Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Sta-t. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirks Nagold, Calw und Freudenstadt
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M. rot.
Wtensteig, Freitag de« 1. September.
Jahrgang LS»
An unsere Leser!
Eine Katastrophe ist über die deutsche Presse hereingebrochen, die alle bisherigen Erscheinungen der Zeitungsnot in den Schatten stellt. Ein Unglück, dessen Auswirkung sich noch nicht abschätzen läßt, das aber tief einschneiden wird nicht nur in die Wirtschaftslage der Zeitungsbetriebe, sondern auch in die gesamten kulturellen Verhältnisse unseres Vaterlandes.
Der Papierpreis, der vor dem Krieg 20 bis 21 Pfennig für das Kilo Zeitungspapier betrug, war schon für den Monat August auf 28 Mark, also aus das Hundertvierzigfache gestiegen. Jetzt teilt der Verband deutscher Druckpapierfabriken den Zeitungsverlegern mit, daß vom 1. September ab ein Papierpreis von wenigstens 70 Mark für das Kilo verlangt werden müsse. Das ist rund gerechnet das Dreihundertfünfzigfache des Vorkriegspreises!
Berechnet man aber, in welchem Ausmaß die Bezugspreise der Zeitungen gesteigert werden müßten, wenn sie mit den Papierpreisen gleichen Schritt halten wollten, so wird leicht festzustellen sein, daß die nunmehr eintretenden ganz ungewöhnlichen Preise für den Bezug einer Zeitung beim besten Willen nicht anders zu gestalten sind. Schweren Herzens müssen die Zeitungsverleger solche Entschlüsse fassen, weil ihnen unter dem Zwang der bestehenden Zustände zu ihrem tiefsten Bedauern keine andere Wahl bleibt und, ihnen keinerlei wirksame Hilfe zuteil wird. Im Gegenteil: das Holz aus den staatlichen und privaten Waldundungen — der Hauptbestandteil des Papiers — wird immer weiter zu wahrhaft unerhörten Preisen Hinaufgetrieben.
Die Leser unserer Zeitungen, die mit dem von ihnen zu entrichtenden Bezugspreis in den meisten Fällen lediglich den reinen Papierpreis, oder gar den nicht einmal, decken, werden um verständnisvolle Würdigung der geschilderten katastrophalen Lage gebeten. Das feste Band, das die Leserschaft mit den Zeitungen verbindet, darf nicht gelockert werden, und wir sind sicher daß die viel gerühmte schwäbische Treue sich auch in diesen kritischsten und sorgenvollsten Wochen der Zeitungsnot bewähren wird.
Der Borftemd
de- Vereins württ. Zeitung-Verleger.
Aus der Geschichte des Dollars.
Ter Dollar spielt heute in unserem Leben eine ebenso ungeheure wie verhängnisvolle Rolle, und man kann wohl sagen, daß niemals eine Münze so einschneidend in das Schicksal eines großen Volkes eingegriffen hat, wie dieses Geld, das heute jeder im Munde führt. Dabei dürften nur wenige von denen, die dent Dollar bei ihren Geschäften eine so große Rolle zuschreiben, jemals einen Dollar in der Hand gehabt haben, und noch viel weniger werden wissen, daß dieses Wort, das einen so magischen Klang gewonnen hat, nur eine Umgestaltung des guten, alten ehrlichen deutschen Talers ist. Ter alte Taler, der bereits vor den Zeiten Kaiser Karls V. geprägt wurde, ist der eigentliche Ahne des Dollars, der in seiner Geschichte auch so manche trüben Schicksale verzeichnet, bevor er zum unumschränkten Herrscher der Welt wurde.
Tie ersten Ansiedler in Amerika brachten nur wenig Geld mit sich; sie führten aber dann ihrem Lande einige Münzwerte zu durch- den Handel mit den westindischen Inseln. Tort war hauptsächlich eine spanische Münze im Umlauf, die ursprünglich! von dem deutschen Taler herstammte und „Dollars" genannt wurde; damit hatte man nämlich das Wort Taler ins Spanische übertragen. Ter Taler hatte bei seiner Wanderung durch die Welt die verschiedensten Werte angenommen. Um nun diesen spanischen Taler vom deutschen und holländischen Taler M unterscheiden, wurde das 8-Zeichen, mit dem dieser Dollar bezeichnet wurde, mit zwei Linien durchstrichen. Daher stammt das noch heute übliche Dollarzeichen. Tiefer von den westindischem Inseln herkommende Dollar erlangte nicht gleich die herrschende Stellung in dem Geldwesen des jungen Landes. Tie einzelnen Kolonien Men zunächst Papiergeld aus, und erst nach der Begrün- »>ma des amerikanischen Staatswesens,ging man zum
Prägen von Gold-, Silber- und Kupfermünzen über. Auch andere Länder übernahmen diesen spanischen Dollar. Ter alte spanische Goldpiaster, ebenso wie die amerikanischen Piaster wurden in Amerika „levantinische Dollars" genannt. Dem Silberpiaster war der Silberdollar sehr ähnlich; der zuerst in den Vereinigten Staaten im Jahre 1785 zur gesetzlichen Münzeinheit erhoben wurde. Dieser Silberdollar blieb die Münzeinheit bis 1873, in welchem Jahre der Kongreß den Golddollar für die Grundlage des amerikanischen Geldes erklärte, und so ist es bis heute geblieben.
