vergessen das Zentrum in der Mitte. Aber mit Genugtuung können wir konstatieren, es geht vorwärts. Sowohl in den Einzelstaaten wie im Reichstag sitzen vorzügliche Männer, die die Geschäfte mit sicherer Hand führen. Zwei große Gesetzes- voclagen sind in den letzten Wochen verabschiedet worden, und die Volkspartei ist bei dieser Verabschiedung der entscheidende Faktor gewesen. Wir bekämpfen den konfessionellen Gegen­satz, und wir werden ihn bekämpfen, wenn die Vertreter der Kirchen sich anmaßten, in die äußeren Angelegenheiten des States und der Gemeinden einzugreifen. Wir bekämpfen das Junkertum und den Adel und Klassenpolitik der Sozial­demokratie. So kämpfen wir aber nicht nur für die Einheit, sondern auch für das Recht, das wir für alle in gleicher Weise fordern. Für Freiheit zu kämpfen, ist stets das Ideal aller liberalen Männer gewesen. Freiheit, aber nicht im Sinne von Zügellosigkeit, sondern im Sinne von Entfaltung der eigenen Kräfte und des Willens. Wir fordern ein freies Wahl­recht, ein freies Versammlungsrecht, endlich Denk- und Ge­wissensfreiheit. Die Farben schwarz-rot-gold sind die Ver- sinnbildung der Förderung unserer alten Demokratie. Sodann wurde die

Haußmannfeier

Mt einer Festrede des Reichstagsabgeordneten v. Payer eröffnet, worin er u. a. ausführte: Sogar der Himmel hat heute ein Einsehen gehabt, um dieses seltene Ereignis recht festlich begehen zu können. An unserem Konrad Haußmann Habe ich nichts auszusetzen. Mir ist er gerade so recht, wie er ist. Im Jahre 1889 waren wir alle durchgefallen. Daß Haußmann in Balingen gewählt wurde, war selbstverständ­lich. Seit dieser Wahl war ein Aufschwung im Leben der württem. Kammer und des württ. Volkes festzustellen. Wir find nun so stark geworden, daß wir in der württ. Kammer in den 90er Jahren die Entscheidung in der Hand hatten; das ist auch noch heute so, und diese lassen wir uns auch jetzt nicht nehmen. Wir haben gesorgt für Einführung einer gerechten Einkommensteuer, für Verbesserung der Schule und Lehrer, für die Erbauung von ungezählten Nebenbahnen, für die Land­wirtschaft und Industrie. Alles Treiben einer zufälligen Mehrheit, wie sie jetzt im Landtag besteht, kann an unseren Volksbestrebungen nichts beseitigen. Auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge haben wir mehr geleistet, als man für nötig hielt. Wir wollen uns alle mit einander von Herzen freuen, daß er nach 25 Jahren der Arbeit, des Kampfes, der Sorgen, aber auch des Erfolges heute in unserer Mitte steht, so frisch, so gesund und gottseidank so unverdorben. Er lebe hoch! Darauf wurde Haußmann ein von Akademieprofessor Landen- cherger verfertigtes Oelgemälde, die Ebinger Alb darstellend, überreicht, wobei Fräulein Seh bald ein von Lehrer .Heindtel verfaßtes Gedicht vortrug. Nachdem Landtags­abgeordneter Haux-Ebingen ein Hoch auf unsere schwäbische Heimat ausgebracht hatte, ergriff der Jubilar das Wort: mach einem herzlichen Dank für das Uebermaß von Liebe und Lob, das ihm heute gespendet worden sei, sowie für das sin­nige Geschenk bemerkte er u. a.: Das Reich ist organisiert, «Europa noch nicht. Die Aufgaben werden immer größer. Wir müssen von der Regierung verlangen, daß sie den bloßen Schreiern hie und da eins aufs Maul haut. Volksrecht muß gegen Fürstenrecht durchgesetzt werden. Am Ende dieser Enr- wickelung steht der konstitutionelle Staat, den wir noch nicht haben, den aber unsere Kinder noch erleben werden. Unser Deutschland lebe hoch! In der Folge sprachen noch weitere Redner. An die Festlichkeiten im Freien schloß sich abends um 8 Uhr im Saalbau ein Bankett mit Reden, Gesängen und geselliger Unterhaltung. Der Montag ist größeren Aus­flügen gewidmet. An den Festlichkeiten nahm auch der älteste Parteifreund Haußmanns, der Wagner Sämann aus Ortsdorf, der gerade vor 100 Jahren am 18. Oftober, dem Tage der Leipziger Völkerschlacht, geboren wurde.

