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206. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im ObcramtS- bezirr Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Donnnerstag, den 4. September 1913
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den OrlS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg
Ein Bond zwischen Industrie und Landwirtschaft.
Der Zentralverband deutscher Industrieller, der Bund der Landwirte und der Reichsdeutsche Mittelstandsverband haben sich am letzten Sonntag in Leipzig öffentlich und feierlich die Hände zu „wirtschaftlicher Gemeinschaftsarbeit" gereicht. Sie treten zu einander in ein Kartellverhältnis mit einem Reichsausschuß, dem Vertreter der drei Verbände angehören, und Landesund Ortsausschüssen, in die die provinziellen und lokalen Organisationen Abgeordnete entsenden. Die Ziele dieses „Ringes der Produzenten" sind: 1. Zusammengehen der drei Gruppen: gewerblicher Mittelstand, Industrie und Landwirtschaft, zwecks gegenseitiger wirtschaftlicher Unterstützung und Bekämpfung der Auswüchse im Organismus unseres Wirtschaftsleben; 2. Aufrechterhaltung der Autorität in allen wirtschaftlichen Betrieben; 3. Schutz der Arbeitswilligen; 4. Bekämpfung der Sozialdemokratie und sozialistischer Irrlehren.
Die Verbindung der drei Berufsstände wird nicht überraschen. Den Zentralverband und den Bund der Landwirte führt in erster Linie ein gemeinsames zollpolitisches Ziel zusammen: die Aufrechterhaltung unseres Schutzzollsystems. Der Zentralverband deutscher Industrieller wehrt sich, was man verstehen kann, gegen jeden Versuch, bei der Erneuerung der Handelsverträge die Zölle abzubauen, unter deren Schutz die schwere Industrie groß geworden ist, und der Bund der Landwirte verlangt einen lückenlosen Zolltarif mit Zöllen nicht nur auf Getreide, Vieh und Butter, sondern auch auf Milch, Rahm, Obst, Kartoffeln und dergl. Der Reichsdeutsche Mittelstandsverband kommt in den Ring als Anhänger des Bundes der Landwirte. Er ist sozusagen ein Bund der Landwirte für die Stadt. Wie jener hat er auf seinem Programm stehen: Bekämpfung des Eroßkapita- lismus, des Großbetriebs in Handel und Industrie (Warenhäuser, Großbanken, Börsen, Eroßmühlen) und Bekämpfung der mit der Großindustrie wachsenden Sozialdemokratie. Man muß abwarten, wie sich die neue Interessengemeinschaft zwischen diesen beiden scharfen Gegnern des Großkapitalismus u. dem Zentralverband, der doch zu seinen Mitgliedern die schwersten „Eroß- kapitalisten" zählt, gestalten wird. Der Bund zwischen Hochofen und Rittergut verfügt über Machtmittel, wie sie vorerst kein anderer wirtschaftlicher Verband wird aufbringen können. Es sei daran erinnert, daß der Zentralverband deutscher Industrieller auf seiner Münchener Tagung feststellte, in der letzten Reichstagswahl 120 Kandidaten unterstützt zu haben, von denen 41 gewählt worden seien. Und der Bund der Landwirte hat nach einer Aufstellung in er „Deutschen Tageszeitung" in der Hauptwahl 219 Kandidaten unterstützt, von denen 68 in den Reichstag einzogen. — An die angebliche Vereinigung dieser drei Verbände haben sich nun in den Zeitungen aller Richtungen ausführliche Erörterungen geknüpft. Die linksliberalen Blätter sind einmütig in der Verurteilung der Vereinigung. Hansabund und der Bund der Industriellen, der die deutsche Qualitätsindustrie vertritt, nehmen in ausführlichen Erklärungen gegen die Neugründung Stellung. Interessant ist nun, daß der Geschäftsführer des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, Dr. Schweighoffer, die Behauptung, daß auf der genannten Tagung zwischen den drei Verbänden eine Interessengemeinschaft proklamiert worden sei, als eine haltlose Kombination bezeichnet. Von der Nationallib. Korresp. wird ihm aber entgegengehalten, daß seine Ausführungen auf der Leipziger Tagung von einer ganzen Reihe konservativer Blätter tm Sinne einer Proklamierung des Zusammengehens zwischen Bund der Landwirte, des Zentralverbandes Deutscher Industrieller und des Reichsdeutschen Mittelstandsverbandes verstanden worden seien. So in der „Deutschen Tageszeitung", der „Konservativen Korrespondenz", und der „Schweinburgschen Korrespondenz", dem Organ des Zentralverbands Deutscher Industrieller selbst. Wie weit die gemeinsame Zusammenarbeit der drei Verbände praktisch werden soll, das wird die von der „Deutschen Tageszeitung" angekündigte
Erklärung über den „Sinn des Kartells" dartun. Die von diesem Blatt zugesagte Aufklärung läßt erkennen, daß irgend etwas im Werke ist, das auf eine Interessengemeinschaft zwischen Bund der Landwirte, dem Reichsdeutschen Mittelstandsverband und dem Zentralverband Deutscher Industrieller abzielt.
