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Eisenbahnerstreik.

Berlin, L. Febr. D - R-ichs,-werkschaft-ent- f scher Eisenbahner beschloh mit SV gegen ls Glim­me« bei 1 Etimmeneuthailnng in der kommenden Nacht «m 12 Uhr in den Streik einz«trete«.

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England und AeghpLsn.

Soll jetzt, nach einer wechselnden Fremdherrschaft von L500 Jahren, das ägyptische Volk die Unabhängigkeit wiedererlangen? Soll diese Herrschaft in ihrer letzten Wandlung, der britischen Vormundschaft, tatsächlich ein 'Ende nehmen? ,

Vierzig Jahre lang hat England der Welt verkündigt, daß es nur zeitweilig in Aegypten bleiben wolle da es sich genötigt sehe, sichere Zustände zu begründen, damit der Suezkanal und die Verbindungen mit Indien und Jnuer- asrika nicht gefährdet würden. Als es im Jahr 1882 ein- griff, war das Land in einer Übeln Verfassung. Aus die ersprießliche Verwaltung Mehemet Alis, der die tatsäch­liche Herrschaft des Großhcrrn von Stambul nach man­cherlei Kämpfen vom Lande abgeschüttelt, und unter einer nur mehr schattenhaften Oberhoheit des Sultans die Re­gierung als erblicher Statthalter angetreten hatte (1841). war nach zwei kürzern Regierungen von Abbas und Said der prunlliebende Ismail zum Beherrscher des Niltals 'geworden (1863), Mehemet Ali. der Albanieer, unterwarf mit kräftiger Hand d^n näheren Sudan und legte damit den Grund für die Bewässerungsarbeiten an dem frucht­bringenden Strom. Ismail, der erste Vizekönig. (Chediv), nahm den Ruhm der Vollendung des Suezkanals in An­spruch und verschleuderte, ohne im Lande Wirkliches zu leisten, dessen Einnahmen in einem solchen Maß, daß schließlich eine internationale Schuldenverwaltung aus Vertretern der europäischen Mächte gebildet werden mußte, während Ismail selbst 1875 feinen Besitz in Aktien des Euezkanals an England verkaufte, das auf diese Weife kräftig Fuß in Aegypten faßte. So folgte aus den viel­versprechenden Anlauf Mehemet Alis zur Selbstrcgierung der erste Eingriff des Auslands in neuester Zeit, 1879 ge­folgt von der Absetzung des Chedivs. 1881 brachen sowohl wegen dieses Eingri'fs wie der Mißwirtschaft des Herr­schers Unruhen im Volk aus; sie waren schon, wie die heutigen, nationalistischer Art. Sie führten 1882 zu der Beschießung Alexandriens durch die englische Flotte, zur Entfernung des volkstümlichen Führers Arabi Pascha und zu der Besetzung, die jetzt ein Ende nehmen soll, nach­dem sie 1914 in eine förmliche Schutzherrschaft Großbri­tanniens umgewandelt worden war, freilich mit der Zu­sage, daß esnur für die Dauer des Kriegs" sein sollte. Daß diese Zusage nicht erfüllt wurde, verschärfte die in­zwischen, wie überhaupt in der Welt, der islamischen einbe­griffen, entfachte völkische Bewegung der Aegypter.

Die Billigkeit verlangt, die Leistungen anzuerkennen, die seit 1882 England im ägyptischen Land vollbracht hat. England verdankt das Land besonders die großen Stau­werke, die sein Kulturland erweitern lassen, und mit deren Bau noch fortgesahren werden soll. Doch das Bild hat Schattenseiten. Die eng'i'che Verwaltung HK namentlich hie Volksbildung vernachlässigt und hi rin alles gelassen, wie sie es gefunden harte, doch mehr ohne die gefährliche Duldung und Förderung der eigm:licheu Gebildeten. So Hat es hier wie in Indien und auch in andern Teilen Afrikas geistige Führer aufkommen lassen, die imstande find, die Volksmassen gegen die Fremden auszuwiegeln. Die Kleiubürgerschaft und das städtische Proletariat wie auch die Fellachen (Bauern) sind Wachs in den Händen geschickter Führer und rufen nach Selbstregierung. Man gebe sie ihnen, so lautet das liberale Losungswort in England, wo manche befürchten, daß, wenn es jetzt zu einer weiten Volkserhebung und militärischer Unterdrück- kung kommt, am Ende doch gewährt werden muß, was dein Volk zusteht.

