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179. Amis- und Arrzeigeblatt für den OberamlsbezirL Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oderamts- bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.» außerhalb desselben 12 Pfg.» Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Montag, den 4. August 1913.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung

des K. Medizinalkollegiums, Tierärztliche Abteilung, betreffend die Abhaltung eines Unterrichtskurses für Fleischbeschauer in Stuttgart.

Nachdem die in der Bekanntmachung des Medizinal­kollegiums, Tierärztliche Abteilung, vom 18. Dezember 1912 (Staatsanzeiger Nr. 304) für Stuttgart und Reut­lingen vorgesehenen Unterrichtskurse für Fleischbe­schauer gegenseitig vertauscht worden sind, wird im Falle genügender Beteiligung am 4. September d. Js. im Schlachthof zu Stuttgart ein Unterrichtskurs beginnen.

Anmeldungen sind bis spätestens 23. August d. Z. bei der Schlachthofdirektion Stuttgart einzureichen. Im übrigen wird auf die eingangs erwähnte Bekannt­machung verwiesen.

Stuttgart, den 26. Juli 1913.

Nestle.

Man Schih-Kai.

Von H. Prehn v. Dewitz.

K.-K. Wieder geht ein Zittern durch den gewaltigen Körper des Vierhundert-Millionen-Reiches. Noch hat die Revolution nicht ausgetobt, und der Mann, den das Kaisertum seinen Henker, den die Republik ihren Befreier nannte, steht wie ein schwankendes Rohr im Kampf der Parteien. Ist es nicht, als ob derselbe Mann, der einst der Mandschudynastie das Todesurteil sprach, der in der Eunuchenwirtschaft und der Reaktion der letzten großen Kaiserin Tsu Hsi den Untergang Chinas erblickte, heute selbst reaktionär wäre? Piian- Schih-Kai gleicht nur allzusehr dem Mirabeau der französischen Revolution. Mit der Krone möchte er kompaktieren, und doch auch wieder als Revolutionär gelten kein Spiel aus den Händen geben, um endlich den Sieg der einen oder andern Partei für sich zu nützen. So sehen wir in Man-Schih-Kai eine der in­teressantesten Erscheinungen des heutigen China. Auch sein Leben gleicht, möchte man fast sagen, einer ein­zigen, immerwährenden Umwälzung.Man-Schih-Kai," sagt ein hochgebildeter Chinese von ihm,hat die gu­ten sowohl, als auch die schlechten Eigenschaften der Maste, die er repräsentiert. Er ist ein starker Mann, aber seine Stärke kommt von der Stärke der Begierden und ist daher niedrig und brutal. Ihm eignet ein hohes Maß natürlichen Verstandes, aber eines Ver­standes ohne Feinheit und Zartheit, den man treffend als Fuchs-Verstand bezeichnen könnte. Er ist ein Mann, der zu Enthusiasmus und edlen Antrieben gänzlich un­fähig ist."

Man-Schih-Kai begann seine Laufbahn im Gefolge des Generals Wu Chana-Ching, der von der chinesischen Regierung mit Truppen m Tschemulpo in Korea stationiert worden war. Als Knabe war Man von seinen Angehörigen als gänzlich hoffnungslos aufgegeben und endlich von seiner Familie sogar verstoßen worden. Ein entfernter Verwandter hat sich dann des jungen Taugenichts angenommen und ihn für die Offizierslaufbahn vorbereitet, jedoch an dem Unter­fangen wenig Freude erlebt. Wüst und sinnlich, wie seine ganze ausschweifende Natur, hatte Man in seiner Heimat­provinz Honan ein tolles Leben geführt, bis seine Mittel zur Neige gingen und er vor dem Bankerott stand. Endlich gelang es ihm, etwas Geld von seinen Freunden zu borgen, mit dem er die Ueberfahrt nach Korea bezahlte. Hier fand er dann im Gefolge des Generals Wu Unterschlupf. Doch Man, obwohl in sittlicher Beziehung ein Taugenichts, besaß nicht unbedeutende Fähigkeiten und vor allen Dingen eine vor nichts zurückschreckende Energie. Er arbeitete sich mählich empor, bis es ihm schließlich gelang, durch den Einfluß Li Hung-Changs zum Generaldirektor des Handels und des diplomatischen Dienstes in Korea bestellt zu werden. Aber Man war ein Emporkömmling. Die hohe Stellung blendete seinen Geist und mit protzigen Parvenü- manieren trat er gegen die Japaner hervor. Dadurch wurde das schon von Anfang an gespannte Verhältnis zwischen Chinesen und Japanern auf Korea schier unhaltbar. Mans Großtuerei ging schließlich so weit, daß man ihr die Haupt­schuld an dem nun ausbrechenden Kriege mit Japan beimaß. "

