Leonberg, 30. Juli. Am vorigen Freitag ist in Gert- lingen beim Turnen der 22 Jahre alte Theodor Roos, als er den Handstand auf dem Barren machen wollte, so unglücklich auf den Kopf gestürzt, daß das Rückgrat verletzt wurde und er sofort an Händen und Füßen gelähmt war. Man brachte ihm am Montag nachmittag im Automobil in ein Stuttgarter Krankenhaus, wo er gestern gestorben ist.

Reutlingen, 30. Juli. Zur Sekretärswahl im alten Eisen­bahnverband haben die Obmannschaften Reutlingen einmütig beschlossen, für den Abgeordneten Fischer-Heilbronn einzu­treten und dessen Wahl auch ihren Kollegen zu empfehlen. Der frühere Sekretär Roth läßt Mitteilen, daß sein Entschluß von Aalen, das Sekretariat abzugeben, ein endgültiger war und an eine Abänderung deshalb nicht zu denken sei.

Münfingen, 30. Juli. Der Musketier Feier­abend von der 3. Kompagnie des Ulmer 127. In­fanterieregiments hat sich auf dem Truppenübungs­platz von seinem Regiment entfernt und wird wegen Fahnenflucht steckbrieflich verfolgt.

Geislingen, A. St. 30. Juli. Infolge der Eingemein­dung von Altenstadt, befinden sich im Stadtgemeindebezirk nun zwei öffentliche Schlachthäuser, die beide im genossenschaft­lichen Privatbesitz der Metzgermeister stehen. Da beide noch ziemlich neu sind und das eine an der südlichen und das an­dere an dxr nördlichen Peripherie der Stadt liegt, so ist eine Konzentrierung des Schlachthausbetriebs oder die Aufhebung eines Schlachthauses nicht gut möglich. Die Metzgerinnung hat nun den Antrag gestellt, eine Schlachthausordnung in der Weise zu bestimmen, daß die im alten Geislinger Wohnbezirk wohnhaften Metzger, Wirte und Private nur im bisherigen Geislinger Schlachthaus, aber nicht im Altenstadter Schlacht­haus schlachten dürfen. Der Gemeinderat ließ sich auf diesen Antrag nicht ein und läßt es den Beteiligten frei, ob sie im bisherigen Geislinger oder Altenstadter Schlachthaus schlach­ten wollen.

Tuttlingen, 30. Juli. Eine Anzahl kleiner Buben spielte in Wurmlingen Serben und Bulgaren und warf mit Steinen nach einander. Der 6jährige Knabe des Straßen- warts Engeser wurde an die Schläfe getroffen und so schwer verletzt, daß er im Bezirkskrankenhaus verstarb.

Friedrichshafen, 30. Juli. Heute nachmittag 2,15 Uhr verließ das Konigspaar im Automobil feinen bisherigen Som­meraufenthalt in Bebenhausen. Die Fahrt ging den nächsten Weg über Reutlingen-Zwiefalten-Ravensburg hieher, wo die Ankunft um V-6 Uhr erfolgte. Der König und die Königin wurden lebhaft begrüßt.

»«« Welt «nd Zeit.

Hanau, 30. Juli. In dem Städtchen Lohr in Unter­franken ereignete sich ein furchtbares Ehedrama. Der 31jährige Glasarbeiter Mysac mißhandelte seine 28jährige Ehefrau, weil sie ihm Vorwürfe machte, als er betrunken nach Hause kam. Als sich der Mann ins Bett gelegt hatte, erschlug ihn die Frau mit einem Beil. Nach der Tat flüchtete sie mit ihren vier Kindern zu ihrer Mutter, wo sie verhaftet wurde.

Frankfurt a. O., 30. Juli. Heute morgen ist der Raub­mörder Sternickel hingerichtet worden. Seine beiden Kom­plizen Kersten und Schliewenz wurden im letzten Augenblick zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Als Sternickel das Urteil vom Staatsanwalt vorgelegt wurde, erkannte er das Urteil nicht an, wohl aber die Unterschrift des Kaisers. Der Kaiser hatte das Urteil auf derHohenzollern" unter­schrieben.

Höchst a. M., 30. Juli. In Hofheim a. T. hat sich gestern abend eine blutige Liebestragödie abgespielt. Der 25jährige Arbeiter Kilb aus Ehlhalten, der mit der 21jährigen Emilie Pikarli ein Verhältnis unterhielt, verlangte von dieser in eine baldige Hochzeit einzuwilligen. Das Mädchen lehnte das jedoch ab mit dem Hinweis darauf, daß es noch zu jung sei, und wollte das Verhältnis lösen. Darüber kam es zwischen beiden zum Zerwürfnis. Kilb feuerte auf seine Braut drei Schüsse ab, durch die diese sofort getötet wurde. Darauf gab der Mörder zwei Schüsse auf sich selbst ab, die ihn schwer verletzten.

