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Amtsblatt für den Bezirk Nagold und für Altensteig Stadt. Allgemeiner Anzeiger für die Bezirks Nagold, Calw und Freudsnstadt

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s Jahrgang isrr.

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M. 1SK

Mtessterg. Mittwoch de« 14. Juni.

Der Neichshaushatt.

> ^as Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben ^ReichsHaushalt wiederherzustellen, das ist das große KinaKt'wblem, das zu lösen die deutsche Regierung Kch abmüht. Ein Fehlbetrag im Reichshaushalt war schon im ersten Kriegsjahr vorhanden, wenn an der Finanz- qebahrung im Kriege der strenge Grundsatz der Finanz- Ailitik angelegt wird, daß laufende Ausgaben durch lai'iende Einnahmen zu decken sind. Es ist aber klar, daß dieser Grundsatz im Kriege sich nicht aufrecht erhalten läßt, denn die Kvsten eines neuzeitlichen Krieges sind so hoch, daß ihre Deckung durch die gewöhnlichen Ein­gänge des Staates nicht möglich ist. Ob es zweck­mäßiger war, die Kriegskosten, wie Deutschland es getan hat, auf dem Anleiheweg aufzunehmen, oder aber, wie es in England geschah, einen erheblichen Teil durch Steuern zu decken, läßt sich nicht grundsätzlich, sondern nur von Fall zu Fall entscheiden. England konnte während des Krieges seinen Außenhandel aufrecht erhalten, aus dem es beträchtliche Gewinne zog, die steuerlich zu erfassen sich schon deshalb empfahl, weil so das Ausland mittelbar zur Tragung der Kriegskosten herangezogen wurde. An­ders in Deutschland, dessen Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland seit Beginn des Krieges nahezu vollständig auf­hörten. Deutschland war nicht reich genug, um durch Steuern allein oder doch vornehmlich die Kriegskosten zu decken. Es mußte vielmehr durch die Anleihen künstlich Kwntal schassen, was angängig war, da ja die Mittel, die durch die Anleihen aufgebracht wurden, durchweg im Inland Verwendung fanden. Diese Kriegsfinanzpolitik bestimmte auch die Gestaltung des Reichshaushaltes. Soweit die ordentlichen Einnahmen nicht ausreichten, werden die außerordentlichen Einnahmen aus den An­leihen herangezogen. Dies Verfahren hätte indessen nach dem Kriege unter keinen Umständen fortgesetzt werden dür­fen, umso weniger, als die Kriegsanleihewirtschaft sich daraus gründete, daß ein Teil der Kvsten, so weit es eindringlich war, von dem Verband getragen werden sollte. Es war Deutschlands Recht und Pflicht, an der: Sieg zu glauben, zumal es von der Niederlage unter allen Umständen die schwerste Erschütterung seines Staats- gesüges zu erwarten hatte. Tatsächlich ist seit dem Zu­sammenbruch die Anleihewirtschaft nicht nur fortgesetzt, sondern noch erheblich gesteigert worden, nur mit dem Unterschied, daß die neue Finanzpolitik den zwar ein­facheren, aber, gefährlicheren Weg der Schatzwechsel und der Geldzeichenschöpftmg wählte. Für festverzinsliche An­leihe wäre eben kein Markt zur Unterbringung vor­handen gewesen, zumal der Bedarf der Regierung ru­ßige der zügellosen Finanzwirtschaft so groß war, daß ihn kein Geldmarkt hätte befriedigen können. Im No­vember 1918 waren außer rund 98 Milliarden soge­nannter fundierter Schulden noch 50 Milliarden schwe­bender Schulden vorhanden. Heute ist der Bestand der fundierten Schulden noch unverändert, während die schwe­benden Schulden auf über 300 Milliarden Mark gestiegen sind, wozu noch ein G ftn -^enumlauf von rund 153 Mil­liarden Mark kommt. Es ist l - daß die Neuordnung der verfahrenen Finanz- >>' d Ol ldpolitik nicht von heute auf morgen vor >i^'ge u nu. Nichtsdestoweniger hat sich die Regierung n ihie- Aote vom 27. Mai bereit erklärt, den Versuch der Ne>"'' u ng zu wagen, da diese Neuordnung Voraussetzung Winir ist, das Gleich­gewicht im Reichs Haushalt wieder herzustellen. Dieser Iersuch wird in dieser Form nicht gelingen. Eine Ueber- sicht der Reichshaushalts für 1922, die der Note beige- ,geben ist, rechnet mit Einnahmen von 194,7, mit Aus­gaben von 123,8 Milliarden Mark, sodaß sich rein rech vuugsmäßig ein Ileberschuß von 70,8 Milliarden Mark ^gibt. In die Einnahinen sind die Ertrüge aus den nn-rn Steuern und der Zwangsanleihe schon hineingerrch- M worden. Dieser Ileberschuß verringert sich au sich m dem Maße, als im Ablauf des Rechnungsjahres neue Aufwendungen für die allgemeine Reichsverwaltung (Bc° amtcngehälter) notwendig sind, was in Hinsicht aus die Geldentwertung mit Sicherheit anzunehmen ist. Weiter ^ie Regierung den außerordentlichen Bedarf, d. h. lsi 5'shlbetrag der Verkehrsanstalten in Höhe von rund Milliarden, auf Sonderrechnung abgeschoben. Sehr li.wsiheinlich ist es, daß der ganzeileberschuß!" ver- i Ivdaß für die Leistung an den Verband

