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A». 878.
Alten »ei,. Donnerstag »«« 24 November.
Jahrgang tb»1.
1 Prozent.
Seit der ersten Entschädigungszahl mg am 1. August h. I. gingen die Devisenkurse stark nach oben und cs setzte eine neue sogenannte „Katastvophenhausse" an den deutschen Börsen ein. Rein wirtschaftlich betrachtet vollzieht sich darin die Anpassung der Bewertung der Dividendenpapiere an die durch die Geldentwertung her- vorgerusene höhere Bewertung aller Sachwerte in Papiermark. Aktien und Kuxe bilden eben Anteilscheine an Unternehmungen und stellen somit einen Teil der vielgenannten Gold- oder Sachwerte dar. Infolge der gewaltigen Steigerung der Kurse werfen aber die Dividendenpapiere heute, worauf die ,„D. Tagesztg." mit Recht aufmerksam macht, eine ganz außerordentlich niedrige Verzinsung ab. Diese niedrige Verzinsung ist den Käufern aber völlig gleichgültig, da sie ja nicht aus diesen Papieren sitzen bleiben woben, sondern nur an dem Kurs zu verdienen die Absicht haben. Es ist ihnen völlig gleichgültig, welche Dividende ein Unternehmen ausschütten kann, wenn nur die Aktien im Kurs steigen und durch Kapitalserhöhungen ihnen womöglich noch wertvolle Bezugsrechte in den Schoß fallen.
Sieht man sich die Kurse unter Vergleichung der letzt- gezahlten Dividenden an, so sind Verzinsungen von etwa 1 Prozent bereits ziemlich zahlreich zu entdecken. Dieses Nichtberücksichligen der Erträge aus den Aktien und Kuxen ist das Kennzeichen des Spekulationstaumels, der alle Welt erfaßt hat. Klagt doch sogar das Korrespondenzblatt des sozialistischen Gewerkscha'tsbunds, daß auch Arbeiter sich Börsenzeitungen kaufen und spekulieren.
Durch die gewaltige Steigerung der Kurse der Dividendenpapiere werden die Vermögen, ole.' vielmehr die Papierkapitalvermögen, ganz ungeheuerlich gesteigert. Es gibt heute in Deutschland bald Millionäre wie Sand am Meer, und der Reichsfinanzminister freut sich schon auf die gewaltigen Einnahmen aus dem Vermögens zuwachs aus der Nachkriegszeit. Dem Reichstag ist jetzt das große Steuerbündel unterbreitet wo d u, worin auch die starke Wegsteuerung dieser Gewinne aus der Spekulation zu finden ist. Ob es eine reiche Ernte werden wird? Wir wollen nur darauf Hinweisen, daß diese Papiere alle dem Kurs unterliegen. Es wäre nicht das erstemal, daß infolge einer steuerlichen Maßnahme ein Kursrückschlag Antritt, der den ganzen herrlichen Reichtum in ganz kurzer Zeit sehr stark verflüchtigen und damit den „Vermögenszuwachs" nach dem Krieg größtenteils, wenn nicht ganz hinfällig werden läßt.
Alle festverzinslichen Werte stehen heute ganz außerordentlich niedrig, namentlich aber sind es die Staats- und Reichspapiere, während die P'andbriefe und Obligationen wesentlich besser bewertet werden. Bei den am schlechtesten im Kurs stehenden festverzinslichen Papieren springt eine Verzinsung von 6 bis 7 Prozent heraus. Allein selbst diese Verzinsung kann zum Festhallen nicht reizen, wenn sie unzureichend ist zur Beibehaltung der früheren Lebensführung und weil man das Kapital dahinschwinden sieht. Dann wird sehr oft der Besitz gewechselt, um aus Dividendenpapieren mit Hilfe der Kurssteigerungen sich die größeren Einnahmen zu verschaffen und das Kapital entsprechend zu vermehren. Nur eine Sorge beschleicht im stillen diese sich wider Willen der Börsenspekulation zuwendenden Kreise, vb sie auch zur rechten Zeit wieder den Weg zurück zu den „Festverzinslichen" finden werden. Zu den Festverzinslichen Mit den reicher fließenden Erträgen, die man zudem zu einem so außerordentlich niedrigen Kurs erstehen kann, die allerdings dem Nennwert nach ein geringeres Kapital darstellen. "-"-----L-L,
Jeder leise auf eine Baisse gerichtete Börsenwind läßt sie erschauern. Solange die Inflation (die starke Papiergeldherstellung) sortdauert und die Devisenkurse immer weiter steigen und damit die Mark immer weiter entwertet wird, glaubt man ohne Sorge sein zu dürfen. Kommt doch rmmer neues Geld in den Verkehr, das, soweit es nicht für den Tagesverbrauch umläuft, nach Anlagemöglichkeiten sucht. Und diese Anlagemöglichkciten werden ihm durch Schaffung von immer neuen Aktien- Nusgaben geboten. Jnsolge der steigenden AklienfilUe aber verbreitert sich das Geschäft an der Bö se immer Mehr. Mit den alten Einrichtungen und dem alten P r- «onal ist die Arbeit nickt mebr «n bewLllllen aeweiea.
