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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.» Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Dienstag, den 8. Juli 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohu Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
Zeppelin.
8. L. L. An diesem 8. Juli sind es 75 Jahre her, daß Graf Ferdinand v. Zeppelin das Licht der Welt erblickte; als Sprosse eines alten Adelsgeschlechtes, so- daß ihm ein gewisser Vorzug schon in die Wiege gelegt ward; — das aber vermochten die Sterne über diese Wiege doch nicht zu verkünden, datz der nun 75-Jährige dereinst der Träger eines Namens von Weltruf, ein nationaler Held, verehrt, wie wenige, von einem ganzen großen Volke, einer ganzen Welt, werden sollte. Warum? Die Erklärung ist einfach: Nicht Name und Geburt vollbrachten es, sondern seiner eigenen Tüchtigkeit und Energie, und einer viel späteren Zeit war es Vorbehalten, Graf Zeppelin den Weg hinauf, den Weg zur Höhe
— in des Wortes wirklicher und bildlicher Bedeutung
— suchen und finden zu lassen. Nennen wir unseres Volkes Beste, zählen wir jene aus, denen es gelang, die Blicke aller Welt auf unsere Fortschritte, unsere Tüchtigkeit und unser Schaffen zu lenken, so können, dürfen und wollen wir dessen nicht vergessen, den schwäbische Lande ihren Sohn nennen dürfen, eben des Grafen Zeppelin, jenes Grafen Zeppelin, der in einem Alter, in dem andere freiwillig oder unfreiwillig die Hände in den Schoß legen, eine neue Zeit heraufführen half, eine Zeit, in der der Mensch vermochte, auch das bisher nicht beherrschte Reich der Luft.sich-untertan zu machen, und in der besonders Deutschland auf diesem Gebiete Erfolge beschieden sein sollten, wie sie hier kaum eine andere Nation zu verzeichnen hat. Graf Zeppelins Lebensgang hier zu skizzieren, dürfte kaum notwendig sein. Denn wem, namentlich welchem Schwaben, wäre es nicht geläufig, datz schon der Knabe Ferdinand großes Interesse für Maschinen an den Tag legte, datz dieses Interesse dann aber zurücktrat, als heißes Blut und Wagemut den jungen Kavallerieoffizier nach dem Schauplatz des amerikanischen Sezessionskrieges lockten, auf dem er, der kühnsten einer, durch eine gegen Stuarts Reiter gerittene Attacke soviel von sich reden machte, wie dann später durch das in aller Munde lebende Reiterstücklein vom Schirlenhos im deutsch-französischen Kriege. Wer wüßte es weiter nicht, datz gerade in diesem Kriege in dem jungen Offizier, der sich vor dem zernierten Paris von der Notwendigkeit des Luftverkehrs überzeugen konnte, der Wunsch und die Absicht wach wurden, diesen Luftverkehr nicht unter die Launen und den planlosen Willen eines Elements, sondern in den Dienst des überlegenden menschlichen Wollens und Willens zu stellen. Man wird sagen müssen, das war eine große, geniale Idee. Aber wie wurde sie ausgenommen? Als Graf Zeppelin nach langem, treu seinem König geleisteten Dienst daran ging, seine Idee in die Tat umzusetzen, begegnete er, von einigen Wenigen abgesehen, zugeknöpften Taschen, Hohn und Spott und Zweifeln, oder aber auch jenem besonders kränkenden, mitleidigen Lächeln, das in dem wenigen, was man über die Zeppelinschen Versuche hörte, wertlose Ausgeburten der fixen Idee eines alternden Geistes erblickte. Und man wird denen, die so wenig von Zeppelins Plänen und Arbeiten hielten, nicht einmal ernstlich zürnen können; denn aller Großzügigkeit des Gedankens, allen Fleißes in der Ausarbeitung und Vervollkommnung des Details, aller Opfer und Versuche zum Trotz, kamen nur Mißerfolge oder geringe Erfolge: ein Dädalus mehr auf dem Felde, in dessen erdgefesselter Scholle alle die Wünsche und Trümmer derer modern, die, gepackt von der Menschheit uralter Sehnsucht, wähnten, zur Höhe, zum Himmel steigen zu können. Dann aber; dann aber kam jener wie ein Wirklichkeit gewordenes Märchen anmutende Flug in die Schweiz; und kam auch der Tag, wo unter Kanonendonner, Glockengeläuts und brausendem Hurra, bewundert und begrüßt als Meisterwerk deutschen Geistes und deutschen Wagemuts Zeppelins Luftschiff sieghaft vom Bodensee den Rhein entlang zog, ein fliegender Wunderbau, über dessen weißem Gewände eine neue Zukunft sonnte, während eine, mit einem Schlage von allen Zweifeln geheilte, beglückte Gegenwart ehrfurchsvoll dem Flügel
schlag einer neuen Zeit, einem neuen Triumph des Menschengeistes lauschte. Und nach diesem Tage ungezählte andere, wo sich in kühnem Flug über Dorf und Stadt, Tal und Berg Zeppeline schwangen; immer gleich freudig begrüßt und nie, ohne das ins Auge gefaßte Ziel zu erreichen. Freilich auf der anderen Seite der Bilanz stehen auch die Tage von Echterdingen, vom Teutoburger Wald, Baden-Oos und Düsseldorf. Darf mit ihnen aber der Erfinder, das System belastet werden? Solches vermögen heute nur Neidlinge und Gewohn- heitsnörgler zu tun; der ehrlich und gerecht Wägende muß zugeben: Zeppelin ist und bleibt der Bahnbrecher, der König im Reiche der Luft; mögen deren Bereich heute auch die Flugmaschinen mit ihm teilen, er ist auch diesen auf dem großen Wege vorangegangen.
