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Schwarzwälder Tageszeitung. Für die O.-A.-Bezirke Nagold, Freudenstadt und Lalw.
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Samstag» de« 3. Januar
Amtsblatt für de« O.-A.-Brrirt Nagold. IgLÜ.
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Zur Lage.
Das alte Jahr hat einen Men Abschied genommen.' Der ganze Westen und der größte Teil Süddeutschlands wurde durch Hebers chwemmungen heimgesucht, wie! man sie seit 50 Jahren nicht mehr erlebt hat. Der Schaden, der unser armes Land betroffen hat, ist mit vielen Millionen zu berechnen. Eine Unsumme von Arbeit und Mühen ist vernichtet. Gar schlimm ist es, daß die! Versorgung mit Kohlen auf mehrere Tage vvMändig! unterbrochen wurde und nicht wenige Fabriken, Elektri- zitäts- und Gaswerke sind gezwungen, den Betrieb ganz einzustellen oder namhaft zu beschränken. In den größeren Städten erhält man für den Gewerbebetrieb und für den häuslichen Bedarf nur noch die knappste Ration von Gas, was umso empfindlicher ist, als die Brennstoffversorgung so im Argen liegt. Es wird manchem nicht leicht werden, sich mit dem nötigen Mut für das neue Jahr zu wappnen, in dem der Friedensvertrag zur wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkung kommt und die neuen Steuern in Kraft treten. Und immer wieder neue Steuern treten auf. Das Reichsnotopfer, die Reichseinrommensteuer, hie Kapitalertragssteuer die Landessteuer, die Umsatzsteuer und die vielen andern neuen Steuern reichen für den Reichsbedarf noch nicht aus; eben noch wurde eine An fw an d s ste u er angekündigt. Gewiß wird heute noch sehr viel Geld zum Fenster hinausgeworfen, und den Leuten, die das fertig bringen, wäre ein kräftiger Aderlaß wohl zu gönnen. Aber man muß leider fürchten, daß die Verschwender, die man zum größten Teil bei den „neuen Reichen" zu suchen hat, es nach wie vor verstehen, sich um das Steuerzahlen zu drücken. Den anderen, den Ehrlichen oder „Dummen", wie man sie auch nennt, wird zum Verschwenden nicht, viel übrig bleiben. Es wird auch schwierig sein, die Grenzen zwischen angemessenem und übermäßigem Aufwand festzusetzen. Ferner wird eine Kürzung de r Pensionen von Offizieren und Beamten beabsichtigt in solchen Fällen, wo der Empfänger eines Ruhegehalts Rebeneinkünfte bezieht. Tie Pensionen kosten zweifellos viel Geld und je mehr Beamtenstellen geschaffen werden, desto höher werden auch die Pensionsausgaben. Aber es ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den Ruhegehältern um wohlerworbene Rechte handelt, die Kürzung ist demnach nicht nur eine Steuer-, sondern auch eine Rechtsfrage. Jedenfalls wäre zu vermeiden, daß. das Gesetz den Charakter einer Sonderbesteuerung der Pensinäre erhielte. Die Zensur, die im allgemeinen in der republikanischen Verfassung aufgehoben ist, soll durch den jüngst bekannt gewordenen Entwurf eines Gesetzes über die B e- aufsichtigung der Lichtspieltheater oder Kinos für dieses Gebiet wieder ausgenommen werden. DaS ist aufrichtig zu begrüßen, denn was nachgerade in manchen Kinos geboten wird, ist einfach skandalös. Ein Mitglied der französischen Militärmission in Berslin, Dr. Got hat über seine Eindrücke in Deutschland und speziell in Berlin ein Buch