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Nr. 78.
AILenfteig, MMwllch de« 6. April
Sahrgaag 19L1.
Deutsch-amerikanischer Schriftwechsel.
Berlin, 5. April.
Gegenüber dm Entstellungen in den französischen Blättern sieht sich die Reichsregierung veranlaßt, den bisher geheim gehaltenen Schriftwechsel des Auswärtigen Amts mit dem amerikanischen Kommissar in Berlin, Dressel, zu veröffentlichen. In der Denkschrift Dr Simons vom 21. März wird dargelegt, daß die Reichs regierung es bedauert, daß es auf der londoner Konferenz nicht zu einer Einigung in der Entschädigungsfrage gekommen ist- Es ist nicht richtig, wenn Lloyd Georg« behauptet, daß Deutschland nicht zur Entschädigung geneigt se4. Alle verantwortlichen Stellen in Deutschlanl sind sich darüber einig, daß Pie deutschen Vorschläg, für die Entschädigung der Finanznot bei den Verbündeten insbesondere bei Frankreich Rechnung tragen müssen. . Zwei große Ziele der Entschädigung liegen vor:
1. Wiederaufbau der zerstörten (Miete.
2. Beschaffung sofort greifbarer größerer Barmitte tn fremden Devisen.
Von 86 französischen Departements sind 10, die jahrelang Kampfgebiet warm, auf das schwerste betroffen. Für den Wiederaufbau der Häuser, die Wiederurbarmachung und die Wiederbesiedelung des Landes ist aber in den zwei Jahren seit Beendigung des Kriegs nur sehr wenig geschehen. Das wirkliche Interesse ar dem Wiederausbau ist in Frankreich nur gering. Di, früheren Bewohner haben vorschußweise Entschädigungen erhalten und sich in anderen Teilen des Landes seßhaft gemacht. Einflußreiche Unternehmergruppen sind mit der Verwertung des zurückgelassenen Materials und den Aufräumungsarbeiten befaßt. ! Sie beschleunigen die Abwickelung ihrer Aufgaben in keiner Weise. Am meisten aber fällt ins Gewicht, daß beträchtliche Kreise in Frankreich in dem zerstörten Gebiet ein außerordentlich starkes politisches Werbemittel erblicken, das bei Einheimischen und Fremde« begreiflicherweise stets einen tiefen Eindruck hinterläßt
Deutschland wird nochmals der französischen Regierung Vorschläge unterbreiten, deren Einzelheiten gegenwärtig mit der deutschen Arbeiterschaft beraten unk aufgestellt werden. Hat die französische Regierung Be- denken gegen die Verwendung so zahlreicher deutscher Arbeitskräfte im Wiederausbaugebiet, so wird die deut- ! sche Regierung auch bereit sein, in jeder anderen Form s ihre guten Dienste und Kräfte zur Verfügung zu stellen j
Die Beschaffung größerer Geldmittel in fremden Devisen ist für Deutschland nur durch die starke Steigerung sei- s nes Ausfuhrs möglich. Der Finanznot der Verbündeten f kann nur im Wege des Kredits Abhilfe geschaffen wer- s den. Die Kreditwürdigkeit Deutschlands ist aber völlig s untergraben durch die Verbündeten selbst, die sich im s Versailler Vertrag eine General-Hypothek aus den ge- ^ samten Besitz und die Einnahmequellen des Deutschen - Reiches und der deutschen Staaten an erster Stelle vor- > behalten haben. Da Frankreich und England selbst über- s schuldet sind, einer Kreditgewährung seitens Neutraler aber die General-Hypothek entgegensteht, bleibt als einzige Lösung des Kreditproblems nur die Aufnahme einer mternationalen Anleihe möglich, zu deren Gunsten die Verbündeten ihre Generalhypothek zurücktreten lassen müßten. Deutschland glaubt, bei zweckmäßiger Gestaltung der Anleihe und bei Gewährung einer Amnestie für Steuerflucht geflüchtetes deutsches Kapital in erheblichem Ausmaß für die Anleihe heranziehen und dies für den Entschädigungsdienst nutzbar machen zu können. Deutschland wird die Prüfung seiner eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit gern dem Urteil unparteiischer Sachsoerständiger unterstellen. Die ungeheuren Schäden, die der Weltkrieg angerichtet hat, die ungeheuere Schuldenlast die alle beteiligten Staaten zu tragen haben, können nicht raus die Schultern eines einzelnen Staats gelegt werden.