Stuttgart, 12. Juli. Durch Inserate teilt die Firma Bosch mit, daß sie beabsichtige, demnächst wieder den Betrieb aufznehmen. Alle Arbeiter, die bis jetzt bei Bosch gearbeitet haben, werden aufgefordert, sich schriftlich zu bewerben. Der seitherige Verdienst bleibt bestehen, doch haben in Zukunft die Arbeiter die bisher von Bosch freiwillig bezahlten Beiträge zur Invaliden- und Krankenversicherung selbst zu bezahlen. Ein der Summe dieser Beiträge entsprechender Betrag soll in einer später zu bestimmenden Weise zugunsten der Arbeiter Verwendung finden.

Stuttgart, 14. Zuli. Bei der Firma Robert Bosch sind heute vormittag etwa 2000 Anmeldungen der aus­ständigen Arbeiter eingelaufen, deren Zahl sich bis auf insgesamt 4225 beläuft. Für 10 Uhr vormittags hat der Metallarbeiterverband in der Liederhalle eine Ver­sammlung zur Beratung von Maßnahmen in Sachen Bosch einberufen. Ueber den Zeitpunkt, zu dem der Betrieb wieder ausgenommen werden soll, steht noch nichts fest, da die Firma zunächst die Beschlüsse dieser Versammlung abwarten will.

Tübingen, 13. Juli. Wie man hört, hat der Pro­fessor der staatswissenschaftlichen Fakultät Dr. Wilbrandt einen Ruf nach Bonn erhalten. Er hat vor kurzem eine Weltreise gemacht.

Mühlacker, 12. Juli. Im Elektrizitätswerk des be­nachbarten Enzberg ereignete sich ein tragischer Vorfall. Als die Frau des dort beschäftigten Monteurs Schurr gestern abend ihrem Mann das Vesperbrot bringen wollte, fand sie ihn nicht mehr am Leben. Er lag tot an seiner Arbeitsstätte. Ein Schlagfluß hatte den Mann, einen braven Arbeiter, getroffen.

Nürtingen, 13. Juli. In Wolfschlugen ist der Bauer Schäfer bei der Arbeit auf dem Felde vom Tode überrascht worden. Die Leiche wurde später von vor­übergehenden Frauen aufgefunden und in den Ort gebracht.

Horb, 12. Juli. In Begleitung des Oberreg. Rats v. Falch, des Min. Rats Krauß, des Reg. Rats Brenner und verschiedener anderen Herren traf heute vormittag der Minister des Innern, v. Fleischhauer hier ein, um mit den Vertretern der vom Unwetter geschädigten Gemeinden des Bezirkes zu beraten. An der Beratung nahmen außer dem Oberamts­vorstand Reg. Rat Rieger auch die Ortsvorsteher und Pfarrer der geschädigten Gemeinden teil. Nach dem Bericht sind an freiwilligen Gaben für sämtliche württembergischen Sturm­geschädigten einschließlich Plochingen rund 33 000 Mark ein­gegangen. Die König Karl-Stiftung hat 18 000 Mark bereits zur Verfügung gestellt. Der Minister sicherte weitgehende staatliche Hilfe und Steuernachlaß zu. Die Gewährung von Darlehen wird den Gemeinden überlassen. Im Spätjahr wird ein weiterer Aufruf ergehen. Nach der Konferenz wurde von den Teilnehmern ein gemeinsames Mahl im Hotel Kai­ser eingenommen, worauf sich der Minister mit dem Ober­amtsvorstand und den übrigen Herren in die beschädigten Gemeinden begab.

Oehringen, 12. Juli. Das mit einem Aufwand von rund 200000 erstellte neue Bezirkskranken­haus ist gestern in feierlicher Weise seiner Bestim­mung übergeben worden.

Aus Wett und Zeit.

Frankfurt a. M., 12. Juli. In der Giftmordaffäre Hopf wurden heute die Aschenreste der Leiche von Hopfs Mutter nach Giftresten untersucht. Es ist das erste Mal, daß sich die Durchsuchung von Leichenresten nach Giftstoffen auch auf Aschenreste erstreckt. Die Untersuchung ergab, daß die Aschen­reste wirklich Arsen enthielten. Dadurch gerät Hopf in den Verdacht eines Muttermörders.

