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Montag öS« 10 April.
^ Jahrgang isrr.
Teuerung und Wucher.
Daß alles teurer wird, da» heißt, daß die Geldentwertung unaufhaltsam fortschrettet, spürt jeder tätlich, ja stü diich.
Es ist verständlich, daß jeder nach einem Schuldigen sucht weil jedes Hinaufschnellen der Preise das Wirtschaften in großen wie in kleinen Verhältnissen erschwert. o„mal dann, wenn das Hinaufschnellen sprunghaft vor sich geht, wenn es heute lange, morgen kurze Sätze macht. Wieder liegt es in der menschlichen Natur, den Schuldigen zunächst da zu suchen, wo die hohen Preise bezahlt werden müssen. Tie Hausfrau klagt über den Kaufmann, „bei dem alles teurer wird", über den Gemüsehändler, der sich „Wucherpreise bezahlen" läßt. Jeder Handwerker, jeder Geschäftsmann, der irgendeinen Auftrag oder eine Bestellung aussührt, ist das Ziel dieser Angriffe und Beschwerden, dei sich sogar noch verstärken, wenn eine Verteidigung oder Rechtfertigung versucht wird. Die Klagen -wer die Teuerung, über die Wucherpreise der Geschäftsleute verraten eben die Unzufriedenheit der Käufer, das h ißt also des Volkes.
Diese Unzufriedenheit abzustellen, erachten die Behörden sür ihre Pflicht. Sie greifen ein. Entweder ist es das zuständige Polizeiamt oder es ist die Regierung selbst, die Richtlinien herausgibt, um den Wucher zu bekämpfen. Das ist alles ganz gut und schön. Indessen genügt die gute Absicht nicht, wenn es an Mut und Erkenntnis fehlt, das Uebel mit der Wurzel auszurotten. Die Teuerung dadurch zu bekämpfen, daß sie gemeinhin als strafbarer Wucher der Geschäftsleute bezeichnet wird, ist gerade so klug, als »venu bei einem Hochwasser die Behörden den Ufer- angrenzern verbieten, das Wasser über den normalen Höhenstand steigen zu lassen. In dem einen wie dem anderen Fall wird die Zwangslage übersehen. Es ist ja nicht der Geschäftsmann, der die Geldentwertung verursacht. Vielmehr leidet er vielfach noch mehr darunter als der Verbraucher. Tenn er zieht nicht nur den Unwillen des Käufers auf sich, sondern auch die Maßnahmen der Behörden, die ihn mit Geld- und Freiheitsstrafen bedrohen. Ter Nichtkaufmann übersieht, daß jeder Geschäftsmann irgendwie kalkulieren muß. Das ist schon in normalen Zeiten nicht einfach, heute aber geradezu unmöglich Was der Geschäftsmann aus dem Verkauf seiner Waren erlöst, sind nicht nur die Selbstkosten und ein angemessener Gewinn, es muß auch in dem Erlös jener Teil enthalten sein, der die Fortführung des Geschäftes gewährleistet. Das läßt sich in normalen Zeiten einigermaßen zuverlässig kalkulieren. In Zeiten, in denen der Geldwert sinkt, stellen sich der Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Kalkulation viele Hemmnisse entgegen. Um cm Beispiel anzuführen: wenn der Geschäftsmann heute cinen Warenposten für 100 OM Mk. kauft, so muß er aus dem Verkauf soviel lösen, daß neben dem Verdienst genug übrig bleibt, um neue Warenvorräte einzukaufen. Nun verändert sich der Preis dieser neuen Waren heute je uach denr Stand der Geldentwertung. Was gestern sür WOOO Mark gekauft, heute sür 100000 Mark verkauft ü'urde, kostet beim Großhändler oder Erzeuger morgen M.000 Mark. Würde der Geschäftsmann also die alten Preist beibehalten, um seine Käufer nicht aufzuregcn, so müßte er nicht nur aus jeden Gewinn verzichten, sondern noch Geld zulegen, um neue Waren einkaufen zu können, ^a ihm das nicht zugemutet werden kann, so muß er die
greise für den K'leinverkaus so hoch ansetzen, daß die Wie- Hrauffüllung des Lagers zu den neuen Preisen möglich ist. Has ist der Durchschnittssall. Daß es auch Ausnahme- wlle gibt, daß Schieber Warenmengen, die sie zu niedrigen Einkaufspreisen kaufen, zurückhalten, um das Steigen der Preise abzuwarten, ist richtig. Aber diese unguteren Elemente sind nicht dadurch zu fassen, daß scharfe Haßnahmen über ganze Erwerbsstände verhängt werden, Indern eben nur von Fall zu Fall. Dann möge man mc schärfsten Strafen verhängen.
