Abend heiterte sich das Wetter auf. Das Uebungs- gelände der 27. Division reichte von Mainhardt bis Obersontheim und war in der Mitte vom tief eingerisse­nen Tal des Kocher durchschnitten. Die Leitung der Hebung lag in den Händen des Kommandeurs der 27. Division, Generalleutnant Graf Pfeil, die verstärkte 53. Jnf.-Brigade (Rot) befehligte Oberst v. Erps, die ver­stärkte 54. Jnf.-Brigade (Blau) Oberst Freist. Die Kriegslage erteilte Blau den Auftrag, durch ein Vor­gehen von Obersontheim aus über SulzbachThüngen- tal an den Kocher zu gehen und die Flußübergänge bei Braunsbach und Geislingen für die nachrückenden (gedachten) Hauptkräste offen zu halten. Rot sollte sich von Bubenorbis aus über Hall und Cröffelbach an eine (gedachte) Reserve-Division heranziehen. In Er­füllung dieses Auftrages ging Rot gestern früh mit einer stärkeren Kolonne über Michelfeld nach Hall und mit einer Seitendeckung über Bibersfeld nach Steinbach vor. Auf die Nachricht von diesem Vormarsch hin ent­faltete der Führer von Blau seine Streitkräfte bei Veinau und Thllngental. Rot entwickelte 2 Bataillone bei HessentalEltershofen und schickte sich an, auf dem linken Flügel mit 4 Bataillonen eine Umfassung des rechten Flügels von Blau auszuführen. Da der Führer von Rot dann aber die Meldung erhielt, daß der Geg­ner Verstärkung durch ein von Crailsheim nahendes Detachement (Jnf.-Negt. 127 mit Artillerie und Ka­vallerie) empfange, ging er bei Enslingen und Unter- Münkheim auf das linke Kocherufer, erlitt hiebei aber durch den nachfolgenden Gegner im Aufstieg aus dem Kochertal starke Verluste. Rot ging dann bei Uebrigs- hausen und Vrachbach, Blau bei Thüngental zur Ruhe über. Unter Heranziehung der benachbarten Orte zu Notquartieren war für die Infanterie Biwak.

llebrigshausen, 17. Sept. Der zweite Tag der Di­visionsmanöver brachte bei der 27. Division einen Zu­sammenstoß der gegnerischen Brigaden bei Uebrigshau- sen. Not erwartete, daß nach dem gestrigen Rückzug über den Kocher der mit Teilen seiner Streitkräfte ge­folgte Gegner im Verlauf der Nacht ganz über den Fluß setzen werde und hatte sich auf den Höhen von Uebrigs- hausen mit Front gegen den Kocher bereitgestellt. Blau täuschte aber die Erwartung, indem es morgens zwischen 3 und 4 Uhr in Hall den Kocher überschritt und über Eailenhosen dem Gegner auf den Leib rückte. Rot war, nachdem es davon Meldung erhalten hatte, zu einer Frontänderung genötigt. Im Zwielicht des Morgens kam das Gefecht in Gang, das mit dem endlichen Rück­zug von Rot über Kupferzell hinaus nach 1 Uhr mit­tags endete.

Waldenburg bei Oehringen, 17. Sept. Der Eene- ralstabsoffizier der 27. Division, Major von Pawelsz, brach gestern morgen auf dem Manöverfeld bei Uebrigs- hausen beim Sturz mit dem Pferde den rechten Achsel­steg. Der Verletzte wurde im Auto nach Kupferzell gebracht.

Stuttgart, 17. Sept. Das Königspaar hat kurz nach dem Unglück in Mühlhausen für die durch die Untat des Hauptlehrers Wagner ins Unglück gestürzten Familien einen vorläufigen Beitrag von 500 -4l verwilligt.

Stuttgart, 16. Sept. Nach der Schwäb. Korrespon­denz sind beim Dragonerregiment 26 in Stuttgart in­nerhalb weniger Wochen 4 Selbstmorde von Soldaten vorgekommen.

Heilbronn, 16. Sept. Die Kgl. Kreisregierung Lud­wigsburg erläßt eine öffentliche Aufforderung an den mit unbekanntem Aufenthalt abwesenden Stadtpfleger Rudolf Burger von Heilbronn, entsprechend dem An­trag des Eemeinderats Heilbronn, bis spätestens 15. Oktober ds. Js. in sein Amt, von dem er sich unbefugt fernhält, zurckzukehren, widrigenfalls nach Ablauf der

Frist seine Stelle von der Kreisregierung für erledigt erklärt werden würde.

