^ 184. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

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Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis : Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Samstag, den 9. August 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Lriigerlohn Mk. I.2S vierteljährlich, Post« bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. I.W, im Fernverkehr Mk. I.So. Bestellgeld in Württemberg M Pfg., in Bagern und Reich S2 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

K Versicherungsamt Calw.

Bekanntmachung

betr. die Festsetzung des Werts der Sachbezüge für die Zwecke der Reichsversicherung.

Nach 8 160 Abs. 2 R.V.O. ist der Wert der zum Entgelt i. S. der R.V.O. gehörigen Sachbezüge nach Ortspreisen zu berechnen, welche das Versicherungsamt sestzusetzen hat.

Zur Zeit gelten die folgenden Beträge:

1. freie Kost für männliche Personen jährlich 320

2. .. weibliche 250

3. Wohnung für Einzelpersonen 30

4. ., eine Arbeiterfamilie 80

5. freier Holzbez. .. 50

6. für einen ledigen Betriebsbeamten

s) freie Kost 400

b) Wohnung 100 ^

c) freies Holz und Licht 50

7. freie Wohnung eines verheirateten

Betriebsbeamten 200

Die Gemeindebehörden ersuche ich, Aeußerungen der Ge­meinderäte darüber herbeizuführen, ob und in welcher Weise mit Rücksicht auf die seit der letzten Festsetzung im Jahre 1908 eingetretene weitere Verteuerung der Lebensbedürfnisse die vorstehenden Sätze einer Aenderung bedürfen. Die Aeuße- rungen müssen sich auf sämtliche 7 Punkte, sowie darauf er­strecken, wie hoch der Holzbezug für eine Einzelperson anzu­schlagen ist und ob es nötig oder zweckmäßig ist, etwa noch weitere Unterscheidungen in der Festsetzung nach dem Lebens­alter der Versicherten in der Weise zu machen, daß besondere Festsetzungen je für Personen von 1416, 1621 und über 21 Jahren noch erfolgen. Erscheint den Gemeindebehörden diese weitere Unterscheidung erwünscht, so sollten wegen der Höhe der Sätze Vorschläge gemacht werden.

Die Aeußerungen ersuche ich, bis längstens 2V. August 1913 als portopflichtige Dienstsache vorzulegen.

Den 7. August 1913.

Reg.-Rat Binder.

Der Panamakanal.

(Seine strategische u. wirtschaftliche Bedeutung.)

Im zweiten Teil desNauticus" heißt es am Schlüsse einer Abhandlung über den Panamakanal:Von außer­ordentlicher Bedeutung ist der Kanal für die Vereinigten Staaten. Im Verein mit dem großzügigen Ausbau von Stützpunkten verstärkt er ihre Seegewalt diesseits und jen­seits des Isthmus. Doch ist er ein verwundbarer Punkt. Sein Schutzbedürfnis kann zu falscher strategischer Verwen­dung der Flotte führen und ihn so zum Hemmschuh für weit ausholende Operationen zur See machen. Japan wird durch den Kanalbau strategisch sehr geschädigt. Wenn man den Japanern bisher eine gewisse Vorherrschaft im Stillen Ozean kaum abstreiten konnte, so hat diese jetzt einen empfindlichen Stoß erlitten. Auch Englands militärische Lage ist nicht gefördert worden. Aber noch halten die Briten einerseits längs des Suezweges und in Afrika und Ostasien, anderseits in Canada und an den westindischen Gewässern so starke strategische Stellungen, daß von einer Erschütterung ihrer Seemacht keine Rede sein kann. Den übrigen Seestaa­ten wird der Panamakanal militärisch nicht viel geben und nicht viel nehmen. Er wird und soll vor allem ein politisches, ein militärisches Werkzeug sein zur Ausbreitung der Macht und Herrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika." Die Militärische Rundschau derNorddeutschen Allgemeinen Zei­tung" bespricht den Nauticus-Artikel folgendermaßen: Eine Neutralisierung des Kanals durch internationale Verträge haben die amerikanischen Staatsmänner abgelehnt, sie wollen, wie das wohl zu verstehen ist, in einem Kriege, an dem sie selbst beteiligt sind, alle Vorteile des neuen Wasserwegs sich und ihren Verbündeten allein sichern. Um sich nun die Be­nutzung des Kanals unter allen Umständen selbst zu wahren, beschloß man, zu seinem Schutz Verteidigungsanlagen im größten Stil zu bauen. Man errichtet nicht nur Werke, um die Einfahrten gegen Angriffe von der See zu schützen, (beson­ders stark sind die an dem Stillen Ozean), sondern der ganze Lauf des Kanals soll auf beiden Seiten mit Befestigungsan­lagen gesichert werden. Man ist nämlich auf Landungen nahe der Kanalmündung und auf Angriffe gegen die Schleusen unter Umgehung der Küstenbefestigungen gefaßt. Schwerste