Neues vom Tage.
^ Die Beisetzung Exkaiser Karls.
"chHl, 9. April. Am Donnerstag fanden die Bei- kaNsfererlichkeiten von Exkaiser Karl statt. Der Ex- -r^.^urde in einem in der Pfarrkirche provisorisch von, Mausoleum bestattet. Das Totenamt wurde uni, - schof Selebriet. Der größte Teil der Familie . des Gefolges nahm daran teil. Die Geschäfte waren dem Tag geschlossen. Das Herz Karls ist aus
Zerbracht ^ genommen worden und wird nach IlvMrn
Die deutsche Eisenbahnen als Anleihegnthaben.
Paris, 9. April. Der „Temps" präzisiert den französischen Standpunkt zu einer etwaigen Behandlung der Wiedergutmachungssrage dahin, daß Frankreich zwar jede Diskussion über die Höhe der deutschen Schilden und über die Beschlüsse des Wiedergutmachungsausschusses ablehnt, daß aber in Genua sehr wohl die Möglichkeit einer deutschen Anleihe erörtert werden könnte. Der Betrag der Anleihe brauche, nach französischer Ansicht, nicht sehr hoch zu fein. Als Garantie für die Geldgeber könnte eine Hypothek auf d e deutschen Eisenbahnen in Frage kommen. Zu diese n Zweck müßte der Wiedergutmachungsausschuß die Vorrechte wieder abgeben, die den Verbündeten nach Artikel 248 des Versailler Vertrages zustehen. Nach dem vom „Temps" zitierten Plan soll ein Teil der Deutschland gewährten Anleihe zur Sanierung der deutschen Eisl^rbahnen zur Verfügung gestellt werden.
Französischer Kredit für Oesterreich.
Paris, 9. April. Die französische Kammer genehmigte den Entwurf über einen an Oesterreich zu gewährenden Kredit von 55 Millionen Franken. Ein Abgeordneter verlangt, daß ein Teil dieser Summe für eine Zivilliste zugunsten der Exkaiserin Zita verwendet werden solle.
Ein Gutachten der Industrie zur Eisenbahnfrage.
Berlin, 9. April. Der Reichsreqierung ist bereits vor einigen Tagen im Zusammenhang mit den Vorberatungen für die Konferen zvon Genua von dem Reichsverband der Industrie ein von Unterstaatssekretär Franke, Generaldirektor Henrich, Geh. Rat Marburg, Tw. Quaatz und Eisenbahndirektionsprälldent von Schwerven erstattetes Gutachten über die Eisenbahn- frags überreicht worden. Wie dis T.-U. erfährt, sieht das Gutachten den einzig gangbaren Weg zum Wiederaufbau unseres Eisenbahnnetzes in der Form einer gemeinwirtschaftlichen Gesellschaft mit Beteiligung der freien Wirtschaft und unter unbedingter Ablehnung des ausländischen Einflusses auf die deutsche Eisenbahn. , g
^ 0 Llohd George und Poincare.
