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Samstag de» IS. November.
Sa-rgarrg tS2L.
Zur Lage.
Die Zeit rückt immer näher, wo die nächste Vierteljahrszahlung fällig ist. Am 15. Januar müssen 500 Millionen Goldmark an die Wiederherstellungskommission abgejührt werden. Nach dem heutigen Dollarkurs sind das rund 321/2 Milliarden Papiermark. Drinnen und draußen weiß man, daß es ganz unmöglich ist, in der kurzen Frist diese Summe auszubringen, nachdem erst am 15. November eine Rate in Sachleistungen erfüllt worden ist. Das geheimnisvolle Walten der W i e- derherstellungskommission, die seit mehr als einer Woche in Berlin weilt, gilt der Feststellung, ob und wie die Einhaltung der Verglich iung zu machen sei. Zum Unglück für uns besteht ja wieder einmal eine „Spannung", und zwar keine geringe, zwischen den verbündeten Engländern und Franzosen. D.r englische Vertreter in der Wiederherstellungskommission, Bradbury, der mit demjenigen Frankreichs, Dubois, am 12. November eine Unterredung mit dem R ichskanzlec Wirth hatte, berichtete an seine Regierung, es seien von Deutschland Garantien gegen eine Bevorzugung Frankreichs durch das Wiesbadener Abkommen zu fordern. Nach dem Valutakrach — so sagt Bradbury —, der auf die erste Milliardenzahlung erfolgte, sei der Zweifel begründet, ob Deutschland am 15. Januar wieder bezahlen könne. Deshalb sei es verkehrt, dieses zahlungs n älsige Deutschland mit so weitgehenden Sachl istungen z ^belasten, die nur zu weiterer Ve Wässerung der deu.scheu Valu a führen, rw^il das Reich -müsse für die Leistungen die Industrie in bar bezahlen und imnnw u-ue Hausen von Papiernoten drucken. Solange aber die Massen-Nolen- sabrikation andauere, sei für einen Kredit im Ausland keine Aussicht. In London will man nun zwar die deutsche Krise nicht verhindern, aber man wünschte, daß Deutschland sie üb er stehe. Die Sachleistungen sollen jedenfalls derart sein, daß sie nicht „gratis", d. h. rein auf Rechnung der Kriegsentschädigung, er o gen, sondern daß Deutschland da ur Gegenleist ngen erha .e, um se bst wieder Käufer werden z i können. Von einem Schuldnachlaß will England nichts wissen, wenigstens solange Amerika den Verbündeten ihre Schulden nicht erläßt. Dagegen scheint man in London nicht abgen.igt zu sein, nötigenfalls eine Fristverlängerung zu gewähren. Hiebei stößt man aber auf den hartnäckigen Widerspruch Frankreichs, das ebenfalls die Krise herbeiwünscht, nur soll sie Deutschland womöglich nicht überstehen. Tic „Sanktion" der Besetzung des Ruhrgebiets wäre die nächste Folge. Arbeitet doch Frankreich planmäßig daraus hin, die Zahlungsfähigkeit Deutschlands auch von '.men heraus zu zermürben. Es war nicht genug, Oberschlesien zu ra ben, nun sol en au h die „Deutschen Werke" vernichtet werden, Fabrikanlagen, deren Maschinenwert allein in die Hunderte von M> ionen gehen. Die Pariser Zeitung „Temps", die man derzeit als halbamtlich bezeichnen kann, begeistert sich ferner für den Vorschlag eines angeblichen englischen Majors nnt dem französischen Namen Lefevre, die deutsche chemische Industrie zu beschlagnahmen und unter die Kapitalisten der Verbandsländer — wie die Kohlen- und Zinklager Oberschlesiens — zu verteilen. Das sind Milliardenwerte, die für die Reichswirtschaft wegen der bedeutenden Ausfuhr noch die hauptsächlichsten Einnahmequellen vom Ausland her darste.l n, denn trotz Spionage und Bestechung von Angestellten ist das Ausland der deutschen chemischen Industrie noch lange nicht an die Gurten gekommenen. Le^dre und der Temps „befürchten" aber, daß die deutschen Fabriken heimlich wieder giftige Gase Herstellen und einen Krieg vorbereiten könnten und da gebietet es die „Sicherheit" des armen Frankreich, die Werke unter die Verbandsländer zu verteilen. Auch diese „Sanktion" steht als» vor der Tür.