! Geschütze in Verschwindlafetten sind zur Armierung vorge- ! sehen. Für das Gelände am Kanal wird ein Ansiedlungs- ! verbot erlasten werden. Sich selbst überlassen, so glaubt I man wird das Land infolge des üppigen Pflanzenwuchses in kurzer Zeit völlig ungangbar sein. Die großen Schleusen­anlagen und der Staudamm bei Gatun, die verletzlichsten Punkte des Baues, werden durch besondere Werke gedeckt. Nach der ganzen Anlage, die ein Werk des schwedischen In­genieurs Oberst Goethals ist, ist die Zerstörung einer Schleuse oder des Staudamms gleichbedeutend mit der Unbenutzbarkeit des Kanals für lange Zeit. Man glaubt nicht, daß die genannten Gefahrspunkte einem Angriffe durch Flugzeuge ausgesetzt sein werden, da unsichere Luftströmungsverhältnisse das Fliegen sehr erschweren, ja fast unmöglich machen sollen. Trotzdem ist in Uebereinstimmung mit dem Artikel imNauti­cus" anzunehmen, daß die Verbesserung der Luftwaffen in Zukunft vielleicht zu einer recht erheblichen Gefährdung des Kanals von oben her führen kann. Die ständige Besatzung in der 18 Kilometer breiten Kanalzone wird aus 8000 Mann bestehen und sich aus 18 Kompagnien Küstenartillerie, 4 Regi­mentern Infanterie, einem Bataillon Feldartillerie und einer Schwadron Kavallerie zusammensetzen. Die gesamten Be­festigungsanlagen werden 12X> Millionen Dollar kosten. . . . Gewiß hat derNauticus"-Artikel recht, wenn er darauf hin­weist, daß der eigentliche strategische Schutz des Kanals die Flotte selbst ist. Sie darf dabei aber nicht aus dem Auge ver­lieren, daß sie nicht durch örtliche Verteidigung, sondern durch Angriff, Vernichtung der feindlichen Seestreitkräfte diese Auf­gabe am besten erfüllt. Bei der Anziehungskraft, die der Ka­nal für einen Gegner der Union hat, wird aber möglicherweise beides zusammenfallen. Daher muß der Anmarsch der Flotte durch die Anlage entsprechender Stützpunkte so gesichert sein, daß sie rechtzeitig zur Abwehr eines feindlichen Unterneh­mens herankommen kann. Die nächste eigentliche Flotten­station mit Werften, Docks und allen Hilfsmitteln ist San Francisko. Da dies aber weit entfernt vom Kanal ist, so ist anzunehmen, daß man einen neuen Flottenstützpunkt sich mit der Zeit schaffen wird. Es scheint, daß man hierzu die Gala- pagosinseln ausersehen hat, da mit der Republik Ecuador, de­ren Eigentümerin, Verhandlungen über eine Abpachtung schon seit geraumer Zeit schweben. Auf der atlantischen Seite wird Guantanamos auf Cuba ausgebaut. Die wirtschaftliche Be­deutung des neuen Kanals findet eine eingehende Prüfung an der Hand von Ausführungen, die Professor Emory R. John- sohn,Spezialkommissar des Panamaverkehrs und der Kanal­gebühren", im vorigen Jahre veröffentlicht hat. Es wird aus ihnen gefolgert, daß der deutsche Handelsverkehr mit den einzelnen westamerikanischen Ländern neuen Antrieb empfan­gen und ein rascheres Wachstum als bisher zu verzeichnen haben werde. Der Artikel schließt:Der Panamakanal ist gar kein Konkurrent des Suezkanals, da er wesentlich ande­ren Wirtschaftsgebieten der Erde zugehört, und im Grunde genommen kann er nur einige wenige an Amerikas Küsten entlang laufende Weltverkehrsstraßen ablenken und umlenken; wohl aber wird er neue ins Leben rufen und dem Weltver­kehr erweiterte Betätigungsgebiete schaffen. Dieser neue Weltverkehr kommt insonderheit den Vereinigten Staaten zu­gute. Deutschland und England müssen scharf Obacht ge­ben, um von den neuen Weltverkehrsstraßen nicht abgedrängt zu werden; hier heißt es: Deutschland fei wach!"

Stadt» vrzirk und Nachbarschaft

Calw. 9. August 1913.

Gang durch die Wanderbauausstellung in Calw.

I.