Trotz Einlegung von Börsenfeiertägen und schließ' ich der Beschränkung des Verkehrs auf zwei Tage in der Woche ist man auch noch nicht zu einem normalen Funktionieren des Betriebs gekommen. So hat man denn zu dein Mittel des passiven Widerstands gegriffen und bestimmt, daß ab 1. Dezember nur noch Börsenabschlüsse von je 5000 bzw. 6000 Mk. nominal von den vereideten Maklern angenommmen werden dür'en. Diese Erschwerung des Verkehrs trifft in erster Linie die kleinen Kapitalisten, die weniger als 5 Aktien von einem Papier besitzen.
Inwieweit diese Maßnahme oder die erhöhten Börsenumsatzsteuern oder auch andere Vorgänge zu einem leichten Schwanken des Kursgebäudes in der verflossenen Woche geführt haben, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß sich die kleine Spekulation noch nicht hat einschüchtern lassen. Darüber, daß einmal der große Tag kommen wird, wo die Frage nach dem Ertrag des Papiers statt nach dem Kursgewinn die üusschlaggebende Rolle spielen wird, darüber sind sich alle Gelehrten der Börse einig. Nur fragt es sich, wann wird er kommen? Wird er durch steuerli e Maßnahmen herbeigeführt werden oder wird er dun. die Befestigung des Werts der Mark, womit naturgemä, die Spekulationshausse ihr Ende findet, sich einstellen? Auf jeden Fall werden die Maßnahmen der Wiederherstellungskommission die wichtigste Nolle spielen. Wenn auch die Frage des Moratoriums, d. h. die Stundung der Zahlungen an die Entente, für die ersten beiden Termine im Januar und Februar des nächsten Jahres noch nicht in Frage zu kommen scheint, so wird diese nun einmal aufgeworfene Frage sicher nicht zur Ruhe kommen. Rückt das Moratorium aber einmal in greifbare Nähe, dann besteht die Aussicht, daß es nur unter der Bedingung gewährt wird, daß mit der Notendruckerei in Deutschland unbe- ding t^ chluß gemacht wird, weil sonst jedes Moratorium zwecklos wäre.
Neues vom Tage.
Maßnahmen gegen den Wucher in Berlin.
Streifkommandos der Polizei prüfen die Lebensmittelgeschäfte auf Preistreiberei. Etwa 100 Inhaber wurden bis jetzt zur Anzeige gebracht. Außerdem wurden erhebliche Mengen von Lebensmitteln gefunden, von denen angenommen wird, daß sie zum Zweck späterer
Preiserhöhung zurückgelegt worden seien. _
Aus dem Berliner Stadtparlament.
Berlin, 23. Nov. In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung wurden zu Stadtverordnetenvorstehern und Stellvertretern Fabian (D.natl.), Oberma er (Dem.) und Schwarz (D.Vp.) gewählt. Zu Beisitzern und deren Stellvertretern wurden nur bürgerliche Stadtverordnete gewählt.
Gehaltserhöhungen im Rnhrbergbau.
Berlin, 23. Nov. Nach dem „Berl. Lokalanzeiger" führten die Essener Verhandlungen zwischen dem Zechenverband und den Verbänden der technischen und kaufmännischen Grubenangestellten zu einem Ueberemtommen, wonach die Gehälter um 42 Prozent erhöht werden. Hausstandsgelder und die Kinderznlagen werden um je 200 Mark monatlich erhöht.
Gründung der Main-Douau-Stromverbanv A G.
München, 23. Nov. Wie im Staatshaushaltsausschuß des Landtags mitgeteiit wurde, wird nächsten Montag ,die Gründung der Aktiengesellschaft Main-Donau- Srromverband erfolgen. Das Reich soll daran mit 45 Prozent und Bayern mit 35 Prozent des Aktienkapitals beteiligt sein. Ausgegeben werden voraussichtlich 600 Millionen Mark in Stamm- und 600 Millionen Mark in Vorzugsaktien, sowie 300 Millionen Mark in Obligationen. Es ist auch mit einer recht lebhaften Beteiligung der interessierten Körperschaften zu rechnen^
ExPlosionsnnKlück in LuvwigShafen.
Mannheim, 23. Nov. In der Bleilöterei der Bad. Anilin- u..d> Sodafabrik platzte ein Kompressor. Der mit dem Füllen der Wasserstoffplombe beschäftigte Arbeiter Wi Helm Götz aus Mundenheim wurde dabei getötet, während der Arbeiter Georg Koch aus Lud- wigsbafen sehr )chw'r perletzt wurde. 8 weitere Arbeiter wurden mehr der weniger schwer verletzt.
