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SK. roo.
Altenßeig, Motttag tzev rs. August.
I Jahrgang isri.
Die Ermordung Erzbergers.
Wieder ein politischer Mord in Deutschland! Die Menschenleben und die Begriffe von Anstand und Pflicht im politischen Leben sind tief in ihrer Wertung gesunken. Des ist auch der verabscheuungswürdige Anschlag auf den Reichstagsabgeordneten Matthias Erzberger wieder Zeugnis, ein feiger Ueberfall auf den wehrlosen Mann, während er mit einem Freund auf einem Spaziergang auf den Bergen des Schwarzwalds Erholung suchte. Erzberger hatte viel Feinde» vielleicht viel mehr als irgend ein anderer Mann im Reich; bis weit in die Reihen seiner eigenen Fraktions- genossegr stieß er auf Gegnerschaft» die sich nicht nur auf seine politische Tätigkeit, sondern auch auf seine Person bezog. Nichtsdestoweniger werden auch die Kreise, die mit Erzbergers politischer Richtung in Vergangenheit und Gegenwart nicht einverstanden waren, peinig sein in der strengen Verurteilung des Meuchelmords, der sich in keinem Betracht beschönigen läßt. Es müßte zu der blutigen Zeit der italienischen Renaissance zurücksühren, wenn der Mord zum üblichen Mittel würde, eines politischen Gegners sich zu enr- ledigen. Und daß die Ermordung Erzbergers politischen Gründen entsprungen ist, daran ist nach den angestellten Erhebungen wohl gar kein Zweifel. Es wird Sache der Verwaltung wie der Rechtspflege sein, durch unerbittliche Strenge nach allen Seiten der eingerissenen Verwilderung der politischen Sitten einen kräftigen Damm «ntgegenzusetzen, sonst ist es um die Achtung Deutschlands vor aller Welt geschehen und wir können die Hoffnung begraben, daß unser Volk wieder einem sittlichen Aufstieg zugeführt werden könne.
Schon einmal wurde gegen Erzberger die Mordwaffe erhoben, am 26. Januar 1921, als er in dem bekannten Helfferichprozeß das Gerichtsgebäude in Berlin-Moabit verließ. Die beiden Kugeln, die der 20- jährige Gymnasiast Oltwig von Hirschfeld auf ihn abfeuerte, richteten glücklicherweise keinen Schaden an. Damals konnte man den Anschlag mit der Unreife -'Es jungen Menschen entschuldigen, det die Tragweite seiner Tat nicht zu übersehen vermochte und der unter dem Eindruck der damaligen Gerichtsverhandlungs- berichte ohne Ueberlegung handelte. Diese mildernden Umstände fallen aber bei dem gegenwärtigen Ereignis weg. Die beiden Täter find den Kinderschuhen entwachsen und scheinen ihr Vorhaben schon einige Zeit'vorbereitet zu haben. Der eine von ihnen, ein großer blonder Mann» von etwa 25 Jahren, soll der Berliner Kriminalpolizei ausgefallen sein, da er sich schon bei der Abreise Erzbergers von Berlin auf dem Bahnhof verdächtig machte. Er wurde dann in Beuron gesehen, wo sich Erzberger in den letzten Wochen aufhielt. Von dort ist er ihm wohl nach Griesbach nachgefolgt, wo er mit seinem Genossen, der klein und schwarzhaarig und etwa von gleichem Alter ist, den Mordplan zur Ausführung brachte.
Erzberger weilte seit sechs Tagen mit Frau und Tochter in dem von katholischen Schwestern geleiteten Kurhaus Griesbach (Baden). Am Freitag gegen 10 Uhr vormittags unternahm er mit seinem Parteifreund, dem Reichstagsabgeordneten für Konstanz, Diez, Landwirt und Spediteur in Radolfzell- einen Spaziergang zum Kniebis, wo die gräßliche Lat, wie schon geschildert, ausgeführt wurde.
Die Leiche Erzberger blieb zunächst am Tatort liegen und blieb streng überwacht, dort über die Nacht. Das Gericht in Oberkirch, die Staatsanwaltschaft von Offenburg und der Generalstaatsanwalt in Karlsruhe eilten sofort an den Tatort; ein starkes Landjägerauf- gebot war alsbald zur Stelle, ebenso Kriminalbeamte mit Polizeihunden.
ReichHtagspriisident Lobe zu dem Anschlag.
Am Freitag nachmittag versammelten sich die Parteiführer beim Reichskanzler in Berlin zu einer Besprechung über den Zusammentritt des Reichstags, des Auswärtigen Ausschusses, über die oberschlesische Frage, die Erhöhung der Beamtengehälter, die Steuerfragen und den deutsch-amerikanischen Friedensvertrag. Bei Eröffnung der Besprechung ergriff Reichstags- Präsident Löbe das Wort zu einer Ansprache, in der er ausführte: „Wir stehen alle unter dem erschütternden Eindruck der Nachricht von dem gräß
lichen Mord, die wir soeben erhalten haben. Ich finde keine Worte, um das Verbrechen zu kennzeichnen, an dessen politischen Ursprung Wohl kein Zweifel übrig bleibt. Aber ich werde von dem Eindruck nicht frei, daß diese Revolverkugeln nicht nur unseren Reichstagskollegen Erzberger, sondern auch die Ruhe und den Frieden unseres Volks getroffen haben und daß sie unberechenbare Folgen für unser unglückliches Volk und Vaterland haben müssen. An dieser Stelle beschränke ich mich darauf, den Fraktionsfreunden des Ermordeten unsere herzliche Teilnahme auszusprechen." (Die Anwesenden hörten die Ansprache stehend an.) Im weiteren Verlauf der Besprechung kündigte der Reichskanzler eine Kundgebung der Regierung zu dem Mord an» sobald genauere Einzelheiten über die Tat vorliegen.
Die Antwort der Börse.
Der „Berl. Lokalanz." meldet: Die Nachricht vom Tod Erzbergers löste in Berliner Banken und Börsen eine erhebliche Aufwärtsbewegung für ausländische Zahlungsmittel aus. Von fachmännischer Seite wurde dies damit erklärt» daß man wirtschaftspolitische Schwierigkeiten mit dem Verband befürchte, der in der Person und dem Einfluß Erzbergers eine Gewähr für die Durchführung seines wirtschaftlichen Programms in Deutschland erblickte.
Der Kurs der Mark wird also weiter Linken.
Die Mörder verhaftet?
Berlin, 28. Aug. Die Leiche Erzbergers wird nach Berlin übergeführt werden, wo am Mittwoch in Wilmersdorf die Bestattung hör sich gehen wird. — Wie verlautet, sind in Offenburg 2 Studenten verhaftet worden, die des Mords verdächtig und zum Tatort gebracht worden sein sollen.
Nach einer Meldung der „B. Z. a.M." verfolgt die Berliner Kriminalpolizei bereits seit Anfang Juli einen jungen Mann, der in einem Gespräch mit einer Berliner Persönlichkeit geäußert hatte, er werde Erzberger aussuchen und ihn über den Haufen schießen. Erzberger war auf diese Aeußerung hin von der Kriminalpolizei gewarnt worden und es war ihm geraten worden, bei seinen Spaziergängen niemals ohne Begleitung menschenleere Gegenden aufzusuchen.
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Reichstagspräsident Löbe äußerte, die Ermordu ng Erzbergers werde unberechenbare inner- und außerparlamentarische Folgen haben. Er habe erwartet, daß Erzberger sich im Herbst wieder an den Arbeiten des Reichstags beteiligen wollte, da die Gründe für das Fernhalten teilweise weggefallen waren, und die Frage der Aufbringung der Kriegsentschädigungsschulden ein Gebiet war, das den ehemaligen Jinanzmini- ster besonders interessierte. Die Wurzel des Anschlags sei unzweifelhaft in den maßlosen Anfeindungen zu suchen» denen Erzberger wegen seiner Besitzbesteuerung und wegen des Abschlusses des Waffenstillstands ausgesetzt war. Attentate dieser Art würden aber auch angeregt durch die überaus milde Beurteilung, die die Schmähung deutscher Regierungsmänner und Politiker der Linken durch die Gerichte gefunden hätten» sowie dadurch, daß frühere Morde tatsächlich überhaupt nicht gesühnt, oder überaus mild beurteilt worden waren» wie die des Grafen Arco in München und des Studenten Hirschfeld. Staatsminister a. D. Hergt, der Führer der Deutschnationalen Volkspartei, erklärte» für eine so feige und grauenhafte Mordtat gebe es nur Verdammung und Verachtung. Seien es politische Motive gewesen, dann wehe über den Wahnsinn, der glaube, durch eine so frevelhafte Tat dem Vaterland dienen zu können.
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Matthias Erzberger wurde am 20. September 1875 in Buttenhausen OA. Münsingen als Sohn eines Briefträgers geboren. Er besuchte die dortige Volksschule, später das Lehrerseminar in Saulgau und trat 1893 in den Schuldienst ein: er war u. a. in Ulm und Feuerbach tätig. Im Jahr 1896 wandte er sich der Journalistik zu und trat in die Redaktion des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart ein, wo er 7 Jahre tätig war. Im Alter von 28 Jahren wurde er im Wahlkreis Biberach-Waldsee-Wangen-Leutkirch in den Reichstag gewählt, dem er bis zur Revolution angehörte. 1903 verlegte er seinen Wohnsitz nach Berlin. Im Oktober 1918 wurde er mit Gröher zum
Staatssekretär ernannt. 1919 bis März 1920 war er Reichsfinanzminister der Republik, das Amt legte er infolge des Helfferich-Prozesses nieder. Als ReichS- si nanzminister hat er die große Steuerreform mit A eichsnotopfer durchgeführt. Mit seinem Namen hat er ferner die Friedensresolution vom Juli 1919, den Waffenstillstand und die Annahme des Vertrags von Versailles gedeckt. Als Schriftsteller war er noch bis in die letzte Zeit tätig. Als letztes größeres Merk hat er seine „Erlebnisse im Weltkrieg" geschrieben das ein vielgelesenes Buch geworden ist. .
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Stuttgart, 27. Aug. (Das Beileid o.: ü. . r.
Negierung zur Ermordung des Abgeordneten Erzberger.) Namens des Würrt. SraaeS- minisieriums richtete der derzeitige Sreiloerrreter des Herrn Staatspräsidenten, Yinanzminister Liesching, an die Reichstagsfraktion der Zentrumspartei folgendes Beileidstelegramm: „Zu dem schweren Verlust, den die Zentrumsfraktion durch' den schauderhaften Mord ckn ihrem hervorragenden Reichstagsabgeordneten und Staatssekretär a. D. Erzberger erlitten hat, spricht das Württ. Staatsministerium der Fraktion und der Partei des Zentrums das aufrichtigste und tiefste Beileid aus. Württ. Staatsministerium. I. V. Liesching."
An die Gattin des ermordeten württ. Abgeordneten wurde folgendes Telegramm gesandt: „Das WürtA Staats Ministerium, tief entrüstet über das schaude« haste Verbrechen, spricht Ihnen und Ihren verehrte» Angehörigen zu dem schweren Verlust, der Sie be-- troffen, die aufrichtigste und herzlichste Teilnahme aus.^
Namens der demokratischen Fraktion des württ. Landtags sandte Abg. Haußmann dem Justizminister Bolz folgendes Schreiben: Namens der Deutsch-demokratischen Fraktion Württembergs spreche ich der Zentrumspartei Württembergs das lebhafteste Bedauern und die höchste Empörung über den ruchlosen Meuchelmord aus, dem der württembergische Abgeordnete Erzberg er in jungen Jahren innritten einer außerordentlichen Laufbahn zum Opfer gefallen ist. Wie immer seine politische Tätigkeit und seine außerordentliche Willenskraft, sowie seine seltene Begabung gewertet wird, die Niederträchtigkeit des Politischen Mords fordert die gemeinsame Verdammung dieses feigen und verbrecherischen Treibens, von dem Deutschland befleckt wird, seitdem der politische Haß unverantworrlich geschürt wird. Ich darf bitten, der Witwe und den Kindern des Abgeordneten Erzberger, da ich deren Aufenthalt nicht kenne, das Beileid meiner Freunde übermitteln zu wollen
ff Stuttgart, 38. Aug. (Der'Nachfolger.) ErzbergerS Nachfolger im ReichStagSmandat ist nicht, wie irrtümlich angenommen, der LandtagSabg. Johannes Groß, sondern der Handwerksmeister und Landwirt Eger in Weildorf (Hohen- zollern), der bei der letzten ReichstagSwahl als fünfter auf der Kandidatenliste des Zentrums stand.
WTB. Stuttgart, 38. Aug. (ErzbergerS Beerdigung.) Die Beisetzung der ermordeten Abgeordneten Erzberger wird nicht, wie von dm Hinterbliebenen anfangs beabsichtigt war, in Wilmersdorf bei Berlin, sondern nach den neuesten Bestimmungen in Biberach, voraussichtlich am Mittwoch, erfolgen.
ff Biterach, 38. Aug. (Die letzte Ruhestätte.) Die Beisetzung ErzbergerS erfolgt hier in einem von der katholischen Kircheagemeinde gestifteten Ehrengrab. Am DienKag wird die Leiche von Oppena« hierher gebracht und in der Stadtpfarrkirche aufgebahrt. Am Mittwoch vormittag 7 Uhr ist feierliches Requiem. Die Beisetzung erfolgt am Mittwoch nachmittag 1 Uhr.
Dte Giuseguuug der Leiche.
WTB. Oppeua«, 38. Aug. Zu der für heute vormittag anberaumten Einsegnung der Leiche der ermordeten Abg. Erzberger, hatten sich u. a. in Oppenau eingefunden der badische Staatspräsident Trunk, ReichSpostminister GiesbertS, Reichskanzler a. D. Fehrenbach, der Generalstaatsanwalt auS Karlsruhe. Die Minister der badischen Regierung warm gleichfalls zugegen. Das badische Zentrum war durch seine Führer, u. a. Geistlicher Rat Schofer, und außerordentlich viele Abgeordnete zahlreich vrrtretm. Die Bevölkerung der hinterm RmchtalS war in großen Mmgm herbeigrströmt, um dem Opfer de» ruchlosen Mordanschlags dir letzte Ehre bei der Feier in der