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UttenßeiO, Mittwoch Je« 7. September.

I Jahrgang 1VS1.

DLe Leiden -es Saargebiets.

Me Saarländer beklagen sich nicht ganz mit Un­recht, daß man sich un Reich zu wenig um sie küm­mere. Von den Leiden der dortigen Bevölkerung hat man vielfach keine rechte Vorstellung. Während des Waf­fenstillstands trieben die französischen Behörden im Saar­land politisch und wirtschaftlich eine rücksichtslose Ge­waltpolitik. So zwang man in Saarlouis, das die Franzosen seines Namer^ wegen unbegreiflicherweise als französisch gesinnt betrachten, die Schulen, französisch zu unterrichten.

Nach dem Friedensvertrag gilt das Saargebiet nicht Nls besetztes deutsches Gebiet, so oaß deutsche Truppen dort gehalten werden dürften. Der Präsident der Regierungskommission hat das auch zugeben müs­sen, er erklärte jedoch, er wolle die französischen Truppen an Stelle der eigentlich zu bildenden Gendarmerie behal­ten, da Frankreichgroßmütig" seine Truppe kosten­los zur Verfügung stelle. Als das Deutsche Reich er­klärte, den auf das Saarland fallenden Fehlbetrag der Dahnen zu tragen, falls die Saarbahn in der deutschen Verwaltung bliebe, wurde das von Frankreich abgelehnt. Die Loslösung der Bahn von dem deutschen Bahnnep kostet dem Saarland nun jährlich bedeutend mehr als die Aufstellung einer Gendarmerie erfordert hätte Hchon das erste Jahr der neuen Verwaltung wird einen Fehlbetrag von 250 Millionen bringen. Die gleiche Willkür erleidet das Saargebiet auf allen Gebieten. So zwang die Militärbehörde die Stadt Saarbrücken, die Lebensmittel von ihr zu hohen Preisen zu beziehen und an die Bevölkerung zu billigeren Preisen abzugeben; Ein­kaufs- und Verkaufspreise bestimmte die französische Re­gierung. Kein Wunder, daß die Stadt Saarbrücken, die während des Kriegs die Lebensmittel zum Selbstkosten­preis abgegeben hatte, nunmehr 700 Prozent der bis­herigen Einkommensteuer erheben mußte.

Im übrigen weiß kein Deutscher, wie hoch der Fehl­betrag des Saargebiets sich stellt. Einen Jahres­haushalt gibt es nicht. Die nunmehr französische Gru­benverwaltung zahlt seit langem keine Kohlensteuer, führt dann wieder einige Millionen ab, ohne aber der Steuer- bchörde die Unterlagen zur Nachprüfung einzureichen. Das Land ist überschwemmt mit französischen Beamten, die in Frankenwährung auf Kosten des Saarlands besoldet werden. Allenthalben herrscht eine lähmende Ungewißheit bei steigenden Preisen und erschwertem Ver­kehr. Der Wirtschaftsrat, der sich für die Aus­stellung eines Landeshaushaltsplans und einer Steuer­reform einsetzte, wurde aufgelöst. Allein für den Bau von Wohnungen, die für die französischen Offiziere und Beamten der Regierung, der Zoll- und Bergverwal­tung auf Kosten des Saarlands und zwar mtt Vor­recht gegenüber der Bevölkerung gefordert werden, sind Riesensummen nötig, die das Land nicht aufbringen kann.

Unter Ausnutzung einer anscheinend harmlosen Be­stimmung des Versailler Vertrags, die denUmlauf französischen Geldes" gestattet, haben die Franzosen bei der Bergarbeiterschaft die Lohnauszahlung in Franken eingeführt, und die Schwereisenindustrie hat damit folgen müssen.

Die Bergwerke, auf die es besonders abgesehen ist, und die der französischen Militärverwaltung unterstellt sind, mußten der saarländischen Jndurstie solange die Kohlen­lieferung verweigern, bis die Industriellen sich bereit er­klärten, 60 Prozent französisches Kapital in ihre Be­triebe hereinzunehmen, womit alsbald französische Di­rektoren und Betreibsleiter erschienen. Die Arbeiterschaft, die ihren Lohn in Franken erhält, steht sich mit dessen Kaufkraft und damit in ihrem Einkommen doppelt so gut wie die Arbeiter, denen der Lohn in Mark ausbezahlt wird. Der gegenwärtige Streik in der keramischen In­dustrie, bei dem deren Arbeiterschaft entsprechende Aufbes­serungen verlangt, hat diese Industrie Mläufig zuin Stillstand gebracht. Ihr ganzer Absatz ist bisher nach Deutschland gegangen, und mit einer Erhöhung der Er­zeugungskosten auf das Doppelte, was dte Einführung des Frankenlohns bedeuten würde, wäre diese Indu­strie auf dem deutschen Markt nicht mehr konkurrenzfähig. Für dessen Verlust aber könnte Frankreich einen Ersatz bieten, da der französische Markt durch die eigene kera- Mische Industrie ausreichend versorgt wird. Die deutsche