Rottweil, 17. Sept. Wie der Schwarzwälder Volks­freund schreibt, findet die Nachwahl am Samstag, den 27. September, statt.

Göppingen, 16. Sept. Die von der Beratungsstelle für das Baugewerbe in der hiesigen städtischen Turn­halle veranstaltete Wanderbauausstellung ist nach 14- tägiger Dauer geschlossen worden. Die Ausstellung wurde von etwa 7000 Personen besucht.

Ebersbach, 16. Sept. Wollte da vorgestern morgen ein Handwerksmeister mit dem 10.10 Uhr-Zug nach Börtlingen fahren. Zwischen Ebersbach und Uhingen machte ihn der Schaffner zu seiner größten Ueberrasch- ung darauf aufmerksam, daß der Zug in Faurndau, wo der Handwerksmeister umsteigen wollte, nicht halte. Der Handwerksmann glaubte aber seiner Sache gewiß zu sein, denn der Fahrplan wies einen Halt in Faurn­dau und den nötigen Anschluß auf. Er teilte dies dem Schaffner mit, der ihn mit den Worten kurz abwies: und ich sage Ihnen, der Zug hält nicht in Faurndau! Uhingen kam, der Meister blieb ruhig sitzen. Der Zug war bereits im Anfahren, als der Schaffner ihn energisch aufforderte, auszusteigen. Mit knapper Not kam er noch zum Wagen hinaus, wurde dafür aber vom diensttuenden Beamten nicht gerade sehr herzlich empfangen: Für Aussteigen während der Fahrt 6 Strafe! Ja, sagte der Elasermeister, dös ischt ganz anderscht, mi Hot der Schaffner nausgschmissa! Er er­zählte nun den ganzen Vorfall. Jetzt war die Ver­blüffung auf Seiten des Bahnbeamten.Natürlich hält der Zug in Faurndau, was fällt denn dem Schaff­ner ein?" war die Antwort.Ja, was machen wir jetzt da? Ich muß bis 1411 Uhr in Börtlingen sein, denn ich habe auf diese Zeit meine Leute hinbestellt, er­widerte der Meister.Na, sagte der Beamte, ich will Ihnen einen guten Rat geben. Jetzt laufen Sie, so rasch als Sie können, nach Faurndau und ich laß den Gmünder Zug mit Hilfe vom Telephon so lange war­ten,bis Sie dort sind. Sind Sie damit einverstanden?" Ja! Gesagt, getan. Springst net, so gilt's net, nix wie Faurndau zu. Unterwegs wurde ihm von ver­schiedenen Bahnwärtern zugerufen: Send Sie der Herr mit dem Strohhut? Sprenget Se, noh langts no! Und richtig, 'sZUgle wartet geduldig, bis der Handwerks­mann fluchend und pustend ankommt. Die Fahrkarte wurde ihm schon von weitem entgegengebracht und dann konnte der Zug mit Xstündiger Verspätung Gmünd zu fahren.

Friedrichshafen, 16. Sept. Die Abnahmefahrt des neuen MarineluftschiffesL 2" ist für Ende dieser Woche vorgesehen. Ein bestimmter Tag ist nicht in Aus­sicht genommen. Alle näheren Dispositionen richten sich nach der Wetterlage. Die erste Fahrt wird das Luf- schiff nach Johannistal führen, von wo aus dann die Probefahrten unternommen werden. Die Abnahme­kommission der Kais. Marine setzt sich zusammen aus Korvettenkapitän Benisch vom Reichsmarineamt, Vor­sitzender, Kapitänleutnant Freyer, künftiger Komman­dant desL 2", Marinebaurat Neumann, Marinebau­meister Pitzker und Oberingenieur Busch.

Au» Welt «uv Zeit.

Ehrenhändel.

Berlin, 16. Sept. Eine durch die beteiligten Per­sönlichkeiten und durch die näheren Umstände besonderes Aufsehen erregende Bluttat hat sich gestern abend in Berlin zugetragen. Der bekannte Kunstmaler Prof. Heinrich Maß hat gestern abend kurz nach 8 Uhr im Landwehrkasino am Zoologischen Garten bei einer ehrengerichtlichen Sitzung den Kammerherrn und Ritt­meister der Reserve von Westernhagen, der Maß ge-

Das Schloß Dürande

13. von Joseph von Eichendorff.

In solchen Gedanken stand er an einem der öffenen Fen­ster, die Wälder rauschten so frisch herauf, das hatte er so lange nicht gehört, und im Tale schlugen die Vögel und jauchzten die Hirten von den Bergen, dazwischen hörte er unten im Schloß­garten singen:

Wär's dunkel, ich lag im Walde,

Im Walde rauscht's so sacht,

Mit ihrem Sternenmantel Bedeckt mich da die Nacht,

Da kommen die Bächlein gegangen:

Ob ich schon schlafen tu?

