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Jahrgang 1SL1.

Fortgesetzt

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Ausverkaufes Städte.

Was sich heute in den Grenzstädten Deutschlands ab­spielt, seitdem die Markvaluta in den Abgrund zu ver­schwinden droht, spottet jeder Beschreibung. Dieser Aus­verkauf unentbehrlicher deutscher Gebrauchsgüter geht weit über alles hinaus, was wir bisher erlebten, so arg dies auch sein mochte. Die Schieber aller Länder haben gelernt, den Ausverkauf der valutaschwachen Länder nach allen Regeln der Kunst zu organisieren. Und so müssen denn diejenigen Städte Deutschlands, die der Grenze verhältnismäßig am nächsten liegen, einen entsetzlichen Druck aushalten. Die neue Balutasturmflut droht, ihnen zuerst, dann auch dem übrigen Inland, alles was nicht niet- und nagelfest ist aus dem Lande zu spülen; hinter­her kommen die Immobilien daran. Denn auch der Ausverkauf deutschen Grundbesitzes und deutschen Ka­pitalbesitzes, ist in bestem Gang.

Wer mit dänischem Geld (die Krone fleht auf 32 Mark) ins Land kommt, fühlt nichts mehr von der Teuerung, unter der der Deutsche leidet. Aus Flens­burg wird berichtet:Die Läden und Kaufhäuser stan- ' den voll von Dänen, der Einheimische sah diesen Dingen mit gemischten Gefühlen zu. Für ihn bedeutete der Rum­mel eine starke Verteuerung der Lebensnotwendigkeiten. den Straßen Flensburgs hat man nicht einmal wäh­rend der Volksabstimmung so viel Dänisch gehört. Groß­spurig fragt da ein Däne in einM Geschäft, ob er die­sen Tausendmarkschein wechseln könne; leider nein; er reißt ihn durch:Geht es jetzt?"Nein!" Er zer­reißt ihn nochmals und wirft ihn weg! Die Stadt ist beinahe ausverkaust. Deshalb halb zieht der Frem­denschwarm weiter nach Süden. Hier winkt Hamburg, wo sich nun dasselbe Spiel vollziehen wird.

In Köln dasselbe Bild. So entsetzt ist die Bevöl­kerung über die Verelendung, daß der Oberbürgermeister um energische, schleunigste Maßnahmen bei der Reichsre­gierung vorstellig werden mußte. DieKölnische Zei­tung" vom 20. Oktober berichtet:.Oft dürftig, ja ärm­lich gekleidet suchen die Fremden unsere Ausrüstungs­geschäfte auf und fahren, vom Kopf bis zu den Füßen neu eingekleidet, wieder nach Hause. Außerdem belegen sie natürlich unsere Gasthöfe, so daß die deutschen Gast« zu kurz kommen. Der Stand der Mark erlaubt den Leu­ten ja heute nicht nur den flüchtigen Besuch eines Grenz- vrts, sondern sie können es sich leisten, in aller Ruhe in der Fülle von Erzeugnissen deutscher Arbeit, wie sie in einer Großstadt wie Köln vorhanden ist, auszu­suchen. In den Grenzorten wird, mit Hilfe von Auto­mobilen, Karren usw. die gekaufte Ware weggeschafst.

Der Oberpräsident der Rheinprovinz hat nunmehr eine Polizeiverordnung erlassen, die den Kleinhandelsverkaus an Ausländer und die Vermittlung solcher Verkäufe an Ausländer bis zum 5. November einschließlich verbietet, soweit es sich nicht um die Deckung eines augenblicklichen dringenden persönlichen Bedarfs handelt.

Wenn in Köln besonders Leute aus Holland hervor­treten und neben ihnen Belgier, Engländer und Fran­zosen in Scharen kaufen, so sind es im Südwesten vor allem die Franzosen und die Luxemburger, die Deutschland arm kaufen. Auch hier handelt es sich nicht mehr um Einzelfälle, sondern um eine M a s s en e r s ch e i- nung. Täglich wird Saarbrücken überschwemmt von Menschen, die aus Lothringen und Luxemburg her­überkommen, um den billigen (Ankauf in Deutschland zu genießen. Die Eisenbahnen können den Verkehr nicht mehr bewältigen, so daß Autos und Wagen in Massen für die Fahrt nach Saarbrücken benutzt werden. Mitte Oktober sahen sich die Geschäfte genötigt, in der Weiten Mittagsstunde zu schließen, da das Personal infolge Ueber- anstrengung nicht mehr arbeitsfähig war.

Sehr beachtlich sind die Vorschläge der Handelskam­mer in Trier: Jeder Luxemburger, der die Grenze

überschreitet, hat für einen eintägigen Aufenthalt 7ftp Franken, für einen mehrtägigen I81/2 Franken, und zwar in Franken zu entrichten.

