Aus den Tannen' ^
Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig-Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirke Nagold, Lalw und jreudenstadt
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«« Vast mW d«l tm Monat Juni Mar! 18.—. I Bi« ispai««« Zttl« oder deren «am» 8,— Ml-, dt« RÄlaniezeü« 8 Mk. Mindestbettar
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Nr. 188
Ntteafiekg, Freitag de« IS. Srmi
Jahrgang iv».
Zur gefl. Beachtung!
ünlere Schwarzwälder Tageszeitung »Aus den Tanne»' KM it» Monat Juli 80 Mark, vierteljährlich 69 Mark. N, fortgesetzte ungeheure Steigerang de» Papiecpreisr» und
Äh« rc. zwingen uns zu dieser Erhöhung, welche wir werhalb de« letzten BierleljrhrS nötig gehabt hätte«, -kr letzte vierteljährliche Bezugspreis mußte schon vor 4 Matw festgelegt «erde«, während welcher Zeit sich die UM« bei Herstellung der Zeitung geradezu überstürzt tLber>. Trotzdem habe» wir zu Gunsten unserer Leser auf ei« Aacherhebung für das laufende Quartal verzichtet und ihm» damit ei« großes Opfer gebracht. Unsere »Mag ist bei de» jetzigen Geldverhältniflen trotz dieser Erhöhung tatsächlich eine billige Zeitung. Wir habe« zu unser« Lesern das Vertrauen, daß sie die gegebene« Verhältnisse würdigen und unserer Zeitung auch weiterhin die Treue bewahren.
Verlag Her Schwerzwäibrr Tageszeit»»!
AuS den Launen.
ßngland vor der Haager Konferenz.
Der Londoner Vertreter der „Münchn. N. N" schreibt: Am Vorabend der Haager Konferenz, veröffentlicht Lord Weaverbrook, der kanadische Millionär, der in England ein einflußreicher Politiker und Zeitungsverleger geworden ist, in seinen zwei vielgelesenen Blättern, dem .„Sunday Expreß" und dem „Daily. Expreß!", einen Artikel, der unter der brntalen Überschrift „Der Bankrot t D e u t s ch l a n d s" die englischen Kapitalisten davor warnt, Deutschland auch nur ernen Pfennig zu leihen, da Deutschland ein „bankrottes Geschäft" (a dankrupt coucsiu) und „wirtschaftlich verlorenes" (seonomieall^ äoomsä) sei. Deflation würde sofortigen Ruin bedeuten; Stabilisierung der Mark sei unmöglich, da jeder Deutsche jedes Vertrauen zu seiner eigenen Währung verloren habe, und es bleibe Deutschland daher nichts weiteres übrig, als „mehr Inflation, eine Panik und ein Bankrott".
Deutschland, so versichert der Lord, habe seit dem Waf- fünstillstand jede Art wirtschaftlicher und finanzieller Sünde begangen; daß die „Begehung" dieser Sünden ihre Ursache in den unmöglichen Forderungen hat, die die Alliierten Deutschland abzupressen suchen, ist eine Einsicht, die ihm offenbar ebenso verschlossen blieb, wie die, daß sich der von ihm prophezeite Bankrott leicht vermeiden ließe, wenn die Alliierten von wirtschaftlichem und finanziellem Wahnwitz zum gesunden Menschenverstand zurückkehren würden. Jedenfalls steht Bea- vcrbrook aber bezüglich der deutschen Zahlungsfähigkeit genau auf dem entgegengesetzten Standpunkt wie fein Kollege Northcliffe, dessen erster Brief aus. Deutschland, vne ich gleich voraussagte, von allen seinen Blättern als schlüssiger Beweis dafür hingestellt wurde, daß Deutschland so wenig bankrott sei, daß es vielmehr alles, was die Alliierten forderten, mit Leichtigkeit zahlen könnte, wenn es nur wollte. Nebenbei möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß die deutsche Presse Northcliffes Berichterstattung nicht die Ehre antut, ihr viel Beachtung M schenken; hier macht mau sich über sein Getue lustig, so weit man es nicht ganz ignoriert. Doch um aus Bea- verbrook zurückzukommen, so ist sein Artikel trotz aller seiner Schwächen bedeutsam als ein Symptom. Beaverbrook, dessen Beziehungen zu dem andern Kanadier. Bvnar Law, bekannt sind, ist der Hauptführer der Ricks kwg, die England veranlassen möchte, sich ganz aus Europa zurückzuziehen, sin- dortigen Verluste „abzuschrei- vm" und sich für sie d i>ch die Entwicklung der Hilss- YU'lll.m seines eigenen Reiches und des amerikanischen »ud asiatischen Marktes zu entschädigen. Diese Richtung jMrde natürlich Rußland noch weniger Geld leihen als -em „bankrotten" Deutschland und erhofft daher einen -m.enolg der Haager Konferenz nicht weniger als Poin- c°ce selbst. ..
