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^ 212. Amts- und AuzeLgeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. AnzeigenvreiS: Im Oberamis- öezirr Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Donnerstag, den 11. September 1913

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post« bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. ILO, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Der Untergang Ses MarineluttschMesL 1".

Der Hergang der Katastrophe. D

Die Umfragen der Pressevertreter, die amtlichen Fest­stellungen uird die Berichte derer, die die Unglücksfahrt mit­gemacht haben und gerettet wurden, ergeben folgende

Darstellung der Vorgänge:

Der L 1, der schon in letzter Zeit mehrere Fahrten in See gemacht hatte und an den Flottenübungen beteiligt war, begab sich Dienstag mittag 1 Uhr 25 Min. wiederum zu einer kriegsmäßigen Aufklärungsübung nach Helgoland zur Flotte. Führer war der erprobte Zeppelin-Sachverständige, Kapitän­leutnant Hanne, der leider wenige Stunden später mit 14 anderen Leuten sein Leben lassen mußte. Das Luftschiff segelte um 4 Uhr über Kuxhaven hinweg, als bereits ein ziem­lich starker Regen eingesetzt hatte. Der Luftkreuzer zog jedoch ruhig seine Bahn. Als er um 5 Uhr 35 Min. bei Helgoland zur Flotte stieß, herrschten sehr heftige Regengüsse, die jedoch, da das Wetter sonst ruhig war, keine Bedenken erregten. Das Luftschiff kann gut 15 000 KZ Regenmassen aufnehmen. Das Flottenmanöver spielte sich nordwestlich von Helgoland ab. Das Luftschiff war etwa 14 Seemeilen in dieser Richtung von Helgoland entfernt. Da es sich um eine vollständige kriegs­mäßige Aufklärung handelte, war L 1 mit voller Besatzung versehen, zusammen 22 Mann, darunter sechs Offiziere, ein Marine-Ingenieur, ein Steuermann und Maschinen- und Sig­nalpersonal. Das Luftschiff flog in etwa 1300 m Höhe und war in vollster Fahrt, als plötzlich, etwa nach 6 Uhr, d i e Wetterkatastrophe völlig unvermutet eintrat. Es setzte so unbeschreiblich heftiger Regen ein, daß einer der geretteten Offiziere, Wendt, aussagte, er habe selbst in den heftigsten Tropenregengüssen ein Gegenstück zu diesem Wol­kenbruch nicht erlebt. Die Wasserwand stand undurchdring­lich um das Luftschiff. Sehr heftige orkanartige Vertikalböen setzten gleichzeitig ein und wühlten das Meer kurz und hohl auf. Das Luftschiff war nach kurzer Zeit mit Wasser voll­ständig durchtränkt. Auch die Jnnenräume waren mit Was­ser angefüllt, doch hatten die Motoren keinen Augenblick aus­gesetzt. Das Luftschiff gab seinen gesamten Wasserballast ab und handhabte das Höhensteuer, um wo möglich über die Böen hinwegzukommen. Allein der vertikale Druck wurde immer stärker und spottete allen Bemühungen, zumal das Schiff be­reits starken Gasverlust erlitten hatte. Eine furchtbare schleuderte nun den Luftkreuzer aus etwa 1000 Meter Höhe mit einer geschätzten Geschwindigkeit von etwa 20 Sekundenmetern auf das erregte Meer nieder, zuerst mit dem Vorderteil. Der Anprall war so elementar, daß sofort ein Bruch des Schiffes eintrat und beide Teile ganz oder teilweise unter Wasser gerieten. Die erregten Wellen spülten darüber hinweg. Schon vorher waren einige Mann aus den Gondeln gefallen und unter das Gestell geraten. Ei­nige andere, darunter die beiden Oberleutnants Wendt und Grimm, konnten sich etwa dreiviertel Stunden lang, in vollem Lederzeug schwimmend über Wasser halten. Andere ergriffen die Wrackstücke, mehrere aber waren sofort erschlagen worden oder mußten in dem Jnnenraum ersticken. Das Geestemünder Fischerboot Orion hatte das Luftschiff verfolgt und war in nächster Nähe, als die Katastrophe eintrat. Der Dampfer barg mit größter Mühe fünf Mann an Bord, wäh­rend das Linienschiff Hannover noch zwei aufnahm. Nach Schilderungen der Geretteten war das Luftschiff in vollster Fahrt, als die Vertikalböe es auf das Meer niederstieß. Dieser Stoß und die unmittelbar anschließende Vernichtung spielten sich so schnell und mit solch elementarer Wildheit ab, daß

ie Geschichte des verunglückten Luftschiffs. -

kaum jemand zur Besinnung kam und erst eine greifbare Vor­stellung von dem schrecklichen Geschehnis hatte, als auch schon oie Katastrophe Tatsache war.

