165. Amts- und AnzeigeblatL für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen LS Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon S.

Freitag, den 18. 3uli 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpretS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Der Werftarbeiterausstand in Hamburg.

Hamburg ist die größte Ausfallpforte für den deutschen Handel und ist dabei die zweitgrößte Stadt des'deutschen Reiches. Jede Störung im wirtschaftlichen Leben dieses Handels- und Ver­kehrzentrums wird fühlbar in allen Teilen unseres Vaterlandes und es ist darum nicht zu verwundern, wenn Kapital und Arbeit mit Sorge auf die kri­tische Entwicklung der wichtigsten Industrie der großen Hansastadt sehen. Der größte Teil der Schiffe, die in Deutschland gebaut werden, läuft in Hamburg von Stapel. Diese Produktion an Schiffen hat in den letzten Jahren bedeutend zugenommen, entsprechend der günstigen Konjunktur, in der sich der Welthandel befindet. Trotzdem sind die Er­trägnisse der großen Werften mit wenigen Aus­nahmen schlechter geworden. Die Erklärung hier­für ist einfach. Die mächtige Entwicklung im Tonnen­gehalte der großen Handels- und nicht zum we­nigsten der Schlachtschiffe hat eine ganze Reihe Werften verursacht, Vergrößerungen vorzunehmen, die gewaltige neue Kapitalanlagen forderten. Zu­gleich bildete sich eine scharfe Konkurrenz unter den Werften aus. Man wollte die neuen Anlagen nach Möglichkeit ausnützen und nahm deshalb Bauten nicht selten zu Preisen in Auftrag, die sich hinter­her, da dem deutschen Schiffsbau bisher die Er­fahrung in der Erstellung von Dreadnoughts fehlte, als zu knapp gestellt erwiesen. Mit den vergrö­ßerten Anlagen wuchsen auch die Ansprüche der Werftarbeiterschaft. Nach langen Verhandlungen sahen sich die Werften genötigt, im Jahre 1910 eine Lohnerhöhung von 2 Pfennigen pro Stunde zu gewähren. Jetzt geht die Forderung der Ar­beiterschaft weiter und erstreckt sich auf eine Er­höhung von 78 Pfennigen für jede Stunde. Die Werftbesitzer erklären, ad 1. August 1913 und ab 1. April 1914 je einen Pfennig bewilligen zu wollen, mehr zu leisten sei ihnen bei der ungün­stigen Geschäftslage nicht möglich. Die Werftar­beiterschaft beantwortete diese Ablehnung mit einem zunächst partiellen Streik, der indessen rasch um sich griff. Heute streiken in Hamburg schon über 18000 Mann. Da eine Einigung vorerst nicht ab­zusehen ist, muß mit einer längeren Dauer des Ausstandes, man spricht sogar von drei Monaten, gerechnet werden. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die englischen Schiffsbauarbeiter beschlossen haben, von dem Generalstreik, der lange in Eng­land spukte, abzusehen und die Vorschläge der Ar­beitnehmer anzunehmen.

Hamburg, 17. Juli. Der Ausstand der Werft­arbeiter hat heute weitere Fortschritte gemacht. Man kann sagen, daß sämtliche Hamburger Werften mit dem heutigen Tage ruhen.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft

Calw, 18. Juli 1913.

Theatervorstellung imBadischen Hof". Wir wollen nicht unterlassen, an dieser Stelle nochmals recht ein­dringlich aus das heutige Gastspiel des aus Mitgliedern des Stuttgarter Schauspielhauses bestehenden Stadt. Kurtheaters von Bad Liebenzell im Saale des Badischen Hofs hinzuweisen. Alle, die bisher Gelegenheit hatten, die Vorstellungen dieses ausgezeichneten Ensembles zu sehen, loben den hohen künstlerischen Wert und das treffliche Zusammenspiel der Stuttgarter Künstler. Die heutige Gastspielvorstellung bringt eines der erfolgreich­sten und liebenswürdigsten Lustspielneuheiten der letzten Jahre,Vater und Sohn" von Gustav Esmann. Der Autor des Stückes ist Däne und der bekannte Re­dakteur des Familienblatteslieber Land und Meer", Rudolf Presber, hat das hübsche Stück ins Deutsche übertragen. Mit seinem feinen und geistvollen Humor, seiner heiteren und lebenswahren Handlung, gehört es mit zu dem Besten, das die Lustspielliteratur hervor- gcbracht. (Siehe auch Inserat.)

