zahllose Glückwunschschreiben und Telegramme zugegan­gen. Der Kaiser sandte folgendes Telegramm: Brunsbüttelkoog, 8. Juli. Meinen wärmsten Glück­wunsch zur heutigen Vollendung Ihres 75. Lebens­jahrs. Kaiser und Reich sind stolz auf den kühnen Beherrscher des Luftmeeres. Mögen Sie sich Ihrer jährlich wachsenden Erfolge noch recht lange in Gesund­heit und Iugendfrifche erfreuen! Wilhelm I. k." Weiter liefen Glückwünsche ein vom Prinzregenten von Bayern, vom Kronprinzen, vom Eroßherzog und der Eroßherzogin Luise von Baden, vom preußischen Kriegsminister, von Prinz Heinrich von Preußen, Staatsminister Dr. Delbrück, der Königin von Schwe­den und dem Herzog Albrecht von Württemberg. Das Telegramm des Königs paar es von Württemberg lautet: Bebenhausen. Zum heutigen Tage sprechen wir von ganzem Herzen unsere wärmsten und aufrich­tigen Glückwünsche aus. Möge Gott Ihnen noch viele Jahre in Kraft und Gesundheit zu Ihrem und des ganzen Vaterlandes Heile bescheiden. Charlotte. Wil­helm.

Aus Welt und Zeit.

v. Falkenhayn Kviegsminister.

(Vergl. gestrige Nummer.)

Roch vor der Nordlandreise, die der Kaiser seit seinem Regierungsantritt Heuer zum 25. Male unter­nimmt, ist die Ernennung des Nachfolgers des Herrn von Heeringen erfolgt. Der Chef des Eeneralstabes des 4. Armeekorps in Magdeburg, Generalmajor von Fal­kenhayn, ist unter Beförderung zum Generalleutnant ohne Patent er überspringt damit 70 Generalmajore zum Kriegsminister ernannt worden. Von Falken­hayn entstammt der Linieninfanterie und war haupt­sächlich im Eeneralstabe tätig. In Thorn war er Kom- pagniechef, in Danzig Bataillonskommandeur, in China Militärinstrukteur und während des Chinafeldzuges im Eeneralstab des Grafen Waldersee. Bis vor zwei ^Jahren oblagen ihm die Geschäfte des Eeneralstabschefs beim 16. Armeekorps in Metz, seit einem Jahre die beim 4. in Magdburg. Der neue Kriegsminister ist 52 Jahre alt. Einblick in die Heeresverwaltungs-Angelegenheiten hatte er eigentlich nur in China gehabt. Dem Kriegs­ministerium hatte er nie angehört. Immerhin hat ihn steine Laufbahn mit schweren diplomatischen Missionen in Verbindung gebracht. Persönlich ist Herr von Fal- ckenhayn als strenger, rechtlicher Charakter bekannt. Sein eiserner Wille garantiert eine unermüdliche Ar­beitskraft, dem die großen Erfahrungen auf dem Ge­biete der Heeresbedürfnisse wohl zu statten kommen. Die Zukunft wird lehren, in welcher Weise der neue Mann im neuen Amt seine praktischen Erfahrungen und seine militärischen Fähigkeiten wird in die Tat mmsetzen können.

Vom Hohentwiel, 8. Juli. Auf gräßliche Weise ver­übte gestern vormittag ein gutgekleideter Herr in der Buchhandlung von Ott in Singen Selbstmord. Der Ende der zwanziger Jahre stehende Mann bat den La­deninhaber, ihm auf kurze Zeit das Schreibzimmer zur Verfügung zu stellen, da er dringende Korrespondenzen zu erledigen habe. Plötzlich krachte ein Schuß. Als der bestürzte Ladeninhaber nachsah, wälzte sich der Unglück­liche in seinem Blute. Er hatte sich einen Revolverschuß in die rechte Schläfe beigebracht, der seinen sofortigen Tod zur Folge hatte. Wie aus einem hinterlassenen Brief, in dem er rührend von den Seinen Abschied nimmt, hervorgeht, handelt es sich um einen ledigen Zahntechniker aus Reutlingen. Als Motiv gibt der Selbstmörder, der scheinbar hochgradig nervös war, un­glückliche Liebe an. Die Leiche wurde von der Staats­anwaltschaft beschlagnahmt.

Würzburg, 8. Juli. Kürzlich ist von hier be­richtet worden, daß sich zur Rettung eines an Blut­zersetzung leidenden Soldaten ein Leutnant 1^ Ltr. Blut abzapfen ließ, das auf den kranken Soldaten übertragen wurde. Leider ist dieses heroische Opfer umsonst gewesen, denn heute kommt die Nachricht von dem Tode des betreffenden Soldaten.

