Aus den Parteien
Der ReichSparteilag der Wirtschaftspakte! hat mehrere Entschließungen angenommen, von denen die zur Finanz. Politik eingebrachten, im wesentlichen die völlige Vcseitt» gung aller Londersteucrn, insbesondere der Gewerbesteuer und der übrigen Ncalstcnern verlangen. Der Ausfall soll durch Zuschläge zur Einkommen- und Körperschaftssteuer gedeckt werden. Kerner wird die restlose Beseitigung aller Steuervorteile der Unternehmungen der öffentlichen Hand Konsumvereine us:v. gefordert. Zur Wohnungsfrage wurde eine Entschließung angenommen, die die Aufhebung des Neichsmietengesetzcs. des Micterschnygesetzcs, des Woh. nungSmangelgesetzcs unter Erlaß angemessener Uebergangs- besttmmungen biS zum Eintritt der freien Wirtschaft verlangt. Zur Schaffung dieser Uebcrgangsbestimmungcn wird von der Parte, ein Ausschuß gebildet, der sich aus Hauseigentümern und Vertretern des Handwerks und Gewerbes zusammensetzt Auf kommunalpolitischem Gebiete wurde die Einsetzung eines ständigen Neichskommunalaus- schusseS der Partei, der ihre kommunalen Richtlinien zu einem feste» Programm umarbeiten soll, beschlossen.
Polen und das Liiwinow-Protokoll
Bemühungen um eine gemeinsame Front.
TU Reval, 81. Jan. Wie die Blätter melden, hat der polnische Gesandte in Reval den estländischen Außenminister besucht und ihn aufgefordert, nur gemeinsam mit Polen das Litwlnow.Protokoll zu unterzeichnen. Aller Voraussicht nach dürste sich Polen auch an Lettland wenden mit dem gleichen Vorschlag. Estland hat zu dem polnischen Vorschlag einer gemeinsamen Unterzeichnung des Litwinow-Protokolls vor- läufig noch nicht Stellung genommen.
u n die Ausweisunq Trotzkis
Trotzki kommt nach Deutschland?
TU. Aoivno, 31. Jan Wie aus Moskau gemeldet wird, hat Trotzki den Wunsch ausgesprochen, nach Deutschland überzusiedeln. Die Neichsregiernng werde der Einreise Trotzkis keine Schwierigkeiten breiten, wenn Trotzki als einfacher Ausländer in Deutschland leben und sich den deutschen Gesetzen unterwerfen wolle. Trotzki beabsichtigt, in einer Provinzstadt Deutschlands Aufenthalt zu nehmen und sich einer Kur zu unterziehen. Trotzki werde keinen Diplo. matenpaß erhalten, sondern mit einem gewöhnlichen Somjet- paß die Grenze überschreiten.
Wie d!« Telegraphen-Union von zuständiger deutscher Seite zu der Moskauer Meldung einer etwaigen Ueber- siedlung Trotzkis nach Deutschland erfährt, ist die ReichS- regierung mit einem Ersuchen auf Genehmigung der Einreise TrotzkiS nach Deutschland noch nicht befaßt worden. Wie sic sich gegebenenfalls zu einem solchen Ersuche» stellen würde, sei gänzlich ungewiß.
Englischer Botschaslerwechsel in Washington
Sir Eric Drnmmond wird britischer Botschafter l« Washington?
TU. London, 31. Ja». Wie Daily Expreß hört, wirb in englischen diplomatischen Kreisen der Name Sir Eric Drummond als wahrscheinlicher Nachfolger des britischen Botschafters ln Washington Sir Esme Howard genannt. Es set bekannt, daß Sir Eric Drummond ein solches Angebot kaum ablehnen würde. Der gegenwärtige britische Botschafter wird, wie bereits mehrfach angekündigt worden war, im Hinblick auf sein vorgerücktes Alter nach dem baldigen Ablauf seiner Amtsperlode aus dem diplomatischen Dienst ausscheideu.
<10 Fonsegung.)
„Ein unglücklicher Akzident hat meine Reise unterbrochen und Monsieur" — Florentine sah freundlich zu Ulrich aus — „hat mir diese Burg als Asyl oorgeschlagen. Ich freue Mich, daß er nicht zu viel versprach."
„Wen mir mein Enkel zuführl, ist mir willkommen."
„Enkel? Der Herr Doktor wäre-"
„Ich bin sein Großvater."