Das Volk murrt ob der Teuerung des Lebensbedarfs, einer unmittelbaren Folge der britischen Wirtschaftspolitik. Lord Cromer und seine Gehilfen und Nachfolger hatten im Interesse der englischen Industrie den Ackerbau ganz «rif Baumwolle gestellt, so daß Getreide aus dem Ausland eingeführt werden mußte. Ein wahres Ver­hängnis während des Kriegs und seither, denn wie in

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Europa fehlten bei der allgemeinen Zerrüttung der Schiff­fahrt die Gelegenheiten zur Zufuhr. Es gärt nicht nur unter den Verbrauchern, sondern auch unter den kleinen, meist noch dem Fellachenstand angehörigen Pächtern, hie wohl mit scheelen Augen sehen, daß die über w.itc Laudstrecken gebietenden Kapitalisten Ausländer sind, die obendrein, kraft der Verträge, die den Europäer zum Trä­ger von Vorrechten machen, von der Steuerpflicht befreit sind. Und schließlich ist die britische Vormund­schaft dem Lande teuer zu stehen gekommen. Man bedenke was es heißt, daß der in alle Landesverwaltungeu verteilte Stab von britischen Beamten im Jahr 1896 erst 286 Köpfe betrug, um zuletzt auf 1671 zu steigen, und zwar bei ver­minderter Leistungsfähigkeit. Abgesehen davon, daß wäh­rend des großen Kriegs, viele dieser Beamten in das Heer eintraten, worauf die Dinge im Staatsdienst drunter und drüber gingen, nachdem dieser nun einmal auf die Mit­wirkung der Ausländer zug.schni ten war.

Es gibt zwei Richtungen der Nationalisten, die zu­letzt auf die Namen der Paschas Zaghlul und Adli eingetragen waren. Unterschiede scheinen im Grunde nur in der Tonart vorhanden zu sein Alle völkisch Gerich­teten im Land sind sich darüber einig, daß die 1913 ge­währte Einrichtung einer Gesetzgebenden Versammlung, deren Mitglieder nur zum Teil gewählt, zum Teil aber ernannt werden, den Geboten der Zeit nicht entspricht; alle auch darüber, daß die Schutzherrschaft aushören soll. Eine Bewegung, die im Frühjahr 1919 ausbrach, offen­barte den gewaltigen Umfang der Bestrebungen, die tief im Volke wurzelten. Für den damaligen Ausbruch wurde Zaghlul verantwortlich gemacht und nach Malta verschickt. Das verhinderte nicht, daß dieser Politiker, ein früherer Unterrichtsminister, ein Jahr später in London mit Lord Milner über die Grundlagen einer neuen Verfassung unterhandelte, die später mit einem Bündnis mit England verknüpft werden sollte. Es kam eine Verständigung zu­wege, die auch die BMguug der Gesetzgebenden Versamm­lung erhielt. In England indes wich die Regierung einen Schritt zurück, und Lloyd George verleugnete die Vor­schläge Lord Miluers. In Kairo trat das Ministerium zurück und Adli Pascha kam an die Spitze des Kabinetts. Er reiste darauf, von der Gruppe Zaghluls angeseindet, nach London zu Unterhandlungen mit Lord Curzon, aus denen der jüngst bekannt gewordene Curzonsche Vorschlag hervorging, dem Adli nicht zustimmte, sondern nach .Hause reiste und seine Entlassung einreichte. Der Curzonsche Vorschlag bedeutet ewige Botmäßigkeit und hätte dem Ver­fasser von vornherein als unannehmbar für die Aegypter erscheinen müssen. Mutlerweile waren im letzten Früh­jahr und Sommer allerlei Unruhen entstanden, denen nun, seit Weihnachten herum, weitere gefolgt sind.

Die ersten Unruhen wurden blutig unterdrückt und Zaghlul zum Weiten Mal. und zwar nach Ceylon in die Verbannung geschickt. Aber die Glut der Empörung war nicht gelöscht. In der Mitte des Januar brachen neue Aufstände aus, die die großen Städte zeitweise völlig in die Hand der Aufständischen brachten. Die englischen Truppen hatten schwere und verlustreiche Kämpfe gegen die fanatisierten Aegypter zu bestehen. Die englische Zensur hat alle Nachrichten darüber unterdrückt, aber die Vorkommnisse scheinen der Londoner Regierung nun doch einen klaren Begriff von der gefährlichen Lage gebracht zu haben. So ist es zu verstehen, wenn das Auswärtige Amt ganz unerwartet vor das Parlament tritt mit dem Vorschlag. Aegypten volle Unabhängigkeit zu gewähren, die nur an die Bedingungen geknüpft sein soll, die für England den freien Seeweg nach Indien und den übrigen britischen Besitzungen sichcrstellen. England will ferner Mittel in der Hand behalten, um die auslän­dischen Besitzungen in Aegypten zu besetzen. .Mine andere Macht (z. B. die Türkei) soll sich in die inneren An­gelegenheiten Aegyptens einmischen dürfen. Wahrschein­lich vermutet man in England - und wohl nicht mit Unrecht, daß die Bewaffnung der Aegypter von Frankreich aus besorgt werde, daß also dasver­bündete" Frankreich insgeheim in Aegypten die gleiche .Aufwieglerrolle spiele, die es inIrland zu spielen ver­suchte, um England gegenüber den französischen Absichten gegen Deutschland gefügig zu machen. Das britische Weltreich hat eben gar so viele verwundbare Stellen, die einem Feind oder einem soehrlichen Freund" wie Frank­reich erwünschte Angriffspunkte bieten. Die britische Ad­miralität hat vor Gibraltar 50 Kriegsschiffe zusammen­gezogen. Sollte diele aanz außerordentliche Mw-reael

vielleicht dazu bestimmt sein, der franzöfifcyen-Poli­tik" in Tanger, Aegypten und Kleinasien als Warnungs­tafel vorgesteckt zu werden?

