Kchwarzwälöev Tageszeitung

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Aus den Tannen

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VK. 1/6.

AHeufteig. Montag de« LS. Mai.

^ Jahrgang 1»LL.

Die -er Vertrag von Versailles zustande kam.

Bor kurzem hat der erste Mitarbeiter ClemenceanA, Tardieu, ein 520 Seiten starkes Buch unter dem Titellla kaix" (der Friede) herausgegeben, KU dem Clemenceau selbst die Vorrede geschrieben hat. Das Buch ist für uns Deutsche von größtem Interesse- Es zeigt klipp und klar, welche Känrpse Frankreich im Obersten Rat hat führen müssen, um die unerhörten Forderungen des Friedensvcrtrags durchzusetzen, und daß ihm dies nicht ge­angen wäre, wenn von deutscher Seite ein kräftigerer Widerstand entgegengesetzt worden wäre. In den drei wichtigsten Fragen, der Besetzung des linken Rheinufers, des Saargebiets und der Kriegsentschädigung hatte Frank­reich den stärksten Widerstand der Verbündeten zu über­winden.

Tardieu teilt in seinem Buch, von dem Dr. Helsfe- rich in derDeutscheil Tagesztg." einen Auszug gibt, das Folgende mit: In der Besetz ungs frage hat Eng­land von Anfang an den Standpunkt geltend gemacht, es sei unmöglich, deutsches Land mit 7 Millionen deutscher Bewohner militärisch zu besetzen, und diese Deutschen, ohne sie zu befragen, von Deutschland Zu trennen; das sei ein Bruch der Grundsätze, für die die Verbündeten sich geschlagen hätten (Seite 191). Auch, Wilson schloß sich nach seiner Ankunft in Paris (l 1. März) dem englischen Standpunkt an (S. 195). England mrd Amerika versuch­ten, Frankreich durch das Angebot eines Garantievertre.gr von seinen Bcsctzungsabsichten abzubringen. Am 12. April legt sich Wilson in einer Note ausdrücklich gegen die Besetzung fest (S. 202). Lloyd George erklärt uw die gleiche Zeit, England scheue davor zurück, irgendetwas zu tun, was den von Deutschland mit der Annektion vor Elsaß-Lothringen begangenen Irrtum erneuere. Am 4. April spricht der König von Belgien in einer Be­ratung der Regierungschefs sich gleichfalls gegen eim längere Besetzung aus. Tardieu bezeichnet die Lage mi den Worten:Wir sind allein!" (S. 204). Den hart­näckigen Bemühungen Elemenceaus ist es zuzuschreiben', daß endlich am 20. April der Präsident Wilson und am 22. April Lloyd Georges sich eine vorläufige Zu­stimmung zu den Besetzungsbedingungen abringen lassen, letzterer nicht ohne nochmals seine Einwendungen zu er­neuern (S. 205). Aber damit war die Sache noch nickst M Ende: am 29. Mai übergab Gras Brockdorff dir Bemerkungen der deutschen Regierung zu den Friedcnsbe- dinguugen. Tardieu schreibt (S. 216):Neberall wai die Nervosität groß, auf der Konferenz, in den Parla­menten, sogar im Publikum. Man fürchtete, daß Deutsch­land abbrcchen würde, und um es zum Unterzeichnen zu bringen, dazu war man sich nicht einig über die Mittel"

' Lloyd George drückte sein Bedauern aus, daß er sich zu rasch yabe überreden lassen, und bezeichuete das Zu­geständnis der Besetzung als den Gruudirrtum, dem man später vielleicht den Wiederbeginn des Kriegs werde zuschreibeu müssen. Die Besprechung der Be- setzungssrage wurde erneut ausgenommen. Die Gegner be­gannen, sich auf die deutschen Proteste zu berufen. Tic Besetzung sei eine Lösung des Gefühls, nicht der Ver­nunft. Man hätte sie niemals annehmen dürfen- sinn mindesten müsse man die Besetzungsdauer stark veru. zen, sie aus 18 Monate oder 2 Jahre zurückführcn. - - Lloyd George erklärte:Ich habe die Besetzung ang. nommen, das ist wahr; aber seitdem habe ich vierem das britische Kabinett und die britische Delegation ver­sammelt. Ihre Mitglieder sind einstimmig darin, rw ich unrecht gehabt habe. Die Besetzung ist unnötig da Deutschland nur über 100000 Mann verfügt, an; pa Großbritannien ebenso wie die Bereinigten Sta.aci im Falle eines Angriffs auf der Seite Frankreichs eir werden. Die Besetzung ist unlogisch, da Tenti.!;!>:»; erst viel später, in 50 oder 60 Jahren, wieder einiua gefährlich werden kann. . Die Besetzung ist ungere ch t weil sie darauf hinauskommt, Deutschland die Kosten dck Solds und des Unterhalts des französischen Heers aus- zuerlegen. Die Besetzung ist ruinös, weil sie zun, Schaden der Entschädignngskasse den Hauptteil der deut­schen Hilfsquellen aussaugen wird. Die Besetzung ist ge­fährlich, denn, sie ist unpopulär, sie .ist eingegeben von den Methoden der lnapoleonischen) Vergangenheit und sie ist geeignet, örtliche Zwischenfälle zu schaffen, die Deutschland ;ür die öffentliche Meinung in England sym­

pathisch machen werden". Lloyd George schloß damit, daß er, wenn Frankreich aus der Besetzung bestes, gezwun­gen sein werde, Paris zu verlassen und die An­gelegenheit dem englischen Parlament vorzulegen (S. 216217).

