88. Jahrgang.
Amts- und AnzeigeblatL für den OberarnLsbezirk Calw.
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Erscheinungsweise: kmal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- öezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Psg., außerhalb desselben 12 Psg., Reklamen LS Psg. Schluß siir Jnseratannahnic 10 Uhr vormittags. Tcleso» S.
AmLLiche BeküNKLWachARgerr.
K. Oberamt Calw.
Auf die im Staatsanzeiger siir Württemberg vom 5. Juli d. I. (Beilage) enthaltene Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend
die Abhaltung von Prüfungen im Hufbcfchlag an den Lehrwerkstätten für Hufschmiede, werden die beteiligten Kreise hingewiesen.
Der „Staatsanzeiger" kann bei den Herrn Oris- vorstehern eingesehen werden.
Den 8. Juli 1913.
Regierungsrat Binder.
Die Schultheißenärnter
werden aufgefordert, alsbald die Rekrutierungs-Stammrollen von 1911, 1912 und 1913 zur Ergänzung hieher vorzulegen.
Calw, den 9. Juli 1913.
Regierungsrat Binder.
Rumänien erklärt Bulgarien den Krieg.
Rumänien hat jetzt Bulgarien den Krieg erklärt. Die Note, in der dies geschah, ist bemerkenswert verächtlich. Sie besagt: „Die rumänische Regierung hat die bulgarische Regierung rechtzeitig daraus aufmerksam gemacht, datz Rumänien im Falle eines Krieges der Balkanverbiindeten nicht mehr die abwartende Haltung einnehmen könne, welche es bisher im Interesse des Friedens bewahrt hat. Die bulgarische Regierung hat es nicht für nötig gehalten, auf diese Note zu antworten, im Gegenteil, der Krieg ist ausgebrochen infolge der unerwarteten bulgarischen Angriffe auf serbische Truppen, wobei Bulgarien nicht einmal die einfachsten Regeln der Kriegserklärung beobachtet hat, die zum mindesten gezeigt hätten, datz es Achtung vor den bestehenden Abmachungen und internationalen Gebräuchen besitzt. — Angesichts dieser Lage hat die rumänische Regierung ihrer Armee Befehl gegeben, in Bulgarien einzurücken.
Inzwischen ist das 3. rumänische Armeekorps bereits in der Dobrutscha angelangt. Wo die nach Schlachten und Siegen lüsternen Truppen Halt machen werden, wer kann das wissen? Auch der erste Balkankrieg, der den inzwischen unselig entschlafenen Balkanbund gegen das morsche Türkenreich führte, wurde unter Auspizien eingeführt, die in nichts dem sväteren Resultat der Kümpfe ähnelten. Die Türkei erwies sich schwächer als die Balkanverbiindeten gedacht hatten, und die Beute war so überraschend groß, datz die „Brüder" über ihrer Verteilung sich selbst in die Haare gerieten. So kann auch jetzt niemand Voraussagen, welchen Gebietszuwachs die neue Phase im zweiten Valkan- krieg den Rumänen bringen wird. Das eine ist sicher: Die Lage ist für Rumänien günstig. Der grötzte der Valkanstaaten verfügt über das zahlenmäßig stärkste Heer, seine Finanzen sind, entsprechend dem Reichtum des Landes, glänzend. Der Bulgarische Gegner aber sieht sich, nach dem erschöpfenden Ringen mit der Türkei, durch die neuen verlustreichen Kämpfe mit den Serben und Griechen schon von dieser Seite in seiner Existenz bedroht. Es ist durchaus glaubhaft, wenn berichtet wird, der bulgarische Ministerrat habe beschlossen, die Armce- oberleitung anzuweisen, den Rumänen keinen Widerstand entgegenzusetzen. Auch wenn man Widerstand leisten wollte, so ständen an der Nordgrenze doch nicht die nötigen Truppenmassen zur Verfügung. Aus Rußlands bewaffnete Hilfe kann sich Bulgarien nicht verlassen, nach dieser Seite hat Oesterreich vertraglich die Rückendeckung übernommen. Es ist ein tragisches Geschick, und doch im geschichtlichen Werden so wohlbegründet, datz das vor wenig Wochen so viel bewunderte und geschätzte Bulgarien heute der. Gnade seiner Gegner anheimgegeben ist.
Bukarest, 11 . Juli. Wie die Blätter melden, hat d'e rumänische Armee Silistria besetz*.
Samstag, dsn 12. Juli 1913.
Bukarest, 11. Juli. Der bulgarische Gesandte Dr. Kalinkorv hat von seinem Regierung den Auftrag erhalten, in Bukarest zu bleiben.
