192. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw. 88. Jahrgang.
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Dienstag, den 19. August 1913.
Bezugspreis.- In der Stadt mit Lrägerlohii Mk. 1.25 vierteljährlich, Post. bezugSpreiS Mr den LrtS- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg SO Pfg., m Bayern und Reich 42 Pfg.
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»W bringt in zusammenfassender Kürze rasch alle wichtigen Bordommnisse aus dem Gebiete des politischen, wirlschastlichen u. kulturellen Lebens.
Für den Landwirt, den Handwerker, den
Arbeiter des Bezirks, der täglich e nen Knappen Ueberblick über die Weltlage gewinnen will, ist das „Lalwer Tagblatt" unentbehrlich.
Darum möge er das „Lalwer Tagblatt"
>recht l>ck dezieheo.^
rung in Hawai eine solche Höhe erreicht, datz sich die Regierung in Tokio ins Mittel legte und für jeden ihrer auswandernden Untertanen Schutzgarantie in bar verlangte. Am Anfang dieses Jahrhunderts lebten nahezu einhunderttausend Japaner in Hawai gegen zwanzigtausend Weiße, wovon nur wenige aus Amerika gekommen waren. Der Japaner ist seitdem ständig in Hawai eingewandert, und mit gleicher Regelmäßigkeit verließ der weiße Mann das Jnselreich, und wenn dasselbe heute ungefähr 200 000 Einwohner zählt, so sind darunter sicherlich mehr als die Hälfte Japaner. Nach dem Register der dort ausgestellten Gewerbescheine sind von 2000 etwa 1500 in japanischen Händen. Fünfzehn einfache Feldarbeiter begannen die Eroberung: mit seinem rätselhaften Lächeln hat der Japaner in Hawai alle anderen Elemente vor sich her- und Hinausgetrieben. Bei meinem kurzen Aufenthalte dort — fünfzehn Jahre sind seitdem vergangen — hörte ich eine kleine Geschichte, die bezeichnend genug klang. Auf einer Plantage bot ein Japaner einem weißen Installateur fünfzig Dollar, wenn er ihm nur eine kleine, aber schwierig herzustellende Einzelheit in seinem Handwerke zeige. Der Weiße weigerte sich. Ein anderer Europäer prahlte damit, datz sein japanischer Gehilfe für ihn irgend eine Arbeit verrichte, während der Besitzer der Werkstatt sich vor den glühenden Strahlen der subtropischen Sonne sim Schatten ausruhte. Bald aber — nach nur 6 Jahren — besaß der Japaner das Geschäft, und der Weiße 'Wußte anderswo seinen Lebensunterhalt erwerben. So eroberte der Japaner sich wirtschaftlich das Kanaken- neichim Stillen Ozean, das heute zwar den Vereinigten Staaten gehört, zu 80 Prozent aber in japanischen Händen ist.
stärkere Beteiligung der Gewerbetreibenden Calws selbst wäre wohl zu wünschen gewesen, war aber infolge zu später Benachrichtigung an diese nicht mehr zu ermöglichen, zudem ist der Hauptzweck der Ausstellung nicht, die Leistungen eines bestimmten Bezirks zur Schau zu bringen, sondern mit den Absichten und den Zwecken der K. Vauberatungsstelle bekannt zu machen. Die Handwerker und Bauleute erhielten durch die Ausstellung einen gut unterrichtenden Einblick in das, was heute unter schönem, gutem, heimischem Bauen verstanden wird und sie werden für ihre berufliche Tätigkeit wohl mannigfachen Nutzen daraus gezogen haben. — Im Zusammenhang mit der Veranstaltung dieser Ausstellung steht der Vortrag, den Reg.Baumeister Hauth aus Stuttgart am Samstag abend im Bad. Hof über gute und schlechte Bauweise hielt. Der Bortrag ist es wert, datz er an dieser Stelle eingehender behandelt wird. Er erklärte, auf welche Weise unsere heimische Bauweise entstand und sich entwickelte, wie sie im 19. Jahrhundert durch fremde Einflüße verstümmelt worden ist und auf welche Weise sie vom heutigen Baumeister wieder auf gute Bahnen gelenkt werden kann. Gleich zu Beginn der Ausführungen hob der Redner hervor, datz die schönsten Häuser, Straßen und Vaudenk- male immer im ältesten Stadt- oder Dorfteil sich finden und datz, je mehr wir uns den neuen „Vierteln" nähern, desto nichtssagender und reizloser Häuser und Straßen werden. Als Gründe für die Tatsache, datz das heutige Geschlecht trotz besserer Vorbildung und Anregung, besserer Materialien, doch schlechter baut, als seine Vorfahren, wurden die Einflüsse der französischen oder italienischen Bauweise im 14. Jahrhundert angegeben, der 30jährige Krieg machte dann erst recht Raum für fremde Bauweise. Und diese fremden Vorbilder wurden mit all ihren Schwächen, statt sie mit eigenem, heimatlichem Inhalt auszugestalten, kurzerhand übernommen. Zu Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts brach vollends jeder Halt; die deutsche Baukunst sah sich vor Aufgaben gestellt, die sie noch nie in diesem Umfange vor sich gesehen hatte, und unmöglich qualitativ hervorragend lösen konnte. Eine schematische Behandlung von Bebauungsplänen und Bauordnungen griff Platz und so entstanden halb gotische, halb moderne, halb Renaissance-Häuser und diesem Verfall setzte schließlich der Jugendstil die Krone auf. Verbunden damit war die Richtung der Lebensauffassung des Volkes nach Reichtum und äußerem Glanz und Bauunternehmer mit unkünstlerischem Gewissen
Die gelbe Gefahr.
