Württemberg.

Mord.

Stuttgart, 27. August. Eine Mordtat ereignete sich heute nachmittag um 146 Uhr. Der Täter Gottlob Schwei­zer ist man möchte fast sagen: natürlich aus Platten­hardt gebürtig, wo er am 6. März 1882 geboren wurde. Seine Frau Barbara, von der er getrennt lebte, geb. Schönhaar stammt aus Schöneich O. A. Böblingen und ist am 13. De­zember 1882 geboren. Schweizer hatte bis zum 21. d. Mts. eine Gefängnisstrafe von 1 Monat wegen Bedrohung ver­büßt. Schon gestern äußerte er zu Bekannten, er werde seine Frau über den Haufen stechen, wenn sie nicht die eheliche Gemeinschaft mit ihm wieder aufnehme. Heute führte er die Drohung aus, indem er die Frau vor der Trikotweberei von Lang und Bumille, wo sie arbeitete, auflauerte. Sobald er ihrer ansichtig wurde, führte er mit großer Wucht mehrere Stiche gegen ihre Brust und tötete sie auf der Stelle. Dann ergriff der Mörder die Flucht. Er wird beschrieben als 1,76 Meter groß, kräftig gebaut, mit gesunder Gesichtsfarbe, blondem Haar und blondem starken Schnurrbart, braunem Filzhut, grünlicher Juppe, Manchesterhose und Schnürstiefel.

Aus der sozialdemokratischen Partei.

Stuttgart, 27. Aug. Bei der Urabstimmung der sozialdemokratischen Partei wegen eines Kan­didaten für die Landtagsersatzwahl in Stuttgart- Amt anstelle Hildebrands erhielten Stimmen: Pflüger-Stuttgart 803, Schuhmacher-Feuerbach 386 und Raub-Kaltental 53. Die übrigen Vorgeschla­genen waren von der Kandidatur zurückgetreten. Genosse Pflüger ist also als Kandidat der Partei nominiert. Da Stuttgart-Amt fester Besitzstand der Sozialdemokratie ist, wird er als Nachfolger Karl Hildebrands in den Landtag einziehen. Bei der Landtagswahl im November v. I. hat er im Ober­amt Waiblingen kandidiert, ist aber dem Bauern­bund unterlegen.

Stuttgart, 27. August. Der Abgeordnete Westmeyer er­läßt in der Tagwacht einen Aufruf an die gesamte Arbeiter­schaft für die Errichtung eines Bebeldenkmals, das keine Lob­hudelei in Stein und Erz sein soll, sondern ein schlichtes Monument der Arbeit des um seine Freiheit ringenden Vol­kes, von dem Bebel ein Teil war. Das Denkmal soll im Waldheim Stuttgart errichtet werden.

Ein neues Marine-Luftschiff.

Friedrichshafen, 27. August. Am 9. September soll bekanntlich das neue Marineluftschiff L. 2 seine Probefahrten beginnen. Es ist der größte Bau, der bisher aus der Werft am Bodensee hervor­gegangen ist. Mit 165 Meter Länge übertrifft das Luftschiff den L. 1 um 3 Meter. Der Durchmesser von 14,9 Meter ist indessen der gleiche wie bei allen neueren Z. Typen. Abgesehen davon reprä­sentiert aber L. 2 einen vollständig neuen Typ. Der in spitzem Winkel endigende Laufgang am unteren Teil fällt fort und ist ins Innere des Schiffes verlegt worden. Eine weitere nicht unwesent­liche Neuerung ist, daß das Schiff mit drei Gondeln ausgerüstet sein wird. In zwei dieser Gondeln wird die maschinelle Anlage untergebracht, die dritte ist ausschließlich für die Führung bestimmt. Die bisher größte Motorenstärke besaß die in Leipzig stationierteSachsen". Sie verfügt über drei May­

bach-Motoren mit zusammen 555 Pferdestärken. Das neue Marineluftschiff wird aber mit vier Mo­toren ausgerüstet sein, die im ganzen 800 Pferde- krafte entwickeln. Demgemäß wird sich natürlich auch die Schnelligkeit steigern, man spricht von 95 Kilometer in der Stunde. Mit den seitherigen maschi­nellen Anlagen wurden etwa 75 Kilometer erreicht.

