Gerichtssaal.

Stuttgart, 30.,Juni. Vor dem Schwurgericht be­gann heute ein Prozeß wegen Brandstiftung gegen den verheirateten Schlosser und Mechaniker Eg. Ad. Deißen- rieder von Heidenheim, der unter eigentümlichen Um­ständen angestrengt werden mußte. Der Angeklagte wohnte in Arbon am Bodensee (Schweiz) und arbeitete dort in der Saurerschen Fabrik. Mit vieler Mühe und mit ziemlichem Auswand konstruierte er sich zu Hause eine Höllenmaschine, die durch elektrischen Strom ent­laden werden konnte und mit der zündete er eines Ta­ges sein Wohnhaus in Arbon an. Ein schweizerisches Gericht verurteilte ihn wegen Brandstiftung zu 8 Jah­ren Zuchthaus und er wurde der schweizerischen Straf­anstalt in Tobel bei Basel zur Verbüßung dieser Strafe eingeliefert. Von dort brach er aus und entfloh nach Stuttgart, wo man ihn wieder ergriff. Weil er deut­scher Reichsangehöriger ist, durfte er an die Schweiz nicht ausgeliefert werden, sondern die Strafsache muß in Deutschland nach deutschem Gesetz abgeurteilt werden. Dazu ist eine ganz neue Verhandlung nötig, zu der eine große Anzahl von Zeugen und Sachverständigen aus der Schweiz erschienen sind. Die bis zum Tag der Flucht in der Schweiz verbüßte Strafzeit wird dem Angeklag­ten am deutschen Urteil abgezogen. Das Schwur­gericht verhandelte am Montag dann weiter. Die Ge­schworenen bejahten die Schuldfrage nach vorsätzlicher Brandstiftung und die, daß sich der Angeklagte gegen den 8 365 des Str.Ees. vergangen habe, und gewähr­ten bei der letzten Frage mildernde Umstände. Das Gericht erkannte auf drei Jahre Zuchthaus, von denen ein Jahr durch die Strafabsitzung in Tobel und 5 Monate durch die Untersuchungshaft als verbüßt gelten.

Berlin, 1. Juli. Der 33jährige Tischlergeselle Rud. Bulle, der sein neugeborenes uneheliches Kind wegen Nahrungssorgen im Ofen verbrannte, wurde heute von dem Schwurgericht des Landgerichts l wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Zubilligung mildernder Um­stände zu vier Jahren Gefängnis verurteilt._

Landwirtschaft und Märkte.

Vom badischen Schwarzwald kann berichtet werden, daß eine gute Kirschenernte in Aussicht steht, die auf den Preis ziemlich verbilligend jetzt schon wirkt. Im Kinzigtal z. B. ist der Preis, den die Händler bezahlen, von 35 ^ innerhalb weniger Tage auf 22 und 20 für das Pfund zurückgegangen, da es auch im Kinzig­tal verschiedene Lagen gibt, in denen die Blüte wenig oder gar nicht vom Frost gelitten hat.

Stuttgart, 1. Juli. Auf Grund eines Beschlusses der städt. Fleischpreisfestsetzungs-Kommission tritt mit dem heutigen Tage bei Kalbfleisch eine Ermäßigung des Ladenpreises um 5 , bei Schweinefleisch eine Erhöhung

um 5L pro Pfund ein. Es kostet jetzt Kalbfleisch 1. Qualität 1 2. Qualität 95 L, Schweinefleisch 1.

Qualität (mageres) 90 L, 2. Qualiät (fettes) 80 L.

Stuttgart, 1. Juli. Schlachtviehmarkt. Zuge­trieben: 232 St. Großvieh, 236 Kälber, 796 Schweine. Ochsen l. Kl. 100105 -K. Bullen 1. Kl. 9093 -K. Bullen 2. Kl. 8189 ^l. Stiere 1. Kl. 102105 °4l. Jungrinder 2. Kl. 98101 Jungrinder 3. Kl. 95 bis 97 -R. Kälber 1. Kl. 100105 ^l. Kälber 2. Kl. 9398 -ft. Kälber 3. Kl. 8592 -ft. Schweine 1. Kl. 7375 -ft. Schweine 2. Kl. 7072 -ft. Schweine 3. Kl. 6466 -ft. Verlauf des Marktes: mäßig belebt.

Heilbronn, 1. Juli. Cchweinemarkt. Zugeführt wurden 390 Milchschweine und 16 Läufer. Verkauft wurden 330 Milchschweine und 8 Läufer; erstere kosteten 4068 letztere 85113 das Paar.