In Kehl am Rhein geht es ganz ähnlich zu. Hier sind es Elsaß-Lothringer und Franzosen, die vom frü­hen Morgen bis in die späte Nacht auf französischen Autos über die Rheinbrücke ins Land fallen. Auf viele Millionen Mark belaufen sich die Waren, die ins Elsaß abgewandert sind. Steht doch der französische Franc ungefähr 12 Papiermark im Wert gleich.

Dasselbe Bild an der tschecho-slowakischen Grenze. So haben in einigen Orten des vogtländi­schen Grenzgebiets die deutschen Geschäftsleute mehrere Stunden am Tag ihre Läden schließen müssen. Ganze Ballen Stoffe und dergleichen werden eingekauft, ganze Ladungen unter Deckadresse bestellt, verteilt und nach und nach in die Tschechei hinübergeschafft. Ja die Tschecho-Slowaken stoßen als Einkäufer selbst bis nach Leipzig, wo sie für Hunderttausende gekauft haben. Sehr beliebt ist eine Reise nach Plauen. Auch auf dem Adorfer Jahrmarkt bestanden jetzt drei Viertel der Besucher aus Ungehörigen der Tschecho-Slowakei. Jeder Markt, der in der Nähe der Grenze abgehalten wird, zieht eine Un­zahl von ausländischen Besuchern an. Die tschechische Krone, die bis vor wenigen Monaten ungefähr auf der­selben Höhe wie die deutsche Mark hin- und herpendelte, ist jetzt beinahe doppelt so viel wert, so daß es sich schon lohnt, eine Reise nach dem verelendeten Deutschland zu machen.

Andererseits ist durch den Sturz der Markvaluta die Einfuhr von Rohstoffen und Nahrungsmitteln auf das ärgste unterbunden. Der Getreidegroßhandel ist wie ge­lähmt. Für den Doppelzentner Weizenmehl, der an der Berliner Produktenbörse im Juli »roch mit 244,08 Mark zu haben war, zahlte man Mitte Oktober 655720 Mk. Roggenmehl, das im Juli auf 225,30 Mk. stand, ist Mitte Oktober auf etwa 550 Mk. angelangt. Noch är­ger fast sind diese Preissteigerungen am Metallmarkt. §

Was soll nun werden? Me Schutzmaßnahmen, dis die deutsche Regierung treffen kann sie sind bitter notwendig und sollten keinen Augenblick hinausgescho- bcn werden können das Nebel allein nicht heilen. Dazu bedarf es durchgreifender Mittel, deren erstes und wichtigstes in seiner Bedeutung für die Weltwirtschaft allmählich auch von den Wirtschaftspolitikern und Staats­männern in England und Nordamerika erkannt wird; eS heißt: Revision des Friedens von Versail­les. Denn Deutschlands Ausverkauf bringt zwar ein­zelnen Ausländern, zumal Schiebern, Nutzen, aber er schädigt die fremden Volkswirtschaften, deren Produk­tion dadurch der Absatz im eigenen Land verstopft wird.

Neues vom Tage.

Die neue Krise in Berlin.

" Berlin, 3. Nov. Wie verlautet, wird der bisherige preußische Ministerpräsident Stegerwald (Ztr.) nicht mehr ms Kabinett eintreten, sondern wieder den Vorsitz der christlichen Gewerkschaften übernehmen oder sich sonst» lie der gewerkschaftlichen Sache widmen. Andererseits hört man, er würde nicht abgeneigt sein, das Wohlsahrtsmini- sterium, das er vor dem Präsidium innehatte, wieder zu übernehmen. Vorläufig wird wahrscheinlich ein liebes- gangsministerium aus Zentrum, Sozialdemokratie und Demokraten gebildet.

Reichskanzler Wirth hat den deutschen Gesandten in Bern, Dr. Adolf Müller (Soz., früher Redakteur de« Münchener Post") nach Berlin berufen. Man glaubt, daß Müller das Reichsministerium des Aeußern übernehmen weptze.

Brüder vom Stein".

Dresden, 3. Nov. Im sächsischen Landtag erklärt« der Minister des Innern, Lipinski (Unabh.), in Sach­sen bestehe ein Geheimbnnd derBrüder vom Stein", der eine Fortsetzung der verbotenen Orgesch sei und von der sächsischen Industrie unterhalten werde. Mehrere Watz fsnlager seien beschlagnahmt. Die Brigade Erhardt mm die Organisation Escherich arbeiten mit dmBrüdern vom Stein" zusammm für eine Gegenrevolution. Das Leip­ziger Polizeiamt sei angewiesen worden, die Auflösung des Vereins, dessen Mitglieder bestraft werden sollen, hev- beizuführen.