Hamburg, 30. Juli. Eine Versammlung der hiesigen Ortsgruppe des Metallarbeiterverbandes, die sich mit dem Werftarbeiterausstand und der bevorstehenden außerordent­lichen Hauptversammlung des Verbandes in Berlin beschäf­tigte, hat einen sehr erregten Verlauf genommen. Die Red­ner griffen die bekannte Haltung des Vorstandes, keine Streik­unterstützung zahlen zu wollen, aufs schärfste an. Es liefen verschiedene Anträge des Inhalts ein, die Machtbefugnis der Verbandsleitung weitgehend zu beschränken. Auf beschwich­tigende Einwendungen von anderer Seite wurden diese An­träge zurückgezogen, dafür wurde aber ein Beschluß gefaßt, als Delegierte nur solche Personen nach Berlin zu schicken, die dort vorbehaltlos die Berechtigung des Werftarbeiteraus- stands vertreten wollen.

Goerlib, 30. Juli. Auf dem Truppenübungsplatz Neu­hammer erlitt heute bei der Besichtigung des Inf. Regiments Nr. 58 der Kommandeur des Regiments, Oberst Boder, einen Schlaganfall. Er türzte vom Pferde und verstarb nach der Einlieferung ins Garnisonslazarett.

Graz, 30. Juli. Zur würdigen Begehung des Geburts­tages Peter Roseggers hat sich ein Ausschuß gebildet. Diesem

Ausschuß, der die Verleihung der Doktorwürde an Rosegger durch die Wiener Universität, seine Ernennung zum Ehren­bürger der Stadt Graz betrieb, ist vom Verleger des Dichters, Staakmann in Leipzig, eine Stiftung von 1000 Exemplaren des Roseggerschen BuchesWaldschulmeister" zugewiesen worden. Die Bücher wurden, auf Vorschlag des Ausschusses an die steirischen Gefangenenhäuser, Zwangsarbeitsanstalten, Kranken-, Siechen- und Waisenhäuser, Volk-, Bürger- und Mittelschulen sowie an die Volk- und Südmarkbüchereien zu­gemittelt.

Die Konferenz in Bukarest.

Bukarest, 30. Juli. Die Friedensunterhändler haben beschlossen, über den sachlichen Inhalt der Sitzungen keine Mitteilungen an die Presse gelangen zu lasten. Ueber die Be­sprechungen der Vertreter untereinander verlautet, daß vor al­lem die Einstellung der Feindseligkeiten vor dem Beginn der Konferenz erörtert worden sei. In dieser Beziehung wirkte die Ankunft des griechischen Ministerpräsidenten Venizelos mäßigend auf die Ansprüche Serbiens, so daß gehofft wird, daß die Konferenz nicht unter Kanonendonner eröffnet werden wird. Die Verbündeten erklären, daß sie ihre Bedingungen, gemeinsam stellen und es dadurch Bulgarien unmöglich ma­chen würden, mit einem allein Frieden zu schließen. Die all­gemeine Stimmung in Bezug auf den voraussichtlichen Ver­lauf und die Dauer der Konferenz ist günstig. Es besteht die Hoffnung, daß man in 1014 Tagen am Ziel sein wird.

Bukarest, 30. Juli. Die Sitzung der Friedenskonferenz begann um 4 Uhr. Ministerpräsident Majorescu hieß die Er­schienenen im Namen des Königs und der rumänischen Re­gierung willkommen. Der Vorschlag, dem Ministerpräsident Majorescu den dauernden Vorsitz bei der Konferenz zu geben, wurde durch Akklamation angenommen. Ministerpräsident Ve­nizelos erklärte, daß die Missionen dem Vorschlag einer Auf­hebung der Feindseligkeiten zustimmen. Die Sitzung wurde dann unterbrochen, um den militärischen Sachverständigen Ge­legenheit zu geben, das Abkommen über die Einstellung der Feindseligkeiten zu redigieren. Nach Wiederaufnahme der Sitzung billigte die Konferenz das Protokoll über einen Waf­fenstillstand von 5 Tagen. Die Konferenz vertagte sich dann auf morgen 4 Uhr nachmittags. Um 6 Uhr wurde Minister­präsident Venizelos vom König in Audienz empfangen.