* Betritt man durch den mit Tannen und Lorbeeren ge­schmückten Eingang die städtische Turnhalle, so führt uns der Weg durch die Mittelpforte zuerst in den Hauptraum, in dem die Beratungsstelle für das Baugewerbe, die im Auftrag der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel die ganze Ausstellung in die Wege geleitet hat, in einer klei­nen Sonderausstellung Proben ihrer Tätigkeit zur Besich­tigung ausgelegt hat. Zunächst fallen dem Beschauer große Tafeln auf, worauf leicht verständlich gezeigt ist, in welcher Weife Entwürfe von Wohnhäusern, landwirtschaft­lichen Anlagen, Gemeinde-, Rat- und Schulhäuser etc. sowie Friedhofanlagen und Bebauungspläne, die zur Begutachtung

eingesandt worden sind, von der Beratungsstelle überarbeitet und verbessert werden. Daneben stehen Gips- und Papp­modelle ausgeführter Bauten, worunter bei einem Arbeiter­haus in nebenstehendem Schnittmodell auch dem Laien gezeigt ist, wie durch günstige Raumeinteilung mit wenigen Mit­teln schöne und gemütliche Wohnräume geschaffen werden können. Das Modell eines Brunnens zeigt, wie durch Ver­wendung einfacher, heimischer Formen gute Wirkung erzielt werden kann. Die aufliegenden Veröffentlichungen der Be­ratungsstelle u. a.Volkstümliche Kunst aus Schwaben", Tätigkeitsbericht", die MonatsschriftFür Bauplatz und Werkstatt", ferner Mappen mit Wettbewerbsaufgaben und Modell-Photographien dürften neben den aufgehängten Pho­tographien aus der durch die Beratungsstelle bearbeiteten Bauausstellung 1908" undAusstellung Kirchlicher Kunst aus Schwaben 1911" sowie den Original-Zeichnungen und Kunstbeilagen ausBauplatz und Werkstatt" das Interesse des Beschauers wachrufen, während die an der linken Seitenwand befindlichen Wettbewersunterlagen zur diesjährigen Ausstel­lung kleinbürgerlicher Wohnräume, schlichte Formen von ein­fachen, billigen und doch gediegenen Möbeln zeigen. Die aufliegenden Photographien heimischer Bauten und Bauteile aus alter Zeit sind der Photographiesammlung der Bera­tungsstelle entnommen und sollen anregen, solche alte gute Motive, die man ja noch überall findet, zu erhalten und für neue Arbeiten als Vorbild zu nehmen. Tritt man von dieser Abteilung in den Vorraum zurück und wendet sich nach rechts, so kommt man zur Ausstellung des Bundes für Heimatschutz in Württemberg. Derselbe zeigt in vielen Photographien und Bildern, die um das bekannte, schöne Heimatschutzplakat gmppiert sind, seine Tätigkeit, die in der Erhaltung und Pflege alter heimischer Schönheiten auf baulichem, landschaftlichem und gärtnerischem Gebiet ent­steht. Ueberarbeitete Pläne von Wohnhäusern und Fried­hofsanlagen, ferner das aufgelegte erst kürzlich vom Bund herausgegebeneSchwäbische Heimatbuch" und seine son­stigen Schriften illustrieren das Wollen und Wirken des ge­meinnützigen Vereins, der in der aufliegenden Einzeichnungs­liste zum Beitritt einladet. Neben dieser Ausstellung sind von der Beratungsstelle außer den vorn erwähnten Tafeln auch eine größere Anzahl Broschüren mit guten Abhandlun­gen über heimische Bauweise und Bauformen, wie auch einige neuere bautechnische Bücher, die zum Ankauf empfohlen wer­den können, aufgelegt. (Forts, folgt.)

Das Kur- und Fremdenblatt enthält in seiner neuesten, heute zur Ausgabe gelangenden Nummer 12 die Kurliste der Bäder Liebenzell und Teinach und der Luftkurorte Calw, Hirsau, Unterreichenbach und Zavelstein. Anschließend an .diese bietet der unterhaltende Text: das Gedicht von Paul Zeech:Meine Seele"; dann längere und kürzere Abhand­lungen über Begebenheiten aus Liebenzell, Teinach, Hirsau, Calw; einen AufsatzHerdenreisen", Lustige Ecke und Gedan­kensplitter.

Theater im Badischen Hof. Das Kurtheater von Bad Liebenzell gab gestern hier sein zweites Gastspiel. Es hatte AnzengrubersMeineidbauer" gewählt und erzielte mit dieser tiefgründigen Bauern­komödie einen durchschlagenden Erfolg. War auch der Besuch ein im Verhältnis zu dem des ersten Gastspiels geringer, so wird angenommen werden können, daß die Direktoren nicht mit Verlust ar­beiten mutzten, was bei der Aufwendung an finan­ziellen Auslagen, an künstlerischer Tätigkeit recht sehr zu bedauern wäre. Der Meineidbauer ist An­zengrubers bestes Werk. In keiner seiner Arbeiten hat er so vollendete Charaktere, so logischen Auf­bau und fließende Handlung gebracht. Er hat seine Bauern mitten heraus aus dem Leben gegriffen und sie in ihrem Trotz, in ihrer Heimatliebe, in all hren guten und schwachen Seiten hingestellt, wie ebenswahrer man sie sich nicht denken konnte. Da ist die Gestalt des Kreuzweghofbauern. Ein Pracht­exemplar von Bauer und von Anzengruber am voll­endetsten gezeichnet, und das war eine Rolle, mit der sich Direktor Bl um au tadellos abfand. Mit grandioser Wucht verlieh er diesem Kreuzweghof-