Ich schlaf nicht, ich hör noch lange Den Nachtigallen zu.

Wenn die Wipfel über mir schwanken,

Es klinget die ganze Nacht,

Das sind im Herzen die Gedanken,

Die singen, wenn niemand wacht.

Ja wohl, gar manche stille Nacht, dachte der Graf, sich mit der Hand über die Stirn fahrend.Wer sang da?" wandte er sich dann zu den auspackenden Dienern; die Stimme schien ihm so bekannt. Ein Jäger meinte, es sei wohl der neue Gärtnerbursche aus Paris, der habe keine Ruhe gehabt in der Stadt; als sie fortgezogen, so sei er ihnen zu Pferde nach­gekommen.Der?" sagte der Graf er konnte sich kaum auf den Burschen besinnen. Ueber den Zerstreuungen des

Winters in Paris war er nicht oft in den Garten gekommen; er hatte den Knaben nur selten gesehen und wenig beachtet, um so mehr freute ihm seine Anhänglichkeit.

Indes war es beinahe Abend geworden, da hieß der Graf noch sein Pferd satteln, die Diener verwunderten sich, als sie ihn bald darauf so spät und ganz allein noch nach dem Walde hinreiten sahen. Der Graf aber schlug den Weg zu dem nahen Nonnenkloster ein und ritt in Gedanken rasch fort, als gälte es, ein lange versäumtes Geschäft nachzuholen; so hatte er in kurzer Zeit das stille Waldkloster erreicht. Ohne äbzusteigen, zog er hastig die Glocke am Tor. Da stürzte ein Hund ihm entgegen, als wollt' er ihn zerreißen, ein langer, bärtiger Mann trat aus der Klosterpforte und stieß den Kö­ter wütend mit den Füßen; der Hund heulte, der Mann fluchte, eine Frau zankte drin im Kloster, sie konnte lange nicht zu Worte kommen. Der Graf, befremdet von dem seltsamen Empfang, verlangte jetzt schleunig die Priorin zu sprechen. - - Der Mann sah ihn etwas verlegen an, als schämte er sich.

Gleich aber wieder in alter Roheit gesammelt, sagte er, das

Kloster sei aufgehoben und gehöre der Nation; er sei der

Pächter hier. Weiter erfuhr nun der Graf noch, wie ein

Pariser Kommissär das alles so rasch und klug geordnet. Die Nonnen sollten nun in weltlichen Kleidern hinaus in die Städte, heiraten und nützlich sein, da zogen alle in einer schö­nen stillen Nacht aus dem Tal, für das sie so lange gebetet, nach Deutschland hinüber, wo ihnen in einem Schwesterkloster freundliche Aufnahme angeboten worden.

Der überraschte Graf blickte schweigend umher, jetzt be­merkte er erst, wie die zerbrochenen Fenster im Winde klappten;

ohrfeigt hatte, im Affekt erschossen. Zwischen beiden Herren, die früher sehr freundschaftlich miteinander verkehrten, bestanden Differenzen, die ihre Ursache darin hatten, daß Herr v. Westernhagen Professor Maß be­schuldigt hatte, der Verfasser einer Reihe von Artikeln zu sein, die in einem Berliner Wochenblatt erschienen waren, und die darlegten, auf welche Weist v. Western­hagen zu dem Titel Kammerherr gekommen ist. Dar­nach soll er sich an einen befreundeten Rittmeister a. D. gewandt haben, der ihm zusagte, die Ernennung zum Kammerherrn eines kleinen thüringischen Staates durchzusetzen. Dafür ließ sich der Rittmeister 2000 -K im voraus bezahlen. Westernhagen sieß sich über diese Summe einen Wechsel geben, da er sie als Darlehen bezeichnete, falls er den Kammerherrntitel durch den Rittmeister nicht erhalten würde. Tatsächlich erreichte er sein Ziel nicht durch den Rittmeister, sondern erst später auf anderem Wege und ging nun, obwohl er über ein beträchtliches Einkommen verfügte, mit aller Schärfe gegen den unbemittelten Rittmeister vor und ließ schließlich das Darlehen durch eine Jmmobilienbank einziehen. Da das Gericht nach dem Lokaltermin der Ansicht war, daß sich Matz bei seiner Tat in Notwehr befunden hat, was auch die auf einem Lokaltermin er­folgte Zeugenvernehmung bestätigt haben soll, wurde er endgiltig aus der Haft entlassen.

