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Nr. 23
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Samstag, den 2. Februar 1929
102. Jahrgang
Der Reichskanzler bei Hindenburg
Die Koalitionsoerhandlungen werden fortgesetzt
TU. Berlin, L Febr. Der Reichspräsident emp'ing gestern den glcichskanzler zum Vortrag über die Kragen der NcgicrnngSbttdung. Der Ncichspräfident hat in der Unterredung mit dem Kanzler dessen Bemühungen gebilligt und ihn ermutigt, den Versuch um eine stabilere Negierung fortzusctzen, zumal unter dem Grsich.spnnkt der bevorstehenden wichtigen Neparatiousverhandlungcn.
Gestützt ans die Autorität Hindcnbnrgs hat Müller- Franken schon gestern Nachmittag die angeknüp'ten Fä- den weitcrgcsponncn. Er empfing zunächst den volksparteilichen Abgeordneten Dr. Scholz, und dann die Zmtrums- abgeordncten Dr. Stcgerwald und K a a s. Tie Unter, rednng nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Als Ergebnis dieser Besprechungen kann festgcstellt werden, daß sich eine Aenderung der Lage zunächst noch nicht ergeben hat. DaS Zentrum hält nach wie vor an seiner Forderung fest, daß eine Umbildung der Ncichsreglerung schnellstens erfolgen müsse. Die Hanptschwierigkeit der Verhandlungen liegt nach wie vor in der Frage der Erweiterung der preußische» Negierung.
KoaNtiooSverhandlnngc« beim prenßischen Ministerpräsidenten
Der prensttsche Ministerpräsident Brann hat die Irak- tionen. die gegenwärtig an der Negierung in Prenstcn beteiligt sind, Zentrum. Sozialdemokraten und Demokraten, gestern zu einer Besprechung empfangen, um die Frage der Erweiterung der Negierungsbasts in Preusten zu erörtern Das Zentrum erklärte, cS hatte an keiner Forderung dreier Ministersitze sest. Bon sozialdemokratischer Sekte wurde erklärt, dast man eine Bertrctuug verlange, die der Grösse der Partei entspreche. Die Demokraten erklärten sich bereit, Opfer zu bringen, wiesen aber darauf hin, Last sie nicht die einzigen sein wollten, die Opfer brächten.
Wie die D. A. Z. erführt, hat -er Zcntralvorstand der Deutschen Bolkspartct gestern eine Slßung algehalten. Tie Lage ln den Berhandliingen nin die Grobe Koalition wird von den Blättern allgemein als nngewlk bezeichnet. D.A.Z. spricht davon, dast -war eine gewlsse Anslockcrnng erzielt fet, dast aber Lie eigentlichen Schwierigkeiten «roch nicht auf
geräumt seien. Das Berliner Tageblatt sagt, daß der groben Koalition in Prenssen die Wege geebnet seien, könne man einstweilen noch nicht sagen.
Das Warlesüindsbeamlenqesetz im Reichstag abgelehnt
TU. Berlin. 3. Febr. Im Reichstag wurde gestern bas Warle ft andsbeamtengesctz in der namentlichen Schlnssabstimmung abge lehnt. Es wurden insgesamt 412 Karten abgegeben, davon 25g mit Ja, 122 mit Nein und <0 Enthaltungen. Präsident Löbe stellte fest, dast die Er- sordcrnissc des Paragr. 76 der Verfassung damit nicht er- füllt seien und das Gesetz vom Reiche tag aügelehnt sei. Dagegen stimmten Dcutschnationale. Kommunisten und Nationalsozialisten, mährend sich der gröste Teil der Fraktionen der Bayerischen Volkspartci und ein Teil des Zentrums der Stimme enthielten. Um die Zweidrittelmehrheit zn erreichen, hätten 276 Abgeordnete dem Gesetz -ustlinmen müssen.
Im Interesse -er Wartcgcldempfänger ist dies ein sehr bedauerliches Ergebnis. Denn wenn der Entwurs auch an mancherlei Schwächen krankt, lo würde er. wenn er ange. nommcn worden wäre, doch bis zn einem gewissen Grad den Forderungen dieser Gruppe gerecht geworden fein. Darüber hinaus zeigte die Ablehnung des Geletzes, die nur mit Oilse einer Ak-splitternng von der Negternngssront möglich war, wieder einmal, wie schwer eS Ist, in sachlichen Fragen rin Auseinandersallen der Regierungsparteien L» verhindern.
DaS -we'te Thema de» TageS war die Handwerk 8- novelle, die der Nelchswirtschastsminister Dr. EnrtinS gegen die verschiedenen AbändernngSanträge der Part-I-n in ihrer reinen Form verteidigte. I n Mittelpunkt deS E t- wnrfs steht das Wahlrecht, nm das sich denn auch die Debatte drehte.
DaS Wochenende kost der Anbenpolitik gewidmet we^d-n, insbesondere dem Kellogpakt. über den der Nci hS- ailsenminlster persönlich referieren wird. In unterrichteten Kreisen nimmt man freilich nicht an. dast sich daran eine grosze Debatte' anknüpsen wird. Die in d»r Negierung vertretenen Parteien werden sich voraussichtlich mit kurzen Erklärungen begnügen.