> Bis zum 13. Juni mußte Clemenceau gegen diese j erneuten Widerstände der Verbündeten kämpfen. Erst an i diesem Tag gelang es ihm die Zustimmung der Ver- ! vündeten zu erlangen (S. 220).

! Hinsichtlich des Saargebiets spielte sich die gleiche Tragödie ab. Hier war es insbesondere der Präsident Wilson, der den französischen Ansprüchen scharf ent­gegentrat. Er betonte, daß Frankreich niemals in irgend , einem öffentlichen Dokument die Grenzen von 1814 ver- ? langt habe. Die von Frankreich angenommenen Grund- - lagen des Friedens sprächen von der Wiedergutmachung s des Unrechts, das Frankreich 1871, nicht 1815, erlitten , habe. Diese Grundlagen seien für die Verbündeten bin- ; dend. Er sei bereit, Frankreich die Ausbeutung der j Kohlengruben für eine beschränkte Zeit zuzugestehen. Das i von Frankreich verlangte Eigentum an den Kohlsn- ; gruben dagegen erscheine ihm als reiner Racheakt, da ja i keine Rede davon sein könne, die örtlichen Industrien i der Saarkohlen zu berauben (S. 291). Clemenceau setzte , dem Präsidenten Wilson die. erlogene Behauptung ent- : Kegen, daß im Saargebict in dem es noch keine hun- ^ dert Franzosen oder Französlinge gab! 150000 Fran- Ksien (!!) wohnten, die im Jahr l918 Abreisen an de» i Präsidenten Pomcarc gesandt Mtlen: auf das Rccy dieser Franzosen müsse man Rücksicht nehmen! (S. 293). j In der Entschäd igungsfrage traten die Ver « vündeten Frankreichs dafür ein, daß im Friedensvertrar j eine feste Summe bestimmt werde, die nicht höhe:

» gegriffen sein dürfe, als daß Deutschland sie innerhall ! von 30 Jahren abtragen könne. Nachdem auch hier der französische Standpunkt sich in langen und schwieriger: r Verhandlungen vorläufig durchgesetzt hatte, wurde Endk s Mai nach Ueberreichmlg der deutschen Antwort alles

> wieder in Frage gestellt genau wie in den Fragen s der Besetzung des linken Rheinnfers und des Saargebiets. ) Tardieu erinnert bei der Besprechung dieses Stadiums ! der Entschädigungsfrage an die furchtbare Krisis, die da- ' mals die Konferenz durchgemacht habe. In den ersten

Junitagen erklärte Lloyd George, die Mitglieder seines Kabinetts seien einstimmig der Meinung, daß man von Deutschland mehr verlange, als es zah­len könne. Er verlangte daher eine vollständige Revi­sion der Entschädiguugsbestimmungen und neigte unter dem Einfluß von Keynes zu der mäßigen Pauschalsum­me, die im März von den amerikanischen Sachverständigen vorgeschlagen worden war (S. 328 bis 329). Das Rin­gen um die Entschädigungsrummc führte, als Lloyd George anfing, dem französischen Standpunkt nachzu­geben, am 9. Juni zu dem Rücktritt von Keynes. Am 10. Juni setzte Clemenceau seinen Willen bei den Ver­bündeten durch.

Bessere Stimmung in England.

! Die Stimmung in England gegenüber Deutschland ! Hat im letzten Jahr eine gewisse Wandlung durchgemacht: - sie ist etwas besser geworden. Daß Deutsche auf offener Straße verhöhnt oder mißhandelt werden, kommt wohl kaum mehr vor, auch im gesellschaftlichen und im amt­lichen Verkehr ist der Engländer zwar kühl, aber nicht > mehr ausgesprochen unfreundlich oder feindselig, wie es ! bis zu Anfang 1920 fast die Regel war. Zumeist Hai dazu die Erfahrung beigetragen, daß der Geschäfts- verkehr mit Deutschland für den Wohlstand in Eng­land unentbehrlich ist und daß die allgemeine Geschöfts- stocknng, unter der Großbritannien schwer leidet, nich: zum wenigsten auf die Notlage Deutschlands infolge des Friedensvertrags znrückzuführen ist. Das besräiigl eine Zuschrift des Londoner Mitarbeiters der ,^Lesiz. N. Nachr.", der u. a. schreibt:

Das englische Volk ist nicht sehr kritisch angelegt unö jeder geschickten Beeinflussung sehr zugänglich. Es ist sin seiner Masse auch heute noch überzeugt, daß die Deutschen an dem Unglück des Kriegs schuldig seien und daß sie den Krieg wie Hunnen geführt haben. Da­neben ist aber das englische Volk im Grund gutmütig und jedenfalls nicht nach trügerisch: wenn man will, kann man auch sagen, es ist zu gleichgüliig, um einen natio­

nalen Hätz lange zu nähren. Es neigt immer dazu, Vergangenes vergangen sein zu lassen" und diese Ver­anlagung setzt sich in seinem Verhältnis zum einzelnen Deutschen mehr und mehr durch.