Kmina.

15) Roman von Gerhard Büttner.

Sonst hätten seine Korangesetze nie neben al­len Liebesgeboten das Schwert zum Eroberungs­werkzeug für seine Philosophie-Religion erhoben. Auch der Frau hätte er sonst im Koran mehr Bewegungsfreiheit gelasten. Die Mohammedanerin engen ja in gewissem Sinne heute nicht mehr alle diese sklavischen Gebote dieses Propheten ein. Die Zeit hat sie mit Hilfe der revolutionären Bewegungen gemildert. Eine der strengsten islamiti­schen Vorschriften, die die Frau durch den Koran treffen, steht in Surre 24,31 und lautet:Und sprich zu den gläubigen Frauen, daß sie ihre Blicke Niederschlagen und ihre Scham hüten und ihre Reize (unter den Reizen ist allein das Gesicht verstanden) zur Schau tragen, es sei denn, was außen ist, und daß sie ihren Schleier über den Busen tragen . . . und sollen nicht ihre Füße zusammenschlagen, damit nicht ihre verborgenen Zierate bekannt werden." Heute ist das ja schon reichlich anders. Zwar ist daheim der Schleier noch nicht offiziell und überall gewichen. Doch wie auch Sie hier in Deutschland, Amina, so gibt es auch schon in der Heimat zahlreiche Frauen, die wie unsere westlichen Europäer frei ihr Antlitz und ihre ganze Schönheit den Männern öffentlich preisgeben. Und nicht Unsitte ist diese neue Bewegung, die dem Korangesetz einen Teil seiner stärksten Kraft raubt. Es ist eine gebieterische Sitte. Gott hat die Frau zur Gefährtin des Mannes geschaf­fen. in weicheren ergänzenden Formen. Und verschönen soll das freudige Antlitz der weiblichen Schönen die Tage der schaffenden Männer, glätten die düstern Falten de: Sorgen der Männerwelt. Und nicht nur die Ehe­frau dem Gatten, daheim, wo kein drittes Ohr, keine forschenden Fremdenaugen das hohe Lied von der Näch­stenliebe predigen können, ohne falsche Bachantenkünste, ohne buhlerische Gebärden, die zu unsittlichen Empfin­dungen Anlag geben könnten. Wie in Europa!

Sehen Sie sich hier auf der Straße um. Stört Sie das Lächeln der Herren, beleidigt Sie der Männerwelt nachforschender Blick? Die Welt ist für jeden, für die Augen der Frauen und für die Augen der Männer.

Nichts ist unrein, was nicht Absichtlichkeit enthält. Das werden Sie ja in den Tagen Ihrer italienischen und deutschen Zeit bereits selbst erfahren haben. Sie selbst tragen hier keinen Schleier mehr. Als Moham­medanerin würden Sie in Ihrer Heimat sicher wieder denselben der Leute wegen anlegen. Sagen Sie selbst, ist das nicht einfach lächerlich?"

Mir scheint fast, daß Sie Recht haben," warf Amina ein.

Sehen Sie," fuhr erfort,auch Sie stimmen mir zu. Unsere heimatlichen Schönen stimmen mir eben­falls zu. Ich habe vor wenigen Wochen in Konstanti­nopel einen Vortrag gehalten.Was die türkischen Frau ohne Schleier für eine Macht hat," war mein Thema. Hätten alle, die mich hören wollten, dabei sein können, so wären alle Moscheen unserer Hauptstadt überfüllt gewesen, wenn ich mir den Raum derselben zusammengelegt denke. So habe ich nur einigen Tausend darin näher kommen können, es ihnen zu erklären, daß die Frau es vielfach in der Hand hat, die Staatsregie­rung vorteilhaft zum Nutzen des Volkes zu beeinflussen, Und das durch zwei markante Punkte: Fordert Duld­samkeit und lehrt sie; fordert Achtung und gebet sie! Ein Staat, in dem die Männer achten lernen, zunächst die Frauen als ein hohes und edles Gut dieser Welt werden sie auch achten können: den Wert des weiblichen Willens, des allgemeinen Volkswillens; denn wo der Mann den Willen seiner Frau achtet, wird er unbewußt auch den Willen seiner Nachbarin und wohl auch seines Nachbarn achten. Damit ist die Brücke ge­schlagen, die zum Verständnis der Lebensbedürfnisse aller Volksklassen führt: denn die Nachbarn, die sich achten, werden auch gemeinsame Erfahrungen aus- tauschen und sich Neuerungen, welche Verbesserungen bieten, nicht verschließen.