keramische Industrie des Saarlands steht also vor dem Zusammenbruch, wie auch schon die ebenfalls zur Lohn­zahlung in Franken gezwungene Schwerindustrie des Saarlands, auch die Kohlen müssen in Francs bezahlt werden mit riesigen monatlichen Fehlbeträgen arbeitet. Die Absicht ist natürlich, diese deutsche Industrien des Saarlands unter Ausnutzung des Versailler Vertrags abzuwürgen, um die Werke schließlich billig in die Hand zu bekommen.

Neues vom Tage.

Die Großbanken ge-en Wirth.

Berlin, 6. Sept. Nach! de« Berliner Blättern sagte der Reichskanzler Dr. Wrrth in seiner Rede bei der Erzberaerfeier in der Zentrumsversammlung des Ber­liner Wahlkreises u. a.:Das Großkapital hat die Zahlung der Goldmilliarde (an der Kriegsentschädigung) sehr erschwert. Es hat nicht patriotisch, sondern aus Selbstsucht und Gewinnsucht gehandelt, indem es die Ablieferung der Devisen immer wieder verzögerte, in der Hoffnung, daß der Dollar steigen werde." Der Berl. Lokalanzeiger" meldet nun, daß die Vertreter der Großbanken eine gemeinsame Besprechung halten wer­den, sobald der Wortlaut der Rede bekannt ist, um AN den Angriffen des Reichskanzlers und Reichsstnanzmüü- sters Stellung zu nehmen.

Erklärung des Reichskanzlers. '

Berlin, 8. Sept. Wie die Abendblätter melden, hat der Reichskanzler auf eine Anfrage des Reichstagsabg. Geheimrat Rieß er betr. AeuHerungen des Kanzlers über das Großkapital in seiner Rede am <Äinntag in einem Brief an Rießer geantwortet, Angriffe gegen das Großkapital seien nicht erfolgt, da er vom Groß­kapital nicht gesprochen habe. Er habe vielmehr von einer Epoche des Hochkapitalismus gesprochen, der sich im wilden Börsentaumel der letzten Wochen und Mo­nate geäußert habe und er habe an der Spekulations­wut gezeigt, wie weit die Spekulation von dem Gedanken der Gemeinschaft und des Vaterlands sich fern halte. Ferner habe er auf einen Satz, der vor einiger Zeit im Berliner Tageblatt gestanden habe, angespielt, in dem er auf den ungeheuren Egoismus der Devisenbcsitzer hingewiesen war.

Der Ausnahmezustand in Bayern wird nicht aufgehoben.

München, 6. Sept. Der bayerische Ministerrat hat, wie verlautet, beschlossen, den Ausnahmezustand vorläufig nicht aufzuheben; die Reichsregierung soll damit einver­standen sein, bis die schwebenden Fragen durch Reichs- gesetz geregelt sind, zu deren Lösung die bayerische Re­gierung rechtzeitig beigezogen werden soll. (Die Mel­dung läßt auf eine neue Verschärfung der Bezichungen zwischen Berlin und München schließen.)

DerMiesbacher Anzeiger" ist verkauft worden. An feiner Statt erscheint in gleicher Form dasMiesbacher Tagblatt" im Verlag von Paul Wolfs. Verantwortlicher StMftleiter ist Professor Stempfle.

Berlin, 6. Sept. Das deutschvölkische BlattDer Sturm" in Hannover ist auf 14 Tage verboten wor­den. DieRote Fahne des Ostens" in Königsberg wurde verboten.

Verstimmung zwischen Berlin und München.

Berlin, 6. Sept. Me telegraphische Aufforderung des Reichsministers des Innern, Gradnauer, an die bayerische Regierung, dieMünchen-Augsburger Wendzeitung" zu verbieten und für den Schutz der Kund­gebung in Koburg zu sorgen, sind vom bayerischen Mi­nisterrat übel ausgenommen worden und sie wurden den bayerischen Blättern zur Veröffentlichung übergeben. Die Blätter bezeichneten das Vorgehen Gradnauers als einen unzulässigen Eingriff in bayerische Rechte und eine Ver­letzung Bayerns. Halbamtlich wird dazu durch WTB. verbreitet, dies sei keineswegs, beabsichtigt gewesen. Der Meijchsminister habe es absichtlich vermieden, sich an untergeordnete Organe zu wenden oder selbst ein Ver­bot auszusprechen, um der bayerischen Regierung Ge­legenheit zu geben, von sich aus das Erforderliche zu An, sie hätte also, wenn sie abweichender Meinung ich mes in Vechandlungen geltend machen zu können. Eine Zuspitzung wäre somit nur auf die bedauerliche Veröffent­lichung der Telegramme zurückniführen.

