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Die Abrüstungskonferenz — ein Fehlschlag.
Dem „Hamb. Fremdenblatt" wird aus Neuyork geschrieben:
Kein vernünftiger Mensch bezweifelt mehr, daß die Abrüstungskonferenz in Washington ein glatter Fehlschlag sein wird, und daß sie lediglich fernöstlichen Fragen zum Deckmantel dient. Präsident Herding war Persönlich nie begeistert von Beschränkung von Rüstungen. Er hat dem von Senator Bor ah, einem der „Unversöhnlichen", die vom Versailler Friedensvertrag nichts wissen wollen, eingebrachten, ursprünglichen Beschluß! auf Einberufung einer Abrüstungskonferenz ifdie nur von den Bereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich beschickt werden sollte) solange heftigen Widerstand geleistet, bis er herausfand, daß er geschlagen war. Nachdem Lloyd George sich zu dem Vorschlag verstanden hatte, eine Dreimächte-Konferenz zur Besprechung fernöstlicher Fragen abzuhalten, machte sich Präsident Härtung den Vorschlag des britischen Ministerpräsidenten zunutze, genau wie er sich des Vorschlags des Senators Bo- rah bedient hatte, verband sie miteinander in aller Eile und berief eine Abrüstungs-Konferenz ein, zu der auch Frankreich und Italien eingeladen wurden, obgleich diese im Pazifik (Stillen Weltmeer) und im Fernen Osten verhältnismäßig geringe Interessen haben und sich noch weniger um Beschränkungen der Rüstungen zur See kümmern.
Hartung hatte keinen eigenen Plan oder ein Programm, als er den Ruf nach Abrüstung erließe und, soweit bekannt, hat er jetzt noch weder Plan noch Programm. Daß es zu einem Uebereinkommen in den Fragen des Stillen Weltmeers kommen wird, daran glaubt kein vernünftiger Mensch, der die fieberhaften Flottenrüstungen der Vereinigten Staaten und Japans genau verfolgt. In To kio herrscht das schwerste Misstrauen gegen Amerika, das durch die gespannten Beziehungen ununterbrochen genährt wird. Japan rüstet weiter, weil "die Vereinigten Staaten entschlossen find, ihr Rüstuugsprogramm zur Ausführung zu bringen. Das Signal zu einem Kampf auf Leben und Tod zwischen den beiden Mächten liegt sozusagen in der Luft, trotz aller amtlichen und nichtamtlichen Frcundschaftsversiche- rungen, mit denen Washington und Tokio sich fast täglich aufwarten, und trotzdem die Abrüstungskonferenz vor der Tür steht.
Der schwankende Harding hat auch in der bedeutsamen Frage: „Geheime und öffentliche Sitzungen der Konferenz?" plötzlich seine Ansicht geändert. Nachdem er nach Erlaß seiner Einladungen sich entschieden für öffentliche Verhandlungen ausgesprochen hatte, ließ er sich von der „alten Garde" seiner Partei breitschlagen und erklärte sich unumwunden gegen öffentliche Sitzungen. Das ist derselbe Harding, der in seinen zahllosen Reden als Kandidat und als Präsident die Geheimtuerei seines Vorgängers Wilson in der schärfsten Weise verurteilte!
Auch im Senat kam diese Frage zur Sprache und entfesselte erbitterte Auseinandersetzungen selbst innerhalb der herrschenden Republikanischen Partei. Wieder war es Senator Bor ah, der, obgleich Republikaner, seine warnende Stimme erhob und geltend machte, falls die Bereinigten Staaten nicht von vornherein auf öffentliche Setzungen beständen, von einer Öffentlichkeit der Verhandlungen kein. Rede sein könne. Er sagte voraus, b?ß die Abrüstungs-Konferenz ohne Öffentlichkeit ergeb-
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nislos verlaufen werde. Mit der Macht der öffentlichen Meinung der Welt könne die Abrüstung erzwungen werden, ohne öffentliche Sitzungen könne die öffentliche Meinung sich keine Geltung verschaffen.