London, 31. Jan. Hier erhält sich das Gerücht vom Rücktritt des britischen Oberkommissars in Aegypten, Lord Allenbys. In Aegypten ruft das Gerücht aller­dings keine Ueberraschung hervor. In Londoner ägyp­tischen Kreisen werden die englischen Angebote an Aegyp­ten außerordentlich kühl ausgenommen, weil sie die Wün­sche der Aegypter in keiner Weise befriedigen. Nur eine vollständige Anerkennung der Unabhängigkeit Aegyptens könne die Ansprüche der Aegypter zusriedenstellen. Die einzige Persönlichkeit, die mit der englischen Regierung verhandeln könne, sei Zaghlul Pascha.

Neues vom Tage.

^ Ein neuer englischer Plan.

Berlin, 31. Jan. DieBerliner Zeitung" berichtet: Ob die verbündeten Regierungen selbst eine Entscheidung über die deutsche Antwortnote treffen werden oder ob die Angelegmh.it dem Wiederherstellungsausschuß überwiesen werden soll, darüber schreibt derMatin", die franzö­sische Regierung vertrete zweifellos den Standpunkt, daß der Oberste Rat keine allzu glänzende Figur bisher in der Angelegenheit abgegeben habe. Es sei aber zweifelhaft, ob die Verbündeten ebenfalls dieser Ansicht seien. Nach gewissen Auskünften, die das Blatt erhalten haben will, scheine es im Gegenteil, daß die englische Regierung eine tiefgehende Reform des Wiederherstellungsplans be­schlossen habe, die allerdings große Opfer seitens Eng­lands und Frankreichs in sich schließe, wobei aber letztere? durch eine Lösung der Schuldfrage selbst ohne r:e Mck Wirkung Amerikas entschieden werden solle.

Gegen die Wiederkehr Rathenaus.

Hamburg, 31. Jan. Der Hauptgeschäftssührer des deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes hat an den Reichspräsidenten und den Reichskanzler folgendes Tele­gramm^ gerichtet: Der Bundesvorstand des deutschvölki­schen Schutz- und Trutzbundes, dessen Mitglieder aus allen Teilen Deutschlands versammelt sind, erhebt schärfen' Einspruch gegen die Wiederkehr Walter Rathenaus in di? Rcichsregierung. Ein Mann, der zu Beginn des Kriegs nach seinem eigenen Eingeständnis erklärt hat, die Welt­geschichte hätte ihren Sinn verloren, wenn Deutschland sie­gen würde/ ist unter keinen Umständen berufen, bei der Führung der Geschicke des deutschen Volks mitzuwirken.

Oerter zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt.

Brannschweig, 31. Jan. Nach viertägigen Verhand­lungen wurde in dem Bestechungsprozeß gegen den früheren Ministerpräsidenten Sepp Oerter und den Krankenheiler Schlesinger das Urteil gefällt. Es lautet gegen Oerter auf 4 Monate und gegen Schlesin­ger auf 2 Monate Gefängnis. Das von Schlesinger an Oerter gegebene Darlehen von 2,0000 Mk. wurde als dem Staat verfallen erklärt.

Gütersperre im Jndnstriebezirk Essen.

Essen, 31. Jan. Eine neue Gütersperre hat die Eisenbahndirektion Essen mit Pücksicht auf die Mög­lichkeit eines Beamtenstreiks verhängt. Mit Ausnahme von Wiederaufbaugutdienstkohlen und Sendungen für die Besatzungsbehörden werden keine Frachtsendungen mehr angenommen.

Bedenkliche Zeichen der Zeit.

München, 31. Jan. Vom Landg?richt München wur­den gestern 12 Angeklagte wegen Vergehen gegen das keimende Leben zu Gefängnisstrafen von 46 Monaten verurteilt. Eine Person wurde freigesprochen. Die Ver­handlungen mit den übrigen 81 AngeÜagten dauern noch an. Hauptangeklagte sind ein praktischer Arzt und meh­rere Privathelser. Demnächst werden weitere große Ver­handlungen stattfinden, wobei sich über 100 Personen zu verantworten haben.

Französisch-italienisch-englischer Zwischenfall.

Paris, 31. Jan. Das französische Oberkommissariat hatte, wie aus Konstantinopel gemeldet wird, Vor­bereitungen für eine Gedächtnismesse für den verstor­benen Papst getroffen und stützte sich dabei auf das Recht der Protektion der Katholiken in der Levante. Der italienische und englische Oberkommissar waren jedoch der Ansicht, daß dieses Recht mit der Konferenz von San Remo hinfällig geworden sei und verhinder-