Kein Bruch, sondern Verhandlungen

München, 6. Sept. In der heutigen Beratung der Regierungsparteien des Landtags, der Ministerpräsident v. Kahr und Staatssekretär Dr. Schweyer anwohn­ten, wurde eine Üebereinstimmung erzielt, es nicht zum Bruch mit der Reichsregierung kommen zu lassen, son­dern weiter zu verhandeln.

Falschmeldung.

Berlin, 6. Sept. Von zuständiger Seite wird mit­geteilt, die Meldung desBayerischen Vaterlands", der Reichskanzler habe auf dem Katholikentag gesagt, nach Erledigung Oberschlesiens werde das bayerische Geschwür ausgeschnitten werden, sei erfunden. Diese Worte seien nie gefallen.

Regimentsfeste verboten.

Karlsruhe, 6. Sept. DieKarlsruher Zeitung" mel­det amtlich: Das Ministerium hat die in Rastatt für die nächste Zeit geplanten Regimentsfeste der 40er, 111er, 30er und 14er (Fußartillerie) verbo­ten, weil nach den Erfahrungen bei ähnlichen Ver­anstaltungen die Besorgnis begründet ist, daß diese Versammlungen mißbraucht werden zu Erörterungen der in 8 4 der Reichsverordnung vom 29. August 1921 bezeichneten Art; durch die der innere Frieden gefähr­det werden würde. Daß diese Gefahr abgewendet wer­den muß, wird auch bei anderen Veranstaltungen Grundsatz bleibe«.

Ausbreitung des indischen Ausstands.

London, 6. Sept. Die Nachrichten aus Jnoien lauten sehr ernst. Der Aufstand dehnt sich immer weiter aus. Die "Admiralität sendet ein verstärktes Geschwader ins Aufrnhrgebiet ab.

Pflege der deutsch-schweizerische« Handels­beziehungen.

Hamburg, 6. Sept. Nach Schweizer Meldungen begeben sich dieser Tage etwa 80 bis 100 Kausleute aus der Schweiz nach Hamburg, um die deutsch-schweizerischen Handelsbeziehungen enger zu gestalten.

Ultimatum an Ungar«.

Wien, 6. Sept. DieNeue Freie Presse" meldet aus Wiener-Neustadt: Die verbündeten Mächte haben der ungarischen Regierung ein befristetes Ultimatum über­reicht, in dem die sofortige Räumung des ganzen, laut Friedensvertrag an Oesterreich abzutretenden ungari­schen Gebiets verlangt wird. Das Ultimatum läuft am 6. Tage um 2 Uhr nachts ab. _

Die Hungersnot in Rußland.

Genf, 6. Sept. Nansen ist aus Rußland hier eingetrosfen. Er berichtet, von der Hungersnot, die sich von der Wolga bis zum Kaukasus ausbrette, seien 20 bis 25 Millionen Menschen betroffen. Vier Millionen Ton­nen Getreide seien nötig; zwei davon glaube die Sowjet­regierung aufbringen zu können, den Rest müsse das Ausland liefern. Das Dringendste sei Saatgut, sonst würden Menschen und Vieh sterben müssen. Die Sowjet­regierung verlange vom allrussischen Hilfsausschuß die höchsten Leistungen, macht aber zugleich jede Tätigkeit des­selben unmöglich. Trotzdem gehe der Ausschuß mit Hel­denmut ans Werk.

Wieder ein Streitfall im Verband.

London, 6. Sept. Da die französische Regierung dem Abkommen der Pariser Konferenz der verbündeten Kinanzminister vom 13. August die Bestätigung ver­sagt hat, wird die dort beschlossene Verteilung der ersten von Deutschland bezahlten Goldmilliarde an England und Belgien, das nach einem Beschluß des Obersten Rats bevorrechtet ist, in Frage gestellt. Wie derDaily Telegraph" aus Brüssel erfährt, wird sich die belgische Regierung aber unter keinen Umständen mit einer Abänderung des Pariser Abkommens ein verstanden erklären, die das Vorrecht Belgiens aus die KrtegSentschädigungszahlung beeinträchtigen würde.

Paris, 6. Sept. Me französische Regierung hat der englischen Regierung mitgeteilt, daß sie das Mkommen der Finanzministerkonferenz ^ nicht bestätige. Wie ver­lautet, wird der französische Finanzminister Do um er Ende dieser Woche nach London reisen.

Die schlechte Lage in Pole«.

Lottdon, DieTimes" melden aus Warschau, in lei­tenden Kreisen sei man bestürzt über den Stand dev

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