Beim Beginn des Krieges entfloh Man Schih-Kai nach Tientsin. Li Hung-Lhang, der bis dahin sein eifrigster Verfechter gewesen war, nun aber erkennen mußte, wie der Uebereifer seines Schützlings den Krieg verschuldet hatte, ließ ihn fallen. Man war also gleichsam wieder auf der Landstraße angelangt. Aber sein Geist, der nach neuer, rastloser Tätigkeit sich sehnte, ruhte nicht. Von Li Hung- Chang abaewresen, wußte er sich Lei der Mandschu-Aristo- kratie in Peking beliebt zu machen. Li Hung-Chang fiel

bald in Ungnade, und ebenso sehr, wie sein Stern sank, stieg der Mans empor. Erst Korpskommandeur in Tien­tsin, wurde er schon nach kurzer Zeit auf den Eouverneur- posten von Schantung versetzt. In diese Zeit fiel der Boxer- aufstand, den nicht letzten Endes Tsu Hsi und in ihrem Aufträge Man mit verschuldet hatte. Als jedoch die Frem­den siegreich waren, da unterdrückte er mit Feuer und Schwert den Aufstand, und die zynische Grausamkeit, mit der er die irregeführten Bauernjungen des Boxerheeres hinrichten ließ, entzog ihn zwar der Rache der Fremden, sicherte ihm aber auch die Verachtung eines großen Teils seiner Landsleute.

Dann kam der Fall. Im Jahre 1908, wenige Tage nach seinem SOsten Geburtstage entließ ihn die Kaiserin Tsu Hsi, zwar mit Ehren überhäuft, aber doch ein Gestürz­ter. Grollend zog er sich in seine Heimatprovinz Honan zurück.

Inzwischen zieht die Furie der Revolution über das weite Reich der Mitte. Man sieht die Not des Hofes, aber zürnend steht er untätig beiseite. Da rufen ihn in höchster Not die kaiserlichen Vormünder zurück. Als Vize- tönig der beiden Hu-Provinzen, als kaiserlicher Ge­neralissimus, künftiger Premierminister und kaiser­licher Vormund hält er seinen Einzug in die Hauptstadt. Was wird Man nun beginnen? Zwei Wege standen ihm offen: entweder suchte er mit Waffengewalt die Aufständi­schen zu unterdrücken, oder er verlegt sich aufs Kompaktieren. Man hatte zunächst den gewaltsameren Weg gewählt, doch es fehlte an Geld. Da ruft Man den gesamten kaiserlichen Elan zusammen und fordert Geld. Die Prinzen sollen ihre Privattresors öffnen zur Rettung der Dynastie. Aber umsonst ist sein Appell. Kaum 250 000 ist die ganze Summe, die er so zusammenbringt. Nur noch schwache Versuche sind es, die Man jetzt zur Rettung der Krone unternimmt. Schließlich neigt er stch immer mehr der Re­publik zu sie wird die siegreiche sein und als Be­vollmächtigter Organisator der Republik gibt er endlich Chinas auswärtigen Gesandten Nachricht von der neuen Staatsform.