Paris, 8. April. Der „Petit Parisien" teilt mit, daü dis Unterredung zwischen Lloyd George und Poincare in Äußerst herzlichem Tone gehalten war und sich ausschließlich um die Konferenz von Genua drehte. Lwhd George erinnerte an die Verpflichtungen, die er in der Unterredung von Boulogne übernommen hatte. Es wurde ein vollständiges Einverständnis in folgenden Fraaen erzielt: Die Friede ns- verträge werden nicht zur Diskussion kommen, ebensowenig die Reparationen. Die Frage der Abrüstung der russ. Armee wird nicht die Frage der allg e m einenLandabrüstung nach sich ziehen. Es wurde verabredet, daß an der Vorbesprechung am Sonntag nur die eingeladenen Mächte, einschl. Belgien, teilnehmen. Deutschland wird an den Vorbesprechungen nicht teilnehmen. Dies erklärt sich dadurch, daß die Alliierten gegenwärtig mit Deutschland in Unterhandlung über die Reparationsfrage stehen. Diese Diskussion kann abgebrochen werden, wenn der Standpunkt der Alliierten nicht angenommen wird. Was die Anerkennung Sowjetrußlands betrifft, so wird diese erst ins Auge gefaßt werden können, wenn die Regierung von Moskau den ihr aufzue : - "ea Bedingungen zustimmt und genügende Be "fte ihres guten Willens gegeben hat. Es scheint, daß L'oy'« G-"> -ge in dieser Beziehung die Wünsche der cw^slskammer in Betracht
gezogen hat und dad er b?-eit ist, die Argumente der russischen Randstaaien "o ^'e de" Tschechoslowakei und Pillen anznerkennen. Es ist sehr wahrscheinlich, dar- in Genua die Rede von der Reaelunq der internativ nalen Sckmlden und der Möglichkeit einer in- ternationalen Anleihe sein wird. lieber diesen Gegenstand sind Noten zwischen dem britischen und französischen Kabinett einerseits und dem französischen und italienischen Kabinett andererseits ansgetausch- worden. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß die Konferenz von Genua gut vorbereitet worden ist. Die französischen und englischen Delegierten werden im gegebenen Augenblick „vernünftige und positive Vorschläge" machen. Die französische Delegation kann allerdings Frankreich nicht verpflichten. Poincare erklärte Lloyd George, daß er sich nicht berechtigt fühlte, eine Zustimmung zu geben, ohne vorher den Ministerrat verständigt zu haben. Was die mögliche Beteiligung Poincares an der Konferenz anbelangt, war die ganz bestimmte Antwort die, daß, solange Millerand abwesend ist, Poincare in Paris bleiben wird. Wenn aber die Konferenz nach der Rückkehr Millerands noch andauern wird, was sehr wahrscheinlich ist, so wird sich Poincare nach Genua begeben. Dies ist auch der Wunscv Lloyd Georges. ^
Reichstag.
Berlin, 7. April.