Vorher hatte der Dollar aber im Anschluß an den finanziellen Niedergang durch die Sezessionskriege eine sehr schlimme Zeit durchzumachen, die manche Aehnlichkeit mit dem jetzigen Schicksal unserer Mark ausweist und aus der wir den Trost schöpfen dürfen, daß es auch bei uns einmal wieder besser werden wird. In den Jahren nach diesen Sezessionskriegen herrschte der Papier-Dollar jo unumschränkt, wie bei uns die Papiermark, und seit 1862 war das Papiergeld der Union die alleinige Währung; nur Kalifornien behielt den Golddollar bei. Ter Papierdollar wurde immer mehr entwertet und 1864 bekam man für 100 Golddollar 285 Papierdollar. Erst als zu Anfang 1879 die Regierung der Vereinigten Staaten die ausgehobene Bareinlösung des Papiergeldes wieder einsührte, hob sich der Wert des Papiergeldes wieder.
Eine besondere Form des Dollars, der Carolusdollar, hat noch lange seine spanische Herknust bewahrt. , Go wurde nämlich der spanische Piaster im fernen Osten genannt, wo er vielfach nachgeprägt wurde, geradeso wie die alten Maria-Theresien-Taler, den Oesterreich zu Han- belszwecken für einzelne afrikanische Völker prägte. Heute ist der Carolusdollar fast überall durch den amerikanischen Dollar verdrängt.
„Ihr Gott".
T-es Dollars schmutziggraue Fluten steigen,
Gebt uns Devisen! Kreischt die heisere Gier,
In wildem Taumel tanzen sie den Reigen, Millionen Menschen, deren Gott ein Tier.
Und immer ähnlicher dem höchsten Wesen Wird Hirn und Herz der Armen allenthalb,
Mau kann es klar in ihren Zügen lesen:
Ter Herr der Welt: es ist em goldenes Kalb'
Neues vom Tage.
Tic Bilanz des gestrigen Tages.
Paris, 31. Aug. Tie Bilanz des gestrigen Tages, der allerdings eine Entscheidung noch nicht gebrachte Kat, scheint nach der in maßgebenden Kreisen herrschenden Meinung wenig günstig und die Hoffnung anf eine Stundung war gestern abend sowohl nach den offiziellen Besprechungen in der Reparationskommrs- sion, in der die deutschen Delegierten allein gesprochen und die Alliierten geschwiegen haben, als auch nach den Privatunterhaltungen zwischen den deutschen Vertretern und den Mitgliedern der Kommission gering. Neben den gestrigen offiziellen Verhandlungen haben Privatbesprechungen zwischen den deutschen Vertretern und verschiedenen Mitgliedern der Reparationskommission stattgesunden, die dem Versuch galten, durch ein Kompromiß eine Entscheidung der R Parationskommission über die heikle Frage des Moratoriums unnötig zu machen. Die Grundlage dieses Versuches bildete der von den Belgiern bereits in den letzten Tagen eingebrachte Vorschlag, die deutsche Regierung soll die bis Ende dieses Jahres fällig werdenden Raten anstatt in bar in Schatzwechseln mit 6monatiger Laufzeit bezahlen und diese Schatzwechsel durch ein Depositum eines gleich guten Betrages in Gold an einer neutralen Bank sicherstellen. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch daran, daß die Reichsbank die Erklärung aboab, daß sic unter keinen Umständen in eine weitere Reduzierung ihres Goldbestandes einwikligen könne, da eine weitere Herabminderung ihrer Metallreserve jede Aussicht auf eine spätere Wiederherstellung der deutschen Währung illusorisch machen müsse. Eine Einwirkung der deutschen Regierung auf diese Haltung der Reichsbank erwies sich als unmöglich infolge der der Reichsbank vor kurzem aus Verlangen der Alliierten gewährten Autonomie. Unter diesen Umständen muß damit gerechnet werden, daß die Belgier nach dem Scheitern ihres Vermittlungsvorschlags weiterhin in der Reparationskommission mit Frankreich für die Ablehnung des Moratoriums stimmen, oder doch zum mindesten sich der Stimme enthalten werden. Nach dem Friedensvertrag ist aber eine Stimmenthaltung gleichbedeutend mit der Ablehnung des zur Debatte
stehenden Antrags. Für gestern abend waren wertere prrvate Besprechungen in Aussicht genommen. Trotzdem aber bezeichnen die maßgebenden Kreise die Aus- srchten, bis heute ^zu einer Entscheidung zu gelangen, als sehr zweifelhaft. ,
Berlin, 31. Aug. Das Berliner PormittagSblatr läßt sich melden, daß der Beschluß der Reparations- kommission in diesem Augenblick bereits im wesentlichen feststehe. Er umfasse folgende drei Hauptpunkte: 1. Ablehnung des Moratoriums. 2. Anberaumung einer neuen Konferenz in einigen Monaten. 3. Auffordeunrg an Deutschland, in der Zwischenzeit die ihm auferlegten Zahlungen voll zu leisten. Unwesentliche Abweichungen lägen noch immer im Bereiche der Möglichkeit, an den Grundzügen des Beschlusses sei aber nichts mehr zu ändern. Nach dem Pariser „Oeuvre" hat die französische Regierung bereits offiziös in Brüssel angefragt, welche Haltung Belgien einnehmen werde, falls Frankreich Maßnahmen militärischer Art ergreifen werde. Das Blatt setzt nach zuverlässiger Quelle hinzu, die englische Negierung werde in einem solchen Falle allerdings nicht zögern, mit ausgesprochen unfreundlichen Maßnahmen zu antworten.