Stuttgart, 27. August. Wie uns mitgeteilt wird, ist eine zuverlässige Schätzung der Schuldenlast im Konkurs Ro- minger zurzeit noch nicht möglich, die Schätzung von einer Million Mark ist aber zu hoch gegriffen. Auch die Schätzung der voraussichtlichen Konkursdividende mit zehn Prozent ist! verfrüht. Zur Zeit der Umwandlung der Firma in eine G. m. b. H. (Sommer 1912) war Kommerzienrat Otto Män­ner nicht der Alleininhaber der Firma, vielmehr war es Otto Wanner-Brandt. Kommerzienrat Otto Wanner war schon im Jahre 1904 aus der Firma ausgeschieden. Bestritten wird, daß die Firma Johs. Rominger, G. m. b. H. noch heute zur Bezahlung von Miete an die Salamander-Schuy- Gesellschaft verpflichtet sei, desgleichen, daß die für die jetzigen Geschäftsräume zu entrichtende Miete sich auf jährlich 56 000 Mark belaufe. Die Miete beläuft sich vielmehr auf einen wesentlichen geringeren Betrag, der aber nicht angegeben wird.

Heilbronn, 27. August. Hier erregt die vor einigen Lagen bekannt gewordene Zahlungsschwierigkeit des Stadt- Pflegers Burger großes Aufsehen. Er hat ein bedeutendes Vermögen durch Spekulation verloren und daneben auch klei­nere Leute durch Geldaufnahme in Mitleidenschaft gezogen. Man spricht von einer Unterbilanz von 5070 000 Mark. Inwieweit auch die amtliche Tätigkeit Burgers, der übrigens die Stadtkasse nicht zu verwalten hatte, durch die Zahlungs- schwierigkeit berührt wird, soll erst die eingeleitete Unter­suchung ergeben. Soviel scheint aber festzustehen, daß die Stadtgemeinde kaum ernstlich geschädigt wird. Oberbürger­meister Or. Göbel wird zur Prüfung der Angelegenheit in diesen Tagen aus seinem Urlaub zurückerwartet. Burger selbst befindet sich zur Zeit gleichfalls im Urlaub.

Gerabronn, 28. August. Wie verlautet, beabsichtigt die Fortschrittliche Volkspartei, die Kandidatur für die Land­tagsersatzwahl dem Schultheißen Krafft in Herrenthierbach anzutragen.

««» Wett und Zeit.

Italien und Oesterreich.

Triest, 27. Aug. Der Statthalter von Triest hatte den städtischen Behörden verboten, Nicht- Oesterreicher in ihren Bureaus zu beschäftigen. Die Maßnahme richtete sich vor allem gegen die italie­nischen Beamten der Stadt Triest. Dagegen er­heben nun die italienischen Blätter energischen Widerspruch. In dem dreibundfeindlichen Secolo polemisiert der Deputierte Barzilai gegen die An­schauung des Generals Caneva, der Jrredentismus sei in Italien vollständig erloschen. Die Reichs- Italiener würden niemals auf die Gleichberechtigung mit den österreischen Italienern verzichten» um so weniger, wenn die Gefühle und Interessen des italienischen Volkes verletzt werden, wie dies durch den jüngsten Erlaß des Statthalters von Triest geschehen sei. Man solle in solchen Fällen rücksichts­los den Grundsatz der Gegenseitigkeit anwenden

und Italien müßte, wenn die Maßregel nicht zurückgenommen werde, einfach eine Anzahl öster­reichischer Staatsbürger ausweisen. Das öster­reichische Auswärtige Amt nimmt nun schon der statthalterlichen Verfügung die Schärfen. Es ver­öffentlicht heule einCommunique", das die Erlasse zwar aufrecht erhält, deren Verquickung mit den Fragen der äußeren Politik abwehrt und rücksichts­volle Behandlung der betroffenen Ausländer zu­sagt, sowie diese auf den Weg der Naturalisation verweist.

Wilsons Botschaft an Mexiko.