Stadt, Vezlrk and Nachbarschaft
Calw, 4. September 1913.
8 Die Verschuldung des Lberamtsbezirks Calw. Im Oberamtsbezirk Calw wurden an Schuldzinsen angemeldet: 733 570 ^//.. Hiervon entfielen auf Landwirte 199 925 Forstwirte 2 887 Gebäudebesitzer 19 092 Gewerbetreibende 304 024 Rentner 6 512 Angestellte, Arbeiter und freie Berufe 75 345 Träger von Mischeinkommen 125 785 .v/<. Im allgemeinen zeigt sich der Hausbesitz am höchsten belastet, das Kapitaleinkommen am niedersten. Ueber- all sind die Belastungsprozente der höheren Einkommengruppen geringer als der niederen.
Wie es draußen aussieht. Ter Flor der Gärten geht merklich zurück. Die Blätter werden Heuer bälder gelb als sonst. Die Hausfrau erntet ihre Mühe ein. Die Gemüse sind tadellos gediehen. Kraut und Rüben, Salate und Bohnen liefern schöne Erträge, nur die Gurkenernte ist etwas geringer ausgefallen. Blumenkohl, Wirsing und Kohlrabi sind teilweise selten schön und üppig geworden. Nun geht es an das Abernten. Da macht manche Hausfrau den Fehler, daß sie zu bald' einheimst. Das Rot- und Weißkraut soll man möglichst lang, bis zu den ersten Frösten des Spätherbstes draußen lasten. Es wird dadurch vollkommener und fester. Dagegen sind zarte Gemüse, wie Tomaten und Bohnen in Bälde zu holen, da ein einziger Reifen die Frucht verbrennt. Nachsäen kann man jetzt immer noch Spinat, Sonnenwirbeln, Wintersalat, Perlzwiebel und Buschpetersilie. Die abgeernteten Beete soll man sofort umgraben, düngen und in Schollen liegen lassen. Erdbeerbeete können immer noch neu angelegt werden. Mit energischer Bekämpfung muß man jetzt gegen Unkraut, das schnell zum Blühen kommt, Vorgehen. Auch sollen die Gartenwege sehr sauber gehalten werden, da auf ihnen das Unkraut, besonders das schädliche Spitzgras, überaus gut fortkommt, und sich auf die Beete verpflanzt.
Warnung vor unbefugtem Photographieren und Zeichnen im Ausland. Verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit lasten es angezeigt erscheinen, auf die Gefahren hinzuweisen, die deutschen Reisenden durch unvorsichtiges Photographieren oder Zeichnen im Ausland, vor allem an militärisch wichtigen Stellen in den Grenzgebieten und an fremden Küsten, erwachsen können. Eine Anzahl ausländischer Staaten haben gegen unbefugtes Photographieren und Zeichnen sehr scharfe Strafbestimmungen, die besonders Ausländern gegenüber, auch wenn irgend eine böse Absicht fern liegt, streng durchgeführt werden. Der harmlose Reisende, der unbewußt solche Bestimmungen Übertritt, kann noch froch sein, wenn er mit einer empfindlichen Geldstrafe und mit Einziehung von Apparat und Platten davonkommt. Häufig genug führt der ungezügelte Drang, landschaftlich schöne Gegenden des Auslands im Bilde festzuhalten, selbst wenn sie vom Standpunkt der Landesverteidigung gar kein besonderes Interesse bieten, zu ärgeren Unannehmlichkeiten, Festnahme wegen Spionageverdachts und langwieriger Untersuchungshaft mit der Aussicht auf eine mehr oder minder harte Freiheitsstrafe, günstigstenfalls auf Verweisung aus dem Lande als „lästiger Ausländer". Ist einmal ein Strafverfahren wegen Spionageverdachts eröffnet, so wird auch die Hilfe der auswärtigen Vertretungen des Reichs zumeist versagen, da sich diese in die Gerichtsbarkeit des fremden Staates nicht einmischen können. Gerade in der letzten Zeit haben mehrere solche Fälle die Öffentlichkeit beschäftigt. Es kann deshalb nur dringend zur Vorsicht beim Photographieren und Zeichnen im Auslands geraten werden.
