155. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.
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Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Montag, den 7. 3uli 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mir Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.A), im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.
Dom Kriegsschauplatz.
Ein Stimmungsbild, in dem Bulgariens kriegerische Leistungen und das gegenseitige Verhältnis der feindlichen Brüder Serben und Bulgaren in aus Erfahrung und Verständnis geborenen Worten vor Augen geführt und geschildert werden, schreibt der Korrespondent der Kölnischen Zeitung seinem Blatt aus Sofia. Wir lesen da u. a.: „Bulgariens Volk hat Ungeheures geleistet; es hat mit Landsturm und Freiwilligen nahe an eine halbe Million Soldaten aufgebracht, über 11 Prozent der Bevölkerung; die für das Heer beschlagnahmten Sachen belaufen sich auf mehrere Hunderte von Millionen Mark. Die Beamten erhalten nur ein Drittel ihres Gehalts; Tausende von Geschäften sind geschlossen. An Toten hat das Heer gegen 30 000 verloren, so viel, als Deutschland im Kriege gegen Frankreich. Aber Bulgarien hat zehnmal weniger Einwohner; es ist also so, als ob Deutschland damals 300 000 Tote verloren hätte. Natürlich ist das Bedürfnis nach Frieden groß, und niemand sucht es zu verbergen, es tritt aber in ruhiger und würdiger Form zutage, wenn auch manchmal ein paar junge Weiber in den Tausenden von Weiberdörfern die Geduld verlieren. Der einem Fremden nicht leicht verständliche Hatz gegen die Serben erleichtert dem Volke die Lasten des Krieges. Der lärmende, leichtlebige, etwas prahlerische Serbe ist dem ruhigen schwerfälligen und verschlossenen Bulgaren niemals sympathisch gewesen. Nun, da der Krieg um die Beute droht und sich beide Heere gerüstet gegenüberstehen, klingt es aus den Lagern wie zur homerischen Zeit, da die Helden, bevor sie zum Schwert griffen, sich reichlich erst mit kräftigen Flüchen überschütteten. Serbische Zeitungen schreien: Wann wird endlich der Augenblick kommen, wo wir dies ruppige Tatarenvolk bis ans Meer Hetzen können, dies Gesindel, das keine Dankbarkeit kennt, das nicht nach Europa gehört! Wir erwarten es aus dem Owtschpolje, dem Schafsfeld, um ihm dort, wo unsere Ahnen sich ruhmvoll geschlagen haben, das Genick umzudrehen! Und die Bulgaren bleiben die Antwort nicht schuldig" Bulgarien hat als Wappentier und Symbol den Löwen, Serbiens Symbol ist das Schwein. Der bulgarische Löwe wird das serbische Schwein nicht nur über das Schafsfeld jagen, sondern bis in den Schweinestall. Aus bulgarischen Witzblättern ist Serbien stets als Schwein dargestellt, mit verbundenem Fuße; der Verband trägt die Inschrift
Sliwnitza 1885. Der Streit um die Beute hat die Gesinnungen beider Völker so vergiftet, datz nur ein Krieg diese Stickluft reinigen kann. Wenn, wie es heute wahrscheinlich ist, eine friedliche Einigung unter dem Drucke Rußlands und vielleicht noch anderer Mächte erfolgt, so wird doch der beiderseitige Hatz so wild, so unversöhnlich sein, datz ein unerträglicher Zustand beständigen Erenzkrieges, einer Uebertragung der Erbitterung in alle persönlichen, geschäftlichen und staatlichen Beziehungen eintreten wird, der keiner der beiden Parteien zum Vorteil dienen kann. Wer dagegen infolge eines unglücklichen Krieges ein Stück der Beute verliert, der wird sich leichter trösten. Da hat die lange Nachbarschaft mit den Türken etwas abgefärbt. Wenn Allah entschieden hat, mutz man sich fügen .... Es ist die große Zeit der Bulgaren, wie sie vor hundert Jahren für das preußische und deutsche Volk gekommen war. Sie wird von ungeheurem Einfluß auf die Zukunft sein."