Amerika greift ein.
Paris, 31. Aug. Der amerikanische Delegierte Lo- gan ergriff in der gestrigen Sitzung der Reparationskommission das Wort und erklärte, daß Amerika den belgischen Vermittlungsvorschlag unterstützen werde. Wenn dieser Vorschlag nicht angenommen werde, werde Amerika neue Vorschläge machen.
England hoffnungslos.
London, 31. Aug. „Daily Chronicle" teilt mit, daß Lloyd George über die Pariser Verhandlungen stündlich auf dem Laufenden gehalten wird. Falls die Verhandlungen mißlingen und Frankreich sich zu einer Sonderaktion entschließt, wird Lloyd George sofort nach London zurückkehren und einen Kabinettsrat einberufen, da in diesem Falle eine außerordentliche Krisis geschaffen sei.
Eine Note des rheinischen Reichskommissars an die Rheinlandkommission.
Wiesbaden, 31. Aug. In der Angelegenheit der Ausweisung des Regierungspräsidenten Dr. Momm> durch die Rheinlandskommission hat der Reichskommissar für das besetzte Rheinland an die Rheinlandkommission eine Note gerichtet, in der gegen das Vorgehen der Rheinlandkommission Einspruch erhoben wird. Zum Schluß wird dargelegt, daß kein Beamter abgesetzt werden kann, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich zu verteidigen. Der Absetzungsbeschluß sei ! eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Regierungspräsi- ' denten und stelle zugleich einen Eingriff in die deut»
! schen und preußischen Hoheitsrechte dar.
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Der Marsch der Wahrheit.
j Der Londoner »Daily Herald'» der heute der Leitung s der großen Arbeiterpartei dienstbar ist, erlaubt Mr. E. D.
Morel zwei Spall«» mit einem Bericht über die in Drutsch- , land durch die »Süddeutschen Monatshefte" bekannt gemachten drei Protokolle über die gemeinsame» Vorbereitungen dek franz. und russischen GeueralstrbeS zu füllen, die aus den kaiserlich russischen Geheimarchiven stammen. Den „Münch. N. N.' wird darüber geschrieben:
Rorel, der seinen Bericht mit einem laufenden Kommentar begleitet, meint, »daß diese Protokolle unbestreitbar und unbezweifelbar beweisen, daß Frankreich und Rußland mit Urberlegung einen Offensivkrieg gegen Deuischland vorbereiten, und daß durch st« »die Behauptung, der Krieg sei für dir alliierten Regierungen alt eine lieber- raschuug gekommen, ein für allemal vernichtet wird." Und was besonder« beachtenswert ist, diese Auffassung Morels macht sich dar Organ der Arbeiterpartei, welche früher oder später die Geschicke Englands leiten wird, in einem Leitartikel mit der lakonischen Ueberschrift: „Die Lüge' ganz zu eigen. Dar Blatt schreibt: »Der sogenannte »Friede«' von Versailles, die Ursache von Europa» heutigem Elend, wurde auf eine Lüge gegründet. Seiner ganzen wirtschaftlichen und politischen Nichtigkeit lag eine Voraussetzung zugrunde, welche die Alliierte» eine »moralisch«' nennen würde« — die Voraussetzung von DentschlandS alleiniger Schuld am Krieg. Jede weitere Enthüllung der VorkrtegSdiplomatie beweist erneut, daß Deutschland nicht mehr am Krieg schuld war als Rußland, Frankreich u. England. Niemand leugnet Deutschlands Anteil an der Verantwortlichkeit, aber jeder ehrlichen, unterrichtete Mensch leugnet, baßer allein verantwortlich war. Die Enthüllungen über die Verhandlungen