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MLerrftei-» Dienstag Lev 87. September.
Sa-egang rSLL.
Ger Reichskanzler über unsere Anstrengungen.
Reichskanzler Dr. Wirth empfing Philipp Millet vom „Petit Parisien". Der Reichskanzler sagte:
Es erscheint mir sehr wichtig, daß Frankreich die Anstrengungen genau bemesse, die wir machen, und die Schwierigkeiten kennt, denen mir gegenüberstehen. Das Programm meiner Regierung bleibt, so wie es mar, als wir die Regierung vor dreieinhalb Monaten übernommen haben. Wir wollen die Verpflichtungen Deutschlands «füllen und zwar bis zur Grenze unserer Leistungsfähigkeit.
Der Reichstag wird sich mit einer Anzahl von Gesetzesvorlagen befassen, die dem Besitz schwere Steuerlasten auferlegen. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß die Regierung ihre Pläne der direkten Steuern aufgeben wolle, «m die besitzenden Klassen zu schonen. Nicht zufrieden damit, neue Steuerquellen zu schaffen, hielten wir es für notwendig, ein außerordentliches Reichsnot- vpfer von der Bevölkerung zu fordern, damit mar das notwendige Gold für die Kriegsentschädigungen haben können. Seit 14 Tagen verhandelt die Regierung mit den Vertretern der Industrie und der Banken. Wir haben an ihren Patriotismus appelliert und forderten sie auf, uns mitzuteilen, in welcher Weise sie dem Reich die Devisen ausliefern wollien, die uns gestatten werden, in Gold die Gläubiger Deutschlands zu bezahlen. Tie Industriellen und die Bankiers antworteten ohne Zögern auf unseren Appell. In der nächsten Woche werden wir uns an die Vertreter der Land Wirtschaft wenden. Wir sind sicher, daß wir auf diese Weise sofort über bedeutende Summen verfügen werden, während die Steuern ernsthafte Einnahmen nicht vor einem oder zwei Jahren liefern können.
Ich kann nicht versprechen, daß Deutschland alles zahlen wird, was man von ihm fordert, aber ich kann versichern, lLß es sich bemühen wird. Das Opfer, das wir von den besitzenden Klaffen fordern werden, wird politische Folgen haben. Hierbei muß ich ein Mißverständnis zerstreuen. Man hat erklärt, daß wir einer neuen politischen Orientierung mit der Deutschen Volkspartei die Hand reichen wollen. Das ist eine irrtümliche Auslegung unserer wahren Absichten. Wir können von der Großindustrie nicht fordern, daß sie derartige Anstrengungen vollbringt, ohne daß sie an der Regierung beteiligt ist.
Eine Teilnahme der Volkspartei an der Regierung ist wahrscheinlich und wünschenswert. Man muß dabei hervorheben, daß die Volkspartei in den letzten Tagen durch so bedeutende Vertreter wie Professor Kahl und Strese- mann öffentlich ihre Zustimmung zu der Verfassung und zu der Verteidigung der Republrk gab. Die Mehrheits- sozraldemokraten erklärten auf dem Görlitzer Parteitag ihrerseits durch Hermann Müller und Scheidemann, daß sie gegen den Eintritt der Volkspartei in die Regierung nichts einzuwenden haben.
Wir wollen also die Koalition erweitern, die gegenwärtig die Regierung stützt und dieser Regierung eine weitere und festere Grundlage geben. Es handelt sich nicht darum, uns zu Manövern wegen der Entschädigungszahlungen hinzugebm, wir verfolgen im Gegenteil den Zweck, in Deutschland die demokratischen Einrichtungen zu vertiefen und dazu brauchen wir eme feste Regiegierung, die in sich die arbeitenden Kräfte und die besitzenden Klassen gruppiert.
Man beschuldigt mich, von der Entente für die An- strengungen, die Deutschland gemacht hat, keine Gegenwerte erhalten zu haben; ich werde von der Entente nichts erlangen, namentlich nichts von Frankreich. Jedesmal wenn die Entente mir eine Genugtuung verwei- gert oder die Ausführung eines Anspruchs verschiebt, wie es in den letzten Tagen mit der Aushebung der Sanktionen geschah, benutzt man dies, um den Bestand meiner Regierung zu bedrohen. Dies aber ist nicht nur für mich peinlich, sondern auch für die Zukunft der internationalen Beziehungen.