Aus der Haft entlassen-

München, 3. Nov. Die am Freitag früh verhafteten 5 Personen, gegen die sich der Veracht der Miltätter- schast an dem Anschlag auf den Abgeordneten Auer richtete, ferner 2 weitere Verhaftete sind wiede. frei­gelassen worden.

Zeitungen und Steuern.

Berlin, 8. Nov. Bei den Beratungen über dis Steu­ervorlagen werden auch die Beratungen der Anzeigen­steuer wieder eine Rolle spielen. Die Vertreter der Zeitungsverleger beabsichtigen, Vorschläge für die Ab­änderung dem Steuerausschuß des Reichstags zu unter­breiten. Gleichzeitig beabsichtigen auch die Annoncen­expeditionen über die Novelle des Umsatzsteuergesetzes einen Abänderungsvorschlag machen. ... __

! Die Konferenz von Porto Rose.

' Wien, 3. Nov. Die Konferenz der Nachfolgestaaten ; dex österreichisch-ungarischen Monarchie und Italiens zur

- Regelung wirtschaftlicher Fragen wurde in Porto Rose j (ber Cattaro in Dalmatien) eröffnet. Es soll u. a. ein s mitteleuropäischer Eisenbahnbund geschaffen werden, der j gleichmäßige Bestimmungen und unmittelbare Tarife brin­gen soll, während jetzt die zu liefernden Waren an der

! Grenze jedes Nachfolgestaats neu au,gegeben werden müs­sen. Gegen den österrerchischen Antrag auf Beseitigung der ! bestehenden Ein- und Ausfuhrbeschränkungen macht sich

- lebhafter Widerstand geltend, der Antrag wird aber von ! den Vertretern der Großmächte unterstützt.

f Die tschechische Gewaltherrschaft.

! Berlin, 3. Nov. Aus Plauen wird demLokalanz."

! berichtet: Wie hier bekannt wird, kam es anläßlich von j Pferdemusterungen in Eger zu blutigen Ausschreitungen s ffchechisch-er Soldaten, bei denen es 40 Tote und 80 f Verwundete gegeben haben soll. Die zur Musterung nach f Eger gekommenen Prager tschechischen Militärabteilungen ! bezahlten die angenommenen Pferde statt mit barem ' Geld mit Anweisung.n auf die Steuerbehörde. Die Bauern > gerieten darüber in große Aufregung und nahmen gegen

- das Militär Stellung. Dieses feuerte kurzerhand auf oie i Bauern. Die Verbreitung dieser Tatsache ist in Böhmen , streng verboten.

j Die deutschen Zeitungen in Böhmen und Mähren ' teilen ihren Lesern mit, baß es den Redaktionen bei der ! jetzt geübten Zensur unmöglich sei, zu den politischen j Verhältnissen Stellung zu nehmen.

! Interessante Antworten im Unterhaus.

! London, 3. Nov. Im Unterhaus wurden auf ver­schiedene Anfragen von Regierunasseite folgende Mit­teilungen gemacht: 1) Die französische Regierung hat den Wortlaut des französisch-türkischen Abkommens der bri­tischen Regierung mitgeteilt. Beide Regierungen stchen in einem Meinungsaustausch über diese Frage. 2) Di« Baukosten für die Großkampsschiffe, die in Bestellung ge­geben worden sind, werden ungefähr 30 Millionen P und Sterling betragen. 3) Chamberlaiu gab bekannt, er hoffe, daß das Unterhaus am nächsten Freitag Gelegen heil zu einer Aussprache über die Washingtoner Konferenz er­halten werde.

Die Gesellschaft der Nationen.

Neuyork, 3. Nov.New York World" erfährt, die Ver­treter der Vereinigten Staaten werden auf der Ab­rüstungskonferenz die Errichtung einerfreiwilligen Ge­sellschaft der Nationen" mit einem internationalen Ge­richtshof Vorschlägen. Diese Gesellschaft (die Harding seinerzeit in seinem Regierungsplan erwähnte) sei das beste Mittel zur Abrüstung.

Bevorzugte Beförderung des Zeitnngsdrnckpapiers.

, Berlin, 3. Nov. Der Reichsverkehrsminister hat vor einigen Tagen angeordnet, daß Wagen für Zeitungs - druckpapier in den nächsten zwei Wochen mit Vor­rang vor allen anderen Gütern zu stellen sind. Die Eijenbahndirektionen sind besonders angewie'en, dafür Ul sorgen, daß die Wagen nicht nur zur Beladung ge­stellt, sondern auch dringlich bis zum Empfang durch­geführt werden müssen.

Berlin, 3. Nov. Der preußische Landtag bewil­ligte ohne Debatte 6 Millionen Mark für die Unter­stützung der Opfer des Oppauer Unglücks.

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