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Der amerikanische Kommissar hat am 29. März als Antwo rt eine Denkschrift übergeben, die sagt:
Die amerikanische Regierung sei erfreut, in unzweideutiger Weise den Wunsch der deutschen Regierung zu ersehen, die Entschädigung bis zur Grenze der Zahlungsfähigkeit zu leisten. Die amerikanische Regierung halt« ebenso wie die verbündeten Regierungen Deut.schlank für den Krieg verantwortlich und daher moralisch verpflichtet, Entschädigung zu leisten, soweit die? möalick sein maa. Die amerikanische Regierung glaub«
den" aufrichtigen 'Wunsch der deutschen Regierung zu erkennen, Verhandlungen mit den Verbündeten auf einer neuen Grundlage zu eröffnen und sie hoffe, daß derartige Verhandlungen, einmal wieder ausgenommen, zu einer schleunigen Regelung führen mögen, die gleichzeitig den gerechten Ansprüchen der Verbündeten Genüge leisten und Deutschland erlauben, hoffnungsvoll seine produktive Tätigkeit wieder zu beginnen.
Neues vom Tage.
Tie Regierungsbildung in Preußen.
Berlin, 5. April. Die Verhandlungen zwischen den drei Parteien Zentrum, Demokratie und Sozialdemokratie über die Bildung der Negierungskoalition haben bis jetzt zu keinem Ergebnis geführt. Die Mehrheit der Sozialdemokraten ist entschieden gegen eine Beteiligung der Deutschen Vottspartei. Andererseits würden, wenn Oberschlesien ein eigener Bundesstaat würde, was ihm für den Fall des Verbleibens beim Reich zugesagt ist die 22 oberschlesischen Abgeordneten bis auf drei aus dem preußischen Landtag ausscheiden und die knappe Mehrheit der drei Parteien würde sich in eine Minderheit verwandeln. Die Verhandlungen werden noch fortgeführt, es ist aber fraglich geworden, ob der Landtag am Donnerstag bereits dte anberaumte Wahl des Miu^terpräisdenten vornehmen wird.
" Die ÄusfnhraSgabe.
London, 5. April. Aus eine Anfrage im Unterhaus jagte Lloyd George, die Ausfuhrabgabe auf deutsche Waren werde auch von der belgischen Regierung vorbereitet. Italien, Portugal, Griechenland und Siam haben ihre Absicht kundgegeben, ähnliche Gesetze einzuführen. Die britische Regierung werde außerdem ihr« Maßnahmen gegen die Einfuhr von Waken mit Unterpreisen (Dumping) fortsetzen.
Paris, 5. April. Wie der „Jntransigeant" mitteilt, sind zu dem Gesetzenttvurf' über die fünfzigprozentig« Abgabe vom Verkaufswert der deutschen Waren nach Frankreich Abänderungsanträge eingebracht worden. Einer derselben verlangt, daß alle Sendungen, die vor dem 17. März Deutschland verlassen haben, von der Abgabe befreit sind.
Das verschleierte Bild von Washington
Paris, 5. April. Havas meldet aus Washington: Alles scheint darauf hinzudeutest, daß die Pressemeldungen der letzten Tage über die Stellungnahme der Vereinigten Staaten zur Weltlage sich bestätigen werden: Einerseits entschiedene Gegnerschaft, und zwar noch mehr in politischen Kreisen als in der öffentlichen Meinung, gegen alles, was die äußere Politik der Vereinigten Staaten andiePolitikder Verband s- regierungen im allgemeinen und besonders hinsichtlich des Völkerbunds fesseln würde; sodann eine Bewegung zugunsten der Entschließung des Senators Knox für einen Sonderfri eben init Deutschland und daneben noch, und zwar in politischen Kreisen, zugunsten einer bestimmten Erklärung, daß keine Red« davon sein könne, den Verbandsmächten ihr« Schulden zu erlassen, was allerdings ein weitgehendes Entgegenkommen nicht ausschließen solle. Andererseits habe man Frankre ich gegenüber fast einstimmig den Wunsch, es nicht im Stich zu lassen. Deutschland wurde bereits von den Ver. Staaten m Kenntnis gesetzt, daß sie nichts übernehmen wollen, was irgendwie als ein Fafsenlasjen der Sache der Verbandsmächte betrachtet werden könnte. Man könne damit rechnen, daß die Entschließung des Senators Knox zur Annahme gelangen werde mit einem Zusatz, der für die französischen Wünsche befriedigend sei und gleichzeitig der Politik der republikanischen Partei entspreche» würde.