Natürlich wird das Verhältnis des englischen Volks zum einzelnen Deutschen aufs tiefste davon beeinflußt, wie sich das Verhältnis Englands als eines Staats zu Deutschland als einem Staat gestaltet und auch in diesem Punkt ist es in letzter Zeit besser geworden. Schon vor einem Jahr konnte niemand, der in London die Ohren offen hatte, verkennen, daß die Neigung für Frankreich im schnellen Wnehmen begriffen war, und zwar in erster Linie, weil der Durchschnittsengländer das Gefühl hatte, daß die französische Politik das Haupt­hindernis für jene Wiederherstellung der vollen wirt­schaftlichen und finanziellen Kraft Englands bilde, aus die heute das ganze Trachten des englischen Volks ge­richtet ist. Die schlechte Geschäftslage, die seit­dem über England gekommen ist und die unvermindert enthält, hat die Abneigung nur verstärkt, und zu sagen, daß Frankreich oder jedenfalls die französische Politik Heute in Englmrd unbeliebt sind, heißt die Sache jeden­falls noch mild ausdrücken. Wirklich! tief gehende Strö­mungen dm öffentlichen Meinung werden aber in der amtlichen englischen Politik früher oder später immer zum Ausdruck gelangen. Lloyd GeorgesExplosion", wie man seine denkwürdige Rede über die oberschlesifche Frage nannte, deutet einfach darauf hin, daß für di« englische Politik der Augenblick gekommen ist, wo sie der volkstümlichen Abneigung gegen ein weiteres Mit­mächen' der französischen Gewaltpolitik Rechnung tragen zu müssen glaubt. Man hat die Rede eben deshalb den wichtigsten diplomatischen Schritt genannt, der seil 1918 innerhalb des Verbands getan worden sei, und seine innere Bedeutung dürften folgende Ausführungen

- eines Lloyd George recht nahestehenden Herren kurz und ! bündig kennzeichnen:

!Lloyd Georges Ziel war bisher, die Entente um , jeden Preis zu bewahren. Sein Verfahren war, in > der Oefsentlichkeit laut zu erklären, daß zwischen Paris j und London volle Einmütigkeit herrsche und im Stsil- i len die sich verschärfenden Streitpunkte entschlossen zu j behandeln. Heute sind die Gefahren, die sich nach An- § sicht der britischen Regierung aus einem englisch- ! französischen Bruch ergeben würden, geringer, j als das tätsächliche Unheil, das durch Frankreich:

! Entschlossenheit, Deutschland im Osten und We- ! sten zu ruinieren, geschaffen wird".

! Das ganze Gebiet der englisch-französischen Beziehun- i gen erfordert aber gerade von deutscher Seite sachlichst«

; Behandlung, wenn man sich nicht dem Vorwurf aus- I setzen will, Unfrieden stiften zu wollen. Natürlich wird man England dankbar sein, wenn es Deutschlands Rech e ! in Oberschlesien in Schutz nimmt, .somit aber nich: gesagt ist, daß uns ein englisch-französischer Bruch, des­sen Kosten wir Deutschen wahrscheinlich zu tragen hätten, willkommen >».äre. Man wußte in England, daß der polnische Ueberfall gleich­zeitig mit der Besetzung des Ruhrgebiets geplant war und man mag sich gar nicht ausmalen, in was für eine Lage Europa geraten wäre, wenn es England nicht gelungen wäre, wenigstens den einen Teil der Anschläge zu hintertrciben.

Eine Verschleppung der oberschlesischen ! Frage durch die französische Kammer.

- Paris, 21. Mai. Abg. Marcel Cachin (äußerster ' Sozialist) verlangte in der gestrigen Kammersitzung, daß i Briand auf die Besetzung des Rnhrgebiets verzichte.

: (Großer Lärm.) Die Verteilung Schlesiens werde den ! Frieden nicht bringen.

! Mg- Fvrgeot: Die Herabsetzung der Entschädi- ! qmtgsforderung durch die Wiederhetstelltingskommission sii i eine falsche Berechnung des Wechselkurses zurückzu- ! führen. Das Abkommen von London (6. Mai) bedeute i gegenüber dem von Paris (29. Januar) ein Zurück­weichen. Frankreich habe Schulden im Betrag von un­geiähr 500 Milliarden Mark, davon Kriegsschulden und Vmkrsiegsschulden 133 Milliarden, kurzfristige Schulden Kl Milliarden. Schulden bei der- Bank von Frank­reich 26 Milliarden, Kapitalisierung von Pensionen 60 Milliarden und Kriegsschäden 140 Milliarden. Man müsse Deutschland sraam. was es besitze an Rvbmate-