Nur eine Aussicht besteht noch, daß die Zahlung am 15. Januar erledigt werden kann, und diese gründet sich au das Zustandekommen der Kredit Hilfe des Reichsverbands der Deutschen Industrie. Aber, es schwebt em eigenartiges Verhängnis über den nun sich Monate hindurch hinziehenden Verhandlungen. Die Regierung weiß, daß sie ohne diese Kredithilfe dem Verband die Zahlungsunfähigkeit ansagen muß, aber sie selbst wie die Parteien, die Gewerkschaften und die Ersenbahnerverbande
haben die von der Industrie gestellten Bedingungen mehr oder weniger bestimmt abgelehnt. Namentlich wollte man von der Ueber'ührung der Reichseisenbahnen in Privatbesitz nichts wissen. Die Gewerkschaften stellten Gegenforderungen wie Sozialisierung der Bergwerke, Beschlagnahme der Betriebsvermögen bis 25 Pwzent, Erfassung der Auslanddevisen u. a. An diesen Gegenforderungen würde, wie der Jndustrieverband erklärte, die Kredithilfe sofort scheitern; er machte nun aber ein neues Angebot, das die ersten Bedingungen wesentlich einschränkt indem z. B. die Eisenbahn nicht schlechtweg „privatisiert^ werden soll, es würde vielmehr eine neue Wirtschaftsform für das Eisenbahnwesen zu suchen sein, die den kapitalistischen Monopolcharakter vermeidet und doch den von allen Seiten als notwendig anerkannten Belriebsresormen im Sinn privatwictschasi- licher Betriebe weitgehenden Spielraum läßt. Der Jn- dustricverband hat nun zunächst mit den Vertretern der .Landwirtschaft, des Handels, der Banken, des Gewerbes Fühlung genommen, auch mit den Gewerkschaften soll verhandelt werden. Auf dieser drei en Gr.ndlagc hofft
man die Kredithilfe leistungsfähig ausbauen zu können. Die Verhandlungen werden nicht leicht sein, aber sie müssen jetzt endlich zu einem Ziel führen, oder wir haben neues Elend, Valutasturz, Teuerung und Sanktionen zu erwarten.
In Washington hat man aus der Abrüstungskonferenz ständig ein Auge aus Deutschland gerichtet, wenn auch Deutschland sowenig wie Rußland zu der Gesellschaft geladen worden ist. Der Zweck dieser Konferenz ist, wie sich schon herausat'stellt hat. ti-nk in,cs gar nicht die Abrustunß^gewesen. Ter amerikanische Staatssekretär Hughes, der die Verhandlungen leitet, hat die ganze Versammlung vielmehr mit einem — Rüstungsprogramm überrascht, das zwischen den drei stärksten Seemächten Amerika, Großbritannien und Japan vereinbart werden soll. Diese drei Staaten organisieren die Seepolizei für unseren Erdball und messen sich selbst die Rüstung zu und passen aus, daß ihnen die Kleineren und Kleinen durch übertriebene Bewaffnung nicht lästig werden können. England soll den Kern seiner Flottenmacht auf 22, Amerika auf 18, Japan aus 10 Großkampfschiffe begrenzen. Das ist immerhin eine Ersparnis, wenn man bedenkt, daß so ein moderner Schifssricse seine 200 Millionen Goldmark kostet. Wee die Ueberlegenheit aufrecht erhalten kann, ohne sich aus die unsichere Bahn des Wettrüstens zu begeben, der wäre ein Narr, wenn er davon nicht Gebrauch machen würde. Amerika verfolgt nun freilich dabei seine ganz bestimmten Ziele, die vermutlich mit England längst verabredet waren. Einer der großen Zwecke der amerikanischen Weltpolitik ist die Loslösung Englands von Japan. Warum soll Amerika den Engländern das am Ende doch nicht entscheidende und vielleicht nur auf dem Papier stehende Uebergewicht von vier Linienschiffen nicht zugestehen, wenn es dadurch im offenen' oder heimlichen Kampf um das Stilla Weltmeer ganz England auf seine Seite bekommt? England hing gen kann das japanische Bündnis heuie, wo seine beiden gefährlichsten Nebenbuhler, Deutschland und Rußland, so freundlich waren, sich gegenseitig zu ruinieren, leicht entbehren. Tie „Abrüstung" ist der Deckmantel, der England das H.rausschlüpsen aus den Maschen des japanischen Bündnisses erleichtert: wer sich der englisch-amerikanischen Vorherrschaft widersetzt, ist ein Feind des Gedankens der Abrüstung! Denn das scheint der wahre Zweck der Konferenz von Washington zu sinn: Verständigung über die gemeinsame Vorherrschaft Englands und Amerikas in einer Form, die alle Welt anerkennen muß.
Die Japaner wissen wohl/ um was es sich handelt. Was gäben sie nicht darum, könnten sie die deutsche Macht zu Wasser und zu Lande wiederherstellen! Jetzt ist die Reihe an ihnen. Ohne Krieg, der ist bei dein Schifss- verhältnis von 40 zu 10 nicht mehr nötig. Und doch gibt cs „plötzliche Schwierigkeiten", die ch i ne s i s cheF r a g e. Es ist nämlich nicht gesagt, daß Japan und Ehina e.ttg Feinde bleiben müssen; die beiden gelben Rassen können sich aus einmal wieder gegen die „Weißen" zusammenfinden. — Von der Abrüstung zu Lande wird in Washington wenig oder gar nicht die Rede sein und Herr Briand kann schon in nächster Woche wieder nach Hanse reisen — ob enttäuscht oder befriedigt' das ist jetzt noch schwer zu sagen. Frankreich u'io j> ' afalls künftig sein Heer um keinen Manu vermindern u»b auch, wie Italien»
die Flotte eher vermeh eu als verkleinern. Während aber das amerikanisch-eng sche Finanzkapital an die Ausbeutung der Teile der Welt geht, die noch ausbeutungswürdig sind, Rußland eingeschlossen, wird der französische Kapitalismus mit Deutschland (die chemische Industrie!) abgefunden. Das ist der Bluff von Washington!