In dem neuen Krieg auf dem Balkan, den die „Ver^. kündeten" um die den Türken abgenommene Beute führen, läßt sich vorderhand noch kein einigermaßen zutreffendes Bild von dem augenblicklichen Kriegsstand geben. Wenn man von einer, in letzter Stunde eingetröffenen Nachricht aus serbischer Quelle, die von einem großen Sieg der serbischen Truppen über den bulgarischen rechten Flügel spricht, ohne indes nähere Einzelheiten anzugeben, absieht, da man angesichts der vielen serbischen Siegsmeldungen dieser Tage wohl gut tut, die Bestätigung abzuwarten, so ergibt sich im großen und ganzen wohl ein zielbewutztes, wenn auch langsames Vordringen der Bulgaren auf der ganzen Linie. Nachdem es den Vulgaren gelang, der serbischen Hauptstreitkraft, die bei llesküb und Kumanowo steht, durch die fast vollständige Vernichtung der serbischen Timok- division in dem Kampf bei Krivolak einen empfindlichen Stotz zu versetzen, scheint die geplante serbische Offensivbewegung, die Sofia im Auge hatte, zum Stillstand gekommen zu sein. Der Kampf von Krivolak kostete die Serben 4000 Gefangene, 19 Schnellfeuergeschütze, zahlreiche Gewehre und den gesamten Train des 13. und 15. Infanterieregiments. Auch im nördlichen Kampfgebiet bei Pirot sind die Vulgaren in erfolgreichem Vordringen gegen Wranja begriffen, sodatz die serbische Hauptarmee im Rücken bedroht ist.
Kiel, 6. Juli. Die Verschärfung der Lage auf dem Balkan gibt Anlaß, auf die Verteilung der Seestreitkräfte der deutschen Mittelmeerdivision hinzuweisen. In den europäischen Gewässern sind jetzt vier, in de.n asiatischen zwei deutsche Kriegsschiffe stationiert. Der Divisionschef, Kontreadmiral Trummler, liegt mit seinem Flaggschiff Eoeben im Piräus, wo es gemeinsam mit dem Kleinen Kreuzer Stratzburg am 23. Juni von Neapel eintraf. Die Stratzburg setzte nach kurzem Aufenthalt die Fahrt nach Osten fort und traf am 26. Juni vor Mersina ein. Die Dresden ankert am Bosporus und hält schon zehn Tage die Wacht vor Konstantinopel. Die Loreley hat Ealatz ausgesucht. Der Geier nimmt in Port Said Kohlen über, und die Breslau befährt die Adria. Je ein Schiff ist in griechischen, türkischen, rumänischen, albanischen, kleinasiatischen und ägyptischen Gewässern tätig.
Stadt, Bezirk «nd Nachbarschaft
^ ^ Ealw, 7. Juli 1913.
< Weiß zum Tode verurteilt.
Aus Tübingen wird uns geschrieben: Das Schwurgericht hat nach wiederholter und zweitägiger Verhandlung den 22 Jahre alten Bauernsohn Wilhelm Weiß von AltbLNastett- zum Tode und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Er hat, wie erinnerlich, am 9. März an der Talw-Stuttgarter Bahnlinie beim Bahnwarthaus um Geld zur Abreise ins Ausland in die Hand zu bekommen, den bejahrten und vermöglichen Bahnwart Löffler mit einem Prügel totgeschlagen und, nachdem er in das Haus eingedrungen war, die Frau des Bahnwarts zu erdrosseln gesucht. Da sie mit ihm fertig wurde, mutzte er ohne Beute abziehen. Löffler war nicht gleich tot, sondern starb erst acht Tage später an den Folgen des Schlages im Krankenhaus zu Calw. Die Untersuchung des Angeklagten auf seinen Geisteszustand, deretwegen die erste Verhandlung vor dem Schwurgericht abgebrochen werden mutzte, ergab seine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Die Geschworenen überzeugten sich von der Schuld des Weiß und bejahten die auf Raubmord und versuchten Raub lautenden Schuldfragen, worauf das Todesurteil gefällt wurde. Der Angeklagte nahm es gelassen und ohne besondere Erregung entgegen^-- — Zu der neuen Verhandlung gegen Weiß waren
Das Wirtshaus im Speffart.
47) Erzählung von Wilhelm Kaufs.
Noch an demselben Tag aber führte der Graf, begleitet von dem wackern Jäger, den jungen Goldschmied nach seinem Schlosse, wo die Gräfin, noch immer besorgt um das Schicksal des jungen Mannes, der sich für sie geopfert, sehnsuchtsvoll aus Nachrichten wartete. Wer beschreibt ihre Freude, als ihr Gemahl, den Retter an der Hand, in ihr Zimmer trat? Sie fand kein Ende, ihn zu befragen, ihm zu danken; sie ließ ihre Kinder herbeibringen und zeigte ihnen den hochherzigen Jüngling, dem ihre Mutter so unendlich viel verdanke, und die Kleinen faßten seine Hände, und der zarte Sinn ihres kindlichen Dankes, ihre Versicherungen, datz er ihnen nach Vater und Mutter auf der ganzen Erde der Liebste sei, waren ihm die schönste Entschädigung für manchen Kummer, für die schlaflosen Nächte in der Hütte der Räuber.