nn? 1 Milliarde Papiermark vorhanden ist. Die inter- onale Anleihe, mit der gerechnet wird, kommt nur

Pkr 'Ne "Barzahlungen m -Drrracht, sodaß für die Sa'ch- liescrungen, wenn sie aus ordentlichen Einnahmen ge­deckt werden sollen, rund 100 Milliarden Mark neue Stenern erforderlich sind. Der Zinsendienst für die internationale Anleihe ist dabei noch ungedeckt. Es ist klar, daß es die Leistungsfähigkeit Deutschlands erheb­lich übersteigt, 300 Milliarden Papiermark in Steuern und Zwangsanleihen aufzubringen.

ZM HWeidkU Kapy;.

Deutschland wird durch das Ableben Kapps von einem Prozeß verschont, der neue Aufregungen und Aufreizun­gen im Gefolge gehabt hätte. Als Schwerkranker ist der Olcn-.-rallandschaftsdirektor vor mehreren Wochen in die Heimat zurückbekehrt, nachdem ihm Schweden jahrelang Mastsieundschasi gewährte. Und während noch, im Reichs­gericht die Vorbereitungen zum Prozeß getroffen wurden, hat er die Augen für immer geschlossen. Sein Tod ruft natürlich die Putschtage von 1921 lebhafter in die Erinnerung, führt auch zurück auf die Gründungs­rage der Vaterlandspartei, deren eifriger Förderer und 2. Vorsitzender der Tote war. Man darf heute an seiner Bahre ruhig anerkennen, daß ihn bei seiner allzu raschen Tat wohl Patriotismus leitete, wenn auch die ganze Art und Weise seines Vorgehens den unheilvollen Ausgang prädestinierte. So wird nun mit seinem Ableben die Frage nach Sühne der Putschiteilnehmer allmählich ver­stummen, es sii denn, daß Jagow die Wiederaufnahme feines Prozesses durchsetzen kann. Die anderen Teilneh­mer haben ja bisher nichts von sich hören lassen und werden es wohl auch nicht mehr tun. Die Tragik im Leben Kapps liegt vornehmlich darin begründet, daß er, der im Frieden hochstehende Beamte, als ein des Hoch- Verrats angeklagter Mann sein Leben enden mußte. Man wird ihm einen viel zitierten Spruch des lebenswcisen Horaz zum Grabspruch geben können.