Paris, 5. April. Der amerikanische Senator Knox hat dem Vertreter des Pariser „Matin" in Washington diesem Blatt zufolge erklärt: Der Friedensvertrag von Versailles und das Völkerbundsstatut enthalte Vereinbarungen über die Grenzen in Mitteleuropa, die di« Amerikaner nicht interessieren und Vereinbarungen hinsichtlich des fernen Ostens, denen Amerika nicht zustimmen könne. Die Amerikaner wollten redoch nicht, daß über die zukünftigen Absichten Mißverständnisse herrschen. Damit weder Deutschland noch sonst jemand sich täusch, werde er seiner Entschließung einen Zusatz hin- msüaen, daß, wenn der „Zivilisation aufs Neue, eine
Gefahr drohe", wie im Jahr 1914, die Vereinigten Staaten sich sofort bedroht fühlen und mit allen Ländern, die sich in Gefahr befinden, in Verbindung setze« würden. Auf die Frage, warum die Entschließung nichts über die Entschädigungspflicht enthalte, erklärte Knox, der amerikanische Senat habe die Absicht, die Gegenwart zu regeln. Er könne nur die großen politisch« Linien der Zukunft festlegen. Die Ansicht Hardings über die moralisch und materielle Verantwortlichkeit Deutschlands billige er (Knox) vollkommen.
Die Griechen auf dem Rückzug.
Die griechischen Blätter melden, das Ziel der griechischen Truppen sei mit der Einnahme der Stadt Ajium- Karahissar erreicht worden und das Heer sei nun aus sie alten Stellungen bei Kowalitza zurückgegangen, nach »em Angora von der Eisenbahnlime abgeschnitten worden sei.
Türkischerseits wird berichtet, daß Prinz Andreas, der Vruder des Königs Konstantin, an den bei Brussa erlittenen Verwundungen gestorben sei; auch der griechisch General Vlahopulos sei gefallen.
Kämpfe in Indien.
' London, 5. April. (Reuter.) An der Nordostgrenze Indiens sind in einem Kampf mit dem Mansudftamm 1 englische Offizier und 26 indische Soldaten gefallen, 1 Offizier und 25 eingeborene Soldaten verwundet worden.
Bafel, 5. April. Laut „Basler Nationalztg." ist rn Kronstadt ein neuer Aufstand gegen die Bolschewisten ausaebrochn. Die rote Garnison in Petersburg rft ver-
stärkt worden. . ^ ..
Helsin gfors, 5. April. Wie verlautet, zrehen vre Bolschewisten große Truppenmassen an der beßarabisch« Grenze zusammen. 21 Infanterie-Divisionen sollm dort schon eingetroffen fern. Angeblich will Rußland eE Frühjahrsoffensive gegen Rumänien einleiten und gleich zeitig eine bolschewistisch Bewegung in Serbien Hervorrufen.
Die Rachwehen des Aufruhrs.
Berlin, 5. April. Die Berliner Tiefbauarbeü . stnd kvegA Lohnforderungen in den Ausstand getreten. Auch vre Maschinisten, Schlosser und Heizer im Tiefbaugewerbe streiken. Es handelt sich um insgesamt 4-5000 Arbeiter.
Wie die Leitung der Leunawerke mitteilt, werden di« Wiederherstellungsarbeiten voraussichtlich diese Woche soweit durchgeführt sein, daß die Wiederaufnahme des Betriebs erfolgen kann. Für die Wiedereinstellung der Arbeiter soll eine bestimmte Jahresgrenze festgesetzt werden, da jeher, der in einem für Deutschland so wichtigen Werk wie dem Leunawerk arbeite, eine gewisse Reife ev( langt haben müsse. . q
Nach den bisherigen Feststellungen sind anläßlich des Aufruhrs in Mitteldeutschland 3642 Beteiligte festgcnom- men worden; der Hauptteil der Verhafteten befindet sich in Leuna.
In Frankfurt kam es zu Ausschreitungen der streikenden Transportarbeiter. Verschiedenen Boten wurden bei der Auflieferung auf der Hauptpost die Pakete entrissen und der Inhalt auf die Straße gestreut.
Aus dem schlesischen Provinziallandtag.
Breslau, 5. April. Der Provinziallandtag Nie- berschlesien wählte zu seinem Vorsitzenden den Land» rat Seibold (Soz.) mit 53 gegen 52 Stimmen, die auk den Landrat a. D. von Goslar (D. Natl.) fielen. Zwei Stimmen waren ungültig. — Der Provittziallandtaa Oberschles ie ns wählte zu seinem Vorsitzenden durch Zuruf den Herzog von Ratibor. — Der gemeinsame Provinziallandtag der Provinz Schlesien wählte zu seinem Vorsitzenden den Landrat a. D. von Goslar mit 68 gegen 51 Stimmen, die auf Landrat Deibold entfielen.
Der Bergarbeiterstreik in England.
London, 5. April. Wie die Blätter melden, ist bis» her eine Besserung der Streiklage nicht eingetreten. Infolge Kohlenmangels mußten bereits viele Werks schließen. Die Zahl der Arbeitslosen wächst. — Der „Morning Post" zufolge scheint es, daß der Arbeiterdreibund bei seiner morgigen Sitzung weniger einig sein wird, als ursprünglich angenommen wurde. — „Daily Herald" behauptet, Militär und Marine seien bereits in Beivegung gesetzt worden, um scharf regen jede Art vvv