Als die ersten Momente des frohen Wiedersehens vorüber waren, winkte die Gräfin einem Diener, welcher bald darauf jene Kleider und das wohlbekannte Ränzchen herbeibrachte, welche Felix der Gräfin in der Waldschenke überlassen hatte. „Hier ist alles," sprach sie mit gütigem Lächeln, „was Ihr mir in jenen furchtbaren Augenblicken gegeben; es ist der Zauber, womit Ihr mich umhüllt habt, um meine Verfolger mit Blindheit zu schlagen. Es steht Euch wieder zu Diensten; doch will ich Euch den Vorschlag machen, diese Kleider,
die ich zum Andenken an Euch aufbewahren möchte^ mir zu überlassen, und zum Tausch dafür die Summe anzunehmen, welche die Räuber zum Lösegeld für mich bestimmten."
Felix erschrak über die Größe dieses Geschenkes; sein edler Sinn sträubte sich, einen Lohn für das anzunehmen, was er aus freiem Willen getan. „Gnädige Gräfin," sprach er bewegt, „ich kann dies nicht gelten lassen. Die Kleider sollen Euer sein, wie Ihr es befehlet; jedoch die Summe, von der Ihr sprechet, kann ich nicht annehmen. Doch weil ich weiß, daß Ihr mich durch irgend etwas belohnen wollet, so erhaltet mir Euer Wohlwollen, statt anderen Lohnes, und sollte ich in den Fall kommen, Eurer Hilfe zu bedürfen, so könnt Ihr daraus rechnen, datz ich Euch darum bitten werde." Noch lange drang man in den jungen Mann, aber nichts vermochte seinen Sinn zu ändern. Die Gräfin und ihr Gemahl gaben endlich nach, und schon wollte der Diener die Kleider und das Ränzchen wieder wegtragen, als Felix sich an das Geschmeide erinnert, das er im Gefühl so vieler freudiger Szenen so ganz vergessen hatte.
„Halt!" rief er. „Nur etwas müßt Ihr mir noch aus meinem Ränzchen zu nehmen erlauben, gnädige Frau, das Uebrige ist dann ganz und völlig Euer."
„Schaltet nach Belieben," sprach sie; „obgleich ich gerne alles zu Eurem Gedächtnis behalten hätte, so nehmet nur, was Ihr etwa davon nicht entbehren wollet. Doch, wenn man fragen darf, was liegt Euch so sehr am Herzen, datz Ihr es mir nicht überlassen möget?"
Der Jüngling hatte während dieser Worte sein Ränzchen geöffnet und ein Kästchen von rotem Saffian herausgenommen. „Was mein ist, könnet Ihr alles haben," erwiderte er lächelnd, „doch dies gehört meiner lieben Frau Patin; ich habe es selbst gefertigt und mutz es ihr bringen. Es ist ein Schluck, gnädige Frau," fuhr er fort, indem er das Kästchen öffnete und hinbot; „ein Schmuck, an welchem ich mich selbst versucht habe."
Sie nahm das Kästchen, aber nachdem sie kaum einen Blick darauf geworfen, fuhr sie betroffen zurück.
Wie! Diese Steine!" rief sie. „Und für Eure Patin sind sie bestimmt, sagtet Ihr?"
„Jawohl," antwortete Felix, „meine Frau Patin hat mir die Steine geschickt, ich habe sie gefaßt und bin auf dem Wege, sie selbst zu überbringen."
Gerührt sah ihn die Gräfin an; Tränen drangen aus ihren Augen. „So bist du Felix Perner aus Nürnberg?" rief sie.
„Jawohl! aber woher wißt Ihr so schnell meinen Namen?" fragte der Jüngling und sah sie bestürzt an.
„O wundervolle Fügung des Himmels!" sprach sie gerührt zu ihrem staunenden Gemahl. „Das ist Felix unser Patchen, der Sohn unserer Kammerfrau Sabine! Felix! Ich bin es ja, zu der du kommen wolltest; so hast du deine Patin gerettet, ohne es zu wissen."
„Wie? Seid denn Ihr die Gräfin Sandau, die ist das Schloß Maienburg, wohin ich wandern wollte? so viel an mir und meiner Mutter getan? Und dies Wie danke ich dem gütigen Geschick, das mich so wunderbar mit Euch zusammentreffen ließ; so habe ich Euch