Zentralverband deutscher Industrieller.

In der am Montag vormittag in dem großen Kon­greßsaal der Internationalen Bauausstellung in Leip­zig zusammengetretenen Versammlung der Delegierten des Zentralverbands Deutscher Industrieller wurde nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden, Landrat a. D. Dr. Schweighoffer der Geschäftsbericht erstattet. In den eingebrachten Beschlutzanträgen heißt es, daß irgend welche Abmachungen handelspolitischer oder sonstiger Art mit dem Bund der Landwirte nicht erörtert und noch weniger getroffen worden sind. Der Zentralver­band habe sich bereits mehrfach dahin ausgesprochen, daß er einer weiteren Erhöhung der Zölle auf Lebens­mittel und einem lückenlosen Zolltarif nicht zustimmen könne. Andererseits wiederhole er seine bereits am 6. Februar 1891 abgegebene Erklärung, daß die in ihm vereinigten Industriellen keine Vorteile anstreben, die nur auf Kosten der Landwirtschaft erreicht werden kön­nen. Er halte es gleicherweise für seine Pflicht, auf dem Gebiete der Sozialpolitik gemeinsame Arbeit zu leisten mit allen Kreisen, die für die Aufrechterhaltung der Autorität des Arbeitgebers und wirksamen Schutzes der Arbeitswilligen einzutreten gewillt sind. In einem zweiten Beschlußantrag gibt der Zenralverband der Ueberzeugung Ausdruck, daß die überwiegende Mehr­heit der deutschen Industrie einer Beschickung der Welt­ausstellung in San Francisco durchaus abgeneigt ist.

Der Fall Schmidt.

Newyork, 16. Sept. Die Polizei hat einen Zahn­arzt Dr. Ernst Murot verhaftet, der im Verdacht steht, zusammen mit dem verhafteten Kaplan Schmidt die Falschmünzerei betrieben zu haben. Bei der Haussuch­ung in seinem Arbeitszimmer wurden neben zahnärzt­lichen Instrumenten ein Revolver, geburtshilfliche In­strumente und chirurgische Sägen gefunden. Murot er­klärte bei der polizeilichen Vernehmung, er sei in Chi­cago geboren, habe 14 Jahre im Ausland studiert, unter anderem in Berlin, wo er die Prüfung nicht bestanden habe. Im Jahre 1903 sei er nach Newyork zurückge­kehrt. Murot wird zunächst wegen des Besitzes des Revolvers festgehalten.

Weinheim a. d. Bergstraße, 17. Sept. Die 23 Jahre alte Eva Vechtold, Tochter eines hiesigen Landwirts, ließ sich gestern, am Tage vor ihrer Hochzeit, von einem

aus einer Zelle unten sah ein Pferd schläfrig ins Grün hinaus, die Ziegen des Pächters weideten unter umgeworfenen Kreu­zen auf dem Kirchhof, niemand wagte es, sie zu vertreiben; da­zwischen weinte ein Kind im Kloster, als klage es, daß es ge­boren in dieser Zeit. Im Dorfe aber war eS wie ausgekehrt, die Bauern guckten scheu aus den Fenstern, sie hielten den Grafen für einen Herrn von der Nation. Als ihn aber nach und nach einige wieder erkannten, stürzte auf einmal alles her­aus und umringte ihn, hungrig, zerlumpt und bettelnd. Mein Gott, mein Gott, dachte er, wie wird die Welt so öde! Er warf alles Geld, das er bei sich hatte, unter den Haufen, dann setzte er rasch die Sporen ein und wandte sich wieder nach Hause.

Es war schon völlig Nacht, als er in Dürande ankam. Da bemerkte er mit Erstaunen im Schloß einen unnatürlichen Aufruhr, Lichter liefen von Fenster zu Fenster, und einzelne Stimmen schweiften durch den dunklen Garten, als suchten sie jemand. Er schwang sich rasch vom Pferde und eilte ins Haus. Aber auf der Treppe stürzte ihm schon der Kammerdiener mit einem versiegelten Blatte atemlos entgegen: es seien Männer unten die es abgegeben und trotzig Antwort verlangten. Ein Jäger, aus dem Garten hinzutretend, fragte ängstlich den Grafen, ob er draußen dem Gärtnerburschen begegnet? der Bursch habe ihn überall gesucht, der Graf möge sich aber hüten vor ihm, er sei in der Dämmerung verdächtig im Dorf gesehen worden, ein Bündel unterm Arm, mit allerlei Gesindel sprechend, nun sei er gar spurlos verschwunden.

(Fortsetzung folgt.)