Da nun der Präsident erklärt hat und Senator Lodge auf demselben Standpunkt steht, die Forderung des amerikanischen Volks auf öffentliche Sitzungen der Konferenz sei undurchführbar, sie wäre eine Unhöflichkeit gegenüber den andern Nationen, und überdies sei es eben alte Gewohnheit derartiger Konferenzen, wichtige Entscheidungen nicht in offenen Sitzungen zu treffen, werden die Verhandlungen voraussichtlich mit dem Schleier des Geheimnisses umgeben sein, soweit die Firma Lloyd George- Briand u. Co. und ihre stillen Teilhaber in Washington es nicht für angezeigt halten werden, der Mitwelt etwas über ihre Zusammenkunft zu verraten. Auch in difer Frage folgt Harding Schritt für Schritt den Fußstapfen des von ihm so hart getadelten Vorgängers Wilson, der sich von den Verbündeten in Parts über den Löffel barbieren ließ und ohne Durchführung eines einzigen seiner 14 Punkte seinen traurigen Rückweg nach den Vereinigten Staaten antrat, um später zu finden, daß das Volk seines Landes von diplomatischen Geheimabmachungen nichts wissen will und seinen ganzen Völkerbund mit einer noch nicht dagewesenen Mehrhert zum alten Eisen warf. An ihrer Geheimtuerei, wenn nicht an anderen Gebrechen, wird die Abrüstungs-Konferenz scheitern, und der Präsident der Vereinigten Staaten wird um einen „schweren Traum" ärmer sein. Was die unter der Last der Rüstungen seufzenden Völker dazu sagen werden, bleibt abzuwarten, aber auch hier gilt das unsterbliche Wort Lincoln s: „Man kann manchmal viele Leute zum Narren halten, man kann manchmal alle Leute zum Narren halten, aber man kann nie alle Leute immer zum Narren halten."
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Maris, 27. Sept. Nach dem diplomatischen Berichterstatter der „Chicago Tribüne" wird in gewissen französischen Kreisen angenommen, daß die Ver. Staaten einige französische Kolonialbesitzungen im Stillen Ozean t erwerben suchen. Es wird befürchtet, daß auf der mmenden Abrüstungskonferenz die amerikanische Re- ierung den Ankauf der Marquese-- und Gesellschafts- seln mit Einschluß von Tahiti Vorschlägen werde.
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Gegen den Wucher.
Der preußische Minister des Innern hat unter Hinweis auf den Warenwucher, der aus Anlaß des neuesten Kurssturzes der Mark wieder so üppig in die Halm» geschossen ist wie nur je, an die Nachgeordneten Dienststellen folgenden Erlaß hinausgegeben:
„Ich ersuche alle Nachgeordneten Dienststellen, die Preise für Gegenstände des täglichen Bedarfs, insbesondere der Lebensmittel, einer eingehenden und fortlaufenden Ueberwachung zu unterziehen. Die Zulässigkeit der Preissteigerungen ist durch Prüfung der Ein- und Verkaufspreise fortlaufend zu prüfen und dabei insbesondere sestzustellen, ob bereits früher bezogene und billiger eingekaufte lagernd« Waren zurückgehalten oder jetzt zu überhöhten Preisen verkauft werden. Den wucherischen Machenschaften muß unter allen Umständen und mit größter Entschiedenheit entgegengetreten werden. Zur Bekämpfung von Wucher, Schleichhandel und anderen unlauteren Gebarungen auf diesem Gebiet sind an erster Stelle die für diese Zwecke an allen wichtigeren Orten geschaffenen polizeilichen Wucherstellen berufen.
Ihr muß eine gesamte Polizei, soweit irgend angängig, dienstbar gemacht werden. Jedenfalls werden die im Straßendienst eingesetzten Schutzpolizei- beamten nach Unterweisung über die maßgeblichen Gesichtspunkte zu einfacheren Verrichtungen der Wucherbekämpfung herangezogen werden können, insbesondere werden sie auf den Aushang der Ladenpreise achten können, soweit solche vorgeschrieben sind. Die Polizeibehörden müssen sich dessen bewußt sein, daß es nicht nur ihre Pflicht ist, allen aus den Kreisen der Verbraucher oder anderweit ihnen zugehenden Beschwerden oder Anzeigen der fraglichen Art nachzugehen, sondern, daß sie auch ohne solche Anzeigen von sich aus den Preisen im Handel mit
Gegenständen des täglichen Bedarfs ein offenes Auge zuzuwenden haben. Besonders verweise ich noch auf die Bekanntmachung zur Fernhaltung unzulässiger Personen vom Handel, von der in weitgehendem Maß Gebrauch zu machen ist. Im übrigen ist es dringend geboten, die zuständigen Finanz- und llmsatzsteuerämter auf Geschäfte mit hohen und übermäßigen Preisen zwecks steueramtlicher Nachprüfung aufmerksam zu machen. Dies hat seitens der Polizeibehörden in möglichst weitem Umfang zu geschehen."