geschrieben. Er hat auch die Berliner Kinos besucht und die sogenannten „Aufklärungsfilms" des Dr. Magnus Hirschfeld besichtigt. Mit Beziehung darauf schreibt Dr. Got, in Paris könne man allerhand erleben, aber Berlin sei der „Saustall der Welt". Wenn die Regierung da kräftig zugreift, so erwirbt sie sich den Dank der Nation — und der anständigen Kinos. — Zu den Gesetzentwürfen- die von der Nationalversammlung im neuen Jahr beraten werden, gehört neben dem Wetriebsrätegsfetz (das am 13. Januar auf die Tagesordnung kommt) die Arbeitslosenversicherung, die einen wesentlichen Bestandteil im Bau der sozialen Gesetzgebung Deutschlands bilden wird. Die Versicherung soll alle Arbeiter und Angestellten ohne Ausnahme des Berufs, sofern ihre Stellung nicht durch langfristigen Vertrag gesichert ist, umfassen, das Gebiet wird also sehr groß sein. Sehr groß werden aber auch die Kosten der Versicherung sein, da wir im nächsten Jahr und wohl noch bänger„ hinaus mit einem Darniederliegen wenigstens eines Teils der Industrie und mit erheblicher Arbeitslosigkeit zu rechnen haben werden. — Die Zölle für Waren, die nach Deutschland hereinkommen, sollen nach hem Zugeständnis des Pariser Obersten Rats vom 1. 'Januar 1920 ab zunächst aus 3 Monate wieder in Gold oder Goldeswert bezahlt werden. Ob die Erlaubnis sich
das ,^Loch im Westen", erstreckt, war aus der amtlichen Mitteilung nicht ersichtlich. Bei der Verzollung ist der Tarif vor dem Krieg zugrunde zu legen; wird in jetziger deutscher Papierwährung bezahlt, so ist ein Zuschlag von 800 Prozent zu entrichten, der Friedenszoll ist also gerade verzehnfacht.
Der Friede soll nun endlich in nächster Woche zustande kommen. Wenns nur auch wahr ist! Reichlich ein halbes Jahr hats gedauert, bis nach dem Stillstand der Waffen der Friedensvertrag unterzeichnet wurde, und über ein halbes Jahr ist weiter verstrichen, ehe es so weit war, daß er in Kraft gesetzt werden soll. Immer wurden neue Steine des Anstoßes entdeckt oder in den Weg gelegt. Endlich soll mit dem Schlußprvtokoll ein Ende gemacht sein. Dieses Protokoll ist im Grunde genommen nicht s als eine Blankovollmacht für den Verband, „auf Grund der Bestimmungen des Friedensvertrags und des Völkerrechts" auf unabsehbare Zeit mit Deutschland anzufangen, was er will. Die deutsche Re- hfierung hat sich gesträubt, das Protokoll Lu unterzeichnen, schließlich mußte sie es doch tun. Ob die Gefangenen nun wirklich alle herausgegeben werden, werden wir ja bald sehen. Zunächst kommt die Liste derjenigen, die wegen „Verbrechen" — solche sind ja nur von Deutschen, begangen worden — ausgeliefert werden sollen. Ob das so glatt gehen wird? Von den 400000 Tonnen Hafenmaterial müssen sofort nach Wahl der englischen Kommission, die schon in Hamburg ist, 192 000 Tonnen äusgeliefert werden. Ob der Rest uns ganz oder teilweise erlassen wird, entscheidet diese Kommission. Aber nicht darauf kommt es an, wieviel Tonnen nachgelassen wcroen, fouoeru was uns g. .^»mmen oser gelassen nnrd. Die fünf Kreuzerschiffe find ebenfalls sofort abzugeben. Das ist die „Verständigung", von der die französische Presse befriedigt sprach. In nächster Zeit soll dann auch die eiste „Völkerbundskonferenz" einberufen werden, natürlich ohne Deutschland.