Winnenden, 28. Juni. Viehmarkt. Es waren zu­geführt: 58 Ochsen, 66 Stiere, 83 Kühe, 103 Kalbinnen,

70 Stück Schmalvieh, zus. 385 Stück Rindvieh. Der Markt war etwas schwach besucht, so daß bei gleich hoher Preislage ein etwas flauer Handel sich entwickelte. Verkauft wurde etwa die Hälfte des Zutriebs, meist Ochsen und Einstellrinder an Händler und Landwirte von hier und Umgebung. Es kosteten ein Paar Ochsen im Gewicht von 20,60Ztr. 1080 -ft; ein zweites Paar im Gewicht von 30 Ztr. 1510 -ft; ein drittes Paar im Gewicht von 32,86 Ztr. 1565 -ft; es berechnete sich demnach der Durchschnittspreis auf 1 Kilo Lebendge­wicht auf 98 ^. Auf dem Schweinemarkt be­trug die Zufuhr etwa 241 Stück Milchschweine und 13 Stück Läuferschweine, zusammen 254 Stück Schweine. Der Handel bewegte sich nur in mäßigen Grenzen und die Preise hielten sich in der seitherigen Höhe. Ver­kauft wurde kaum die Hälfte des Auftriebs. Für ein Paar Milchschweine wurde bezahlt 5662 -ft, für ein Paar Läufer 100120 -ft. Auf den Holz markt waren angefahren: 18 Wagen Bretter, 6 Wagen Lat­ten, 6 Wagen Langholz, 8 Wagen Brennholz, 2 Wagen Pfähle. Die Beifuhr und der Marktbesuch waren wegen der Heuernte ziemlich schwach; verkauft wurde alles zu guten Preisen.

Wöchentlicher Saatenstandsbericht der Preisbe­richtsstelle des Deutschen Landwirtschaftsrats. Das Wetter war in der Berichtswoche verhältnismäßig kühl, da es im allgemeinen an Sonnenschein fehlte. Aber trotz starker Bewölkung sind die ersehnten Niederschläge im nordöstlichen Deutschland wieder größtenteils ausgeblieben. Zwischen Pregel und Weichsel, desgleichen längs der pommerischen Küste und zwischen der unteren Oder und mittleren Elbe sind meist nur 2 bis 3 mm Regen gefallen. Desto häufiger waren die Niederschläge in West-, Süd- und Mitteldeutschand, wo sie teilweise sogar den Charakter starker Landregen hatten. Trotzdem die Feuchtigkeit auch diesmal sehr ungleich verteilt war und die Nachteile der lang andauernden Trocken­heit beim Roggen und Hafer nicht mehr ganz aus­geglichen werden können, hat sich die Lage im Laufe der Berichtswoche etwas gebessert. Mit dem Stande der Wintersaaten ist man in Süd- unh Westdeutsch­land allgemein, in Mitteldeutschland zum größeren Teil zufrieden. Oestlich der Elbe ist der Stand nach wie vor sehr ungleich, aber wirklich unbe­friedigend liegen die Verhältnisse nur in West­preußen, sowie in Teilen der Provinz Branden­burg, während sich die Klagen aus den anderen Gebieten weist nur auf die leichteren Bodenarbeiten erstrecken. Der durch die Nachtfröste um Mitte Juni an der Roggenblüte angerichtete Schaden ist größer als zuerst angenommen wurde, und häufig läßt der Körneransatz infolgedessen zu wünschen übrig. Stellenweise macht sich auf leichten Böden Notreife bemerkbar. Der Weizen ist hier und da etwas kurz geblieben, hat sich aber im allgemeinen gut gehalten; die Feuchtigkeit der letzten Woche hat ihm beim Schoßen geholfen, vielfach begann er be­reits zu blühen. Von den Sommersaaten hat der Hafer am meisten gelitten, und für die leichten Böden kamen die Niederschläge meist schon zu spät, um noch eine entscheidende Besserung herbeiführen zu können. Es handelt sich dabei in der Haupt- sacheH um die nordöstlichen Gebiete, aber auch in Mitteldeutschland fehlt es nicht an Befürchtungen, daß der Ertrag mehr oder weniger hinter dem Durchschnitt Zurückbleiben dürfte. Die Heuernte wurde zuletzt häufig durch Regen unterbrochen. Der Nachwuchs läßt vielfach zu wünschen übrig. Die Hackfrüchte haben ihren Stand verbessert, auch die

durch Frost beschädigten Kartoffeln erholen sich, doch sind im Osten weitere Niederschläge erwünscht.