Würzburg, 8. Juli. Heute abend stieg zum Schlüsse eines Volksfestes der Flieger Lindner in Würzburg mit einem Franzosen in einem Zweidecker auf und flog nach dem sogenannten Kugelfang auf dem Exerzierplatz. Dort überschlug sich das Flugzeug und stürzte zu Boden. Die beiden Insassen wurden noch lebend hervorgezogen, starben aber auf dem Transport nach dem Kranken­haus.

Straßburg, 8. Juli. Die Unterschlagungen, die der Hilfsbauschreiber Klinge auf dem Kreisbauamt verübte, belaufen sich bis jetzt auf 150 000 -K. Von dem ver­untreuten Gelds hat der Beamte aber nur den zehnten Teil erhalten, den Rest haben die beteiligten Unter­nehmer in die Tasche gesteckt.

Mülhausen i. Elf., 8. Juli. Bei dem Streik der Erdarbeiter kam es wieder zu einem schweren Zusam­menstoß zwischen Streikenden und Polizei. Zwei junge Leute erhielten durch Revolverschüsse so schwere Ver­letzungen, daß sie ins Spital gebracht werden mußten. Der eine erlag bereits auf dem Transport seinen Ver­letzungen. Die Lage war so gespannt, daß Militär her­

angezogen werden mußte. Sämtliche Arbeiter wollen in einen Generalstreik eintreten.

Düsseldorf, 8. Juli. Das neue Halbstarre Luft­schiffV. I." stieg heute von der Düsseldorfer Luftschiff­halle gegen 5 Uhr früh zu seiner ersten Werkstätten­fahrt auf. An Bord befanden sich neun Personen. Führer war Oberingenieur Simon. Das Schiff führte Betriebsstoff für 10 Stunden und 700 Kilogr. Ballast mit sich. Die erste Fahrt dauerte etwa eine halbe Stunde. Das Schiff bewährte sich außerordentlich, na­mentlich war seine Steuerfähigkeit hervorragend. Auch Vertreter des Kriegsministeriums waren anwesend. Das neue Luftschiff erinnert in seiner äußeren Form an die Zeppelinluftschiffe. Der 80 Meter lange Vallon- körper hat 8000 Kbm. Inhalt. Außer dem Führer­stand enthält der gangartige Kiel zwei Maschinen­räume und eine geräumige Kabine.

Wattenscheid, 8. Juli. Auf entsetzliche Weise ver­übte die Frau eines Arbeiters Selbstmord. Sie be­goß sich mit Petroleum und zündete sich dann an. Ehe man ihr Hilfe bringen konnte, war sie bis zur Un­kenntlichkeit verbrannt. Die Frau, eine Mutter von vier Kindern, hat die Tat in geistiger Umnachtung begangen.

Essen, 7. Juli. Der Kaufmann Arthur Mann hat in der Nacht zum Montag seine Braut, die Modistin Emma Heiermann, im Vernewäldchen erwürgt. Er hat die Tat vermutlich aus Eifersucht verübt.

Paris, 8. Juli. Die Kammer hat heute vormittag den 2. Paragraphen des Artikels 18 des Gesetzes über die dreijährige Dienstzeit duch Handaufheben angenom­men; ferner Artikel 2 und 8 des Militärgesetzes, betr. die Effektivstärken, Artikel 4 über die Aushebung und Artikel 5, der die Dienstzeit in Linie, Reserve und Ter­ritorialarmee auf zusammen 28 Jahre sestsetzt.

London, 8. Juli. Das Unterhaus nahm um Mit­ternacht' in erster Lesung die Homerulebill mit einer Regierungsmehrheit von 109 Stimmen an.

Gerichtssaal.

Ein Millionenschwindler.

