hat tausend Millionen Mark in seine Speicher ge­häuft. Ließ er sich stets nur von der evangelischen Milde bedienen, die er heute den Völkern predigt? Er hat, schmunzelnd, den Stoff zu Panzerplatten und an­derem Kriegsgerät geliefert, mit Gewalt und List Männer vom Wuchs Rockefellers und Morgans in sei­nes Willens Richtung gezwungen, unzählige Schwächere überrannt und sich überall als den gerissensten, mit allen Salben geschmierten Geschäftsmenschen bewährt. Wähnt ein Nüchterner noch, daß mit knoxischer Bibel­moral in der Linken und einem Milchkübel voll un­gewässerter Menschenliebe in der Rechten tausend Mil­lionen zu säckeln seien? Carnegie hat, auf seine Kauf­mannsweise, anderthalb Menschenalter lang Krieg ge­führt' um allen Stahl der Vereinigten Staaten in seine Hand zu raffen; um in der Wahlheimat der mächtigste Mann zu werden. Jetzt hat ers längstnicht mehr nötig," lebt fern vom Geschäft und schleudert Bann­bullen wider alle Nationen, die ihren Willen zur Macht nicht einurnen. Wir, schlau frömmelnder Schotte, haben's noch nötig; sind nicht Raufbolde, doch auch nicht Dummköpfe, die sich selbst in Vertragsstricke schnü­ren und aus freiem Willen entmachten, entmannen; und dem Deutschen Reich handelt sich's um Beträcht­licheres als um eines einzelnen Reichtum und Tyrannis. Alfred Nobel, der aus dem Verschleiß von Sprengstoff Millionen zog, und Stahlkroisos Carnegie: die Oel- zweigschwenker haben sonderbare Patrone. Junge Buhl- lust erkaltet in Betschwesternsittsamkeit. Wir wollen unser nationales Geschäft so stark, so kühn und klug führen, wie Carnegie sein personales geführt hat. Vor­bild mag er uns sein; als Moralprediger heitert er uns. Und wir dürfen ihn nicht im Zweifel darüber lassen, daß ein Hohenzoller, der sich in dem Wunsch neigte, dem schottisch karrierten Rat zu folgen, nach Je­richo gondeln und dort seines Bartes Wachstum ab- warten könnte, aber der Ehre entsagen müßte, im Reich deutscher Menschen Kaiser zu sein.

Aus Höhen und Tiefen.

Waldlied.

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:

Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,

Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;

Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,

Die Zeit der Liebe ist verklungen,

Die Vögel haben ausgesungen,

Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,

Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,

Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir, als hör' ich Kunde wehen,

Daß alles Sterben und Vergehen Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.

Nikolaus Lenau.

Erzähle uns doch etwas!"

Erzählen ist wie ein stärkendes Eeiftesbad, es ist eine Uebungsschule des Geistes und der Kräfte, eine Prüfungsschule des Eigenurteiles und des Eigengefüh­les. Deshalb ist aber auch echtes, so wirkendes Erzählen nicht leicht; denn der Erzähler muß das Leben ganz in sich aufnehmen, es ganz frei in sich leben und wirken lassen. Er muß es ganz und unverkürzt wiedergeben.

Das Erfassen und von dem Leben (Inhalt der Er­zählung) erregt sein, dies ist es, was den echten Erzäh­ler macht. Darum erzählt nur die Jugend und das Alter gut. Es erzählt auch die Mutter gut, die nur in und mit dem Kinde lebt und jetzt nur die Sorge kennt, das Leben desselben zu pflegen.

Die Begründerin des Allgemeinen Kindergärt­nerinnenvereins, Eleonore Heerwart, eine eifrige An­hängerin Friedrich Fröbels, hat dessen Grundsätze in ih­rer im Verlage von I. I. Weber in Leipzig erschienenen Einführung in die Theorie und Praxis des Kinder­gartens" (-K 2.50) u. a. wie folgt niedergelegt:

In der Erzählung soll das Kind sich selbst oder die Außenwelt wie in einem Spiegel sehen; eine Tat, eine Begebenheit wird ihm in Worten geschildert, von der es sich ein Beispiel nehmen, einen Begriff bilden soll, von dem was andere tun. Das Kind belebt mit seiner Einbildungskraft leblose Dinge und verleiht den Tieren Sprache; darum sind Fabeln verständlich für das Alter von drei bis fünf Jahren. Wenn der Eefühlskreis sich erweitert, folgen dann Märchen und wahre Geschichten, aber doch nicht zu schnell hintereinander; das in Worten gegebene Bild muß Zeit haben, in das Gemüt und in das Gedächtnis einzudringen. Märchen sind wie Süßig­keiten, die in Menge gegeben die Verdauungskraft stö­ren. Das Wortbild muß eine Vorstellung von dem Er­zählten geben; kommen deren zu viele, so verwischen sich die Vorstellungen, und die Begriffe werden unklar.