Lord Beaverbrooks Standpunkt beweist, daß man ein sehr erfolgreicher Spekulant und Finanzier sein kann, Me doch von den großen wirtschaftlichen Zusammenhängen etwas zu verstehen. Gleichzeitig mit Beaverbrooks Tirade erschien in einer anderen Londoner Sonn- agszeitung, der „Sunday Times", ein Artikel, der die Uebcrschrift trüg „Warum Britannien Europa braucht", und der überzeugend nachwies, daß England Europa blcht „abschreiben" kann, und daß es daher die
ovenueser Politik, von der Me Haager Konferenz einen Teil, nämlich das russische Problem, der Lösung näher bringen will, fortführen muß. Der Verfasser dieses Artikels ist niemand geringerer als Sir Philipp Lloyd- Greame, der Sekretär des Departements für den Uebcrseehandel, der in Genua Lloyd Georges rechte Hand war und der nun als einer der zwei englischen Delegierten nach dem Haag geht. Es legt den Finger auf den Hauptpunkt, den die Beaverbrook-Richtung völlig ignoriert, nämlich darauf, daß England den europäischen Markt nicht nur direkt braucht, sondern auch indirekt, nämlich als Käufer der Produtte seiner Kolonien, Asiens und Südamerikas, da eine Entwicklung seines Handels mit diesen Ländern unmöglich ist, wenn ihnen ihr ältester und profitabelster Markt, der europäische, verschlossen bleibt, die Ziele, die England in Genua verfolgte, -bleiben daher vorgeschriebene Ziele seiner Politik — „die Wiederauferstehung Rußlands als eine Handelsmöglichkeit zu fördern, der Abrüstung zu helfen, die Schranken niederzuwerfen, die überall gegen den internattonalen Handel errichtet werden, in der Abwicklung des Wirrwarrs jder Kriegsschulden, der Reparationszahlungen und Entwertungen der Währungen mitzuarbeiten". In diesem Geist muß England nach dem Haag gehen.