„Ah, also kein simpler Doktor — — auch ein Graf Nother?"
„Ganz recht! Aber Baronesse sprechen Sie nicht so leichthin von diesem Doktor. Ulrich stellt ihn hoch über seinen Grafentitel, und er tut recht daran "
„Ich bin purkaileliient stupekaits, Graf," wandte sich Florentine an Ulrich, der sie nur strahlend betrachtete. Sie bemerkte es nicht, daß die «charsen alten Augen des Burgherrn bewundernd aus ihrer Erscheinung ruhten, und die Lippen leise murmelten: „Ganz recht, ein Märchenkind "
Wie Florentine in dem Weiß der Halle stand, wo sich die Sonnenstrahlen deeifenen. das wunderbare Blond der dichten Haarwellen m ihrer ganzen Pracht zu zeigen, das Rot und Weiß des Angesichts, den schneeigen schlanken Hals, von dem die Hülle herabgeglitten war. und an dem das Blau der Adern ichimmerte. die wunderbaren Glieder, die ein tiefblaues, fließendes Gewand umschloß, ward sie zur Augenweide für den alten Frauenkenner, der dem andern Geschlecht niemals aus dem Weg gegangen war.
„Don kommt unsere Christine. Baronesse: Mamsell. Kastellanin und Vertraute unseres Hauses in einer Person. Sie wird Sie in ihr Zimmer geleiten, wo Jungfer Bärbchen Sie sicher schon erwartet."
Florentine verbeugte sich tief vor dem alten Herrn und küßte respektvoll seine Hand, „^u revior. messieurs!"
„Möchte sich die Enkelin meines alten Kriegskameraden Nestors bei uns wohlsühlen. Aber bedenken Sie stets, daß Sie zu armen Leuten gekommen sind. Ansprüche dürfen Eie nicht machen
„Ich komme von Dletrichjtein, Herr Gras. Las ist wohl Antwort genuL*
Kleine politische Nachrichten
Württ. Sozialdemokratie und Wchrprogramm. Die Sozialdemokratische Partei hat bekanntlich ein Wchrprogramm ausgestellt. In einer Mitgliederversammlung des Sozlal- demokratischcn Vereins Groß-Stuttgarts sprach Major Mayr. München über dieses Wchrprogramm. In der Aussprache fand cs indessen keine Zustimmung nnd es wurde eine Ent- schlies.ung angenommen, worin es heißt: „Die Sozialdemo, kratische Partei Groß-Stuttgart erklärt, daß sie in dem Entwurf eines Wehrprogramms eine bedeutsame Aenderung des durch das Heidelberger Programm und die Praxis der Ncichstagöfraktion geschaffenen Zustandes nicht erblicken kann. Sie lehnt den Entwurf ab, weil sie von diesem Wehr- programm die Verdunkelung wichtiger politischer Entscheidungen befürchtet".
Ter deutsche Außenhandel im Dezember und im Jahr« 1928. Die Einfuhr Deutschlands betrug tm Dezember 1928 tm reinen Warenverkehr 1100,9 Millionen Reichsmark. Die Ausfuhr ohne ReparationSsachlieferungen 978,4 Millionen Reichsmark. Der Einfuhrüberschuß beläuft sich sonach auf 122,5 Millionen Reichsmark. Gegenüber dem Vormonat ist die Einfuhr um 72F Millionen Reichsmark gesunken. Das Statistische Reichsamt hat den Versuch gemacht, die bei dem Uebergang von der alten zur neuen Erhebungsmethode vorübergehend wirksamen Einflüße nachträglich rechnerisch auszuschalten. Auf diese Weise hat es eine Berechnung der deutschen Handelsbilanz im ganzen Jahre 1928 vorgenommen und ist dabei zu einem Einfuhrüberschuß von 1,858 Milliarden Reichsmark gegenüber einem Einfuhrüberschuß tm Jahre 1927 von 8,425 Milliarden Reichsmark gekommen.
BerfafsungsgemSß kann Oesterreich den Anschluß durchführen. Das Organ des österreichischen Volksbündes „Der Anschluß" teilt mit, daß mehr als zwei Drittel der National- und Bunbesräte aller vier Parteien in den letzten Wochen ihre Unterschriften unter die Kundgebung des österreichischen Volksbündes zum Nationalfeiertag gesetzt haben. Die Kundgebung lautete: „Dcutschösterreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik. Heute, zehn Jahr nach dem 12. November 1918 und immerdar, halten wir in Treue fest an diesem
Beschluß -er deutsch-üsterreichischeu Nationalversammlung und bekräftigen ihn durch unsere Unterschrift». Zwei Drittel der Bundesversammlung, das bedeutet, daß das deutsche Volk von Oesterreich jeden Tag in der Lage wäre, verfassungsmäßig den Anschluß durchzusühren.