Wien, 11. Juli. König Ferdinand liegt infolge der großen Aufregungen der letzten Tage schwer krank danieder. Dr. Danew hat Frankreich und England zur Herbeiführung eines Waffenstillstandes angegangen.
Belgrad, 11. Juli. Seit gestern herrscht aus allen Schlachtlinien Ruhe, da die Toten begraben oder verbrannt werden und die Verwundeten weggcschasst werden müssen. Einer Privatmeldung zufolge sollen die Vulgaren, nachdem sie bei Sweti Nicola geschlagen worden sind, 6000 Tote und Verwundete gehabt haben. Die serbischen Truppen dringen bis Betchowo vor; die Griechen sind bis Melnik vorgedrungen. Die Vereinigung beider Armeen wird in der Gegend von Tumajo erfolgen.
Berlin, 11. Juli. Ein Privartelegramm der „Nationalzeitung" meldet aus Semlin: General Iwanow, der Führer der zweiten und dritten Division ist durch die Verlegung seines Rückzuges durch Sie griechischserbische Armee gezwungen, mit seinen gesamten Truppen die Waffen zu strecken.
Meuternde Fürsorgesträflinge.
In der Radower Fürsorgecurstacht kam es, wie berichtet, am Mittwoch abend zu einer regelrechten Revolte. Der Hausvater war aus der Reise. Die Zöglinge benutzten die Gelegenheit, um eine lange vorbereitete Meuterei zur Tat werden zu lassen. Sie bedrohten in ihrem Freiheitsdrang die Wächter, verletzten gar einen, demolierten das Haus und flüchteten hinaus in die Freiheit. Die Zöglinge hatten nichts als ihre Arbeitskraft, aus sie vertrauten sie, sie würden sich schon durchbringen. So dachten sich Menschenfreunde. Die Zweifler werden anderer Meinung sein. Ihnen gibt die Ueberlcgung den Ausschlag. Diese Gesellen sind trotz aller Jugend so und so oft gerichtlich bestraft, sie haben niemals Besserung gezeigt. Es sind Stocksünder, an denen nichrs mehr zu retten ist. Eliminiert sind sie aus der menschlichen Gesellschaft, damir sie ihr keinen Schaden mehr zusllgen können. Werst sie in die Besserungsanstalten, dort wird ihnen Heil widerfahren. Die Zweifler wissen nicht das Körnlein Gold zu schürfen, das in jedem Menschen ruht, das Körnlein Gold, das zu Tage gefördert, den Menschen in einer ganz anderen Bedeutung zeigt, und ihn seines Menschenwertes erst bewußt macht. Hier offenbart sich dieses Problem für die soziale Gesetzgebung. Man hat viel und oft darüber gestritten, ob das Fürsorgeanstaltswesen, die Besserungsanstalten, die Zwangserziehungsheime, die Korrektionshäuser und so weiter, ihren Zweck erreichen. Die Tatsachen lehren, datz da noch viel im Argen liegt. Ursache: Drill und Soldatengeist. Aller menschlichen Rätsel Lösungen finden sich in der individuellen Behandlung des Zöglings. Prüfe man doch einmal die sogenannten Hausväter im allgemeinen und man kann da oft sein blaues Wunder erleben. Wir wollen nicht den Radower Fall heranziehen, wo von 109 Zöglingen 70 durchgingen. Datz ein Teil der jugendlichen Ausreißer aus Angst oder Hunger zurückkehrt, ändert nichts an der Tatsache, datz von Zeit zu Zeit immer wieder derartige Revolten Vorkommen und zwar in allen deutschen Bundesstaaten. Das wird den Regierungen zu denken gehen. Es handelt sich um junge Menschenleben, deren Kraft der Nation und der Gesellschaft wieder nutzbar gemacht werden soll. Hier mit zeitgemäßen Reformen einzusetzen, braucht sich kein Staat zu scheuen, __
Stkdt, Bezirk »nd Nachbarschaft
Calw, 12. Juli 1913.
Die heutige Nummer erscheint sechsseitig: Erstes und Zweites Blatt.
Bom Kur- und Fremdenblätt erscheint heute Nr. 8 in 12 Seiten Umfang. Neben dem ständigen Inhalt: den Kurlisten der Bäder Liebenzell und Teinach und der Kurorte Calw, Hirsau, Unterreichenbach und Zavel-
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den OrLS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30» Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg-
stein bringt es an unterhaltender Lektüre „Abendwolken", Gedicht von Hans Heinrich Ehrler, eine Würdigung des Kürtheaters Bad Liebenzell, den Anfang einer Novellette: Erste Liebe von Georg Busse- Palma und eine Lustige Ecke. Wir empfehlen auch diese Nummer zum Preis von 10 F zum Ankauf.