Die gelbe Gefahr ist das Schreckgespenst für die Amerikaner. Insbesondere Kalifornien droht der „friedlichen" japanischen „Durchdringung" zu erliegen, und dieser Staat hat bekanntlich, in der „Anti- Alien Bill", den Nichtbürgern der Vereinigten Staaten untersagt, in Kalifornien Land zu erwerben. Aber weit größer noch als selbst in Kalifornien ist die gelbe Gefahr iri Hawaii, das, wie der Professor an der kalifornischem Universität, Dr. Wyneken, in den „Erenzboten" ausführt, heute schon tatsächlich völlig im Besitze der Japaner ist. Die Japaner brauchen Hawai nicht mehr zu erobern, schreibt Dr. Wyneken — sie haben es bereits. Das Juwel des Stillen Ozeans, ein Jnselreich von 6000 Quadratmeilen, wurde dem kleinen braunen Manne ausgeliefert, als der hawaische Pflanzer sein Erstgeburtsrecht für ein Schiff voll japanischer Arbeiter verhandelte. Am Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erschienen auf Ansuchen der Regierung und der Plantagenbesitzer die ersten japanischen Arbeiter in Hawai, wurden in den Zuckerrohrfeldern angestellt und verdrängten die dort in gleicher Tätigkeit beschäftigten Eingeborenen und Chinesen. Sie kamen als sogenannte freie Arbeiter, waren aber tatsächlich nichts als Sklaven, für die der Pflanzer 35 Dollar entrichten mutzte. Im Jahre 1886 wurden nicht weniger als 28 000 Mann von Japan eingeführt. 10 Jahre später hatte die Anzahl der japanischen Bevölke-
Stadt» Bezirk and Siachbarschaft.
Calw. 19. August 1913.
Die Wanderbauausstellung in Calw.
Vierzehn Tage lang hat die von der K. Beratungsstelle für das Baugewerbe veranstaltete Wanderbauausstellung in der hiesigen Turnhalle Unterkunft ge- gesunden. Sie ist, wie wir schon mitteilten, am Sonntag, den 17. ds. Mts., geschlossen worden, um in Göppingen nun aufgeschlagen zu werden. Der Erfolg der Ausstellung hier ist jedenfalls ideell ein befriedigender. Sie hat viele Gäste angezogen und unter ihnen waren es vornehmlich die Gewerbetreibenden von Stadt und Bezirk, desgl. auch solche aus den benachbarten Oberämtern, einzeln und in geschlossenen Vereinen. Eine
Der Begründer des süddeutschen Lokornotivbaues.