*

Geh. Oberregierungsrat Dr. Wolfgang Kapp war am 24. Juni 1858 in Neuyotk geboren. Sein Vater, Friedrich Kapp, ein Westfale, war als Vierundzwanzig- jähriger unter den radikalen republikanischen Demokra­ten gewesen, die im September 1848 die Nationalver­sammlung in der Frankfurter Paulskirche mit Waffen­gewalt zu sprengen versuchten. Er mußte deswegen sein Vaterland verlassen und ging nach Amerika. Hier war er als Advokat tätig. Im April 1870 kehrte er nach Deutschland zurück und gehörte anfangs der nationallibe­ralen Partei, später der Freisinnigen Volkspartei als Reichstagsabgcordneter an. Er starb im Jahre 1884. Wolfgang Kapp trat nach juristischen Studien ins preu­ßische Finanzministerium und kam als tüchtiger Ver­waltungsbeamter schnell vorwärts. Im Juni 1906 wurde er zum Generaldirektor der ostpreußischen Landschaft ge­wählt.

Der Prozeß Killinger.

Ossenburg, 12. Juni.

Die Nachmkttagssitzung begann mit der Vernehmung mehrerer Zeugen, die sich in ihren Aussagen wider­sprachen. Diesem Teil des Verhörs liegt folgender Tatbestand zu Grunde. Nach dem Mord an Erzber­ger hielt sich Tillessen in Ulm auf, dort traf er einen früheren Bekannten, der ihn von der Marine her kannte, ei> en Kaufmann Friedlein. Sie trafen sich in einem Kaffee. Friedlein erkundigte sich nach dem Grund der Reise Tillessens nach Ulm. Man kam in eine Unterhaltung, wobei auch über den Erzberger­mord gesprochen wurde. Tillessen hat versucht, dem Frie 'em die Gründe der Tat beizubringen, um die Tat 'e ft zu entschuldigen. Friedlein sagte, über die Täter selbst sei nicht gespro^eu worden. Sie ver­einbarten, sich am nächsten Tage imGoldenen Engel" zu treffen. Friedlein kam rechtzeitig und erkundigte sich beim Hotelier nach Tillessen. Man stellte die An­wesenheit eines Herrn mit diesem Namen in Abrede. Trotzdem trafen sie sich eine Stunde später doch noch. Tillessen befand sich in der Gesellschaft verschiedener Herren vom Freikorps Oberland, die nach Ulm ge­kommen-sind, um Altmaterial zu kaufen. Schulz war F.iedlein bekannt; sie hatten sich im Jahre 1921 wie­derholt in München getroffen. Mit diesen Herren wurde auch über den Erzbergermord gesprochen. Einer von ibnen. Leutnant Heim, iaate. der Reicks-

j rm n zle r W i r ich k o m in e an ch n och dar« n. Fried- s lein weiß nicht, ob dieser Leutnant der Organisation j angehört. Er sei Bankbeamter in München. Die Ver- ! teidigung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, j daß "Oberland" mit der OrganisationL" in ge- : spanntem Verhältnis zu einander gestanden hätte.

Im Gegensatz zum Zeugen Friedlein sagte vor ihm j Zeuae Böhringer unter Eid, daß im Dezember v. I. ! in Stuttgart ihm Friedlein begegnet sei, mit dem er ! dann ein Stück Weges gegangen sei- Dabei erzählte

- ihm Friedlein, daß er nach dem Mord seinen Freund s Tillessen in Ulm getroffen habe. Tillessen habe -a- j bei Friedlein gefragt: Was sagst du wohl, wenn ich

- dir sage, ich bin der Mörder? Friedlein habe das j Gespräch weiter geführt, in dem sich Tillessen als ' Tater bekannt hat. Tillessen hat ihm auch nach der i Schilderung des Zeugen Vöhringer seine Brief- l Lasche mit viel Geld gezeigt, dabei soll sogar

- das Wort gefallen sein, daß Tillessen dem Friedlein i noch Geld borgen könne.

