KchwarznMev Tageszeitung
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Nr 70.
Aklenfteig, Gamstag de» LS Mäez.
Jahrgang 1SL1.
Die Lage in Oberschlefien.
Ein ernstes Gesicht gewinnt die Lage in Oberschlesien dadurch, daß bewaffnete polnische Abteilungen bereits mordend und plündernd aus Polen hereinkommen, die Deutschen auS ihren Dörfern vertreiben und die »polnische Republik*, ausrufen. Das ist offener Krieg. Die Polen können unter dem Schutz der Franzosen tun und lassen was sie wollen und die Engländer rühren keine Hand!
Ist es nicht "sonnenklar,- dass die Volksabstimmung in Oberschlesien sür den Obersten Rat und seine Kapitalistenherren entweder eine Komödie war wie etwa die irr Eupen und Malmedh, oder daß sie von Anfang an entschlossen waren, die Abstimmung nötigenfalls mit Gewalt zu verbessern? In Frankreich war man, was das Land anlangt, sicherlich bis zur Verwirrung erstaunt, als man das Ergebnis vom 20. März erfuhr; man hatte Den Versicherungen geglaubt, daß es gar nicht fehlen könne, und die Art und Weise wie General Le Rond seines Amtes waltete — bekanntlich mnßte er sich einmal im* letzten Sommer auf englische Beschwerden hin jbl Paris verantworten —, schien den gewünschten Erfolg zu verbürgen Ob auch der Oberste Rat und die „Mhrenden" davon überzeugt waren? Aber sic haben schon vorgesorgt. Die Polen haben schon seit Monaten eine ganze Anzahl gutbewaffneter Divisionen an der Grenze marschbereit ausgestellt. Woher hat Polen das Geld dazu, da der neugebackene Staat bereits ist) auf den Hund gekommen ist, daß das polnische Geld' picht einmal von polnischen Banken mehr in Zahlung genommen wird? Da drängt sich doch einem der Gehanke auf, daß das wichtigste Grubengebiet Öberschlesiens schon längst den Kapitalisten in Frankreich verpfändet ist und daß diese das gleiche Interesse daran haben, daß die Bodenschätze dem Namen nach an Polen fallen, wie die amerikanischen Kapitalisten ein Interesse daran hatten, daß der Verband den Krieg nicht verliere, sonst hätten sie nämlich um ihre 10 Milliarden Dollar kommen können, die sie in allerlei Form der Entente geborgt hatten.
Deshalb mußte Lloyd Geo rge auf der Londoner Konferenz die Verhandlung abbrechen, obgleich Dr. Simons ja zu allem sich bereit erklärt hatte — nur Schlesien sollte beim Reich bleiben. — Höchst ungnädig hauchte Lloyd George den verwundert dreinblickende» - Dr. Simons an: „D ieDeutschen verstehennicht, um wa s es sich handelt." — Deshalb sagte Gras Sforza in der italienischen Kammer: „Die Forderung, daß Schlesien bei Deutschland bleiben solle, war frü die Verbündeten unannehmbar." Der Oberste Rat Hai im November vereinbart, daß in bezug auf die Abstimmung Oberschlesien als ein geschlossenes Gebiet betrachtet werden solle. Wenn also nur eine polnische Stimmr mehr abgegeben worden wäre, als von deutscher Seite, so wäre ganz Oberschlesien unweigerlich unter die politische Hörigkeit Polens gekommen. Nun haben, wie gesagt zwei Drittel für Deutschland entschieden — ohne die polnischen Gewalttaten wären es sogar starke zwei Drittel geworden — und da schreit nun der Chor der Parisei Presse: „Das gilt nicht; die Gruben müssen „den Polen' gehören, wie es recht und billig ist!" Die polnische Regierung hat gar den Mut gefunden, beim Obersten Rai gegen das Volksabstimmungsergebnis Widerspruch zu erheben. Man ist versucht, die ganze Welt für ein Nar- renhaus, Mjarke „Völkerbund", zu halten. Mer es steckt der bestimmte Plan dahinter: Oberschlesien oder doch der wichtigste Teil davon muß den Polen oder vielmehr ihren Gläubigern zufallen. Die Vorbereitunger sind getroffen; außer den Polen haben auch die Tscheche e n angeblich einige hunderttausend Mann mobilisiert und der soeben mit dem Stern der französischen Ehrenlegion geschmückte tschechische Staatspräsident verkündete'mit wichtiger Amtsmiene, die Tscheche' stehe vor hochbedeutenden Ereignissen. Marc hat nämlich die Tschechen durch das Versprechen einer „Kriegsentschädigung" von etlichen 20 Milliarden, die. Deutschland bezahlen soll — wofür? wird nicht einmal Her, Wilson wissen — ordentlich kirre gemacht und ein festes Angriffsbündnis geschlossen. Die Franzosen müssen vo, !>em halbtoten Deutschland immer noch eine schlotternd, Angst haben, wenn es auch Herr Briand gewaltig übel mmmt, daß man sich in der Welt so gar nicht von dem >,großen Sieg" und dein Gottesgericht überzeugen lasse» will. ,
Neues vom Lage.