Unter der Anklage des mehrfachen Betrugs, der Wechselfälschung und anderer Vergehen stehen seit Mon­tag vor Gericht die Kaufleute Aron Koghen, Jacubo- witsch und Markus Eellhorn. Ersterer, der seit Mitte 1912 in Untersuchungshaft ist, ist russischer Staatsan­gehöriger und 1868 in Kiew geboren. Sein Vater war Besitzer einer Zigarettenfabrik und hinterließ seinen Kindern mehrere Millionen Rubel. Sein Sohn Aron aber verschwendete sein Erbteil. Ueber seine Unter­nehmen in Rußland, ein Handelsblatt und ein Handels­museum, wurde der Konkurs verhängt und unter Hin­terlassung von 80 000 Rubeln Schulden floh er aus Rußland über London nach Berlin. Hier machte er eine Erste russische Zigarettenfabrik Koghen, Kiew und Ber­lin" auf und mietete eine Anzahl Eeschäftsläden, von denen der in der Friedrichstraße jährlich allein 32 000 °4l Miete verschlang. Er betrieb eine Riesenreklame, hatte neben seinen Läden großartige Rauchsalons, Schreib­stuben und Telephonzellen eingerichtet und hielt für seine Kunden ein zahlreiches Dienstpersonal. Die Ein­nahmen aber waren geringe. Koghen hat alle diese Ge­schäfte ohne einen Pfennig baren Geldes gegründet. Er hat den ihm gewährten Kredit, der in die Millionen geht, nicht nur für seine geschäftlichen, sd> ^ern auch für luxuriöse Zwecke benutzt. So hat er einmal seinen Geschäftsfreunden im Hotel Bristol ein Diner gegeben, das 2000 -N kostete aber von ihm nicht bezahlt wurde. Sein Geschäftslokal in der Friedrichstraße hat er von einem Priester der russischen Botschaft einweihen lassen, weil man, wie Koghen sagte, in Eeschäftssachen immer mit Gott anfangen solle. Der Angeklagte hat im No­vember 1911 das Berliner Metropoltheater für einen Abend gemietet und die Eintrittskarten an seine Kun­den verteilt, was ihn 7000 <4l kostete. Endlich er wieder unter die Zeitungsgrllnder und gab eine ZeitschriftRußland und Deutschland" heraus, die aber nach zweimaligem Erscheinen wieder einging. Noch zu einer Zeit, als schon Wechsel von ihm zu Protest ein­gegangen waren, gab K. seiner Kundschaft musikalische Teeabende, die Unsummen verschlangen. In seinem Ee- schäftslokal hatte er einmal ein Bild aufgehängt, das einen Galgen zeigte, und darunter stand:Das ist meine Zukunft." Im Spaß will er das getan haben. Eine Frau Th. ist um 200 000 -N geschädigt worden, eine Berliner Firma gleichfalls um 200 000 ^l, und ein Oberleutnant L., der Bürgschaft geleistet hat, um 150 000 Dieser hat Konkurs anmelden müssen, außerdem sind zahlreiche andere Privatpersonen um Beträge bis zu 30 000 betrogen worden. Der Mit­angeklagte Jacubowitsch war Geschäftsführer bei Kog­hen und vermittelte Darlehensgeschäfte für ihn, gegen eine übermäßig hohe Provision. Der dritte Angeklagte, Gellhorn lebte in Newyork als Kaufmann und 15 Jahre lang als Goldgräber in Südafrika. Mit annähernd einer Million will er nach Deutschland zurückgekehrt sein. In Frankenstein (Schlesien) gründete er die Schlesischen Nickelwerke, die heute noch gut gehen. Er ist aber vollkommen vermögenslos, da er bei andern

Unternehmungen sein Geld verlor. Die Ehefrau Kog- hens hat sich aus Gram einen Schuß in die Schläfe beigebracht, was ihre völlige Erblindung zur Folge hatte. Sie verweigerte die Zeugenaussage. Den Aus­sagen der kommissarisch in Kiew vernommenen Ge­schwister Koghens nach, besaß der alte K. 1)4 Millionen Rubel, er hat aber den Angekl. enterbt. Die russische Regierung hat die Auslieferung K.'s zur Verfolgung der in Rußland begangenen Wechselfälschungen ver­langt. Die Verhandlungen dauern fort.

Landwirtschaft und Märkte.