; Es wird dann der Kaufmann Schaum aus Halle vernommen. Er kennt Tillessen aus seiner militärischen Stellung. Der Staatsanwalt hält dem Zeugen einige ^ Briefe vor, die unmittelbar mit der Organisation ,,O" ' in München zusammenhänaen. In einem dieser B iese ' ist sogar die Rede davon, daß Schaum bestimmte Vorschläge gemacht hatte. Tillessen besuchte den . Schaum in Halle und war nach dem Erzbergermorde s zwei Tage mit ihm zusammen. Ueber dis Ermordung ! Erzbergers sei aber nicht gesprochen worden.

Es folgt dann die Vernehmung des Marine- ! Ingenieurs a. D. und jetzigen Ingenieurs Vornsrtt als Zeuge. Er bekennt, daß er als Mitglied der Organisa- ^ tionO" sowohl Schulz als auch Tillessen gekannt habe. Als er von der Ermordung Erzbergers und von . der Beschreibung der Täter las, sei er stutzig ge»

! worden und habe an Schulz und Tillessen gedacht. Nach seiner Angabe erfolgte die Urlaubserteilung bei der OrganisationO" nach militärischen Grundsätzen.

Die nächsten Zeugen machen keine wesentlichen An­gaben. Der Sachverständige Rubner stellt fest, daß die Einträge in allen Fremdenbüchern usw., die von Schulz und Tillessen unter falschem Namen geschehen sind, unzweifelhaft auf Schulz und Tillessen zurftck- , zuführen sind.

> Nach Schluß der Beweisaufnahme formulierte der Bor» s sitzend« folgende beiden

» Schuldsragen

s an die Geschworenen:

! 1. Ist der Angeklagte Manfred v. Killinger schuldig,

! dem Kaufmann Heinrich Schulz und dem Oberleutnant j Heinrich Tillessen. nachdem diese den Rsichstagsabge- f ordneten Matthias Erzlager am 26. August 1921 bei l Griesbach gemeinschaftlich durch mebrere Pistolenschüsse i vorsätzlich und mit Neberlegung getötet hatten, wissent­lich Beistand geleistet zu haben, um sie der Bestrafung ; zu entziehen und den Tätern diesen Beistand i vor Begehung der Tat zugesagt zu haben?

! 2 Für den Fall der Verneinung von Frage 1: ist der

- Angeklagte Manfred v. Killinger schuldig, dem Kauf-

- mann Heinrich Schulz und Oberleutnant Heinrich Til- ! leisen, nachdem diese den Reichstagsabgevrdneten Mat­thias Erzberger am 26 August 1921 bei Griesbach ge­meinschaftlich durch 'm S'ere Pistolenschüsse vorsätzlich und mit Ueberleqv' getötet hatten, wissentlich Bei st and geleistet zu haben, um sie der Be­strafung zu entziehen?

Der Staatsanwalt kam in seinem zweistündigen Plai- do her zu der SchOißso^e-ung, ^ st Killinger der Be- aünftioura und der Beihilfe su üdig sei. Nach der Verteilst, ngsrede des Rechtsanwalts Krieg-Offenburg wurde die eri andlung auf 4 Uhr nachmittags vertagt

In der . chunttagssttzung geht der 2. Verteidiger Schlelein-München vor allem auch auf das Vorleben des Angeklagten ein. Er schilderte ihn als einen ein- ^ wandfreien Mann, dem nur das Wohl des deutschen

- Volles vor Augen stehe. Es kommt noch einmal zu ! einer Gegenrede des Staatsanwaltes, dem s der 1 Verteidiger Dr. Krieg erwidert.

k Nach der Rechrsbelehr mg durch den Vorsitzenden ? ziehen sich die Geschworenen zurück. Nach ganz kur- s zer Beratung wird der Wahrspruch verkündet:

- Beide Schttldsrager» wurden verucint. Ter Angc- ? klagte v. Killinger wurde demnach unter Uebernahmc

der Kosten aus die Staatskasse von der gegen ihn er- h denen Anklage kreigesp rchcm j Eine große Volksmenge ' ans der Straße

! een Freigesprochenen, der im iner Freunde im

- Automobil das Gerichtsgebäude verließ.