Die englischen Annexionspläne in Ostasrika. Diedeuisch. nationale Reichstagsfraktion hat ,ine Interpellation beim Reichstag eingebracht, in der es heißt: „Mit wachsender Sorge verfolgen weite Kreise des deutschen Volkes die Absicht der englischen Negierung auf Schaffung eines einheitlichen Dominions der verschiedenen britischen Besitzungen in Ost- und Zentralafrika unter Einbeziehung von Deutsch- Ostafrika. Verfolgt die Neichsregiernng diese gefahrdrohende Entwicklung mit der gebotenen Aufmerksamkeit und ist sie in Uebereinstimmung mit der Erklärung des Außenministers vom 1. Februar 1928 bereit, unmittelbar durch den deutschen Vertreter in der Mandatskommission dieser Entwicklung ent- gegenzntreten?"
Der Urheber der tzöllenmaschinenattenlate verhaftet
Die aus Apolda gemeldete Explosion einer Höllenmaschine im Kontor einer Wollwarenfabrik stellt sich als ein Glied einer scheinbar aus persönlichen Rachegedanken heraus planvoll vorbereiteten Kette von Sprengstosfanschlägen heraus. Einer alleinstehenden Frau in Weimar ging ein gleiches Paket zu, dessen Inhalt glücklicherweise nicht explodierte, trotzdem die Empfängerin sich bereits damit zu schaffen gemacht hatte. Die Sprengladung hätte genügt, um schwerste Verheerungen anzurichten. Gleichzeitig wird aus Barnstedt bet Tangerhausen der Eingang eines dritten Pakets gemeldet. Die dort erfolgte Explosion verletzte 3 Personen.
Das thüringische Landeskriminalamt hat den Hersteller und Absender der Höllenmaschinen bereits festgenommen, der ein volles Geständnis ablegte. Es handelt sich um einen Schlosser Otto Klug aus Apolda. Er will nur die drei bereits bekannten Höllenmaschinen zum Versand gebracht und dies ans Familienstreitigkeiten getan haben. Er hatte sich in eine Krankenanstalt begeben, um seine Spur zu verwischen. Hier wurde er verhaftet und der Staatsanwaltschaft übergeben.
Die Brandkawstrophe in Konstanlinopel
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Eiste Ausnahme des zerstörten Gricchenviertets.
Konstanttnopel, bte ehemalige Hauptstadt des türkischen Reiches, die noch über eine Reihe alter, enggebauter unschwer zugänglicher Stadtteile verfügt, wird von Zelt zu Zeit von Feuersbrünsten heimgesucht, die in diesen Stra- ßenzügen stets reiche Nahrung finden. So ist vor einigen
Tagen wiederum eine Vorstadt, das Griechenviertel Ta- tavla, in Brand geraten, wobei ein großer Komplex enger und meist von armen Leuten bewohnter Gebäude ringe» äschert wurde. Unsere Aufnahme zeigt die Trümmerstätte nach dem Brand.
Noch eine anmutige Verneigung und die Baronesse folgte lachend und plaudernd Christine die Treppe hinaus zu ihrem Zimmer. Beide Herren iahen ihr nach, wie man einem davonflatternden Schmetterling nachschaut.
Sicher ist sie ein armes Märchenkind, klang es in dem bange«: Herzen des alten Herrn. Cuory .,ot «ich wohl die Mittel zum Trousseau als Abschlagszahlung anweisen lassen.
„Ist sie nicht ein Königskind. Großvater?-Habe
ich zu viel gejagt?"
„Nein. Ulrich, sie ist ein selten schönes Geschöpf einem Paradiesvogel gleich, der sich in unser« Alltag verflogen hat Bevor du ihr von Liebe sprichst, laß sie das erkennen."
„Weiht du. was ich sie zuerst lehren werde?"
„Nun?"
„Daß sie ein deutsches Mädchen ist.''
„Bravo, mein Junge!"