Der Anschlag auf die Siegessäule.
Berlin, 25. März. Nach längerer Vernehmung der Mn Montag in Neu-Kölln festgenommenen Kommuni- nisten sind die Verhafteten fast sämtlich als Täter, Helfershelfer bzw. Mitwisser überführt und zum Teil g eist ändig, den Anschlag ans die Siegessäule geplant oder darum gewußt zu haben. Alle Beteiligten sind eingeschriebene Mitgleider der kommunistischen Arbeiterpartei oder Anhänger der kommunistischen Richtung.
Nach den bisherigen Geständnissen ist der Plan in einer Versammlung der kommunistischen Arbeiterpartei geschmiedet worden unter der Begründung, daß die Revolution zu langsam vor sich gehe und man endlich zu schärferen Mitteln greifen müsse.
Zuckungen in Berlin.
Berlin, 25. März. Gestern mittag sammelten sich vor dem Fabrikgebäude der Eisengießerei Kailig u. Thomas etwa 3000—6000 Personen an, die in die Räume einzudringen versuchten, um dort beschäftigte Arbeiter zum Ausstand zu bewegen. Eine Streife der Schutzpolizei löste die Ansammlung auf, worauf diese in einzelnen Trupps nach dem Fabrikgebäude der A.E.G. zog, wo sich der gleiche Vorgang wiederholte. Inzwischen war hier die Schutzpolizei benachrichtigt worden, von der ein, starke Wteilung auch diese Ansammlung zerstreute.
Berlin, 25. März, 'lieber Hamburg und die Provinz Sachsen hat der Reichspräsident, den nichtmilitärischen Aunahmezustand verhängt.
Blutige Kämpfe in Hamburg.
Hamburg, 25. März. Am Mittwoch nachmittag erzwangen die Kommunisten die Stillung der Vulkanwerft, die sie besetzt hielten. Auf dem Heiliggeistfeld solltc im Verein mit den Arbeitslosen eine Massenkundgebung stattsinden, der Elbetunnel war aber inzwischen durch Schutzpolizei mit Maschinengeivehren besetzt. Ein Teil der Werftarbeiter durchbrach aber die Polizeilinie und suchte die Mannschaften zu entwaffnen. Die Schutzpolizei mußte von der Waffe Gebrauch machen. Vier Arbeiter blieben tot, über 20 wurden verwundet. Auch die Polizei hatte Verluste. Der Senat hatte mittlerweile den Ausnahmezustand verhängt und das Heiliggeistfeld mit Stacheldraht absperren lassen. Als die Kommunisten von verschiedenen Seiten anrückten, kam es zu schweren Zusammenstößen in einigen Straßen. Als die Kommunisten, die bewaffnet waren, zum Angriff vorgingen und einen Polizeiosfizier mißhandelten, gab die Polizei eine Salve ab. Zehn Kommunisten wurden tödlich getroffen, sehr viele verwundet. Am Milnertor wurden ein Oberwachtmeister und ein Wachtmeister von den Aufrührern rücklings erschossen. Bei einem Angriff auf das Strasjustizgebäude fielen weitere 8 Kommunisten und viele wurden verwundet. Auch im Ar-, beiterviertel Hammerbrook kam es abends zu blutigen Kämpfen. Im ganzen wurden am Mittwoch 30 K>te und über 50 Schwerverwundete gemeldet.
Das kommunistische Blatt „Hamburger Volkszeitung'' wurde gestern beschlagnahmt und das Erscheinen bis aus weiteres verboten, weil das Blatt die Arbeitslosen zuw Waffenraub und zur Besetzung der Hafenanlagen anf- tzefordert hatte.
Wie die Werft von Blohm und Boß haben auch dü Vullanwerft und die Deutsche Werft, diese für Finkenwärder, ihre Betriebe geschlossen und die Arbeiter entlassen.
Hamburg, 25. März . Senator Dr Diestel wurd» Pom Senat zum ersten. Senator St ölten, zum zwei» Bürgermeister gewählt.
Der Aufruhr im Mänsfeldische« Eislebcn, 25. März. Am Mittwoch nachmittag würbe das Schießen besonders im Westen und Süden der Stadt, die von den aufständischen Kommunisten stark besetzt sind, fortgesetzt. Viele Läden wurden geplündert. Die Schutzpolizei war zu schwach und mußte sich in ihre Quartiere im Seminar und in der Mädchenvolksschule zurückziehen. Die Kommunisten stellten der letzteren Wteilung eine Frist zur Uebergabe, nach der sie Ws Haus anzuzünden drohten. In die Polizeiwacht- stube wurden Handgranaten geschleudert, wodurch drei Wachtmeister schwer verletzt wurden. Der Bahnhof und die Bahnlinien sowie die Höhe über der Hüneburg sirw von den Kommunisten besetzt und befestigt. Der Bahn- Verkehr ist unterbrochen. Die Ortschaften um Eisleben
schließen sich mehr und nu.^. dem Aufstand an; die Belegschaft der Leunawerke und 8000 Bauarbeiter haben die Arbeit niedergelegt. Die Kommunisten sind mit Waffen gut ausgerüstet; ihre Werber suchen an allen größeren Plätzen die Ersenbahner zu bestimmen, kein« Polizeinachschübe nach dem Mansfeldischen zu befördern.