Am Mittwoch, den 20. August, fährt es sich zum hundertsten Male, datz Emil Ketzler, der Begründer des süddeutschen Lokomotivbaues in Baden-Baden geboren wurde als Sohn des badischen Majors Ketzler. Zur ersten württembergischen Eisenbahn war am 26. Juni 1844 der erste Spatenstich am Pragtunnel zwischen Feuerbach und Stuttgart gemacht worden und die Eröffnung der 3 Teilstrecken Cannstatt—Untertürkheim—Obertürkheim —Etzlingen stand in Aussicht. Um sich nun vom Auslands unabhängig zu machen, beschloß König Wilhelm I, eine Maschinenfabrik in Württemberg zu errichten, die den Bedarf an Eisenmaterial decken sollte, und die Vorschläge Keßlers, der damals die „Maschinenfabrik Karlsruhe" besaß, fanden den Beifall des Königs und der Eisenbahnkommission. Im Jahre 1846 gründete Ketzler mit Unterstützung der württembergischen Staatsregierung und einer Anzahl Industrieller (darunter auch die Aktionäre Georg Dörtenbach sen. und Friedrich Schauder von Calw) in Etzlingen die Aktiengesellschaft Maschinenfabrik Etzlingen, die er zu hoher Blüte brachte. Das Aktienkapital betrug anfänglich 300 000 Gulden, das Gebäude wurde zum Teil vom Staate unentgeltlich überlasten, zum Teil zum Preise von 1.10 für das qm angekauft. Schon im ersten
Jahre wurden 15 Lokomotiven. 60 8räderige Eisenbahnwagen und 10 000 Zentner sonstiger Maschinen geliefert. Der Hauptabnehmer der Fabrik war natürlich der würt-
tembergische Staat. Aber ihre Erzeugnisse gingen und gehen heute noch nach allen Richtungen, nach den deutschen Bundesstaaten, nach der Schweiz und Italien, nach Frankreich, (1856 wurden in Paris zwei Lokomotiven preisgekrönt), nach Dänemark, Rußland, Spanien, Portugal, Serbien und Griechenland, .nach Afrika, Ostindien Japan usw. und zwar trotz des immer schärfer einsetzenden deutschen und ausländischen Wettbewerbes. Von dem großartigen Aufschwung der Fabrik unter Keßlers ausgezeichneter Leitung geben die folgenden Angaben ein Bild:
Kalender- Jahres- Arbeits- Anzahl der Anzahl der jahr Produktion löhne Arbeiter Beamten
1848 812 669 229 183 491 23
1854 2 316 843 410 873 642 22
1860 2 935 814 477 451 713 34
1866 3 207 466 704 253 958 38
Ketzler war ein tüchtiger Geschäftsmann, der die Gabe hatte, die richtigen Leute an den richtigen Platz zu stellen. Als er im Begriffe stand, seine 800. Lokomotive in die Weltausstellung nach Paris zu senden, wo sie die goldene Medaille erhielt, wurde der rastlos tätige Mann am 16. März 1867 im Alter von 54 Jahren durch den Tod abgerufen. Ihm zu Ehren erhielt die im Jahre 1869 gebaute 1000. Lokomotive der Etzlinger Maschinenfabrik den Namen Ketzler. Es gibt noch manche unter uns, die sich gerne des tatkräftigen und umsichtigen, fleißigen und strebsamen, mit reichen Gaben des Geistes ausgestatteten Mannes erinnern,
der weit über sein Gebiet hinaus wirksam war, der in angestrengtester Tätigkeit nach Ueberwindung unzähliger Mühseligkeiten ein Werk schuf, das nicht nur für die Stadt Etzlingen von der größten Bedeutung war und ist, sondern eine führende Stellung in der wllrttem- bergischen und deutschen Industrie einnimmt. Im Jahre 1864 wurde Ketzler vom König Wilhelm I für seine Verdienste um die Hebung der württembergischen Industrie, das Ritterkreuz des Ordens der Württ. Krone verliehen, mit dem der Personaladel verbunden ist. Unter den Meisterbildnissen, die an der Außenseite des 1895 vollendeten Landesgewerbemuseums in Stuttgart angebracht ist, ist auch dasjenige Emil Keßlers. Ein freundliches Geschick ließ ihm zwei Söhne heranwachsen, Emil, geboren 1841, und Ludwig, geboren 1856, die redlich auf dem Grunde weiter bauten, den der Direktor der Etzlinger Maschinenfabrik gewählt, welche Stellung er in seiner ganzen Kraft und mit der ihm eigenen Energie bis 1885 inne hatte. Oberbaurat Ludwig Ketzler ist zur Zeit erster Direktor der Fabrik, in der jetzt 4500 Angestellte und Arbeiter tätig sind, und die nunmehr in Mettingen ein großes, aufs Neueste eingerichtetes Werk erstellt hat. In der Urkunde, die 1846 in den Grundstein bei der Errichtung des Hauptgebäudes eingemauert wurde, heißt es: „Der Himmel, ohne dessen Segen kein Menschenwerk gedeiht, wolle der Unternehmung seinen Schutz verleihen." Möge dieser Segen auch im neuen Gebäude erhalten bleiben!