Bad Liebenzell, 27. Juni. