Schwarzwälöer Tageszeitung
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Aus den Tannen"
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Der KriegsbeschuldigLenprozetz Stenger und Crufius.
In diesem neuesten. Prozeß handelt es sich um einen angeblich von Generalleutnant Stenger erlassenen Brigadebefehl, alle Verwundeten zu töten und keine Gefangenen zu machen. Seit zwei Tagen bemüht sich nun Senatspräsident Dr. Schmidt, unterstützt von Oberreichsanwalt Dr. Ebermayer durch Vernehmung einer alles Herkommen übersteigenden Anzahl von Zeugen das rechtlich und tatsächlich Entscheidende des angeblichen „Bri- gadebesehles Stenger" -aus einem Wust von Psychose, Neurasthenie, Regimentsklatsch und feindlicher Verhetzung her- auszuschälen. Man empfindet, daß „Gerechtigkeit" und „Wahrheit" auch nur Annäherungswerte an das Absolute find, das unerreichbares Ideal bleiben muß. Mer in dem Abstand von der erreichbaren Vollkommenheit zum Ideal liegen Schicksale einzelner beschlossen und die Ehre einer tapferen Armee, das Ansehen unseres Volkes. Hier liegt die ungeheure Verantwortung des Gerichts. Diese Verantwortung läßt Dr. Schmidt in nimmermüder Freundlichkeit aus die Individualität der Zeugen ein- gehen, läßt ihm mit immer frischem Scharfsinn nach- neuen psychologischen Hilfen Ausschau halten, um möglichst vollständige Erinnerungsbilder zu erhalten, die den Zwiespalt zwischen den einzelnen Aussagen erklären könnten.
Im Verlaufe dieser zweitägigen Zeugenvernehmung hat sich folgende Gruppierung herausgebildet: die Gruppe deutscher Offiziere aus der Brigade Stenger, die alle übereinstimmend aussagen, einen Befehl, alle Verwundeten zu töten und keinrn Gefangenen zu machen, nicht erhalten zu haben. Sie kannten ihn nur gerüchtweise. Die einzige Variante in ihren Aussagen war etwa die, daß der eine nichts von Baumschützen, nichts von Heimtückischen französischen Verwundeten gesehen haben will, der andere die Kampfesart der Franzosen als korrekt bezeichnet. Die zweite große Gruppe sind die elsässischen Zeu--' jgen, ehemalige Soldaten der Brigade Stenger, deren Erinnerung ohne Zweifel durch die Borvernehmungen von französischer Seite „zu stark aufgchellt" worden ist. Bei einigen hat man den Eindruck, einen gut memorierten Nufsatz aufsagen zu hören, als sie wie ein ab schnarrendes Uhrwerk die Schaudermär vom „Beseht Stenger" .«ustischten. Aber da sind auch Leute darunter, deren Aussagen so bestimmt sind, die im Kreuzfeuer von Verteidigung, Oberreichsanwalt und Präsident unbeirrbar bleiben, die bei Konfrontierungen im Gerichtssaal ihre Aussage mit solch überzeugender Leidenschaftlichkeit fest- halten, daß man sich, dem Eindruck, subjektive Wahrheiten gehört zu haben, nicht entziehen kann. Nur belasten gerade diese Zeugen den Major Crusius und den Major Müller; die Frage, woher denn nun eigentlich der „Befehl Stenger" gekommen sei, vermögen sie für den unbefangenen Zuhörer nicht zu klären.
Zwischen diesen beiden Gruppen eine Gruppe reichs- deutscher Soldaten. Ihre Haltung ist anders als die der ^Elsässer. Sie sprechen unter starken Hemmungen und -eigen sich den nachbohrenden Worten des Präsidenten zugänglicher. Einige von ihnen wollen die zum Teil sehr Präzisen Aussagen aus ihrer Voruntersuchung, di General Stenger belasteten, nicht mehr währ haben, es eut- -stehen zwischen den Vorhalten des Vorsitzenden und ihren Antworten Augenblicke, in denen die Stille selbst zur Rätsellöserin werden will.
Immerhin scheint soviel klar geworden: ein „Beseel Stenger" ist von Major Crusius und Major Müller tatsächlich verbreitet worden. Er ist offenbar auch ausgeführt worden von Crusius, Müller und einem Zeugen, der sich in erschütternder Ehrlichkeit selbst beschuldigte, M den wiederholten Befehl von Crusius und Müller, nnen französischen Verwundeten erschossen zu haben. Unaufgeklärt bleibt bis jetzt nur der Ursprung ves „Brigade- lbeschles". .
AltensteßS. Dienstag dev 8. Sult.
Der Aufsichtsrat der Neckar-Aktien- Gesellschaft. H
In der 1. Generalversammlung der Neckar-Wiengesellschaft wies der Vorsitzende, Min.-Direktor Dr. Ing. iOttmann vom Reichsverkehrsministerium darauf hin^ wie nur mit der kräftigen Unterstützung der Erwerbsstände, der Neckar-Uferstaaten die Inangriffnahme und Durchführung des großen, für Südwestdeutschland so, bedeutungsvollen Werks möglich sei, auch gab er der Hoffnung Ausdruck, daß- nicht nur die Neckarkanalisierung von Mannheim bis Plochingen rasch fortschreiten, sondern ihr auch in absehbarer Zeit die Verbindung nach dem Süden folgen werde. Die Wahlen zum Aufsichtsrat — 4b Mitglieder — hatten folgendes Ergebnis: Staatssekretär Kjrschstein, Ministerialdirektor Ottmann, Gcheimrat Block (Reichsverkehrsministerium), Geheimrat Schulze (Reichsfinanzministerium), Ministerialrat Lenzmann (Reichsschatzministerium), Ministerialdirektor a. D. Sym- piher; Ministerialrat Dr. Hosacker (Württ. Ministerium des Innern), Ministerialrat Müller (Württ. Finanzministerium), Präsident von Leibbrand (Württ. Ministerial- abteilung für den Straßen- und Wasserbau), Ministerialdirektor Fuchs, Baurat Spieß (Bad. Arbeitsministerium), Ministerialrat Baiser (Hess. Finanzministerium), Oberbürgermeister Lautenschlager-Stuttgart, Oberbürgermeister Mülberger-Eßlingen, Schultheiß Seber-Kochen- dorf, Oberamtmann Richter-Eßlingen, Oberbürgermeister Kutzer-Mannheim, Bürgermeister Trach-Heidelberg, Bürgermeister Dr. Leist-Neckargemünd, Staatsrat Matthias- Darmstadt, Professor Dr. Klingenberg-Berlin, Direktor Werner-Berlin, Dr. Robert Bosch-Stuttgart, Geheimrat Dr. Bruckmann-Heilbronn, Dr. Keßler-Eßlingen, Kom-- merzienrat Lotz-Heilbronn, Kommerzienrat Magirus-Ulnhf Fabrikant Vögele-Mannh-eim, Direktor Kern-Mannheim,! Direktor Wunder-Stuttgart, Direktor Ziegler-Ludwigs-' bürg, Oberingenieur Helmle-Karlsruhe, Regierungsrat v, Bayer-Karlsruhe, Direktor Brandis-Darmstadt, Direktoren Bausback (Württ. Vereinsbank, Stuttgart), Federer (Diskonto-Gesellschaft, Stuttgart), Gutmann (Kommerz- und Privatbank, Stuttgart), Helbing (Dresdener Bank, Stuttgart), Nollstadt (Bank für Handel und Industrie, Berlin), Dr. von Stauß (Deutsche Bank, Berlin), Gewerkschaftsbeamter Fischer-Karlsruhe. — In der sich anschließenden ersten Sitzung des Aussichtsrats wurden Staatssekretär Kirschstein zum Vorsitzenden des Aussichts- rats, Ministerialdirektor Ottmann und Geheimrat Bruckmann zu seinen Stellvertretern gewählt. Ms zur Entscheidung über den endgültigen Vorstand der Neckar- Aktiengesellschaft wurden als vorläufige Vorstandsmitglieder Ministerialrat Dr. Hirsch im Württ. Ministerium des Innern, und die beiden Vorstände der Neckarbaudirektion Heilbronn, Oberbaurat Konz und Oberregierungsrat. Dr. Klotz, bestellt. Schließlich genehmigte der Aussichtsrat einstimmig die Ausgabe der bereits angekündigten 35l> Millionen Mark oprozentiger Teilschuldverschreibungey.
Neues vom Tage.
Deutscher Antrag beim Obersten Rat.
Berlin, 4. Juli. Der förmliche Antrag der Reichsregierung an den am 14. Juli zusammentretenden Ober- sten Rat nach Aushebung der Rheinlandssanktionen ist am Freitag von den deutschen Botschaftern in Paris, London und Rom den verbündeten Kabinetten übergeben ivorden.
In unterrichteten Kreisen wird erklärt, man habe Nachrichten aus London erhalten, nach denen England sich tatsächlich auf den Standpunkt stellt, daß die oberschlesische Frage durch! einen Mehrheitsbeschluß im Obersten Rat entschieden werden müßte.
Eine gewaltige Kundgebung für Oberschlesien.
Berlin, 4. Juli. Bei dem großen internationalen Sportfest im Stadion zogen gestern abend 61/2 Uhr in einer Riesenkundgebung die oberschlesifchen Vereine aus, um für das Deutschtum Oberschlesiens zu zeugen. Vor einer tansendköpsigen Zuhörermeuge ergriffen Vizekanzler B aue r im Namen der Reichsregierung und Minister- jpräsident Stegerwald im Namen Preußens das Wort, um Not und Leid Oberschlesiens zu schildern. Das Hoch auf das deutsche Oberschlesien, das Ministerpräsident Stegerwald ausbrachte, wurde mit ungeheurer Begeiste- t»HNtz ausgenommen. Darauf saug die versammelte Menge
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Jahrgang 19LL.
!„Jch Hab mich ergeben" und „Deutschland, DeutMauv über alles". In feierlichem Zug zogen darauf die Oberschlesier aus der Arena. Kein Teilnehmer wird sich dem starken Eindruck der Kundgebung entzogen haben.
Kommunistische Kinder-Kundgebung.
Berlin, 4. Juli. Aus dem Schloßplatz veranstalteten gestern die Kommunisten eine Kundgebung der kommunistischen Jugend, die außer Abschaffung der Prügelstrafe auch> die Beseitigung des Religionsunterrichts forderte. Eine gleiche Kundgebung fand in Leipzig statt. Dort kam es aus dem Augustusplatz zu einem Zusammenstoß mit einem Passanten, der eine abfällige Bemerkung gemacht haben soll. Er wurde aus einem Straßenbahnwagen herausgeholt und verprügelt. Die Polizei trieb die Kundgeber auseinander.
Französische Stimmen für die Aushebung der Sanktionen.
i Paris, 4. Juli. In der Frage der Aushebung der ^Sanktionen" scheint sich in der öffentlichen Meinung Frankreichs ein. Stimmungsumschwung anzubah- sten, der aus die Haltung der Regierung nicht ohne Rückwirkung bleiben kann. Das „Journal des Debats" erkennt an, daß die Lage seit Verhängung der Sanktionen eine so gründlich: Veränderung erfahren habe, daß es an der Zeit sei, die Frage ihrer Aushebung zu prüfen. Voraussichtlich werde die Regierung dazu bereits bei der nächsten Zusammenkunft des Obersten Rats Gelegenheit haben. Es habe den Anschein, als ob England, Italien und Belgien der Aushebung geneigt seien. Frankreich habe in diesem Fall keinerlei Interesse, sich unnachgiebig zu zeigen. Sobald festgestellt sei, daß die deutschen Angaben über die Durchführung der Entwaffnung der Wahrheit entsprechen, ser die Aufrechterhaltung der Sanktionen nicht mehr notwendig, zumal einige der Sanktionen, wie die Erhebung der Rheinzöllc, Frankreich keinen Nutzen gebracht hätten. Es sei wider die Vernunft^ Maßnahmen darüber hinaus ausrechterhalten zu wollen^ allerdings müßten Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, daß Verletzungen des Vertrags neue Sanktionen automatisch zur Folge hätten.
7 Aushebung aller Kriegsgesetze in Amerika.
) Paris, 4. Juli. Nachdem Präsident Harding die Friedensentschließung unterzeichnet hat, die dem Kriegszustand zwischen Amerika und Deutschland und Oesterreich ein Ende macht, wird der Präsident heute noch eine Proklamation veröffentlichen, die ausdrücklich feststellt, daß mit der Wiederkehr des Friedenszustands mit den Mittelmächetn die gesamte Kriegsgesetzgebung außer Kraft tritt.
Tic Lage i» Dberschlesien.
Ratibor, 4. Juli. Der D-Zug Ratibor—Breslau, der gestern nachmittag hier abgegangen war, mußte auf Station Neusa wieder umkehren, da er bei Summin von Insurgenten beschossen worden war. Wie die »Rundschau" mitteilt, ist der Zugverkehr inzwischen »wieder eingestellt worden.
Kattowitz, 4. Juli. In der verflossenen Nacht wiederholten sich in gewissen Zeitabschnitten die wilden Schießereien aus dem Belagerungsring.
Kattowitz, 4 . Juli. Nach einer Mitteilung der Eisen- üatzndirektion ist der Eisenbahnverkehr heute früh ausgenommen worden. Die Züge sind ungefährdet durchgekommen. Sobald die Räumung des Gebiets von Kattowitz erfolgt ist, wird auch der Zugverkehr von hier aus sofort einsetzen. Das gesamte Personal ist von der Eisenbahndirektion dahin verständigt worden, sich am Montag zur Wiederaufnahme des Dienstes bereit zu halten.
Beuthcn, 4. Juli. Der aus Posen gebürtige Leiter der Oberschlesischen Schmalspurbahn» Beszinski, ist unter Mitnahme bereitgestellter Lohngelder abgereist" Infolgedessen haben die Angestellten der Schmalspurbahn in Rosenberg die Arbeit niedergelegt. — An mehreren Orten des Kreises Kattowitz ist starker Man. gel an Brotgetreide eingetreten. Das Brot kostet 4ß Mark. , .
Gleiwitz, 4. Juli. Hier und in der näheren Umgebung von Gleiwitz ist heute alles ruhig. Auch Hin- denburg und Umgebung ist frei.