Pomcars über den Autonomismus
Schwere Ausfälle gegen Deutschland
Sturmszencn in der sranzSstschen Kammer.
— Paris, 2. Febr. Poincare versuchte gestern bet der Elsast-Debalte l» der Kammer den Nachweis zu erbringen, dast die Verstimmung des Elsast, zu der weder die Wirtschaftslage noch die Kirchen- und Schulpolitik Frankreichs Anlast gegeben, auöschllestltch Las Werk der für die Los. retstnng von Frankreich gerichteten Machenschaften der Au» tonomLstcn sei. Wie mit einem Schlage wandelte sich die atmosphärisch lässige Indifferenz, mit der die Kammer zwei Tage lang seinen AnSfüf.rnngen sokgte. Schon nach den ersten Sätzen des Ministerpräsidenten brach der Sturm los. der während der ganzen Sitzung nicht mehr zur Ruhe kommen wollte. Seit den Kämpfen gegen das Kartell im Sommer 1026 hat die französische Kammer derartige Lärm- szenen nicht mehr erlebt. Der Protest der Elsässer, bas wilde Geschrei, mit dem man ihre Erklärungen zu übertönen versuchte, verhinderte den Ministerpräsldcnteu minutenlang am Weilerreden. Der Sturm erreichte seinen Höhepunkt, «IS nacheinander drei oder vier Aügordnctc deS Elsast' Polncare Nachweisen konnten, dast er wiederholt falsch und tendenziös zitierte und der Antonomicbewegung Aensscruugen der ln Berlin erscheinenden rlsast-lothringischen .Hctmatstlinme" in die Schuhe zu schieben versucht hatte. 800 Abgeordnete schrien wild durcheinander.
Polnearä kam u. a. anch ans die Rückwirkungen der anto- nomlstifchen Bewegung an das AnSkand und besonders, wie er hervorhob. die .Alldeutschen" z« sprechen. Die Alldeutschen verhehlten nicht, dast sie gegebenenfalls -cm Elsast moralische Unterstützung bei einem Handstreich gewähren würden. Die PropaganbasonLS deS NeichshauShaltS über, stiegen 680 Millionen Franken. Könne man glauben, dast die Vorkämpfer deS Deutschtums tm Ank-Iand vergessen wor. den seien? Wenn die elsäfs'sch;« Ankonomisten die Th s.' »er nationalen Minderheiten «nte-stützten. so erweckten sie in Deutschland einen leb-a'ten Widerhall. Glücklicherweise sähen die deutschen Sozialdemokraten die Gefahren dieser Kampagne für den Frieden. Brian- habe dem Ausland zn verstehen streben, k ist ckn Gesuch der antononilstlschni latoren au den Völkerbund von diesem nicht angenommen
würde, da Frankreich nach den Bestimmungen des Versailler FrtedenSvcrtragcS seine volle Oberhoheit über Elfast- Lothrlngcn wicdergewonnen habe.
Im Kokmarer Prozess sel sestgestellt worden, dast verschle-
'dene Angeklagte um bedeutende UuterstützungSzclder ln Deutschland nachgekommen seien. Trotz der schweren Schuld habe die Negierung Nicklin und Ross? begnadigt. Eine Amnestie sei hente keineswegs angezcigt, La dies als eine Ermutigung zn Versuchen nationaler Verstümmelung angesehen werden könne. Poinears wandte sich dann an die elfässischen Partloten In allen Parteien nnd forderte sie ans, gegen den AutonomismnS Front zu machen und eine sran- zösische Propaganda lns Leken zu rnscn.
Unter den von dem Ministerpräsidenten anfgegählten Mahnahmen gegen den Antonomismiis befand sich u. a. die Schaffung einer Funkssat'on im Elsast »nd die Beibehaltung einer Generaldirektion für elsast-lothringis he Angelegen. Heiken. Die Rede Poinear^S klang in ein pathetisches .Nein" a»S. »Nein", erklärte er u. a., .das Elsast ist keine nationale Minderheit, nein, das Elsast log nicht, als es lm Jahre 1871 für die patriotischen Abgeordneten stimmte, es log nicht, als 1V14 so viele seiner siingcn Leute zu unseren Heeren eilten nnd nach dem Waffenstillstand unseren Soldaten nnd Vertretern der öffentlichen Macht einen begeisterten Empfang bereitete. Nein, eS log ntht, als es den 140üO"0 Toten huldigte, die es von dem deutschen Joch befreiten."
- Als Poinearä seine Rede schloss, erhoben sich die Abgeordneten feierlich von ihren Plätzen.
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Die Ausführungen PolneareS kommen inhaltlich den Anschuldigungen gleich, die seinerzeil Im Kolmarcr Prozcst gegen die Helmatbewegiing nnd gegen Deutschland erhoben wurden. Polncars hat es für richtig gehalten, ohne anch nur den Schatten eines Beweises zn haben, diese haltlosen Aiischnldigiliigcn zu wiederholen, obgleich sie allesamt im Kolmarcr Prozest bereits widerlegt wurden. Ob er damit seiner Sache dient, sei dahingestellt. Das Elsast hat bekanntlich die Beschuldigungen des Kalmarer Prozesses bereits einmal damit erwidert, dast es die beschuldigten Heimat- büuüler in die sranzösische Kamurer entsandt«.