Es darf wohl angenommen werden, daß das preußische Vorgehen auch in den anderen Ländern de- Reichs ausgenommen wird und daß man der „Konjunkturausnützung" geschlossen zu Leibe geht. Ter Wucher wird ja nicht nur und bei weitem nicht etwa in stärkstem Matz bei Lebensmitteln betrieben, die immerhin noch einer gewissen Ueberwachung unterliegen, sondern es sind vor allem auch Webwaren, die nach dem Valutasturz und aus die Nachricht von der geringeren Baumwollernte in Amerika bis um 100 Prozent in kurzer Zeit im Preis gestiegen sind, obgleich in Amerika noch ungeheure Vorräte von Baumwolle aus früheren übergroßen Ernten auf Lager sind. So wird aus einer größeren Stadt Süddeutschlands berichtet, daß gestrickte kleine Damenwollwesten, die im Juli noch zu 60 bis 65 Mk. in den Schaufenstern ausgeboten waren, plötzlich „ausverkauft" waren. Jetzt sind sie auf einmal wieder in Menge zu haben, abe» sie kosten 110 bis 120 Mark.
Neues vom Tage
Die Aufgaben -es Reichstags.
Berlin, 27. Sept. Heute trat der Reichstag wiHer zu einer Tagung zusammen, die voraussichtlich von langer Dauer sein wird; die zu erledigenden Gesetzesvorlagen sind wichtig und zahlreich. Obenan stehen die 15 neuen Steuerentwürfe, dann dürfte die von der Washingtoner Arbeiterkonferenz geforderte Regelung des Arbeiterrechts auf die Tagesordnung kommen, die übrigens im allgemeinen nur unwesentliche Aenderungen der in Deutschland bereits bestehenden Arbeitergesetzgebung bringen dürfte. Daran schließen sich Gesetzentwürfe über das Wohnungsund Siedlungswesen, ein Reichsmietengesetz, ein Gesetz zum Schutz der privaten Wohlfahrtspflege, ein Nachtrag zum Schwerbeschädigtengesetz und ein Gesetz betr. Kündigungsbeschränkungen für Kriegsbeschädigte. Dazu kommen verschiedene juristische Vorlagen, Aenderung der Gerichtsbarkeit der Gewerbe- und Kauftnannsgerichte, des Beamtenrechts, des Apothekenrechts u. a., sowie endlich der Gesetzentwurf über das Reichsschulgeseft.
Besprechungen in Berlin.
Berlin, 27. Sept. Der Reichskanzler verhandelt« gestern zwei Stunden lang mit Dr. Stresemann und den Führern der Zentrumspartei. Heute fanden Besprechungen mit den Sozialdemokraten statt.
Berlin, 27. Sept. Gestern traten aus Einladung des Reichskanzlers führende Vertreter der deutschen Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Grotz- verbände in der Reichskanzlei zusammen, um die Möglichkeit einer Unterstützung der von der Industrie und den Banken geplanten Hilfeleistung bei den Entschädigungszahlungen zu besprechen. Die Vertreter der Landwirtschaft werden sich mit ihren Verbänden ins Benehmen setzen.
Kirchenwahle« 1« Hannover.
Hannover, 27. Sept. Di« Wahl für die verfassunggebende Kirchenversammlung, die am Sonntag in Hannover stattfand, brachte in fast allen Kreisen einen Sieg der positiven Richtung. Di« Wahlbeteiligung war ziemlich rege.
Zeitungsverbot.
München, 27. Sept. Der in Rottach-Egern erscheinende „Alpenbote" wurde auf 8 Tage verboten wegen einiger Artikel „Gegen das neue Berlinertun»-.
Verbrechen in Oppau?
Mannheim, 27. Sept. Zn einer Unterredung mit Pressevertretern erklärte der Direktor der Bad. Anilin- und Sodafabriken, Dr. Julius, nach Ansicht der Direktion müsse die Ursache der Explosion von außen «ekannnen lein tAebnlicke Andeutungen machten vor