Die sehr klare und bestimmte Antwort, welche Balso ur auf Poicares Vorstellungen und Vorschläge bezüglich der Haager Konferenz gab, beweist nach hiesiger Auffassung einmal, daß mit Bezug auf die Konferenz und ihre Aufgaben eine sehr ernste Meinungsverschiedenheit zwischen der englischen und der französischen Regierung besteht, die ihren letzten Grund in einem fundamentalen Auseinandergehen der politischen Willensrichtungen hat, und zweitens, daß die englische Regierung die Konferenz sehr ernst nimmt und deshalb nicht bereit ist, vor der französischen Auffassung zu kapitulieren. Für England ist die Konferenz nicht wie für Frankreich ein Versuch, eine Lösung für das politische Problem zu finden, das durch Rußlands Haltung gegen die anderen Mächte und ihre verschiedeene Reaktion auf diese Haltung geschaffen wird, sondern einfach ein Versuch, „zu einem Arrangement zu kommen, das fremdem Kapital erlauben würde, ohne Furcht und ohne Risiko einer Konfiszierung mitzu- ^ helfen, die lahmgelegte Produktionskraft Rußlands neu zu ^beleben". So definierte es ein Lloyd George nahestehendes Glatt, das Pvincare zugleich warnt, er könne nicht auch !die Haager Konferenz ruinieren, „ohne das cnglisch-fran- zöfische Zusammenarbeiten anderswo schwerstens zu schädigen", und dann fortfährt:
„Aber Frankreichs Halbherzigkeit und Skeptizismus brlden mcht die einzigen Schwierigkeiten für die Konferenz. Deutschland ist von ihr ausgeschlossen — dummerweist, wie uns deucht; denn ohne Deutschlands Mrthilfe und Vermittlung scheint eine Wie- Rußlands kaum möglich. Amerika tut nicht mit. Umsomehr Grund, warum sich unsere öffentliche Meinung geschlossen hinter unsere Delegierten, Lloyd-Greame und Hilton Poung, stellen sollte. Ihre Ausgabe wird unter keinen Umständen leicht sein; fie wrrd aber unmöglich ohne Unterstützung durch Parlament, Presst und Geschäftswelt. Mit ihr ist die Haager Konferenz immerhin nicht aussichtslos".
Dieser Appell für eine englische Einheitsfront wird von den Northcliffe-Blättern und der „Morning Post" ebenso rgnonert werden wie vor Genua. Ihr Sttchwort bleibt: Was Frankreich tut, ist wohlgetan: sein Wille muß Eng. land „herttg" sein, wie Lord Derby es ausdrücken würde
Neues vom Tage.
Deutschland und die Not Oesterreichs.
Berlin, 15. Juni. Die „Deutsche Allg. Ztg." berichtet: Reichstagspräsident Löbe hat im Namen des Oesterreichisch-deutschen Volksbundes nachstehendes Telegramm an den Wiener Nationalrat Otto Bauer gerichtet: Der Oesterreichisch-deutsche Volksbund hat, von der neuen Heimsuchung Oesterreichs aufs tiefste berührt, von Ihrem Wirtschaftsplan mtt großem Interesse Kenntnis genommen. Auch wir halten es für die PflichtDeutschlands, Oe st erreich zuhelfen, und werden uns in unserem Land mit allen Mitteln dafür einsetzen. Wir würden es begrüßen, in Ihrem Plan einen Weg zur Vorbereitung des von allen erstrebten Anschlusses zu finden. Aufgabe der deutschen Oefkentlicbkeit wird es sein, die Grundlosen
oes Entwurfes zu prüfen, Ausgabe des Volkskunde?, die für diese Prüfung nötigen Unterlagen zu schaffen. Wir laden Sie ein, in Berlin vor einem Kreis der Politiker und Wirtschaftler der verschiedensten Parteirichtungen zu sprechen und ihren Plan zur Erörterung zu stellen.
Die Verhaftungen in München.
München, 15. Juni. Während des Besuchs des Reichspräsidenten Ebert in München sind insgesamt 75 Personen wegen Störungen vorübergehend verhaftet gewesen. Eine größere Anzahl wurde wieder entlassen. Polizeilich wurde sestgestellt, daß sich unter den Festgenommenen auch Angehörige der „Sturmabteilung der nationalsozialistischen Arbeiterpartei" befanden.
Die oberschlesischen Anfstandsschäden. §
Breslau, 15. Juni. Ueber die oberschlesischen Auf- standsschäüLN liegt jetzt eine genaue Ueberstcht vor. Darnach Und bei den Reichs- und Staatskommissaren für oberschlesische Notstandshilfe insgesamt 72 Schaden- i ersatzansprüche in Höhe von 56 432 OOO Mk. angegeben ; worden, davon rund 60 Prozent aus dem bei Deutsch- z land verbleibenden Teil Oberschlesiens und 40 Pro- i zent aus dem polnischen Teil des Landes. Die reinen i Sachschäden belaufen sich auf 500 Millionen Mk., darunter 40 Prozent Schäden unter 25 000 Mk. Nicht ein- begriffen sind in diese Summe die Produktionsschäden der Großindustrie, die Transport- und Personenschäden und die der Oderschiffahrt. Die Schäden der Industrie sind mit rund 800 Millionen, die Transport- tcbäden mit rund 5 Millionen zu beziffern, lieber die Beschleunigung der Ssterreichischen Hilfsaktion.