Die diesjährige Beerenernte ist fast für den ganzen Schwarzwald gleichartig. Es gibt sehr reichlich und in ausgezeichneter Beschaffenheit Himbeeren. Ihr besonderer Vorzug ist in diesem Jahre, daß sie fast alle frei von den bekannten kleinen Würmern sind, die einem sonst das Rohesten ver
leiden. Die Beere ist Heuer frisch und ganz gesund und im reifen Zustand von großer Süße. Gut geraten sind noch die Preiselbeeren, die gegenwärtig geerntet werden. Brombeeren, die vielerorts von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Bewohner des Schwarzwaldes sind, gibt es fast keine. Die Pflanzen sind ganz leer, treiben aber dafür umso üppiger Ausläufer. Heidelbeeren gibt es gleichfalls fast keine, was als großer wirtschaftlicher Schaden zu buchen ist. Während in den niederen Lagen die Kirschblüte durch den Frost vernichtet wurde, sind die auf dem Hochschwarzwald angepflanztcn „Chrieseli", aus denen das berühmte Schwarzwälder Kirschwasser gebrannt wird, leidlich gut weggekommen. Die Ernte fand erst jüngst statt. Es sei hier noch bemerkt, daß man im Schwarzwald die Beeren nicht mehr mit den Fingern von der Pflanze zupft, sondern sich dabei eines Gerätes bedient, das ebenso zweckmäßig als einfach ist. Es ist eine breite Schaufel mit vielen vorstehenden Zähnen, die dem Strauch entlang geführt wird. Dadurch werden die im reisen Zustand nur leicht haftenden Beeren ohne Beschädigung abgestreift. Sic gleiten über die Zähne in die muldige Schaufel, von wo sie in den Korb entleert werden. Wer großen Wert auf Sauberkeit legt, wird mit dieser Art der Beerenernte zufrieden sein.
8cb Mutmaßliches Wetter. Für Freitag und Samstag ist zwar vorwiegend trockenes, aber zu Gewittern geneigtes, warmes Wetter zu erwarten.
Et Bad Liebenzell, 3. Sept. In den Räumen des „Oberen Badhotels" hielt gestern unter Mitwirkung der stüdt. Kurkapelle der Krieger- und Militärverein seine Sedanfeier ab. Hiezu war allgemeine Einladung ergangen. Erfreulicherweise machten auch unsre Kurgäste von der Einladung recht ausgiebigen Gebrauch. An Stelle des erkrankten Stadtvorstandes begrüßte Hauptlehrer Völmle die Versammlung. Seine Rede klang in ein Hoch auf Kaiser und Reich aus und mit Begeisterung wurde „Deutschland über alles" angestimmt. Namens der Kurgäste dankte Steuerdirektor Kiehl aus Wiesbaden für die Einladung. Als Mitglied des
Marinevereins führte er aus, mit welchem Recht unsere Vereine die patriotischen Gedenktage feiern. Unsere vornehmste Aufgabe sei, die nachfolgende Generation vor jeder Zersplitterung, welcher Art sie auch sei, zu warnen, sie zu erinnern an die großen Taten, die durch die Einigkeit der Deutschen vollbracht wurden. Das Hoch auf den Landesfürsten wurde von Privatier Haager ausgebracht. Ein Tänzchen beschloß die patriotische Feier.
Neuenbürg, 2. Sept. In der neuerbauten Martinskirche in Conweiler fand am Sonntag erstmals das Bezirksmissionsfest der Diözese statt. Nach der Predigt des Dekans hielten Mifsionsvorträge die Missionare Mohr-Afrika und Reusch- Jndien. Dem Uebersichtsbericht des Dekans über die eingegangenen Gaben war zu entnehmen, daß der Gesamtertrag der Missionsspenden der Diözese sich im Jahre 1912/13 auf 9265 ^ bezifferte, unter Zuzählung der Nationalspende auf 12 620
Horb, 3. Sept. In Nordstetten starb die Witwe Feigele, die scheinbar in dürftigen Verhältnissen lebte. In ihrer Hinterlassenschaft sollen in barem Geld 1000 ^ gefunden worden sein, die in kleineren Beträgen an verschiedenen Orten der Wohnung der Witwe aufbewahrt wurden' Man hofft, noch mehr Geld zu finden.
Württemberg.
Aufhebung des Personaladels in Württemberg.
Stuttgart, 3. Sept. Das neueste Regierungsblatt veröffentlicht eine Kgl. Verordnung, durch die der Personaladel für die Zukunft aufgehoben wird. Die Verordnung lautet: „Nach Anhörung Unseres Staatsministers verordnen Wir, was folgt: Mit der Zugehörigkeit zu einer der vier obersten Rangstufen, mit dem Besitz einer der vier obersten Klaffen des Ordens der Württ. Krone und mit dem Besitz des Militärverdienstordens ist künftighin der Personaladel nicht mehr verbunden. Diejenigen Personen, welche auf Grund der bisher bestehenden Bestimmungen zur Führung des Personaladels berechtigt sind, behalten dieses Recht auch fernerhin bei. Hienach hat das Staatsministerium das Erforderliche zu veranlassen. Gegeben Friedrichshafen, den 1. September 1913. Wilhelm."