Staatssekretär Hirsch
gibt namens der Reichsregierung die Erklärung ab, daß diese das Berufsschicksal der deutschen Presse mit besonders lebhaftem Interesse verfolge. Sie sei sich der schweren Gefahr bewußt, die die neueste Preissteigerung für die ganze politische und kulturelle Entwicklung des deutschen Volkes bedeute. Noch vor Einsetzen der jetzigen Preissteigerung seien im ersten Vierteljahr d. I. allein 150 deutsche Zeitungen eingegangen. Das ist in drei Monaten ein Fünfundzwanzig- stel der deutschen Tageszeitungen überhaupt. Die Befürchtung sei nicht von der Hand zu weisen, daß bei. anhaltender Preissteigerung dieser Zusammenbruch i» verschärftem und beschleunigtem Maße vor sich gehen werde. Wohl sei die Preissteigerung im wesentlichen durch die allgemeine Teuerung bedingt und gewiß würden Verleger wie Leser sich an eine anderweitige Bemessung des Bezugspreises der Zeitungen gewöhnen müssen. Dieser Uebergang sei aber für die deutsche Presse besonders schwierig und bie Reichsregierung werde deshalb alles, was angesichts der schwierigen Wirtschaftslage erwägbar erscheine, tun, um diesen Uebergang zu erleichtern. Die Regierung sei der Ueber- zeugung, daß eine viekgestaltete, überall weit verbreitete Tagespre is eine kulturelle Notwendigkeit für das deutsche Wie. rstsleben sei. Die jetzige Preiswelle bringe die Gefahr, daß ähnlich wie in anderen Staaten eine Uniformierung der öffentlichen Meinung durch wenige große Unternehmungen eintreten könne, daß die öffentliche Meinung dadurch leicht in die Gefahr kommen könnte, einseitigen Interessen dieser Unternehmungen dienstbar gemacht zu werden und halte es für dringend notwendig, diesem Prozeß entgegenzuwirken, soweit es im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung möglich ist. Das gelte namentlich auch für die besetzten Gebiete, wo nicht nur die Teuerung schneller vor ircy geyr, fonoern wo me Presse ganz besonders große nationale Interessen zu wahren habe, die bisher von der überwältigenden Mehrheit der Presse in den besetzten Gebieten nicht immer ohne Gefahr in vorbildlicher Weise vertreten worden seien. Die kommenden Sommermonate seien ohnehin für die Zeitungen die wirtschaftlich schwierigste Periode.
Die Reichsregierung sei deshalb bereit, zu tun, was angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage und der Finanzlage irgendwie vertretbar sei. Sie sei insbesondere bereit, auf den Boden des heute vorgelegten Antrags der Parteien zu treten und die Möglichkeit und Wirksamkeit der verlangten gesetzlichen Maßnahmen in engster Fühlung mit den beteiligten gesetzgebenden Körperschaften zu prüfen und schnellstens zu fördern. Inzwischen sei die Reichsregierung aber darüberhinaus bereit, schon die verwaltungsmäßig möglichen Maßnahmen, über die in den Ausschüssen bereits eine gewisse Einigkeit erzielt wurde, insbesondere auf dem Gebiete der Tarifpolitik und hinsichtlich der Heranziehung der Ausfuhrgewinne zur Verbilligung im Innern vor Einbringung der in dem Antrag geforderten Vorlage vorzunehmen. Angesichts der gesamten Wirtschaftsentwicklung sei zwar in erster Linie die wirtschaftliche Selbsthilfe notwendig. Soweit diese nicht ausreiche, sei die Reichsregierung und die gesetzgebenden Körperschaften im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten bereit, gemeinsam mit den Vertretern aller beteiligten Berufskreise durch geeignete Maßnahmen dahin zu wirken, daß die Presse auch künftighin in der Lage sein werde, die überaus wichtigen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufgaben in einer Weise zu fördern, die die Eigenart ihrer bisherigen Entwicklung wahre und erhalte.
Der Antrag Lobe wird sodann einstimmig angenommen.
Es folgt die Weiterberatung des Etats des Reichs- ' Ministeriums des Innern bei der Gruppe Polizei und Technische Nothilfe.
Abg. Berndt (D.natl.) wendet sich gegen die Zersetzungsanzeichen, die bei der Schupo zutage treten und macht die Polizeiverbände und namentlich den Leiter der Schupo verantwortlich. Disziplin und Gehorsam müßte wieder hergestellt werden. Statt dessen fordere die Entente die völlige Entwaffnung der Polizei.
Abg. AnfMutzer (Unabh.) gibt der Freude darüber Ausdruck, daß ttotz des Kriegs bei der Schupo das Bewußtsein wachse, zum Proletariat zu gehören.
Inzwischen ist ein Antrag der Rechtsparteien eingegangen, der Sachsen die Zuschüsse für die Schupo vorenthalten will, bevor dort nicht das Kommissar- Wesen beseitigt ist.
Ein Antrag der Linksparteien will Bayern die Zuschüsse streichen, solange Bayern nicht aufhört, die Mörderzentrale zu sein.