Die Bolschewisten haben gegen den General De- nikin neue Erfolge errungen; dessen Heer soll überhaupt dank der'weise berechneten ungenügenden Unterstützung durch England in der Auflösung begriffen sein. Koltschaks Ministerium in Sibirien soll mit einem Eisenbahnzug verunglückt sein, aber Japan und Amerika werden, wie gemeldet wird, Koltschak mit Truppen und Geld unterstützen. England führt indessen mit der Sovjetregiernng — gegen den Willen Clemenceaus — Verhandlungen, angeblich über den Austausch von Gefangenen, in Wahrheit zweifellos über ganz andere Dinge. Es ist nicht mehr geheuer im Weltreich. Die muselmanischen Indier haben auf einem Kongreß in Delhi am 23. Nov. beschlossen, wenn der Friede mit der Türkei nicht befriedigend aussalle, die englischen Waren zu boykottieren. Es leben (aber 60 Millionen Mohammedaner in Indien. Auch die Hindus sind rebellisch und der edle Generäl Dy rer ließ unter der Bevölkerung in Amritsar ein furchtbares Blutbad anrichten. Das wird man den Engländern gedenken. In Aegypten gärt es weiter und die aufständische Bewegung ist bis in den Sudan vorgedrungen, wo der Dinka-Stamm einer englisch-ägyptischen Heeresabteilung eine schwere Niederlage beigebracht' hat.
Wie der Frieden zustande kam.
Der e nglische Berichterstatter Harris, der während der ganzen Dauer der Friedensverhandlungen in Paris weilte, hat seine Eindrücke in einem soeben erschienenen Buch niedergelegt, und was er darin erzählt, ist einfach niederschmetternd. Man fragt sich erstaunt, wie es möglich ist, daß ein so bedeutender geschichtlicher Augenblick ein so kleines Geschlecht finden konnte, das in keiner Weise geeignet war, die schweren Aufgaben durchzuführen, die ihm gestellt waren. Harris hat den Mut, den.Frieden schlecht zu nennen. Er hätte nur dann gut sagen können, wenn man die Grundlage aufrecht erhalten hätte, auf der der Waffenstillstand aufgebaut war: Wilsons vierzehn Punkte. Wäre man in Paris dazu bereit gewesen, dann hätte dem Waffenstillstand wenige Wochen später ein Vorfrieden folgen müssen. Aber diesem widersetzte sich Lloyd George, der erst seine Khakiwahlen in Sicherheit haben wollte. Als schweren Fähkr bezeichnet es Harris, daß die Konferenz in Paris in einer Atmosphäre abgehalten wurde, die infolge der Kriegsschrecken noch sehr aufgewühlt war und beeinflußt durch das unausgesetzte Bombardement einer leidenschaftlichen Propagandapresse. Obwohl sich Wilsons erster Punkt gegen die Gehcimdiplomatie aussprach, hielt man blo ßj
lische Journalisten dagegen protestierten, beschloß man, bei Vollsitzungen Journalisten als Zuhörer Luz»- lassen, und hielt von diesem Augenblick an — nie mehr eine Vollsitzung ab.
Ewig denkwürdig bleibt Harris Bericht, wie sich Wik« son, Clemenceau und Lloyd George auf die Sitzungen der Konferenz vorbereiteten. Nicht etwa, daß sie die immerhin schwierigen Probleme, die zu lösen waren, studiert Härten, sondern Clemenceau und Lloyd George erzählten Wilson Witze und Anekdoten. Ein wenig beteiligten sich an diesen Erzählungen auch die weniger bedeutenden Persönlichkeiten der Konferenz.
Die Entscheidung über alle Fragen lag in den .Händen Wilsons, Clemenceaus und Lloyd Georges, die „sichtlich schlecht geeignet waren, schwierige und verwickelte internationale Streitfragen Hu lösen". Wilson gab Schritt für Schritt seine vierzehn Punkte frei, es gelang ihn: nicht, seine Kollegen zu überzeugen, daß die Annahme feiner vierzehn Punkte alle vorher beschlossenen Geheimvert äge hinMlig machte. Wegen seiner „weltfremden" Ansichten wurde Wilson nur verlacht uüd Clemenceau erklärte wörtlich — Harris verbürgt sich für diese Aeußerung —, er ziehe es vor, mit dem Obersten House zu verhandeln, der praktisch rede; Wilson rede wie Jesus Christus.