Paris, 28. Juni. Die französische Eisenbahn­gesellschaft Paris-Lyon-Mediterranäe hat unter dem TitelOe lleseau cles primeurs, la terre cles iieurs" eine Schrift über den von Jahr zu Jahr zunehmen­den Handel herausgegeben, den das südöstliche Frankreich in Blumen, Junggemüse und Früchten mit Deutschland treibt. Während dieser Handel vor einem Jahrzehnt in England und Belgien seine Haupt- absatzgebiete hatte, sind heute beide Länder durch Deutschland als Abnehmer überholt. Was der deutsche Markt bedeutet, das zeigen folgende Zahlen, die für die letzten zehn Jahre seine Entwicklung nach Deutschland über die Linien Nizza-Marseille- Lyon nach Süd- und Norddeutschland angeben. Die Blumenausfuhr betrug:

19031904 - 225125 Postpak. im Gew. von 1125625 kg

1907-1908 - 631931 2 629872

1912-1913 - 764241 ., 4 081281,,

Die Früchte- und Gemüse-Ausfuhr betrug:

Früchte Gemüse zusammen 1903 1000 t 2025 t 3 025 t

1907 14987 t 5091 t 20078 t

1912 24236 t 22316 t 26552 t

Wie die Schrift der Bahngesellschaft darlegt, ist die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes für das französische Junggemllse, für Blumen und Früchte damit noch lange nicht erschöpft. Die Gesellschaft gibt daher den beteiligten französischen Kreisen wertvolle Lehren und Auskunft an die Hand, um ihre Ausfuhr nach Deutschland noch ergiebiger zu gestalten. Das ist schön und gut. Es wäre aber dabei auch zu wünschen, daß außer ihnen, den französischen Produzenten, denen dieser Handel mit Deutschland Jahr für Jahr neue Millionen einbringt, noch andere Kreise diesen Zahlen und diesen aus Deutschland nach Frankreich wandernden Millionen Beachtung schenkten, zunächst die französische Regierung.

Vermischtes.

Vom Schnürleib. Im Verlage von A. Hofmann Le Co. in Berlin erschien soeben ein nettes, Keines Büchlein von Or. meä. Bruno Beheim-Schwarzbach unter dem TitelAlt werden und jung bleiben", das wir namentlich unserer Frauenwelt zur Lektüre und Nachachtung empfehlen. Eine

Keine Stelle möchten wir aus druck bringen. Sie lautet:

Hier . -

die Figur von einem Weib, das eingezwängt in dem Schnürleib. Die Rippen schief und eingeknickt, die Lungen dadurch eingedrückt; das Herz beengt, arbeitet schlecht, die Leber funktioniert nicht recht;

der Magen kann bei solchen eitlen Fraun die Speisen nimmermehr verdaun. Ihm fehlt's an Kraft. Die Ordnung ist gestört! O daß Ihr Frauen es hört: die Wespentaille gab Natur dem Menschen nicht, der Wespe nur.

dem Büchelchen hier zum Ab-

< ^ Hier

die Figur von einem Weib, bei dem verpönt ist das Schnürleib. Hier keine Spur von Kränklichkeit, die Hüften frei, die Lungen weit. Nicht Modepuppe will sie sein, nicht zimperlich, nicht su­perfein. Gesunder Sinn, gesunde Kraft, und nicht durch Unnatur erschlafft. Derart'ge Schönheit, glaubet mir, ist aller Frauen höchste Zier. O Weiber, höret meinen Rat: Der Liebe Arm darf früh und spat fest drücken eurer Taille Spann', doch selber rühret nicht daran.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner.

Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

das Bettelvolk gebracht. Aber du wirst auf einige Zeit außer Landes gehen müssen, denn es wird Lärm machen, wenn man sie nicht findet; und du brauchst wohl Geld, und kommst, um es zu holen?"

Du hast's erraten," erwiderte Peter,und nur recht viel diesmal, denn nach Amerika ist's weit."

Michel ging voran und brachte ihn in seine Hütte, dort schloß er eine Truhe auf, worin viel Geld lag, und langte ganze Rollen Goldes heraus. Während er so auf den Tische hinzählte, sprach Peter:Du bist ein loser Vogel, Michel, daß du mich belogen hast, ich hätte einen Stein in der Brust, und du habest mein Herz!"