Württ. East bei den Marinemanöoern. Zur Teilnahme an den Manövern der Hochseeflotte ist vom Reichsmarineamt, It.Württemb. Zeitung", unser Landsmann, der politische Schriftsteller Dr. Jäckh, früher Chefredakteur der Neckarzeitung in Heilbronn, jetzt Syndikus in Berlin, eingeladen worden. Jäckh, der türkischer Pascha ist, hat sich auf einem Dreadnought, S. M. S.Ostfriesland", dem Flaggschiff der ersten Division, bei Admiral v. Lans eingeschifft. Die Manöver, die die ganze Hochseeflotte vereinigen, dauern vier Wochen und werden sich bis weit nach Norwegen hinauf er­strecken.

Für Steuersünder. Das Wehrbeitragsgesetz bringt für Steuersünder eine volle Amnestie. Wenn nämlich ein Beitragspflichtiger bei der Veranlagung zum Wehr­beitrag oder in der Zwischenzeit seit dem Inkrafttreten des Gesetzes bei der Veranlagung zu einer direkten Staats- oder Gemeindesteuer Vermögen oder Einkom­men angibt, das bisher der Besteuerung durch einen Bundesstaat oder eine Gemeinde entzogen worden ist, so bleibt er von der landesgesetzlichen Strafe und der Verpflichtung zur Nachzahlung der Steuer für frühere Jahre frei. Diese Bestimmung wurde in das Gesetz über den Wehrbeitrag ausgenommen, damit nicht die Furcht vor Strafe, Vermögens- und sonstigen Nachteilen die Beitragspflichtigen abhalte, ihr Vermögen wahr- l heitsgemätz anzugeben. Es tritt somit eine Vergün­stigung ein für Steuerdefraudanten. Alte Steuersün­den könen bei der Abgabe der Vermögenserklärung zum Wehrbeitrag gesühnt werden ohne Strafe und ohne Steuernachzahlung. Es braucht niemand zu fürchten, daß der Steueraufseher hinterdrein kommt, wenn das Vermögen oder das Einkommen größer fatiert wird als seither.

12V Begnadigungen. Zum Regierungsjubiläum des Kaisers wurde, wie bekannt, vom König die Absicht, aus diesem Anlaß eine Anzahl von Begnadigungen zu ver­fügen, kundgegeben und der Staatsminister der Justiz mit geeigneten Vorschlägen beauftragt. Weisungsgemäß sind hierauf von den Strafvollstreckungsbehörden und Strafanstaltsverwaltungen die nach ihrer Ansicht für eine Begnadigung geeigneten Fälle von Amts wegen dem Justizministerium vorgelegt worden; dazu kam in­folge des Vekanntwerdens der Kundgebung eine große Zahl von Gnadengesuchen Verurteilter. Bei der Aus­wahl wurde das Augenmerk vorwiegend auf leichtere Vergehen sonst gut beleumundeter und namentlich sol­cher Personen gerichtet, die zu ihren Straftaten durch Not, Unbesonnenheit oder Verführung veranlaßt worden waren. Nachdem die Amnestie nunmehr im wesent­lichen abgeschlossen ist, kann mitgeteilt werden, daß aus diesem Anlaß insgesamt etwa 120 Verurteilte eines Enadenakts des Königs teilhaftig worden sind.

scb. Mutmaßliches Wetter. Für Samstag und Sonntag ist vorwiegend trockenes und ziemlich warmes Wetter mit zeitweiliger Bewölkung und Gewitterstörun­gen zu erwarten.

Hirsau, 17. Juli. Die abendlichen Kurkonzerte haben sich hier rasch eingeführt und beliebt gemacht sie sind immer recht gut besucht und die Rechnung der Kurverwaltung, daß Hirsau mit dem Ausbau der An­lagen und der Erstellung einer Wandelhalle die Kur­gäste und Freunde einer einfachen abendlichen Unter­haltung noch mehr zu fesseln imstande ist, als bisher, dürfte wohl stimmen.Hirsau macht sich". Diese abend­lichen Konzerte gewinnen an Lebendigkeit besonders durch die mit ihnen verbundenen Tanzunterhaltungen. Während voriges Jahr noch der Besucher der Kur­konzerte oft vergeblich nach den Paaren suchte, die der frohen Kunst Terpsichores opferten, sieht er jetzt die Wandelhalle vollgesteckt mit Tanzenden. Die Wandel­halle, die hats ihnen angetan. Auf dem Rasen tanzen ist schön, schöner tanzt sichs aber noch in der Wandel­halle. Es sei stimmungsvoller, weil geschlossener, als im Freien, meinte eine der Hübschen zu ihrem Tänzer, man sei mehr beieinander. Daß auch die Ealwer Stadt­kapelle ihr Lob wegbekam, ist selbstverständlich. Wir

empfehlen allen, die zum guten Ende ihres Tagewerks noch vergnügt sein wollen, Hirsaus Kurkonzerte aufzu­suchen.