! Paris, 15. Juni. Der Botschafterrat hat gestern vormittag beschlossen, bei den Gläubigerstaaten Oester- ^ reichs Schritte zu tun, um von ihnen die Einwilligung ! zu einer Stundung von 20 Jahren zu erlangen, die die Vorbedingung bilden sollte für die jetzt in Aussicht genommenen Kredite an Oesterreich. Im übrigen hat sich der Botschafterrat gestern früh auch über die Ausgaben der JAK. in Oberschlesien beraten.
Eine neue Interpellation an Poincare.
Paris, 15. Juni. Poincare hat die Beantwortung der Interpellation Tardieu bis zum 30. Juni verschoben. Eine neue Interpellation über die Reparationsfrage wird vom Abgeordneten Rehnaudel angekündigt.
Heute Eröffnung der Borkonsereuz im Haag.
Aus dem Haag, 15. Juni. Heute nachmittag 3V- Uhr wird, die Laaaer Sachveritändigenkonferenz zu der vereinbarten "Vorkonferenz Kusammentreten. Der holländische Außenminister Karnebeek wird eine Begrüßungsansprache halten. Die Konferenz ist so wenig vorbereitet, daß nicht einmal die Frage des Vorsitzenden geregelt ist.
Eine neue Gruppe in der französische« Kammer.
Paris, 15. Juni. Im französischen Senat bat sich eine neue Gruppe gebildet. Sie nennt sich Gruppe für politische Studien und soziale Initiative. In einem Aufruf, der besonders von Clementelle, Jouvelle, Marrand und Moundie unterzeichnet ist, werden die Mitglieder der demokratischen Linken und die republikanische Union aufgefordert, an der Gründungssitzung teilzunel ' die heute nachmittag stattfinden soll. In dem ? i d als Ziel
der Gruppe angeführt, mit der I "re afrikanischen Frankreichs die alte Jllusici i toi Konservatismus und des Kommunismus^ ' n cu. Die
neue Gruppe verfolgt das Ziel, ei tt" -lle
Gruppe zu sein, „um ein positives Pu i i e. ie innere und äußere Politik zu verbreiten o za. so, wie es vom Lande tatsächlich gewünscht wttb."
Ei« französisch-tschechoslowakischer Handelsvertrag.
Mailand, 15. Juni. Der „Carriers della Sera" veröffentlicht den Inhalt eines, wie behauptet wird, im Jahre 1918 zwischen Frankreich und der Tschechoslowakei abgeschlossenen und im Frühjahr 1921 ergänzten Geheimvertraaes. Einer der Punkte dieses Vertrages bestimmt, daß, falls die Anschlußbewegung in Oesterreich an Deutschland durch irgendwelche diplomatische Schritte nicht mehr verhindert werden könnte, die Tschechoslowakei unter Verantwortung der französischen Regierung die Landeshauptstädte Linz, Salzburg, sowie Wien besetzen werde, während französischerseits Graz und Klagenfurth besetzt werden sollen. Außer diesen Städten sollen auch die wichtigsten strategischen Punkte und Jndustriemittel- punkte Deutschösterreichs besetzt werden. Diese Beschlüsse sollen der Wiener Regierung 24 Stunden vorher mitgeteilt werden. Ueber die Haltung Polens wird in dem Abkommen gesagt, daß dasselbe ebenfalls direkt einschreiten und unter Umständen an der Ostgrenze deutsches Gebiet besetzen soll.