Washington, 27. August. Präsident Wilson verlas heute mittag um 1 Uhr im Kongreß eine Spezialbotschaft, in der er betonte, Amerika wünsche Mexiko gegenüber im Geiste auf­richtigster u. uneigennützigster Freundschaft im eigenen Inter­esse Mexikos zu handeln. Die betrübenden Zustände in Mexiko berührten Amerika nahe. Es werde Mexiko noch be­weisen, daß es ihm zu dienen wisse ohne zuerst an sich zu denken. Die gesamte Welt, so heißt es in der Botschaft wei­ter, wünscht Mexiko Frieden und Fortschritt. Angesichts des Panamakanals birgt die Zukunft viel für Mexiko. Mexiko kann die besten Gaben aber nur genießen, wenn es sie ehren­voll genießt. Die Entwickelung Mexikos ist nur dauernd gesund, falls sie das Produkt einer echten Freiheit und ge­rechten und gesetzmäßigen Regierung ist. Wir warteten Mo­nate vergebens auf eine Besserung der Zustände und es war unsere Pflicht, unsere guten Dienste anzubieten. Wilson be­sprach sodann die Entsendung und die Instruktionen Linds und fuhr fort: Wir bieten unsere guten Dienste nicht nur aus Freundschaft an, sondern auch weil die Weltmächte erwarten, daß wir als ernste Freunde handeln. Die gegenwärtigen Zustände sind unvereinbar mit der Erfüllung internationaler Verpflichtungen seitens Mexikos und der zivilisierten Ent­wickelung Mexikos und der Erhaltung der wirtschaftlichen und politischen Zustände in Zentralamerika. Amerika sieht keine Berechtigung der Abweisung der angebotenen Dienste der .Freundschaft ein. Alles was Amerika inzwischen tue, müsse in ruhiger, uneigennütziger Ueberlegung wurzeln. Unge­duld auf Seiten Amerikas sei unangebracht. Es müsse eine weitere günstige Gelegenheit abwarten und seine Dienste erneuern. Allen Amerikanern müsse nahe gelegt werden, Mexiko sofort zu verlassen. Ihnen müsse dabei geholfen wer­den. Jegliche Waffenausfuhr nach Mexiko müsse aufhören. Es freue ihn, erklären zu können, daß mehrere Großmächte Amerika moralisch unterstützt hätten. Wilson teilte gleich­zeitig die abweisende Antwortnote Huertas mit und sein Ver­langen, daß Amerika den mexikanischen Botschafter in Washington wie auch seine eigene Regierung anerkenne.

Chinesische Unverfrorenheiten.

Peking, 27. August. Der Kreuzer Emden hat bei Wuhu einen chinesischen Dampfer angehalten, der mißbräuchlich die deutsche Flagge führte und Rebellentruppen sowie Geld und Proviant für Nanking an Bord hatte. Die Flagge wurde weggenommen und der Dampfer nach einer Verwarnung ent­lassen.

Berlin, 27. August. Nach einer telegraphischen Mel­dung des Chefs des Kreuzergeschwaders ist der KreuzerEm­den" von einem von Rebellen besetzten Forts bei Wuhu mit Geschütz- und Gewehrfeuer beschossen worden. Der Kreuzer hat sofort das Feuer erwidert und mit 25 Schuß das Forts zum Schweigen gebracht.

Ernste Tage vor IVO Jahren.

(Aus den Lebenserinnerungen von Ludwig Richter, erschienen bei Max Hesse, Leipzig.)

Ende August 1813 näherten sich die Alliierten mit einem Heere von 200 000 Mann Dresden. Am 25. donnerten die Kanonen in der nächsten Umgebung. Des Nachts leuchteten die Wachtfeuer der Russen und Oesterreicher von den An­höhen, und die Leute fürchteten einen Sturm auf die Stadt. Kanonen rollten durch die finsteren Straßen, es war ein un­heimliches Treiben und Getöse in dieser schauerlichen Nacht, das allen Bewohnern den Schlaf verscheuchte. Mit Angst und Spannung wartete man der Dinge, die da kommen sollten.

Endlich brach der Morgen an, und bald erzählte man, Napoleon komme von Bautzen her an der Spitze der gro­ßen Armee. Nachmittags kamen denn auch die Regimenter ini Eilmarsch die breite Amalienstraße herab, und ich lief hin­unter und postierte mich an ein Eckhaus, um alles in der Nähe zu sehen. Wie erschöpft sahen die armen Menschen aus, welche zehn Meilen ohne Rast marschiert waren, bleich, hohläugig, ganz mit Staub überzogen; viele riefen im Vorübereilen mit heiserer Stimme nach Wasser, das ihnen niemand reichen konnte, denn es ging unaufhaltsam rasch vor­wärts.

Immer neues Trommelgerassel und Feldmusik verkündete neue Abteilungen. Plötzlich sah ich einen Trupp glänzen­der Generale und höherer Offiziere, und ihnen voran, ruhig vor sich hinsehend, wie ein Bild aus Erz den Kaiser, ganz so, wie sein Bild typisch geworden ist: der kleine, dreieckige Hut, der graue Ueberrock, der Schimmel, den er ritt. Ich gaffte den Gewaltigen mit großen Augen an, und obwohl ich weiter nichts begriff, als daß er der Mann sei, um den sich alles drehe, wie um eine bewegende Sonne, so habe ich doch den Ausdruck dieses Gesichts nicht vergessen. Ein unbe­

wegliches und unbewegtes Gesicht, ernst und fest, in sich ge­

sammelt, doch ohne Spannung. Sein Ich war die Welt, die Tinge um ihn nur Zahlen, mit denen er rechnete. Schon donnerten die Kanonen, denn man stürmte die Schanzen vor dem Ziegelschtage, und jetzt führte er Tausende von Ziffern ihnen entgegen.