Wenig, klar und einfach sei auch hier die Re­gel, bis die Fassungskraft mehr aufnehmen kann. Auch für Erzählungen gibt es eine Stufenleiter, die mit den .Entwickelungsstufen des Kindes parallel gehen muß, und weil Sprache das Mittel bildet, so ist der Umfang von des Kindes Sprachkenntnissen der Maßstab für den Umfang der Erzählung. Wenn das Kind der Erzäh­lung nicht folgen kann, so ist die Mühe vergebens; nach und nach dürfen die Eeschichtchen länger werden, und wenn das Kind auch nicht jedes Wort begreift, so ver­steht es doch den Zusammenhang. Die Probe, ob das Kind die Erzählung in sich ausgenommen hat, ist, daß man es anregt, sie wieder zu erzählen oder Fragen zu stellen. Da ist man erstaunt, wie wenig man zu hö­ren bekommt; man wird daher kürzer und einfacher er­zählen müssen; oft auch liegt es an dem Ton, der Aus­sprache, dem Inhalt, daß das Kind nicht viel behalten hat; dann tadele man es nicht, sondern sich selbst, und versuche es besser zu machen. Nach einem im Kinder­garten erzählten Geschichte von einem Affen wurde ge­fragt: Wer will erzählen? Ein Knabe von fünf Jah­ren erbot sich und faßte das Gehörte zusammen:Er brach sein Bein und nahm es mit nach Hause." Es hatten nur zwei Dinge augenscheinlich Eindruck gemacht; alle Zwischenglieder fehlten, und die Handelnden, Per­son und Affe, waren verwechselt worden; darum ist es nötig, die Erzählung an einem der folgenden Tage zu wiederholen und den Knaben wieder aufzufordern, um den Fortschritt seiner Auffassungsgabe zu beobachten.

Wie gern Kinder von anderen Menschen hören, ist ein Beweis, daß sie lernen wollen, wie es in der Welt zugeht; sie bekommen dann einen Maßstab für ihr eige­nes Tun. Man hat darum eine Macht in Händen, und kann die Kinder zum Nachahmen anregen, was sie auch schon von selber tun, indem sie das Erzählte aufführen und zwar gern die Heldenrolle übernehmen.

Bei der Wiederholung darf man nichts ändern; den Kindern fällt es sofort auf und der Eindruck wird durch die Ungenauigkeit abgeschwächt. Der Erzählende darf nicht gleichgültig sein, sondern muß sich mit dem Stoff verwachsen fühlen, darum bereite man sich gründ­lich vor. Anfänger tun wohl, die Geschichte auswen­dig zu lernen, um sie beim Erzählen beherrschen zu können. Die Probe, ob die Geschichte, Fabel, das Mär­chen Eindruck macht, ist der Ausdruck in den Augen der Kinder und ihre Haltung während der Erzählung. Sind die Kinder unruhig, schläfrig oder gleichgültig, so hat man überhaupt eine schlechte Zeit gewählt; es gehört etwas Vorbereitung seitens der Zuhörer dazu, um auf­merksam und still zu sein. Nach einem Bewegungs­spiel oder Spiel im Freien sind die Kinder zu lebhaft; früh am Morgen ist ihr Geist frisch zum Aufnehmen, und in der letzten Stunde nachmittags sind sie gesam­melt; zu Hause eignet sich die Dämmerstunde sehr gut zum Erzählen.

Mit Kindern bis zum dritten Jahr plaudert die Mutter; sie läßt das Püppchen, Kätzchen, Vögelchen zum Kinde sprechen und knüpft Spiele an die Unterhaltung, wie es Fröbel in den Mutter- und Koseliedern gezeigt hat. Nach und nach, wenn das Kind im vierten Jahr steht, nimmt die Plauderei feste Form an; Fabeln in Form von kleinen Gedichten und kurze Erzählungen sind dann passend für die Stufe; so wachsen Inhalt und Um­fang mit dem Kind, und der Sprachen- und Jdeenkreis wird größer. Wir sehen in den Anfängen schon das Ziel vor Augen; denn die Sprache ist es, die den Weg zu den Wissenschaften führt; und weil von Anfang an der Ton und der Ausdruck durch das Ohr auf das Gemüt wirken, so haben wir wiederum in der Erzählung ein allseitiges Bildungsmittel, denn sie beeinflußt den Willen, das Tun, das Denken, den Verstand, das Füh­len, das ganze Eemütsleben und somit alle Seiten des Kindes.