Zum andern die Duldsamkeit. Sie ist die Grundbe­dingung für jede Achtung. Ich kann nur dort Achtung genießen, wo ich geduldet werde. Wo eine Frau ge­duldet wird, da wird es ihr auch leicht fallen, für sich und die ihr Sinnesverwandten eine Achtung zu errin­gen. Die Frau ist dem Manne in so vielen Staaten ein Ehrenbegriff. Auch in der Türkei. Wir Türken haben zwar bisher nur das verschleierte Bild von Sais in der Frau geehrt, aber ich betonte schon: die Aende- rung ist im Gange. Wir lernen jetzt das entschleierte Bild als Krone der Schönheit göttlicher Schöpfung ver­ehren. Und der Koran er lügt er hat sich über­lebt an allen Stellen, wo er der Frau verbietet, ihre schöpferische Schönheit in den Dienst der Lebens­forderungen zu stellen, die dahin gehen, dem Manne zu zeigen, daß das Weib dazu da ist, die Härten ab­zuschleifen, welche der rauhe Alltag mit seiner Werk­tätigkeit bietet. Indem das Weib aber dem Alltag seine Widerwärtigkeiten nimmt, gibt es dem Manne die Kraft, sich zu besinnen, daß er dazu da ist, auf Voll­kommenheit des Menschenlebens hinzuarbeiten, dqs ihm sein Schöpfer in seiner Mannbarkeit gegeben hat: Völ­ker zu gründen, zu erhalten und zur Erhaltung der

Welt in den Dienst der Natur zu stellen: das Erdreich zu beackern und den Elementen das Geheimnis abzu- ringen>, welche neue kulturelle Werte schaffen." Schweigend hatte Amina ihrem Begleiter zugehört. Alles, was Ben Hassan Omir ihr gesagt hatte, hatte sie interessiert. Aber mehr noch hatte sie der Rede­strom dieses Mannes für den Mann selbst eingenom­men, ja ihr Herz ihm entgegenschlagen lasten. Und als sie jetzt in den Berliner Tiergarten einbogen, da konnte sie nicht anders, als sich den Mann neben ihr als einen Heroen der Gegenwart ihres Vaterlandes anzustaunen. Er kam ihr auch ungemein schöner vor, als der in der Heimat einst bewunderte, geliebte Jüngling, der damals nahe an der Grenze zum Manne stand. Und sie brachte es nicht fertig, Ben Hassan Omir auch nur leise zu wehren, daß er jetzt im Parke schweigend ihre Hand ergriff und sie sanft drückte. Ein wohliges Rieseln durckHuckte sie, als eile durch ihre Adern jene lang­vermißte Liebessehnsucht ihrer Iugendträume; als schritte neben ihr Victor Thomaso, wie er in den ersten venetianischen Tagen war.

Verschämt schaute Amina zu Boden. Nicht traurig, doch auch nicht sonderlich fröhlich. Eine leichte melan­cholische Stimmung war über sie gekommen und teilte sich auch ein wenig ihrem Heimatsfreunde mit, der ihr aus dem Süden so viele traurige Nachrichten ge­bracht hatte.

Sie scheinen mir traurig," sagte Ben Hassan Omir und drückte merklich fester ihre weiche Hand.

Nur trauriger noch wurden ihre Züge, und es schien fast, als wollte sich eine Träne über die Wangen schleichen.

Nur heiter bleiben," bat er;wir können noch viele Tage ernst sein. Lasten wir die Traurigkeit mal ein Weilchen hinter uns. Und der heutige Tag ist so klar, so schön und so garnicht dazu angetan, dem trüben Sinnen weiter nachzuhängen. Es ist ja zwar viel seit heute morgen auf sie eingestürmt. Aber, Amina, nicht wahr, Sie sind eine starke Frau . . . Sie können ver­schmerzen, überwinden, hoffen . . . Man muß das heut­zutage können, Amina. Wer's nicht kann, der ist dem Leben unserer Zeit gegenüber ein Stümper; und solche Menschen müssen sich dann Mühe geben, umzulernen. Es läßt sich lernen, Amina. Wollen Sie es lernen? Ich möchte Ihr Lehrmeister sein. Gut würde ich zu Ihnen sein und in lauter lieben Worten würde ich es Ihnen sagen, wie man es macht: zu vergessen und fröhlich zu werden auch in Tagen des Leids, in Stunden bitterer Kümmerniste."

Sie können sich nicht in meine Lage versetzen," sagte Amina.Doch, Freundin, ich kann es. Ich weih