Es führte zu weit, all die Einzelheiten in Harris' Buch über die Lösung der Finanzfragen, Arbeiterkonferenz, Stellung zu Rußland, Ernährung Europas anzuführen. Besonders wertvoll ist seine Schilderung der. „Geburt des Völkerbund s". Eines Tages, 10 Minuten nach 5 Uhr, erhob sich Clemenceau und fragte: „Wünscht noch! jemand zu sprechen?" 5 Uhr vorüber — alles wollte natürlich nach Hause. Clemenceau fuhr svrc. „Niemand verlangt das Wort. Ich bringe die Resolution zur Abstimmung. — Angenommen." Niemand hatte eine Ahnung, worüber abgestimmt worden war. Dann verlangte cher englische Minister Barnes, Vertreter der Arbeitervarlei, das Wort, um, wie er sagte, zum nächsten Punkt oer Tagesordnung, zur Völkerbundsfrage, zu sprechen. Er erhielt das Wort nicht, da er, wie Clemenceau sagte,, wenige Minuten früher selbst für die debattenlsse Annahme der Völkerbundsbestimmungen gestimmt hatte.
Auf diese Weise also kam der vielleicht wichtigste Test des Versailler Friedens zustande. Man kann nicht sagen, daß Harris Erzählungen die Hochachtung vor dem Schöpfer dieses Werkes zu steigern geeignet wären, und man kann nur hoffen, daß sich der von Harris Mitgeteilte Ausspruch des Generals Smuts baldigst erfüllen möge! „Gott schreibt einen ganz anderen Frieden, als dieser ist."
Der Bund der Landwirte von Süd- und Westdeutschland.
Zn Heilbronn fand eine Zusammenkunft und Besprechung der Landesvorstände und Geschäftsführer des Bundes der Landwirte .(Bauern- und Weingärtnerbund) der süd- und westdeutschen Landesteile statt. Es waren vertreten: Bayern, Baden, Hessen, Rheinpsalz, Rheinland und Württemberg. Neben einer Anzahl von Landtagsabgeordneten waren aus der Nationalversammlung anwesend die Abg. Dr. Rö ficke, Weiln- böck, Gebhardt und Vogt. Die Leitung der Verhandlungen lag in den Händen des Abg. Oekonomierat Vogt-Gochsen. Als zusammenfassendes Ergebnis der Besprechungen wurde eine Entschließung angenommen, die u. a. zu den landwirtschaftlichen und politischen Tages- fragen wie folgt Stellung nimmt:
1. Wir halten fest an dem bewährten Reichsgedanken des ersten Reichskanzlers Bismarck und der bundesstaatlichen Gestaltung des Reichs. Die Bestrebungen, eine Vereinheitlichung des Reichs unter Nichtachtung der geschichtlichen Gliederung des deutschen Volks herbeizuführen, halten wir für gefährlich. 2. Ein maßgebender Einfluß auf die Wirtschaftspolitik des Reichs und der Länder kann nur erreicht werden, wenn afle landwirtschaftlichen Kreise in Deutschland ohne Zersplitterung der Kräfte und unter Ablehnung des konfessionellen und parteipolitischen Streits sich einheitlich im Bund der Landwirte zusammenschließen. 3. Die L e- bensmittelversorgung unseres Volks durch die einheimische Landwirtschaft ist durch Aufrechterhaltung der Arbeitsfreudigkeit und Leistungsfähigkeit der ländlichen Bevölkerung bedingt. Dies ist nur möglich, wenn das System des Zwangs, der Enteignung, der gerichtlichen Verfolgung sofort verlassen wird und an dessen Stelle