Französische Zwangsmaßnahmen gegenüber Deutschland?
Paris, 23. Nov. Der nationale Block tritt in der Befürchtung einer baldig eintretenden Zahlungsunfähigkeit Deutschlands dafür ein. daß Deutschland für diese.! Fall ein Mo a o.ium ertei t wird uater Ge.räh- rung gewisser Sicherheiten. Als Sicherheiten werden vorgeschlagen: 1. Eingehende Kontrolle der Finanzwirtschaft und 2. Kontrolle der Produktion der Hauptindustriezweige. — In London ist man der Ansicht, daß die Produktionskontrolle sich auf das Ruhrgebiet beschränken werde. Gleichzeietig verlautet, daß der französische Generalstab Anordnungen getroffen habe, zwei Divisionen beschleunigt mobil zu machen.
Entmündigung Deutschlands.
Paris, 23. Nulv. Der französische Handelskammertag hat in einer Entschließung zum Ausdruck gebracht, Frankreich müsse aus der Frist zur Ausführung des Friedensvertrags von Versailles angesichts der finanziellen Lage Frankreichs bestehen. Man müsse sofort die Kontrolle über die Steuern und die Ersenbahntarife fordern, die stets in Golddollar oder zu einem Kurs berechnet werden müßten, der dem Frankreichs, Englands und Italiens gleichkomme.
Stinnes bei Lloyd Georges.
Rotterdam, 23. Nov. Der „Courant" meldet au» London, Geheimrat Stinnes habe sich mit dem deutschen Geschäftsträger in London, Dr. Sthamer, am Montag früh auf den Landsitz Lloyd Georges begeben.
Neue Unruhen in Ulster.
Belfast, 23. Nov. Heute wurde in Belfast wieder viel geschossen. Sechs Personen wurden getötet, viele verwundet. Zwei weitere Personen erstickten in ihrem .Schlafzimmer, da eine Kugel die Gasleitung zerstörte.
Wiederaufbau Petersburgs durch Deutsche.
Berlin, 23. Nov. Aus Petersburg meldet die „Täal. Rundschau": Hier angekommene Vertreter mehre er deutscher Firmen haben Pläne für einen Wiederaufbau Petersburgs vorgelegt, die von den zuständigen russischen Stellen als annehmbar bezeichnet worden sind. Gegenwärtig finden Verhandlungen über die Bedingungen statt, unter denen der Bau von Wohnhäusern usw. deutschen Firmen übertragen werden soll. Außerdem sollen sie di« Lieferung für den Neubau des kürzlich niedergebrannten Petersburger Telephonamts übernehmen.
Mit den gleichzeitig angekommenen Vertretern amerikanischer Firmen sind Verhandlungen über ein Abkommen angenommen worden, durch das diesen in großem Umfang Ackerland zur Aussaat von Getreide zur Verfügung gestellt werden soll. Die amerikanischen Vertreter beabsichtigen außerdem über Wald-Ausbentungs- rechte mit der Räteregierung zu verhandeln.
Neuer Zusammenstoß zwischen Berlin und München.'
München, 23. Nov. Der Staatshaushaltsausschus des Landtags beschäftigte sich heute mit dem Beschluß des Untersuchungsausschusses des Reichstags, eine Untersuchung der bayerischen Festnngsstrafanstalt Nie- derschönseld vorzunehmen. Der Vorsitzende Held betonte, es handle sich um einen Zusammenstoß der Auffassung des Reichsausschusses und des bayerischen Landtags. Er bedauere das Vorgehen des Reichstagsausschusses außerordentlich, umsomehr als die Herren wissen müßten, daß die bayerische Volksvertretung sich nicht ohne weiteres einen Einbruch in die bayerische S taatsrechtspflege gefallen lassen würde. Der Beschluß verstoße gegen die Weimarer Verfassung. Ministerpräsident Graf Lerchenfeld hob die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit hervor, die ihr weit über die Grenzen Bayerns hinaus zukomme. Der Beschluß des Untersuchungsausschusses sei in Anwesenheit und ohne die Stellungnahme der Reichsregierung mit Stimmenmehrheit gefaßt worden. De.m bayerischen Gesandten gegenüber habe der Reichsjustizminister erklärt, daß er durch diesen Beschluß überrascht gewesen sei. Das Rerchs- justizministerium werde nun an die bayerische Regierung herantreten. Bis dahin müsse die bayerische Regierung sich ihre Stellungnahme zu den aufgerollten Rechtsfragen Vorbehalten. Sollte eine Einigung nicht zu erzielen sein, so würde der StaatS- gerichtshof zu entscheiden haben. Solange habe auf alle Fälle jede Untersuchungstätigkeit des Untersuchungsausschusses in Bayern zu unterbleiben.