Berlin, 25. März. Die Fraktion der Deutschen Volkspartei ersucht das Präsidium des preuß. Landtags, angesichts des kommunistischen Aufruhrs den Landtag spätestens bis 30. März einzuberufen.
Hölz verhaftet?
Halle, 25. März. Wie verlautet, soll dm R i über- Hauptmann Hölz in Quedlinburg im Harz verhaftet worden sein. Auf seine Ergreifung ist eine Belohnung aon 2t»000 Mark gesetzt. Hölz war bekanntlich bei den letzten Anschlägen gegen einige Rathäuser in der Gegend oon Plauen beteiligt.
Wieder ein Diktat.
Berlin, 25. März. Da über den auf die Entscbädi- ng gntzuschreibenden Preis des AblieferungshoOes mü er Pariser Wiederherstellungskommission keine Einigung erzielt wurde, hat die Kommission die Preise diktiert und die Ablieferung binnen der vorgeschriebenen Frist verlangt. Die Reichsregierung wird versuchen, ob dnrch Äusschreibung die Lieferung in der von der Kommission bestimmten Frist aufgebracht werden kann.
SV Milliarden Goldmark für Pensionen.
Paris, 25. März. Vorgestern wurden zum erste» Mal Vertreter Deutschlands von der Wiedergutmachung? kommission angehört. Die Kommission forderte die deutschen Vertreter auf, ihre Einwendungen bezüglich der Höhe der für die Pensionen zu zahlenden Entschädigungssumme vorzubringen. Alle Verbündeten zusammen fordern von der Wiedergutmachungskommission 90 Mi'!'.irden Goldmark sür Pensionen.
Aerzte und Krankenkassen.
Berlin, 25. März. Im Arbeitsministerium ha; .ine Besprechung mit Vertretern der Hauptverbände der Krankenkassen und der Aerzte stattgefunden. Es soll ein vor - läufiger Gesetzentwurf zur Regelung der zwischen Krankenkassen und Aerzten schwebenden Fragen iw Reichsarbeitsministerium aufgestellt und zunächst mit einen! von den beiderseitigen Verbänden gewählten Unterausschuß durchberaten werden.
Aufruf der Parteien an die Oberschlesier.
Kattowitz, 25. März. Deutschnationale Volkspartei. Zentrum, Deut'che Volkspartei, Deutsche demokratisch! Partei und Sozialdemokratische Partei richten folgende» Aufruf an die oberschlesische Bevölkerung: Oberschlesier! Anfgerusen zu einer Entscheidung über Euer Schicksal habt Ihr am 20. März Eueren Willen über Euere Staatszugehörigkeit kundgegeben und einen großen Sieg errungen mit 716 000 deutschen Stimmen gegen 47100Ü polnische, also mit überwiegender Mehrheit Euch für den Verbleib beim deutschen Reich erklärt. Alle Drohungen, der ungeheure Terror, Gewalttaten haben nicht vermocht. Euer Treuebekenntnis zu erschüttern: niemand darf diesen Willen mißachten. Wirtschaftliche und geographische Rücksichten weisen zwingend auf di? Einheit des oberschlesischen Landes hin. Im Vertrauen auf die Macht der Gerechtigkeit, die auch bei unseren Gegnern nicht ertötet sein kann, erheben wir die Forderung: Oberschlefien ungeteilt beim Deutschen Reich! Von unseren Oberschlesiern erwarten wir, daß sie, nachdem drzr Kamp! der Geister mit dem Stimmzettel ausgetragen ist, sich alle als Brüder und Schwestern und Gleichberechtigte in unserer Heimat fühlen. Die Gegner im Abstimmungskampf wollen sich die Hand reichen zum gemeinsamen friedlichen Aufbau und zur Versöhnung unseres durch den Abstimmungskampf in zwei Lager gespaltenen Volks. In Brüderlichkeit und Einigkeit mit unseren Volksgenossen wollen wir das neue Oberschlesien aufbauen. — Schon wieder lodert Aufruhr und Bürgerkrieg. Mit Entrüstung wenden wir uns gegen jede Gewalt. Das Volk hat gesprochen. Es lebe das aeeinte, ungeteilte Oberschlesien!
Polnische Gewalttaten.
Benthen. 25. März. In Kars wurden ! .! '.IS-
tag abend 8 Landjäger von einer polnischen Menge bedrängt. Sie flüchteten in ein Haus, das bis zum ander» Morgen belagert und beschossen wurde. Als die Landjäger ihre Patronen verschossen hatten, zeigten sie durch ein weißes Tuck an, daß sie sich ergeben wollen. Cs