Wie soll Deutschland Riesenleistungen vollbringen, wenn es das Gefühl hat, daß es immer verdächtigt wird, was es auch tun möge? Deshalb hoffe ich, daß die Ententeregierungen in der Zukunft die Mittel finden werden, uns mehr Vertrauen zu bezeugen. Obwohl ich jede Rückkehr der Monarchie in Deutschland für unmöglich halte, wäre es doch gut, wenn die Entente sich beeilen wollte.
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Churchill über den Niedergang des Welt- Handels und den Bolschewismus.
London, 26. Sept. In seiner großen Rede in Dundee sagte Minister Churchill: Der Niedergang berühre eng die Lage der englischen Arbeiterklasse. Ungeheure Schulden von Hunderten und Tausenden Millionen Pfund Sterling und sogar noch riesenhaftere Entschädigungen werden von einem Land gegenüber anderen geltend gemacht. Diese Schulden und Entschädigungen übersteigen die Mittel und Methoden der Bezahlung bei weitem. Die Länder, an die die zahlnng zu erfolgen habe, könnten nur in beschränkten: Maß ausländische Ware, die infolge der Kriegsschulden „gedumpte Ware" (d. h. Ware, die wegen des Valuta-Unterschieds im andern Land zu Schleuderpreisen verkauft wird) darstelle, aufnehmen und in einem Jahr nur eine bestimmte Entschädigung erhalten, weil sonst ihre eigene Industrie ernst in Mitleidenschaft gezogen, ihrer Arbeiterbevölkerung das Brot vom Munde genommen werden würde.
Die großen Nationen der Welt bieten augenblicklich ein merkwürdiges Schauspiel. Amerika, England, Frankreich, Italien, alle hoffen riesige Geldsummen voneinander oder von Deutschland herauszubekommen. Schulden eintreiben ist eine Hauptindustrie geworden und nimmt in den Köpfen zahlreicher Polotiker, in den Parlamenten und sogar bei den Völkern den Hauptplatz ein. Wenn alle Schulden und Entschädigungen zwischen Nation und Nation bezahlt tverden würden, dann Würde jedes Gläubigerland gedumpte Ware erhalten und ;war in Mengen und zu Preisen, die für den geordneten "etrieb ihrer Industrien verhängnisvoll sein würde. Nicht ein einziges der Siegerländer, die Anspruch aus riesenhafte Wareueinfuhr als Bezahlung der ihnen geschuldeten Beträge haben, würde diese Waren annehmen. Auf der andern Seite schaffen sie, und mit Recht, Schutzzölle und alle Arten von Sondergesetzen, um zu verhindern, daß ihre eigenen Industrien durch solche riesenhafte unwirtschaftliche Einfuhr völlig erschüttert werden. Infolge der daraus entstandenen Währungskrise ist die Kaufkraft der Schuldnernationen vollkommen erloschen. Die Gläubigerstaaten haben infolge der Währungskrise größte Schwierigkeiten, nach den Schuldnerstaaten Waren auszufiihren, da diese ihnen bereits mehr schulden, als sie bezahlen können. Die Schuldnerstaaten sind gezwungen, jährlich nach den Gläubigerstaaten riesige Mengen auszuführen, was ihre Leistungsfähigkeit
iveit überschreitet. Die Gläubigerstaaten wollen Hese Waren jedoch nicht annehmen aus Furcht, daß darunter ihre eigenen Industrien leiden. Dadurch wird der gesamte internationale Handel ungeheuer eingeschränkt und jedem Land wird dadurch Schaden zugefügr. Die erzielten Ergebnisse sind gerade das Gegenteil von dem, was die meisten erhoffen. Ein Beispiel dafür ist der größte Schuldner st aat Deutschland und der größte Gläubigerstaat Amerika. In Deutschland arbeiten die Industrien mit größter Spannung. Deutschland wird durch seine Ausfuhr in die Lage versetzt, fast jeden Markt, den es beschickt, zu erobern. In den Ver. Staaten ist die Lage ganz anders. Sie verfügen über Berge von Gold; der amerikanische Ausfuhrhandel wird jedoch sehr eingeschränkt. Tie neugebaute große amerikanische Handelsflotte ist ein vollkommener Fehlschlag. In Amerika sind dreimal so Erwerbslose wie in England und die Verteuerung der Lebenshaltung nimmt zu. ^