Und ist es denn nicht so?" fragte Michel staunend. Fühlst du denn dein Herz? Ist es nicht kalt wie Eis? Hast du Furcht oder Gram, kann dich etwas reuen?"

Du hast mein Herz nur stille stehen lassen, aber ich Hab' es noch wie sonst in meiner Burst, und Ezechiel auch, der hat es mir gesagt, daß du uns angelogen hast; du bist nicht der Mann dazu, der einem das Herz so unbemerkt und ohne Gefahr aus der Brust reißen könnte; da müßtest du zaubern können."

Aber ich versichere dich," rief Michel unmutig,du und Ezechiel und alle reichen Leute, die es mit mir ge­halten, haben solche kalten Herzen wie du, und ihre rechten Herzen habe ich hier in meiner Kammer."

Ei, wie dir das Lügen von der Zunge geht!" lachte Peter.Das mach' du einem andern weis. Meinst du, ich Hab' auf meinen Reisen nicht solche Kunststücke zu Dutzenden gesehen? Aus Wachs nachgeahmt find deine

Herzen hier in der Kammer. Du bist ein recher Kerl, das geb' ich zu; aber zaubern kannst du nicht."

Da ergrimmte der Riese und riß die Kammertüre auf.Komm herein und ließ die Zettel alle, und je­nes dort, schau, das ist Peter Munks Herz; siehst du, wie es zuckt? Kann man das auch aus Wachs machen?"

Und doch ist es aus Wachs," antwortete Peter. Co schlägt ein rechtes Herz nicht, ich habe das meinige noch in der Brust. Nein, zaubern kannst du nicht!"

Aber ich will es dir beweisen!" rief jener ärger­lich.Du sollst es selbst fühlen, daß dies dein Herz ist." Er nahm es, riß Peters Wams auf und nahm einen Stein aus seiner Brust und zeigte ihn vor. Dann nahm er das Herz, hauchte es an, und setzte es behut­sam an seine Stelle, und alsobald fühlte Peter, wie es pochte, und er konnte sich wieder darüber freuen.

Wie ist es dir jetzt?" fragte Michel lächelnd.

Wahrhaftig, du hast doch recht gehabt," anwor- tete Peter, indem er behutsam sein Kreuzlei naus der Tasche zog.Hätt' ich doch nicht geglaubt, daß man dergleichen tun könne!"

Nicht wahr? Und zaubern kann ich, das siehst du; aber komm, jetzt will ich dir den Stein wieder Hineinsetzen."

Gemach, Herr Michel!" ries Peter, trat einen Schritt zurück und hielt ihm das Kreuzlein entgegen. Mit Speck fängt man Mäuse, und diesmal bist du der Betrogene." Und zugleich fing er an zu beten, was ihm nur beifiel.

Da wurde Michel kleiner und immer kleiner, fiel nieder und wand sich hin und her wie ein Wurm, und ächzte und stöhnte, und alle Herzen umher fingen an zu zucken und zu pochen, daß es tönte wie in der Werkstatt eines Uhrmachers. Peter aber fürchtete sich, es wurde ihm ganz unheimlich zu Mut, er rannte zur Kammer und zum Haus hinaus und klimmte, von Angst getrieben, die Felsenwand hinan, denn er hörte, daß Michel sich aufraffte, stampfte und tobte, und ihm schreckliche Flüche nachschickte. Als er oben war, lief er dem Tannenbühl zu; ein schreckliches Gewitter zog auf, Blitze fielen links und rechts an ihm nieder und zerschmetterten die Bäume, aber er kam wohlbehalten in dem Revier des Glasmännleins an.

Sein Herz pochte freudig, und nur darum, weil es pochte. Dann aber sah er mit Entsetzen auf sein Leben zurück, wie auf das Gewitter, das hinter ihm rechts und links den schönen Wald zersplitterte. Er dachte an Frau Lisbeth, sein schönes, gutes Weib, das er aus Geiz gemordet, er kam sich selbst wie der Aus­wurf der Menschen vor, und er weinte heftig, als er an Elasmännleins Hügel kam.

Schatzhauser saß unter dem Tannenbaum und rauchte aus einer kleinen Pfeife, doch sah er munterer aus als zuvor.Warum weinst du, Kohlenpeter?" fragte er.Hast du dein Herz nicht erhalten? Liegt noch das kalte in deiner Brust?"

(Fortsetzung folgt.)