Hinweis. Morgen Sonntag finden verschiedene Veranstaltungen statt, an die wir von hier aus erinnern möchten. In Calw gibt die Stadtkapelle nachmittags im „Bad. Hof" ihr 4. Abonnementskonzert; in Bad Liebenzell werden vormittags 11 Uhr Orgel- und Eesangsvorträge zweier Stuttgarter Künstler zu hören sein und aus den Abend hat die Kurverwaltung Beleuchtung der Burgruine arrangiert.
ep. Endergebnis der Nationalspende. Die Sammlung der Nationalspende ist nun im ganzen Reiche abgeschlossen und hat auf evangelischer Seite 3 245 000 -4t ergeben. Dabei steht unter den größeren Bundesstaaten Württemberg zwar nicht nach der Höhe seiner Beitragssumme, aber nach der durchschnittlichen Höhe der Bei- tragsleiftung, an erster Stelle. In Württemberg entfallen aus den Kops der Bevölkerung 14,39 »Z, es folgen Baden mit 13,56 F, Provinz Sachsen l2,66, Schlesien 11,69 F, Königreich Sachsen 7,94 Z; am geringsten bei der Spende beteiligt ist Berlin mi.1 einem durch- schnirtlichen Beitrag von 2,04 Ein Verteikungs- plan für die Spendegelder wird dem Kaiser eingereicht, der über die Verwendung der Summen entgültig entscheiden wird.
Zungdeutschland für Mädchen. Gestern fand im Sicgle-Haus in Stuttgart eine Versammlung statt, an der die Vorstandsmitglieder der Stuttgarter Vereinigungen für die weibliche Jugend teilnahmen. Den Vorsitz führte Oberlehrer Thumm. Nach einem sehr interessanten Vortrag von Eanitätsrat Dr. Frank über: „Hygiene des Manderns mit Ratschlägen und Winken für das Mädchenwandern und Turnen" berichteten einige Vorstandsmitglieder über die Geneigtheit ihrer Vereinigungen, sich der Jungdcutschlandbewegung anzu- schlietzen. Es wurde sofort ein vorläufiges Arbeitskomitee für die Mädchenabteilungen gegründet, bestehend aus den Damen: Frau Staatsrat Göz, Frl. Helene Reis, Frl. Schieber, Frl. Weber und Frau Rechnungsrat Schäfer. Der Arbeitsausschuß wird schon in den nächsten Tagen zusammentreten und damit ist „Jungdeutschland für Mädchen" gegründet. Ilebrigens war die erste Mädchenabteilung, die schon seit mehreren Wochen besteht, in der Versammlung zugegen. — Im kommenden Sommer werden die Mädchen Jungdeutschlands in gleicher Weise in einem Ferienheim Aufenthalt nehmen, wie es den Knaben in der „Klause" bei Rottcnburg zur Verfügung steht. Es soll irgendwo im Welzheimer Wald eingerichtet werden.
Schlechtes Jmkerjahr. Neben den Weingärtnern ^nd Obstzüchtern sind Heuer auch die Imker schlecht daran . Die Frühjahrssröste haben die Entwicklung der Bienenvölker ausgehalten; Regen, Winde, viele kalte Tage verhinderten das Schwärmen und Honigeintragen. Für neuen Honig wird 1.20 -ll bezahlt.
Die Kirschen-Migernte in Württemberg hat badische Kirschenzüchter veranlaßt, bedeutende Kirschenmengen nach Württemberg zu senden. Wie in einzelnen Gegenden Badens eine reiche Kirschenernte eintrat und wie die betr. Leute bei den hohen Preisen ein schönes Geld verdienen, zeigt u. a. die Tatsache, datz im Bezirksamt Eenaenbach ein Mann in Reichenbach für 800 M und einer in Berghaupten für 1500 M Kirschen verkaufte.
scd. Mutmaßliches Wetter. Für Sonntag und Montag ist zumeist trockenes und wärmeres Wetter zu erwarten.
Lcinn. Bad Licbcnzell, 11.. Juli. Kurtheater. Nachdem am Dienstag abend mit sehr guter Besetzung „Der Hüttenbesitzer" in Szene gegangen war, wurde am Donnerstag abend dem Publikum der am Berliner Nesidenz- theater 300mal mit stürmischem Beifall gegebene Dreiakter „Rabenvater" geboten. Das Stück selbst birgt eine Menge von Komik in sich, so datz auch der ver-