Am 16. Februar 1912 trat Sun Mt Sen von der Prä­sidentschaft zurück und einstimmig von allen Provinzen ward Man Schih-Kai zum Präsidenten der chinesischen Republik gewählt. Das ist der Mann, auf den heute die Augen der Welt mit Spannung blicken.

London» 2. August. Aus Schanghai wird ge­meldet, daß Admiral Tseng eine Proklamation er­lassen hat» die für die Auslieferung der Rebellen­führer, tot oder lebendig, Belohnungen verspricht.

Stadt» Bezirk «ad Nachbarschaft

Calw, 4. August 1913.

Die Baugewerbliche Wanderausstellung, welche von der K. Beratungsstelle für das Baugewerbe z. Zt. hier veranstaltet wird, ist gestern vormittag 11 Uhr eröffnet worden. Vom K. Oberamt war Reg.-Rat Binder erschienen, für die Stadtgemeinde Calw Stadtschultheiß Conz; ferner Oberamtsrichter Hölder; die Vertreter des Bezirks-, Handels- und Gewerdevereins: Uhrmacher Zahn, Stadtpfleger Dreher, und viele andere Gewerbetreibende, Hand­werker, Bauleute usw. Die Führung übernahm der Leiter der Ausstellung, Architekt Schitten- Helm, der in sachkundigen Ausführungen die aus­gestellten Arbeiten erläuterte und auf diese Weise den Anwesenden Winke zur fruchtbaren Betrachtung des zu Schauenden gab. Wir werden in späteren Aufsätzen die Ausstellung ausführlich besprechen.

Konzert der Concordia. Der Gesangverein Con- cordia trat am Samstag abend mit einem gut ge­lungenen Konzert wieder einmal vor die Oeffentlich- keit. Dem Konzert war schon von vornherein eine zug­kräftige Note durch die Herbeiziehung zwei anerkannt erstklassiger Solokräfte beitzegeben: Der Opernsängerin Frl. Martha Weber aus Kiel und des Klavierkünst­

lers Allekotte aus Cöln beide in Calw immer

recht willkommene Gäste. Unter Leitung von Haupt­lehrer Pfrommer brachte der Verein selbst 6 Män­nerchöre zum Vortrag. Alle ernteten sie unter den zahl­reich erschienenen Besuchern den verdienten Beifall. Die Chöre waren mit großem Fleiß ein- und ausgearbeitet, Dirigent u. Sänger hatten sich gleicherweise eifrig in die zu bewältigenden Aufgaben geteilt und so mag gesagt sein, daß das Konzert einen recht guten Eindruck hinter­ließ. Von den Chören gelang am besten C. M. von WebersLützows wilde Jagd", das rein und ausdrucks­voll herauskam,' dieEermanenliebe" von Wengert hat dagegen nicht durchweg befriedigt.Noch ist die blü-

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich» Post- KezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20» im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.» in Bayern und Reich 42 Pfg.

I hende, goldene Zeit,"Der frohe Wandersmann" von

Mendelssohn,Die Nacht" von Schubert und:Vater ich rufe dich" von Himmel gelangen jeweils ohne grobe Fehler, sodaß am Schluß hinter der tüchtigen Sänger­schar und ihrem sicheren Leiter ein ordentliches Stück Arbeit, gut und mit voller Hingabe geleistet, lag. Einen Glanzpunkt im Programm bildete das Auftreten von Frl. Martha Weber. Es ist schließlich Geschmacks­sache, welcher der Vorträge am tiefsten wirkte, schön, restlos schön waren alle. Uns persönlich schienMig­non" die Perle im Kranz ihrer Gesänge. Und neben ihr war Allekotte in mehreren Kompositionen von Debussy und als Begleiter der Sängerin am Flügel zu hören! Zwei Künstler, die so verschwenderisch mit ihren glänzenden^ Gaben schalten dürfen, das war viel für einen Abend, und wir danken es der Concordia herzlich, daß sie uns mit ihrem Konzert Gelegenheit zu solch einzigem Genuß gab. Wir wünschen, daß die Con­cordia ihre aussichtsreiche Bahn noch weiter verfolgt, würden vor allem zu ihrem und des Schwäbischen Sängerbundes Nutzen wünschen, daß sie bald den Weg zu diesem findet.