Ich lief nun schnell hinauf zum Vater, und dieser stieg mit mir und anderen Hausbewohnern auf den Dachboden, wo wir durch die kleinen Fenster die Gegend nach Blasewitz, den Großen Garten und Räcknitz übersehen konnten. Die Kanonade hatte schon begonnen, und es entwickelten sich immer mehr die dunklen Linien der Infanterie, welche sich aufstellten. Endlich begann auch das Musketenfeuer, ein fort­währendes Knattern, unterbrochen von dem ferneren und näheren Donners des Geschützes. Lange Streifen Pulver­dampfes stiegen über den Linien der Infanterie auf, und dicke Wolkenmassen da, wo Batterien standen. Der Kampf wurde heftiger und gewaltiger, es war zuletzt ein Knattern, Krachen und Tosen grausenhafter -Art, ohne die geringste Unter­brechung. Das Dorf Strehlen, welches vor uns lag, ging in Feuer auf. Es war von Russen besetzt und die Granaten der Franzosen schossen es in Brand.

Da aber nun einzelne Kanonenkugeln auch in unsere Nachbardächer einzuschlagen begannen und Ziegel- und Sparrwerksplitter umherflogen, ja eine Granate in eine Stube des Hinterhauses schlug und zurückprallend im Hofe zer­platzte, so eilte alles, was Beine hatte, in den Keller, wo man vor den Kugeln gesichert war. Da saß denn die ganze bunte Gesellschaft bei der höchst spärlichen Beleuchtung eines Küchenlämpchens im Kreise herum auf Fässern, Kisten und Klötzen, wie es sich eben machen wollte, und besprachen ihre Not und trösteten sich gemeinsam; es war eine kleine Rem- brandtsche Szene. Besonders innerlich sind mir die Gestalten des alten Magisters Erbstein, der Frau Naumann und einer lustigen, hübschen Bierschrötersfrau. Dann und wann schlich sich einer der Hausväter kundschaftend hinauf. Die Straßen

waren öde und leer, wie ausgestorben, aber ein dumpfes, fer­nes Donnern, vom näheren Krachen der Geschütze unter­brochen, rollte unaufhörlich um die geängstigte Stadt. In dem kühlen und düsteren Kellerraum wurde es für die Länge un­erträglich. Innerlich waren alle in höchster Spannung und Erregung, äußerlich aber so ganz untätig, bis endlich die kleine, alte Witfrau ein verborgen gehaltenes Kleinod aus ihrem Keller herbeiholte, eine Flasche von ihr aufgesetzten Kirschenschnapses. Dieser brachte wieder Leben in den Kreis, die Vorstellungen, die ins Unbestimmte schweiften, wurden durch einen nahe greif- und schmeckbaren Gegenstand gefesselt, und der Papa, welcher stets einen guten Humor hatte, brachte wieder Unterhaltung in die Gesellschaft; ja die Leute wurden sogar heiter und fingen an, über das Wunder­liche ihres Zustandes zu scherzen und zu lachen.

Endlich, gegen Abend, wagten wir uns wieder hinauf in die Wohnung. Beim Dunkelwerden verstummte der Kampf mehr und mehr. Die Straßen füllten sich mit Truppen, man brachte Verwundete. Einen der bei uns ein- auartierten Franzosen, einen alten Artilleristen, sahen wir verwundet auf dem Protzkasten seines Geschützes liegend vorüberfahren; er winkte freundlich nach uns herauf. Es begann nun ein Leben und Treiben in den dunklen Straßen, das mit der vorherigen Oede seltsam kontrastierte. Die Muni- tions- und Pulverkarren samt Geschütz rumpelten und rassel­ten wieder auf dem Straßenpflaster, die Truppen füllten die Häuser und lagen auf den Gassen und Plätzen. Es waren ja 100 000 Mann, welche nun die Stadt schützten. Am an­dern Tage, der grau und trüb anbrach und sich endlich in strömenden Regen ergoß, begann der Kampf von neuem. Doch tobte er weniger in unserer Nähe, und aus den Dachluken konnten wir dies Gefecht an den Höhen von Räcknitz sehen, wo die Russen standen und Moreau an diesem Tage es war der 27. August an der Seite Alexanders tödlich ver­wundet wurde.

(Schluß folgt.)