„Bumms. da wären wir." sagte Bärbchen laut und ließ die schwere Kassette im Flur aus den Boden fallen. „Wo bleibt denn der dumme Kerl?"
„Der dumme Kerl meldet sich zur Stelle. Mamsellchen," erscholl es von der Hintertreppe her, und Haase warf auch mit einem Bumms die jchwere Bache zu Boden.
„Vorsicht!" mahnte Bärbchen.
„Ich tat nur. was Sie tat."
„In der Kassette sind doch nur Schmuck und Papiere."
„Und in der Bache?"
„Spitzen, Kleider. Strümpfe, Schuhchen, Enveloppes — Na. Er wird Augen machen, wenn das Fräulein zu Tisch kommt."
„Dann lpute Sie sich mU Auspacken, um zwölf wird zu Mittag gegessen."
„Um zwölf? Das nennen wir das Dejeuner," sagte BSrb- chen lehr von oben herab.
„Was?"
„Das Frühstück, Haase. Um fünf Uhr ist bet uns das Diner."
„Dummer Schnack, hier auf der Burg gibt es ein Mittagessen um zwölf Uhr. wie es hier Brauch ist und Kaffee um vier, wenn Mamsell gut gelaunt ist, mit Kuchen. Und um sieben Uhr das Abendessen "
„Also gerade so wie aus Dietrichstein. Werd's dem Fräulein ausrichten. Dann machen wir eben zum Kaffee grande Toilette."
„Grande Toilette!" spottete Haase. „Da wird sich die „Alte Burg" wundern. Schade, daß unsre Mamsell da nicht mitmachen kann.*
„Wo ist das Zimmer von Fräulein?"
„Sie steht davor."
„Und wo bleibe ich?"
„Gleich daneben."
„Das ist fein, denn Er weiß ja, Haase, mein Fräulein —*
„Ist ein furchtsam Häschen! Ich weiß, ich weiß. Aber wenn man wie eine Prinzessin ausschautl"
„Und ich?"
Haale faßte sie plötzlich um. „Sie ist zum küssen, Schwarzkopf!" Er küßte herzhaft die frischen roten Lippen.
Bärbchen holte aus und der Dreiste fühlte leine Ohren. „Damit Er Bescheid weiß! So nun trag Er mir die Vachs hier hinein und hol Er warmes Wasser, viel-viel war
mes Wasser und eine ganz große Wanne."
„Wie sie kommandiert.-Ich geh ja schon."
„Dort kommt sie. Ob der Burgherr freundlich zu ihr gewesen ist? Diese Mamsell gefällt mir. sie könnte dreist die Burgfrau lein "
Haase war verschwunden, Christine führte den Gast in ihr Zimmer und fragte das Fräulein nach ihren Wünschen.
„Ich möchte mich baden und dann ruhen. Könnte ich ein« Tasse Schokolade bekommen?"
„Wir essen in einer Stunde zu Mittag, Baronesse."
„Ach, ganz wie aus Dietrichstein.-Und um vier
Uhr Kaffee mit schönem Kuchen — ich sehe es Ihr an, daß Sie zu kochen und zu backen versteht --"
„Man tut. was man kann." erwiderte Christine bescheiden, sie konnte sich nicht satt iehen an dem holdseligen Geschöpf. Noch viel schöner wie die verstorbene Gräfin, dachte sie. aber verwöhnt — lehr verwöhnt. „Das heiße Wasser und die Wanne werden sofort gebracht. Baronesse." Dann ging sie in Sorgen in die Küche und hielt Umschau in der geheimen Speisekammer. Gab sich dann einen Ruck, bei sich murmelnd: „Ihre erste Bitte soll erfüllt werden "
Bald darauf trug Weller schmunzelnd auf kupferner Platte die dampfende Schokolade und etwas Gebäck hinauf, was Bärbchen mit strahlenden Augen in Empfang nahm.
Florentine lag behaglich auf dem Ruhebett, ihre Glieder waren von Bärbchen gebadet worden, die Flui der Blondhaare hing lose um die Schultern, und die Jungfer frottierte die zarten Füße, die so grausam hatten leiden müssen Während das Festgewand von Bärbchen schon vorsorglich über das breite Himmelbett gelegt wurde und die kostbarsten Dessous dazu, ichlossen sich die schönen Augen ihrer Herrin. Da verschwanden noch eilig Wanne und Eimer, und Bärb» chen Mich sich leise in ihr Kabmelt. -
(Fortsetzung foigt.^
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