8t. Staatsbeiträge zu Kirchen-, Pfarrhaus- und Schulhausneubauten 1812. Zu Volksschulgebäuden haben erhalten in unsrem Oberamt: Dennjächt 3500 -4t, Un­terreichenbach 3200 -4t; zu Schullehrersgehalten: Agen- bach 130 -4t, Alzenberg 1250 -4t, Dachtel 120 -4t, Unter­reichenbach 300 -4t, Dennjächt 1100 -4t, Ottenbronn 1300 Mark. Die Gesamtsumme der im Rechnungsjahr 1912 verwilligten Staatsbeiträge beläuft sich auf 257 880 -4t zu Schullehrergehalten an 257 Gemeinden. 35 Ge­meinden erhielten zu evangelischen Kirchen- und Pfarr­hausbauten 81200 -4t, 7 Gemeinden zu katholischen Kirchen- und Pfarrhausbauten 21170 -4t, 104 Gemein­den zu Volksschulgebäuden 280 230 -4t.

Das Fußballspiel in den Straßen unserer Stadt sollte streng verboten werden. Leicht kann mit dem Ball ein Stein usw. einem Paffanten ins Gesicht und bei schmutzigem Boden der Straßenkot an die Kleider geworfen» auch die Schaufenster beschädigt werden, wie es kürzlich geschah. (Einges.)

scb Mutmaßliches Wetter. Für Dienstag und Mittwoch ist fernerhin trockenes und warmes Wetter zu erwarten.

Hirsau, 3. Aug. Das liebe alte Hirsau machte gestern ein gar fröhliches Gesicht. Sonnenschein, bunt­bewimpelte und beflaggte Straßen, strahlende Gesichter von Groß und Klein wer möchte da nicht mittun? Galt es doch, die schmucken Kuranlagen, die nunmehr neben dem Kloster mit Recht den Stolz des Hirsauers bilden, offiziell ihrer Benützung zu übergeben. Das war schon wert, ein Fest in großem Stile abzuhalten! Wochenlang waren von der Kurverwaltung, an deren Spitze Schultheiß Majer steht, Vorbereitungen ge­troffen worden. Die Festlichkeit nahm ihren Anfang nachmittags kurz nach 2 Uhr. Auf der Liebenzeller Straße setzte sich um diese Zeit ein schöner Festzug durch den Ort in Bewegung, beschaut und bestaunt von einer unzähligen Menschenmenge, die die Straßen, die male­risch dekorierte Brücke, die Kuranlagen besetzt hielt. An der Spitze des Zuges schmetterte die Stadtkapelle von Calw ihre Weisen prachtvoll in die sommerliche Luft, der Musik folgten die Eemeindekollegien, Touristen, kostümierte Kurgäste, dann in liebreizender Versinnbild­lichung durch Kindergruppen dargestellt: Handel, Ge­werbe, Land- und Forstwirtschaft! schließlich Schüler und dann Märchengruppen. Sie alle einzeln zu beschreiben würde zu weit führen; eine überbot die andere an Sin- nigkeit und Lieblichkeit (man denke an die Kinder­taufe!) und Veranstalter und Mitwirkende mögen ih-- ren Lohn in der von allen Zuschauern erzeigten freund­lichen und anerkennenden Aufnahme finden. Nachdem dann der Festzug, der mehreremale photographisch aus­genommen wurde, in den Kuranlagen eingetroffen war, hielt Schultheiß Majer eine schwungvolle Festrede. Er übergab darin die Anlagen offiziell als Kuranlagen von Hirsau der Benützung, erwähnte die ersten Kurgäfle und die Zeit, da Hirsau zuerst zum Kuraufenthalt auf-