Berlin, 10. Sept. Amtlich. Zu dem Unfall desL 1" wird noch gemeldet: Die Wetterkarten wurden vorher einge­sehen, ein Flottenballon steigen gelassen und Erkundigungen über das Wetter bei Helgoland und der Flotte eingezogen, was auch im Verlaufe der Uebung wiederholt wurde. Die Trümmer haben 14 Stunde vermöge des Gasinhaltes der Zellen noch geschwommen. Die Offiziere sowie die gesamte Besatzung des Luftschiffes haben bis zum letzten Au­genblick alles getan, was zur Abwendung der Katastrophe geschehen konnte. Das Luftschiff hatte keineswegs eine lange Fahrt hinter Hich und war sehr reichlich mit Brennstoff und Ballast versehen. Es hatte vor der Abfahrt von Kuxhaven den Gasvorrat voll aufgefüllt und hatte sich die ganze Zeit bis zum Eintritt der Katastrophe, seiner weitestgehenden Handlungs­freiheit entsprechend, in der von ihm selbst als günstig gewähl­ten Höhe von etwa 500 Metern gehalten. An Bord befanden sich 20 Personen. Von einer Ueberlastung des Luftschiffes kann um so weniger die Rede sein, als ein Teil der lediglich für den Krieg bestimmten Ausrüstung nicht an Bord war. Es handelt sich mithin bei dem Unfall weder um Versagen der technischen Einrichtungen, noch um Ballastmangel oder Gasverlust, sondern um unvorhergesehenes Zusammentreffen ganz ungewöhnlich ungünstiger Witterungserscheinungen, also um höhere Gewalt. An der Einschätzung des starren Luft­schiffes als Kriegsinstrument wird durch den Vorfall nichts geändert.

Hamburg, 10. Sept. Heute abend nach 6 Uhr trafen auf dem Hamburger Hauptbahnhof von Kuxhaven die 6 geretteten Offiziere und Mannschaften des verunglückten Marineluft­schiffes L 1 ein. Das Offizierkorps und die Kameraden des Fuhlbütteler Flugplatzes hatten sich zu einer tief ergreifenden Begrüßung eingefunden. Der Hamburger Senat war durch den Senator Freiherrn von Berenberg-Goßler vertreten. Von den bei der Katastrophe ums Leben gekommenen Personen waren vier Unteroffiziere verlobt, auch der Führer des Luft­schiffes, Kapitänleutnant Hanne, hatte sich erst vier Tage vor der Katastrophe verlobt. Von den Flottenkommandos meh­rerer fremden Nationen, dem Senat von Hamburg u. a. sind dem Reichsmarineamt und dem Kaiser Beileidtelegramme zugegangen. Bis jetzt wurden 6 der Ertrunkenen ge­borgen.

Ueber die

Geschichte desL 1"

sei noch nachgetragen: Das Schiff hatte größere Abmes­sungen als alle seither gebauten Zeppelinschiffe; infolgedessen vergrößerte sich auch der Aktionsradius, was für ein Kriegs­luftschiff selbstverständlich ist. Es hatte, wie schon erwähnt, eine Länge von etwa 160 m, Linen Durchmesser von etwa 15 m und einen Kubikinhalt von etwa 22 000 cdm. Der Tragkörper hatte 18 Gaszellen. In der vorderen Gondel war ein Motor, in der Hinteren Gondel 2 Motore von Maybach mit je 170 Pferdekräften eingebaut. Die vorderen Aluminium­propeller waren 2flüglig, die Hinteren 4flüglig. Die Steuerung saß vereinigt in einem Rahmen am Heck des Schiffs. Die Seitensteuerung hatte 6 Vertikal-, die Höhensteuerung 8 Hori­zontalflächen. Auf dem Rücken des Tragkörpers war eine Plattform aus Aluminiumblech als Beobachtungsstand für die Offiziere, der durch einen Steigschacht erreicht wurde. Statt der Kabine war in dem Laufgang ein Aufenthaltsort für Offi­ziere, Mannschaften und für Funkentelegraphie eingebaut. Um auch in der Dunkelheit seine Aufgaben erfüllen zu kön­nen, war für den L 1 ein R i e s e n s ch e i n w er f e r mit einer Leuchtkraft von 40 000 Kerzen gebaut worden, der bis auf eine Entfernung von 1500 m das Gelände erhellte. Der Abnahmekommission, die anfangs Oftober 1912 in Friedrichs­hafen die Uebernahme besorgte, gehörte auch der jetzt mit er-

Dom neuen MarineluftschiffL 2".