Leipzig, 13. Juli. An die gestrige Einweihung der Turnerausstellung schloß sich heute die Eröffnung der Völkerschlacht-Jahrhundertausstellung. Besonders bemerkenswert ist ein naturgetreues, farbenprächtiges Panorama der Darstellung der Völkerschlacht am Vorabend des 18. Oktobers in einem entscheidenden Moment mit 20 000 Zinnsoldaten. 53 Sonder­züge brachten rund 80 000 Turner. Als das Vundes- banner von Frankfurter und Leipziger Deputationen durch die Straßen der Stadt getragen wurde, er­reichte das festliche Bild seinen höchsten Glanz. Um 6 Uhr erreichte die Kolonne den Festplatz, wo Sani­tätsrat Dr. Eötz, Staatsminister v. Podbielski und andere den Bannerzug erwarteten. Die Begrüß­ungsrede hielt der Vorsitzende des Stadtverordneten­kollegiums, Justizrat Dr. Rothe, wobei er die Fest­leitung Eeheimrat Dr. Eötz übergab. Weitere Be­grüßungsreden wurden gehalten von Dr. Eötz, von Dr. Beck, für das Sächsische Kultusministerium und Oberbürgermeister Dr. Ditterich. Als Vertreter des Reichskanzlers betonte Ministerialrat Lewald, daß die deutsche Turnerschaft noch älter als das geeinte Reich sei. Für das preußische Kultusministerium sprach Eeheimrat Hinze. Professor Bender-Frank­furt a. M. übergab sodann das Bundesbanner in die Obhut der Feststadt Leipzig. Oberbürgermeister Dr. Ditterich überreichte im Aufträge des Königs von Sachsen dem nunmehrigen Hüter des Vundes- banners, Dr. Eötz, das Offizierskreuz des Albrechts- ordens. Der Oberturnwart und Leiter der Wett­kämpfe, Oberturnlehrer Witzgall, wurde mit dem Ritterkreuz des gleichen Ordens ausgezeichnet.

Luckenwalde, 12. Juli. Bei der gestrigen Reichs­tagsstichwahl in Zauch-Belzig wurde der Abgeordnete Ewald (Coz.) gegen den Freikonservativen v. Oertzen mit einem Vorsprung von 500 Stimmen gewählt.

Landwirtschaft and «Srtte.

Herrenberg, 12. Juli. Auf den heutigen Schweine­markt waren zugeführt: 125 Stück Milchschweine; Erlös pro Paar 4565 -4l. 62 Stück Läuferschweine; Erlös pro Paar 70118 -4l. Verkauf: gut.

Die Zentralvermittlungsstelle des Württ. Obstbau­vereins, Stuttgart, Eßlingerstr. 15, Telefon 7164, ver­mittelt kostenlos Angebote und Nachfragen und erteilt Auskunft über Marktlage, Preise und Verpackungs­materialien. Angeboten sind Johannisbeeren, Stachel­beeren, Himbeeren, große Mengen Heidelbeeren. An­gefragt sind alle Obstarten, besonders Himbeeren, schwarze und weiße Johannisbeeren, Sauerkirschen, Fall­obst, Mostäpfel. Tafelobst preise auf dem Stuttgarter Engros-Markt am 12. Juli. Erdbeeren, Garten 3550 -4l, Erdbeeren, Wald 7080 -4t, Him­beeren 4850 -4t, Stachelbeeren 2427 -4t, Johannis­beeren, rote 2027 -4t, Johannisbeeren, schwarze 30 -4t, Heidelbeeren 3032 -4t, Kirschen 3045 -4t, Weichsein 4055 -4t, Juli-Dechantsbirne, hies. 35 -4t per 50 Kg. Marktlage: Die Zufuhr war mäßig, die Nachfrage lebhaft trotz der hohen Preise. In Heidelbeeren sind gute Ernten im In- und Ausland gemeldet, die Preise werden voraussichtlich zurückgehen, wenn auch nicht auf den Stand früherer steinobstreicher Jahre. Johannis­beeren hängen recht vereinzelt, ebenso Stachelbeeren; Himbeeren genügen der großen Nachfrage lange nicht, die Preise für diese Obstarten werden kaum noch her­untergehen. Die Erdbeerernte ist vorbei, es kommen nur noch einige Körbchen Nachzügler.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

Und da willst Du wohl etwas von Deinen Aben­teuern erzählen," warf Paltram ein.