Saatenstand zu Anfang Juli 1913. Nach einem Bericht des Statistischen Landesamtes war der Stand der Früchte, wenn 1 gleich sehr gut, 2 gut, 3 mittel, 4 gering, 5 sehr gering bedeutet, folgender: Winterweizen 2,5 (im Vormonat 2,8), Sommerweizen 2,5 (2,6), Win­terdinkel 2,5 (2,7), Winterroggen 2,8 (3), Sommerrog­gen 2,6 (2,7) Sommergerste 2,4 (2,4), Haber 2,6 (2,6), Kartoffeln 2,4 (2,5), Hopfen 2,8 (2,5), Klee 3,1 (3,1), Luzerne 3,0 (3,1), Bewässerungswiesen 2,3 (2,3), andere Wiesen 2,2 (2,2), Aepfel 4,7 (4,6), Birnen 4,8 (4,9), Weinberge 3,9 (3,9). Nach den Berichten der Saaten­standsberichterstatter stellt sich die Lage wie folgt dar: Der Stand der Feldfrüchte war um Mitte Juni recht gut, aber durch die nachfolgende kühle und regnerische Witterung haben sich die Aussichten teilweise ungün­stiger gestaltet. Der Stand des Wintergetreides wird zwar vorherrschend noch als gut bezeichnet. Mehrfach wird jedoch berichtet, daß die Früchte durch die regneri­sche Witterung notleiden und bereits zur Lagerung neigen, wodurch der Körnerertrag beeinträchtigt wird. Immerhin weisen die Landsdurchschnittsnoten sämt­licher dreier Wintergetreidearten gegenüber dem Stand im Vormonat eine Besserung auf. Auch der Stand der Sommergetreide ist im ganzen genommen immer noch ordentlich. Doch zeigt der Haber häufig viel Unkraut (Senf, Hederich). Auch ist, bis jetzt allerdings nur ver­einzelt, die schädliche Fritfliege in den Haberfeldern zu beobachten und die Gerste leidet mancherorts unter Brand. Die Kartoffeln sind infolge der feuchten Witte­rung schön und kräftig herangewachsen und bis jetzt noch im Blatt gesund. Ebenso haben sich die übrigen Hack­früchte, denen die feuchte Witterung sehr zustatten ge­kommen ist, befriedigend entwickelt. Sehr ungünstig war dagegen die fortgesetzt feuchte Witterung im letzten Drittel des Monats Juni für den Fortgang der Heu­ernte, die sehr unliebsam verzögert und unterbrochen worden ist. Vieles geschnitten aus dem Feld liegende Heu konnte bis heute noch nicht eingebracht werden, wodurch sein Futterwert erheblich beeinträchtigt wird. Das rechtzeitig noch bei guter Witterung eingeführte Heu hat einen nach Menge und Güte durchaus be­friedigenden Ertrag geliefert. Der zweite Futterschnitt hat schön angesetzt. Die Obstaussichten sind schlecht, nur vereinzelt, besonders in Höhenlagen, ist ein Ertrag zu erhoffen. Für die Weinberge, die ohnedies infolge der Aprilfröste vielfach nur einen bescheidenen Ertrag, in einigen Gegenden aber nach dem Stande am Anfang Juni immerhin noch einen mittleren Ertrag in Aus­sicht stellten, war die regnerische Witterung in der letzten Zeit sehr ungünstig. Die Blattfallkrankheit, besonders der Heu- und Sauerwurm, ist vielerorts wieder stark aufgetreten. Trockene, warme Witterung wäre für die Weinberge, aber auch für alle übrigen Gewächse, na­mentlich auch für die Beendigung der Heuernte dringend erwünscht.

Kirchheim u. T., 7. Juli. Vieh- und Schweine­markt. Zutrieb: 743 Stück Rindvieh und 590 Schweine. 114 Farren, das Stück zu 380902 98 Ochsen und

Stiere, das Stück zu 360720 oR, 150 Kühe, das Stück zu 370650 -R, 352 Kalbinnen und Rinder, das Stück zu 190752 ^l, 29 Kälber, das Stück zu 90110 -N, 100 Läuferschweine, das Paar zu 80135 -R, 490 Milch­schweine, dus Paar zu 4575 ^l. Der Handel an Schweinen flau.

Von der Hornisgrinde. Die Heidelbeerernte, die infolge ihres überaus reichen Blütenansatzes einen be­sonders ergiebigen Ertrag versprach, wird im ganzen Wäldergebiet der Hornisgrinde gering ausfallen. Die starken Reifen und mehrmaligen Gewitter mit Hagel­schlag haben störend gewirkt. Der Stand dieser gesuch­ten und gesunden Früchte ist nur an wenigen Plätzen gut. Eine reiche Ernte versprechen die Preißelbeeren, die gut durch die Wettertücken hindurchgekommen sind. Zu wünschen bleibt nur, daß sie nicht in unreifem Zu­stand abgepflückt werden, wie dies leider mancherorts üblich ist.

Hundefleisch. Im vergangenen Jahr sind in Würt­temberg 103 Hunde als geschlachtet der Fleischbeschau vorgewiesen worden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Zahl der geschlachteten Hunde wesentlich'größer ist. Aber auch die angegebene Ziffer Ubertrifft die der vorangegangenen Jahre, die sich auf 95 und 85 stellte. 95 der 103 Hundeschlachtungen sind im Jagstkreis ange­meldet worden, wo eine besondere Liebhaberei für diese Delikatesse zu bestehen scheint.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.