So steht denn des Grafen Zeppelin Lebenswerk vor uns als ein Beispiel dafür, daß Intelligenz, nationales Empfinden und eiserne Energie sich allen Widerständen zum Trotz doch durchzusetzen vermögen, wenn sie sich einer guten Sache betätigen; und in diesem Sinn darf er uns allen, insbesondere unserer Jugend ein Muster, ein Vorbild sein. Das mag er uns aber auch sein als Mensch: Pflichttreue, Lust am Schaffen, Bescheidenheit trotz aller Verdienste und Erfolge, Liebenswürdigkeit und über Kleinlichkeiten erhabene Weltanschauung sind Eigenschaften, die das Bild des nun 75- Jährigen uns sp lieb, so schön und so groß gestalten, datz wir — in diesem Jahr der großen Erinnerungen — ihm wohl am besten gerecht werden, wenn wir neben Zeppelins sympathisches Bild ein anderes stellen: das des Mannes, der, wie Zeppelin die trügerischen Mächte des Luftmeeres niederrang, vor 100 Jahren die bösen Geister des Zagens und Zauderns besiegte: er hieß Blücher und sein alles niederringender Wahlspruch war: „Vorwärts!" Fügen wir diesem sieghaften „Vorwärts" noch das altschwäbische „Furchtlos und treu!" an, so steht Zeppelin, sein Wesen und sein Werk gekennzeichnet vor unseren Augen. Möchten dem nun ins patriarchalische Alter getretenen, aber jung- und hochgemuten Grafen noch recht viele sonnige Tage und noch recht große Erfolge beschieden sein!
Vom Kriegsschauplatz.
Es gibt keine Besiegten, nur Sieger! Die Bulgaren siegen, die Serben erst recht, und die Griechen noch viel glänzender:
Wien, 7. Juli. Aus Semlin wird gemeldet: Der bulgarischen Armee ist es tatsächlich gelungen, die serbische und griechische Armee von einander zu trennen. Die Kämpfe bei Pirot dauern mit ungeheurer Heftigkeit noch immer fort. Die bulgarische Heeresleitung ist im Begriffe, die Serben bei Pirot zu umzingeln. Es wird bereits über Munitionsmangel geklagt. Die Sie- gesfreude hat fast ganz aufgehört und einer drückenden Stimmung Platz gemacht. Die Schrecken der Kämpfe machen einen um so tieferen Eindruck, als man für die Verwundeten keine Unterkunft mehr finden kann. Es fehlt auch an ärztlicher Pflege, sowie an Verbandsstoff und Desinfektionsmitteln. Die Privatnachrichten über die vernichtende Niederlage der (serbischen) Timok- division und die schwierige Lage der Morawadivision haben in der Bevölkerung tiefe Depression hervorgerufen, die auch die amtlichen Verlautbarungen über Erfolge nicht beseitigen können. Der russische Gesandte v. Hartwig hatte eine längere Unterredung mit dem Ministerpräsidenten, um, wie es heißt, ihm neuerdings die Einstellung der Feindseligkeiten und die Reise nach Petersburg nahe zu legen. — Heute wurde das letzte serbische Aufgebot einberufen. Es sind dies alle männlichen Personen vom 18. bis zum.60. Lebensjahre, die noch nicht im Felde stehen.
Berlin, 7. Juli. Die serbische Gesandtschaft teilt mit: Alle Nachrichten der Bulgarischen Telegraphenagentur von einer entscheidenden Niederlage und von der Gefangennahme der Timokdivision bei Krivolak entbehren jeder Begründung. Der beste Beweis hierfür
ist, daß gerade die Timokdivision gestern Krivolak zurückerobert hat.