F. Bad Liebenzell, 18. Juli. Gestern Donnerstag abend war der zweite Bunte Abend des Kurtheaters Bad Liebenzell. Das einleitende Promenadekonzert war zu lang. Und warum Potpourri am Anfang einer Abendunterhaltung? Den im ersten TeilPaul" ge­nannten Didies Aslan scheint der Liebenzeller Aufent­halt gekräftigt und gestärkt zu haben: er zeigte mehr Heiterkeit, als bei seinem ersten Auftreten. Die Herren Blumau und Meinberg und Frau Kraus brachten, wie immer, ihre Vorlagen zu wahrer, lebendiger Gestaltung; Frau Kraus scheint eine waschechte Schwäbin zu sein. Auch der bebrillte Herr Malen mit seinem Bauern­schwank gefiel sehr. Frl. Mauser's und Frl. Hochfeld's Lieder fanden Beifall. Vor Beginn des Tanzes erschien im Saale die liebenswürdige Frau Kraus und der viel- umschmachtete Aslan mit Rosen, deren Erlös den Grund­stein zu einem Konversationshaus verstärken sollte. Um 12 Uhr schien es, als ob man noch lange weitertanzen wollte. Für künftige Gelegenheiten sei noch darauf hin­gewiesen, daß die Kurverwaltung bis 2 Uhr morgens bei genügender Beteiligung Kraftwagen nach auswärts zur Verfügung stellt.

Bad Liebenzell, 17. Juli. Das städt. Kurtheater ist be­reits zu einer selbstverständlichen Einrichtung geworden. Es ist dies ein Beweis, daß ein wirkliches Bedürfnis nach einem guten Theater bestanden hat. Dies zeigt auch der stets gute Besuch. Es befindet sich jetzt eine stattliche Anzahl von Kurgästen hier. Aber auch außer dem Kurtheater fehlt es nicht an Unterhaltung und Ab­wechslung. So findet nächsten Sontag, den 20. Juli, nachm, von 47 Uhr in den König Wilhelm- Anlagen ein großes Militärkonzert statt, ausgeführt vom voll­ständigen Musikkorps des Ulanenregiments König Wil­helm I (2. Württ.) Nr. 20 in Ludwigsburg unter per­sönlicher Direktion des Kgl. Musikmeisters, Herrn Emil Thomas. (Einges.)

Altburg, 18. Juli. Vor Jahresfrist hatte der Alt­burger Turnverein das Mißgeschick, daß ihm ein orkan­artiger Sturm die unter vielen Opfern erbaute Turn­halle über den Haufen warf. Heute steht der schlichte Vau zum zweitenmale fertig da und die wackeren Tur­ner rüsten sich, die Einweihung am nächsten Sonntag festlich zu begehen. Das Nähere ist aus dem Inseraten­teil der heutigen Nummer dieses Blattes zu ersehen. Dem so vom Unglück heimgesuchten Verein wäre ein guter Besuch von Herzen zu gönnen.

Engelsbrand OA. Neuenbürg, 18. Juli. Dem 24 Jahre alten Wagnergehilfen Gottl. Stoll ist an der Hobelmaschine der linke Daumen abgeschnitten worden.

Württemberg.

Stuttgarr, . ^-li. Wie gestern im Liederhalle­

saal, so fand heur« -^rmittag im Liederhallegarten eine Versammlung der Ausgesperrten statt. Veidemale aber nahmen die Ausgesperrten den Versammlungsraum für sich in Anspruch, ohne vom Eigentümer die Erlaub­nis zu besitzen. Dem Umstand, daß die Liederhallever­waltung gegenwärtig in der Ferienzeit starke Lücken aufweist, hatten es die Ausständigen zu danken, daß sie ohne Weiterungen davon kamen. Heute früh hatten sie den sonst jedermann zugänglichen öffentlichen Lieder­hallegarten durch Posten abgesperrt. Die Streikleiter tragen jetzt rote Armbinden. Zu dem Bericht der Schwäbischen Tagwacht, nach dem höchstens 350 Leute die Arbeit ausgenommen haben sollen, erklärt die Firma Robert Bosch, daß heute insgesamt 850 Arbeiter ge­arbeitet haben. Selbstverständlich seien in dieser Zahl die Meister, Lehrlinge und Beamten nicht einbegriffen. Das seien schon 150 Leute mehr als gestern. Neuein- stcllungen werden laufend vorgenommen. Es melden sich sortwährnd auch frühere Arbeiter.

Stuttgart, 17. Juli. In der heutigen Eemeinde- ratssitzung erklärte Oberbürgermeister Lautenschlager, er habe den beiden Preßverbänden in einer Erwiderung