trunkene Kommandant des Kreuzers, Kapitänleutnant Hanne an. Am 14. Okt- 1912 wurde das Luftschiff vom Reichs- marincamt übernommen. Die 31stündige glänzende Probe­fahrt, die von Friedrichshafen weit über die Nord- und die Ostsee hinein führte und in Johannisthal endete, ist noch in guter Erinnerung. Die Fahrt mit 21 Personen und vollstän­diger Ausrüstung ging über Fulda und Osnabrück nach Em­den, von dort teilweise gegen einen Wind von 13 Sekunden­metern 11 Stunden lang quer über Nord- und Ostsee, dann über Lübeck nach Berlin. Mehr als 1600 km legte das unter dem NamenL 1" segelnde Schiff zurück, und wenn die Fahrt damals entgegen der Absicht nicht auf 38 bis 40 Stun­den ausgedehnt wurde, dann geschah es nur, weil dem Schiffe auf radiotelegraphischem Wege von einer Nordseestation eine Warnung vor schlechtem Wetter zuging und weil der erschöpfte Benzinvorrat nur noch eine Flugdauer von etwa 4 Stunden gestattet hätte. Für eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des L 1 mußte dabei berücksichtigt werden, daß der normale Benzinvorrat wegen Einschiffung der 5 Personen zählenden Abnahmekommission um eiiy entsprechendes Gewicht hatte verringert werden müssen, Graf Zeppelin hatte es sich in jenen Oktobertagen nicht nehmen lassen, die Führung des Schisses selbst zu übernehmen. Nach der Abnahme war L 1 dann zunächst in Johannistal stationiert und unter­nahm von da aus eine Reihe vorzüglich gelungener Fahrten, u. a. eine solche mit dem Prinzen Heinrich von Preußen. Nachdem dann Ende April 1913 die Uebersiedlung des Schif­fes nach Hamburg erfolgt war, kamen die vielbesprochenen Ueberseeflüge, als deren Folge ein bedeutendes Anwachsen der englischenSpionitis" zu verzeichnen war. Wiederholt fanden dann Uebungen des L 1 im Verein mit kleineren Schiffsver­bänden statt, wobei besonders mit Erfolg die schwierigen Wasserlandungen" erprobt wurden. Jetzt nun, bei den gro­ßen Herbstübungen der Hochseeflotte, an denen erstmals ein Luftkreuzer teilnahm, ist der schöne und stolze Segler den Elementen zum Opfer gefallen. Die deutsche Marine wird in den nächsten Wochen einen neuen Luftkreuzer erhalten: in der Friedrichshafener Werft sieht der L. 2 seiner Taufe entgegen. Dieses neue Luftschiff weist gegenüber der bisherigen Bauart noch weitere Verbesserungen auf. Es be­sitzt einen wesentlich größern Gasinhalt und damit erhöhte Tragkraft. In zwei Gondeln werden erheblich stärkere Mo­toren untergebracht sein, die eine Gesamtleistung von 900 ausbringen, jedoch bleibt als Neuerung eine dritte Gondel den Führern des Luftkreuzers Vorbehalten. Damit wird ein Nach­teil aufgehoben, der sich bei den bisherigen 2-Schiffen un­liebsam bemerkbar machte: durch das Geräusch der arbeiten­den Motoren wurde die Verständigung der Deckosfiziere beein­trächtigt.

Friedrichshafen, 11. Sept. Die Ueberführungsfahrt des neuen MarineluftschiffesL 2" ist um einige Tagen ver­schoben worden.

Schwerer Unfall des Militärluftschiffs ..Z 5".

Leipzig, 10. Sept. Bei der Landung des Militärluft- schiffesZ 5", das vom Manöver um 145 Uhr heute nachmittag zurückkehrte, ereignete sich auf dem Flugplatz Leip­zig-Mockau ein Unfall. Das Luftschiff wurde von einer Sturmböe in die Höhe gerissen und vier Mann der Halte- mannschast dabei in die Höhe gezogen. Dem Arbeiter Gaßdorf gelang es, in die Gondel zu klettern, dagegen stürzten der Unteroffizier Reisenhauer von der zweiten Kompagnie des Luftschifferbataillons und der Kanonier Polster vom Feld­artillerie-Regiment Nr. 77 aus 150 Meter Höhe ab und blie­ben totamBoden liegen. Der Sergeant Armind vom Luftschifferbataillon mußte sich solange am Landetau fest- halten, bis das Luftschiff wieder gelandet war. Der Sturm zwang das Luftschiff aber von neuem, in die Höhe zu gehen. Um 6,10 Uhr erst konnte es in der Lustschifshalle geborgen werden.