Athen, 7. Juli. (Ag. d'Ath.). Nach dreitägigen, erbitterten und blutigen Kämpfen hat die Schlacht auf der Linie Ardschan—Nigrita vorgestern mit einem glänzenden Sieg der griechischen Armee und dem vollen Rückzug des Feindes geendet. Die bulgarischen Truppen in diesen Kämpfen beliefen sich auf 80—88 Bataillone Infanterie mit 180 Kanonen und standen in verschiedenen Stellungen zwischen dem Pangeongebirge und dem Doiransee.
Sofia, 7. Juli. Einer unbestätigten Meldung des Korrespondenten der „Franks. Ztg." zufolge, soll der deutsche Kaiser seine Vermittlung zwischen Bulgarien und Rumänien angeboten haben.
Stadt» Bezirk «nd Nachbarschaft
Talw» 8. Juli 1913. VomRathaus.
Zur Beratung des Vertrages, der den Bezug elektrischen Stromes durch die Stadt vom Eemeindeverband Elektrizitätswerk Station Teinach regelt, waren Ee- meinderat und Bürgerausschuß auf gestern nachmittag 4 Uhr zu einer Sitzung zusammengerufen worden. Es waren 9 Eemeinderäte und 10 Bürgerausschutzmitglieder erschienen. Als Vertreter des G. E. T. nahmen an den Beratungen Stadtfchultheitz Müller-Neubulach und Direktor Denzinger teil. Die in der Sitzung vom 26. Juni aufgestellte Kommission hat den Vertrag beraten und einen Entwurf aufgestellt. Stadtschultheiß Conz gab die Grundzüge des Vertrags in einer Einführung bekannt: Die Stadt bezieht vom E. E. T. in der Form eines Stromkaufs Elektrizität, ohne damit in irgend ein Haftungsverhältnis mit dem Eemeindeverband einzutreten, wie es vorliegt für die eigentlichen Verbandsgemeinden. Die Stadt stellt kostenlos Grund und Boden zur Verfügung, wo dis die Führung der Leitung auf Markung Calw notwendig macht; soweit Privateigentum in Frage kommt, verpflichtet sich die Stadt, an der Regelung mitzuwirken, unter Umständen durch Uebernahme der hälftigen, etwa sich ergebenden Kosten. Ist Staatseigentum zu erwerben, so hat der E.V. die Kosten zu übernehmen. Die Einrichtung für die Transformation und Umformung im Städt. Werk, die durch den Stromkauf bedingt ist, werden auf Kosten der Stadt erstellt (10 000 ^l). Würden die Vereinigten Deckenfabriken von ihrem Vertrag zurücktreten, würde das an der für die Abnahme der Stadt vertraglich festgelegten Skala nichts ändern. Innerhalb der Vertragsdauer tritt eine Preiserhöhung für den Strom nicht ein; ist der Eemeindeverband in der Lage, andern Abnehmern mit ähnlichem Bedarf und Umfang die Strompreise zu ermäßigen, so ist dem Städt. Elektrizitätswerk eine gleiche Vergünstigung einzuräumen. Der Verband darf innerhalb der Stadt keine Installationen vornehmen. Der Leitungsanschluß vom E. E. T. an das städtische Werk soll auf 1. November d. I. fertiggestellt sein; der an die Vereinigten Deckenfabriken auf 1. April 1914. Unter entsprechender Voraussetzung ist der Verband nicht an die Einhaltung dieser Bestimmung gebunden. (Elementare Ereignisse, Streiks usw.). Die Vertragsdauer ist auf 15 Jahre festgesetzt, ab 1. April 1914. Ein Schiedsgericht, bestehend aus Vertretern der Stadt und des Eemeindeverbandes, soll anfallende Streitigkeiten schlichten, solange sie nicht über 2000 Geldwert bedeuten. Der Vertrag mit der Deckenfabrik sieht vor, daß dem E. E. T. gleichzeitig mit der Stromführung für das Städt. Elektrizitätswerk die Versorgung der Ver. Deckenfabriken überlasten wird, aufgrund eines besonderen Vertrags. Die erforderlichen Leitungen für die Versorgung der Vereinigten Deckenfabriken werden nicht zu Lasten der Stadt gehen. Sie rechnen mit dem Verband ab. Diese vertraglichen Abmachungen sind mit ihren wesentlichen Einzelheiten schon nach der ersten öffentlichen Verhandlung an dieser Stelle bekanntgegeben worden. — Die Absicht der Eisenbahn-