Diese Gegensätze ergeben die unbedingte Notwendigkeit, daß die Staatsmänner aller Länder so bald wie möglich zusammen kommen, um sich von neuem dieser Frage des internationalen Handels zuzuivenden, damit die Ströme des Angebots und der Nachfrage wieder frei über die Oberfläche der Welt fließen können. Immerhin sei England in seiner Finanzpolitik seit dem Krieg das einsichtigste Land geweien. England' habe versucht, soweit angängig, Deutschland eine Möglichkeit zu sichern, seine eigene Wohlfahrt wieder auszubauen, mit der die Wohlfahrt Frankreichs und Englands so eng verknüpt sei. England habe sich erboten, zu vergessen und alle Schulden zu streichen, die ihm europäische Nationen schuldeten, vorausgesetzt, daß England von der geringen Schuld befreit werde, die es für seine Verbündeten bei den Ver. Staaten ausgenommen habe. Das Heilmittel liege doch nicht in der Hand eines einzigen Landes, und in dieser Richtung seien andere Länder vorhanden, die mächtiger sind. Es gibt andere Länder, fuhr Churchill fort, die in dieser Frage in einer günstigeren Lage sind als wir. Es würde zum Vorteil der Welt sein, wenn alte internationalen Verpflichtungen, die aus demKrieg entstanden sind, von nmem auf praktisches Ausmaß herabgesetzt und für sich gestellt werden. Ob dies möglich ist oder nicht, unmittelbar notwendig ist ein Mittelding von internationaler Währung, das von Kriegsverpflichtungen unbeeinflußt sein würde und wenigstens zeitweilig und während der Zeit der Gesundung den Verkauf von Waren zwischen den Nationen auf einer natürlichen Grundlage sichern würde.
So wichtig auch die Konferenz ist, die demnächst in Washington über die Frage der Abrüstung stattsinden soll, eine Konferenz über die Schaffung normaler Währungen würde wertvoller und dringlicher sein. Man darf vielleicht hoffen, daß sich die eine ans der andern entwickeln wird.
Die sozialistisch-kommunistische und bolschewistische Agitation trage Ebenfalls große Schuld daran, daß die Gesundung der Welt verzögert werde. Me Bolschewisten haben Rußland in eine furchtbare Lage gebracht.. Trotzki und Lenin haben einfach von dem gezehrt, was von ver Zeit des Zaren übrig geblieben war. Sie haben von dem Geld gelebt, das sie aus den russischen Staatsbanken und von Rumänien genommen haben. Sie haben von den Juwelen gelebt, die sie den Frauen gestohlen haben, die sie ermordeten, und sie haben die Getreidelager aufgezehrt, die die Bauern angesammelt hatten, um sich vor einer Hungersnot wie der augenblicklichen zu schützen. Der Welt habe keine furchtbarere Lehre von dem Wahnsinn der Sozialisten und von den Folgen gegeben werden können, die entstünden, wenn man ihnen ungezügelte Macht überlasse. Die Sozialisten in England hätten alles getan, was in ihrer Macht liege, um die Wirksamkeit der Arbeiterschaft herabzusetzen. Sie hätten alles getan, um Streit und Streitigkeiten in der Industrie zu verursachen. Lenin und Trotzki hätten vier Jahre gebraucht, um Rußland in seine jetzige Lage zu bringen. England würde etwa vier Monate brauchen, um die Lebensmittel zu verzeh ren, über die es verfüge und nach dieser Zeit würde der größte Teil der Bevölkerung Englands eine neue Welt Mtfsuchen müssen, um dort zu lebni