Die alten, gemütlichen Weinstuben, in denen we­nig Menschen an hölzernen Tischen einen guten Tropfen tranken, sterben aus, sagt Erich Schlaikjer im Türmer: Die großen, protzigen Weinrestaurants mit den ewig weißgedeckten Tischen, als wäre der Mensch nur zum

Esten da, beherrschen das Feld. Durch die neuen, großen Weinrestaurantsflutet" das elektrische Licht. In Wirk­lichkeit brennt es mit unbarmherziger Helle auf weiß- gedeckte Tische hinab; in Wirklichkeit mutet es den Nerven eine neue peinliche Anstrengung zu; in Wirk­lichkeit scheucht es allen Schatten und damit alles Leben aus dem Raum. Denn alles Leben ist Licht und Schat­ten. Die modernen, protzigen Weinrestaurants sind gut für alles, was gesehen werden will: seien es nun die Brillanten der Frau Kommerzienrätin oder der Pa­riser Hut der Frau Bankier oder der neue Liebhaber in einem Londoner Frack. Aber sie sind schlecht, wenn man die Welt und den lauten Tag vergessen will. Denn sie sind schwatzhafter als selbst de Welt und greller als selbst die Sonne. In den alten Weinstuben war es anders. Hier war es immer etwas dämmerig, denn das Auge mußte von Eindrücken verschont bleiben, wenn das Gehirn sich erholen soll. Die alten Weinstuben wuß­ten, daß Goethe Eckermann gegenüber das Auge den gewaltigsten Sinn" des Menschen nannte, und sie wußten, daß man diesen Sinn nicht mißhandeln darf, wenn man zu einiger Beschaulichkeit und zu einiger in­nerer Ruhe beim Wein gelangen will. Aber sie machten von ihrem Wissen gar kein Aufhebens. In den alten Weinstuben gab es halbdunkle Winkel, in denen eine einsame Flamme zu einsamen Gedanken leuchtete. Wenn in einem modernen Weinrestaurant ein halbdunkler Winkel entdeckt würde, würde der Geschäftsführer sich aus Verzweiflung an seinen Fähigkeiten aufhängen. Und wenn eine Stimmung der Einsamkeit entstünde, würde die Aktiengesellschaft pleite gehen, die das Lokal begründet hat. In die alten Weinstuben kam man in dem Anzug, in dem man vom Arbeitstisch aufstand. In den modernen, protzigen Weinrestaurantserscheint" man in glänzender Toilette. Wenn ein Dichter der al­ten Zeit sich hierhinein verirren sollte, würde ihn der Kellner mit der Bemerkung Hinausweisen, daß hier das Hausieren verboten sei. In den alten Weinstuben saß man allein, und selbst wenn man zu zweien saß, war jeder mit seinem eignen Wein und seinen eignen Ge­danken beschäftigt. Es entstanden künstlerische Phan­tasien in diesen stillen Stunden. In den modernen Weinrestaurants setzt sich eine Horde um den Tisch, stürzt sich auf die Speisekarte und das Esten und plappert jeden stillen Gedanken tot. Mandenkt" die Neuig­keiten der Abendausgabe. Die alten Weinstuben ster­ben aus. Und ihre Gäste auch . . .

SonntagsgedanLen.

Wenn es irgendwo einmal kracht und ächzt im Bau der Gesellschaft und die Fugen sich lockern, so könnte ihr sicher sein, es kommt daher, daß an irgend einer Stelle nicht genur Dankbarkeit sitzt. Wenn es im Leben der heutigen Menschheit so sehr an Freude fehlt, so kommt dies auch daher, daß die Dankbarkeit in so vielen Herzen, in weiten Kreisen erloschen

ist. F. W. Förster.

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Mach' anderen Freude! Du wirst erfahren, daß Freude freut. Bischer.

Lustsige Ecke.

Aus der Schule. Ein Vater schrieb folgende Entschul­digung:Meine Tochter hat zwei Tage gefehlt, weil sie nicht in ihren rechten Stiefel hineinkriechen konnte, heute morgen hat sie es endlich fertig gekriecht und da kommt sie wieder." Eine um ihre Gesundheit überaus besorgte Lehrerin schickt eine Schülerin, deren Mutter angeblich krank zu Bette liegt, mit dem Auftrag nach Hause, sie müsse es vom Vater brin­gen, ob ihre Mutter nicht etwa eine ansteckende Krankheit habe. Auguste kommt wieder und überreicht folgendes Schrift­stück:Geehrtes Freilein! Sie haben mir meine Tochter Auguste zu Hause geschickt, weil Sie vermuten und fürchten, die plötzliche Krankheit meiner Frau sei eine ansteckende. Be­ruhigen Sie sich nur darüber, es ist dem nicht so. Meine Frau hat nur einen gesunden Knaben bekommen und hoffentlich ist das nicht ansteckend für Sie, geehrtes Freilein."

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

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