Tages-Spiegel
Der Reichskanzler hat gestern »rm Reichspräsidenten übe» stine Sondierung:« zur Regierungsumbildung Bericht erstattet. Hindenbnrg hat de» Kanzler gebeten, seine Ve» miihungen sortzusetzen.
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Ministerpräsident Brann hat mit Partcivertretern »i« Koalitions' age in Prcuhen, die bekanntlich drS Hin- « Hindernis sür die Umbildung der NrichSregierrrns bildet, besprochen.
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DeS Wartestandsbeamtengesetz iand im Reichstag nicht di« nötige Zweidrittelmehrheit. Ein Teil d.S Z^ntemms nnd de. Bayerische» Lollspartci enthielte« sich der Stimme.
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Der Rcparatlonkageyt ist in Pa-is eingetroffcn; er wi^d am Mon'ag ln Berlin seli «nd ron hier gemcin'im mit dm deutsche« Sachverständig:« zur Konferenz «ach Paris fahre«.
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Poirwarci bes-^ldi-te in der fran-öfis^n Kammer Deutsch« lard. die Anlonomkebcwcgnng im Elsast augezettelt »i» habe«.
Der Antrag der d-n^fch-n Begicrn-g über die Nc-ch'e d?» Minderheiten ist an das Generals krelariat deS Völker« bnnd S abgegangen. Er soll ans die Tageso dnnng de» nächsten Tagung deS BölkerbundSratcS» die Anfang Mär» in Gens beginnt, gesetzt «erden.
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Aman Nssah bat seine Abdankung »''iziell zn'-«^"ezogev nnd eine nationale Negierung in Kandahar gebi'd t.
Der Reporalionsas.ent in Poris einqelrossen
TN. Paris, 2. Febr. Parker Gilbert traf am Frei, tag abcrc-S in Paris ein, wo er vier Tage bleiben wird. Er wird non Polncare empfangen werden und eine Unterredung mit dem Gouverneur der Bank von F-ra.rckreich, Morenn, haben. Nach einem kurzen Aufenthalt in Ver»> tin. wohin er sich am Montag begibt, wird er mit den deutschen Sachverständigen nach Paris zurückkchrcn, um an ihren Arbeiten tcllznnehmcn.
Tie amerikanischen Sachverständigen Morgan, ?)o»ng. PerkinS »nd Lamont sind gestern an Bord der .Aanitania" nach Europa abgrrelsi.
Vizepräsident Da wes beabsichtigt eine Enroparelie z» unternehmen. Diese Absicht erweckt im Hinbllk ans die bevorstehenden Ncparationsverhandliingeu starkes Interesse.
§ührerwcch''el
in der Ischechoslowakijchen Remernng
Rücktritt deS Ministerpräsidenten Swehla.
TN. Prag, 2. F-ebr. Der Präsident der Republik hat da- Nücltrltlgcfuch des Ministerpräsidenten Swehla angenommen »nd den ebenfalls der tschechischen Agrarpartei an- gchörenden Natloiialverteldigungsminlster ULrzal mit der Führung der Negierung betraut.
Sewhla war seit November 192? durch Krankheit tatsächlich verhindert, den Vorsitz der Negierung zn führen. Di« hente erfolgte Lösung wird in Ncgicriingskrciscn in dem Sinne koinwentlcrt, dast man mit der baldigen Wiedcrher. stettung Swchlas rechnet und Ihm seinen bisherige,, Posten als Ncglernngschcs ofsenhält. In Oppositionskreiscn erklärt man, Latz der so gefundene Niikivcg keine LSinng, sondern eine neue und noch unhaltbarere Zwischenlösung Larstell« als Lie alte.
Neue Källewelle über Deulschlond
TU. Berlin, 2. Febr. Seit DonnerötaF abend ist ganz Deutschland von einer strengen Kältewelle ersaht worden. Die Tempcratnrcn sind Über Nacht bet klarstem Himmel bis zu 28 Grad unter Null In den östlichen Gegenden gefallen. Ostobcrschlesicn »nd Schlesien melden 28 Grad. In Königsberg sind 24 Grad gemessen worden, in München 17 »nd in Franksurt a. M. II Grad. Nachen dagegen hat nur I Grad minus und meldet heute morgen sogar S Grad Wärme. An der westlichen Grenze Deutschlands schneiden die Temperaturen wie mit dem Messer ab. Frankreich hat regnerisches Wetter nnd bis zu ll Grad Wärme.
Zur Erklärung sür diesen »ngehenren Kältcelnbrnch über Deutschland lässt sich kurz sage», dast ein eisiges Hoch, drnckgcbict, daS über Russland senützt, nach dem Westen zu oorgestossen ist und mit gewaltiger Kraft die ansgekommenen wärmeren Ticks verdrängt hat. Mit einer längeren Taue» -er Frostperiode must gerechnet werde».