Nicht im geringsten," fuhr von Haller fort,nur feststellen wollte ich, daß der geborene und der gastieren­de Pariser keine Seele hat. Doch was verstehst Du vom seelischen Leben, Freund Paltram, was ihr, liebe Freunde? Ich sage nicht, daß ihr keine empfindungs­fähige Seele besitzt. Aber nicht wahr, alles, was nicht prickelnd ist, impulsives, Wervenpeitschendes Geschehen, das läßt Euch kalt, oder isks nicht so? O wohl! War­um sind wir denn heute hier? Sind wir nicht in diesen Badeort mit der Absicht gekommen, lustig zu sein, weil unsere Arbeitsorte alle zu fade, das dortige Le­ben zu simpelig ist? Signora, verkennen Sie uns nicht. Meine Freunde, und auch ich, sind harmlose Gesellen; aber ausgezogen sind wir, um Abenteuer zu erleben, Bruder Lustig unter die Arme zu packen und mit Vur- Menherrlichkeit in den lieben Tag hineinzusingen: Noch rollt ein frisches, feurig Blut durch unsere jungen Adern; wir suchen Tage voller Glut und ohn' ein seelisch Hadern.

Wo still am Weg ein Röslein blüht, sind trüg's der Dornen viele, ist's unsere Sorg', daß 's mit uns zieht "ach unbestimmtem Ziele.

Es darf dies Röslein an der Brust von trutz'ger Jugend welken; es stirbt mit ihm nicht unsre Lust;

; wrr pflücken nach ihm Nelken.

Und neigen die ihr Köpfchen dann,

So sind wir nicht voll Sorgen:"

Manch Blümelein, das blühen kann, das finden wir schon morgen!

Von Haller schwieg.

In den nächsten Strophen," meinte er sodann, neigt das Lied zur Melancholie. Mir ist so etwas ja nicht gerade unsympathisch, aber meine Freund . . . ! Signora, Sie glauben gar nicht, wie alle Zärtlichkeit im Ausdruck bei denen verpönt ist!"

Hast Recht, Freund Haller," meinte Signor Palt­ram.Für Spießbürgerei und Sentimentalität sind wir nicht geschaffen. Schneid ist Trumpf!

Amina lächelte.

Aber dieses Lächeln drückte keine Fröhlichkeit aus, sondern schien fast ironisch. Und wie ein Verurteilter blickte Paltram, dem dieses Lächeln wohl galt, auf. Was sollten seine Freunde nun von dem Charakteristi­kum denken, das er von der Signora kurz vorher erst entworfen hatte. Hatte er sie nicht als eine charmante, graziöse, temperamentvolle Frau bezeichnet, derart, daß man denken mußte, sie hätte Sinn für ein freies Leben, für Ungebundenheit und Galanterie. Freude an ge­nießender Kraft! Und nun? Dies Lachen; schien es ihm nicht zu sagen: Zurück, wer für Trivialität und Scheinkräfte eintritt, denen die Entnervung folgt. Fort, Du Possenreißer der großen Menge, mit Deinem feudalen Getue, Du kannst mir keine Achtung abnötigen, und Deine Bekanntschaft mit mir ist eine mir fast pein­liche Sache." Signor Paltram starrte einen Moment

die Signora noch an. Er begegnete ein Paar blitzen­den Augen. Und klar schienenen ihm die zu sagen: von euch vier Freunden wird wohl von Haller der geist­reichste gewesen sein; nicht weil er mit euch herumflan­kiert, und trotzdem gegen euren Amüsementstaumel pro­testiert, sondern weil in ihm, trotz allem Mittun, ein anderer Ehrgeiz zu wohnen scheint, der ihn davor be­wahrt, euer ProgrammSchneid ist Trumpf" ganz auch als das seinige anzusehen!"-

Und was er dachte, sollten ihm auch bald einige Worte Aminas bestätigen.

Indem sich Amina, um nun auf der Veranda des Kurhotels still für sich ihren Morgenimbiß einzuneh­men, von den vier Fremden verabschiedete, meinte sie zu von Haller:Ich schwärme als Orientalin für die forschen Männer. Unter ihnen fühle ich am freund­schaftlichsten für die, denen ein Innenleben kein Buch mit sieben Siegeln ist." Und ihm zuletzt die Hand reichend fügte sie noch hinzu:Ich werde mich freuen, Sie wiederzusehen". Dann ging sie. Mit geteilten Ge­fühlen sahen die Freunde der Signora nach. Kaum, daß sie ins Kurhotel eingetreten war, stampfte Paltram ärgerlich mit den Füßen.Sie hat sich merklich ver­ändert", meinte er dabei,freilich ist sie heute älter als damals in Durazzo und die zunehmenden Jahre mögen sie ja gesetzter gemacht haben. Damals aber war sie ein köstlich burschikoses Mädel, einfach süperb! Ach. wie doch die Zeiten vergehen . . . ."

(Fortsetzung folgt.)