Die neuen Bezüge der Beamten.
Von zuständiger Seite wird mitgeteilt:
Bei Erörterung der neuesten Aenderungen der Beamten- b: soldungsbezüge ist mehrfach bemängelt worden, die «pannung zwischen den Gcsamtbezügen der verschiedenen Beamtengruppen sei zu sehr und in unsozialer Weise erweitert. Diese Kritik scheint nicht genügend berücksichtigt zu haben, in ioelch scharfer Weise die höheren Ein- kommcnsbeträge von der Einkommensteuer erfaßt werden. Diese nimmt bekanntlich schon von dem 50 000 Mk. übersteigenden Einkommcnsteil 45 v. H. in Anspruch. Die Wirkung der Steuerbelastung veranschaulichen in schlagender Form die Berechnungen, die die Reichsregierung ihrer Vorlage beigegeben hat. Darnach betragen z. B. die nach Abzug der Reich seinkommen st euer verbleibenden Dienstbezüge für einen verheirateten Beamte« mit 2 Kindern im Alter von 6.—14 Jahren: a
beim beim . ^
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Besold.-
gruppe
Anfangsgehalt in Ortsklasse ä O L
Endgehalt in Ortsklasse ä O
I 17 520 16230 15360 23040 21630 20 550.
I'I 20220 18930 18060 24 760 StzlW
LH. S7tO 6L- oui- ro Odv) 2v v80 24 :!60 «Lei 800
IV 23520 22170 21090 28 340 26 400 25060
V 25 240 23520 22 360 29950 27795 26300
VI 26 200 24 480 23320 32110 30045 28600
VII 28 340 26 400 25060 34 610 32 620 31270
VIII 30850 28695 27 250 37 920 35 865 34 440
V' 63 370 Sl 366 29 950 41 440 39 600 38 280
X 36 560 34 695 33 370 46 400 43 615 42130
XI 40 780 38880 37 560 50335 48 355 47 035.
XN 46060 44 305 43090 569l5 56 935 55 618
XIII 56 275 54 295 52 975 73855 71875 70558
Die Bezüge der Gruppe XIII betragen hiernach nach! Berücksichtigung der Einkommensteuerbelastung das 3,2 bis 3,4sach!e der Bezüge der Gruppe I. Stellt man vollends in Rechnung, daß sowohl Gruppe I wie Gruppe XIII nur verhältnismäßig wenig besonders geartete Beamtenstel- le .: enthalten, und vergleicht die regelmäßige An- fangsgruppe des sogen, unteren Dienstes (Gruppe II) mkk der regelmäßige! Endstellung des sogen, höheren Dienstes (Gruppe XII), so betragen die Gesamtbezüge in der letzteren Dienststellung das 2,3 bis 2,5fache der Bezüge in elfterer Dienststellung. Die hiernach verbleibende Spannung kann beim Vergleich der beanspruchten Leistungen und des Aufwands für Vor- und Ausbildung keineswegs als übertrieben bezeichnet werden.
Nsires vom Tage.
Tie Kredithilfe.
Berlin, 18. Nov. Der „Lokalanzeiger" berichtet, die vertraulichen Verhandlungen über die Kredithilfe der Industrie und d ' Gegenforderungen der Gewerkschaften werden zwischen den beteiligten Verbänden und der Reichsregierung fortgesetzt. Insbesondere ist die „Entbürokratisierung" der Eisenbahn Gegenstand der Beratungen. Das Blatt glaubt, daß vorläufig noch die Möglichkeit einer Verständigung bestehe.
Kohtenpreiserhöhung.
; Berlin, 18. Nov. Auf Grund der Lohnvereinbarun- ßen vom 19. d. M. beschloß der Reichskohlenverband, folgende durchschnittlichen Preiserhöhungen ohne Steuer: Ruhrrevier: 132 Mk. je Tonne ab 1. Dezember; Niedersachsen: 145 Mk.» Sachsen: 135,30 Mk.. Niederschlesien: 128,30 Mk. ab 20. Nov., Rheinische Braunkohlenbriketts: 50,71 Mk. ab I.Dez., Rohkohle 15 Mk. ab I.Dez., Mitteldeutsche und Ostbelgische: Braunkoh enbriketts 80 Mk. ab 21. Nov., Rohkohle 24s .Mk. ab 21. November.
^ Zuchthausstrafe für Schlemmerei. H
München, 18. Nov. Es verlautet, daß der bayerisch^ Gesetzentwurf gegen Schlemmerei Gefängnisstrafen so-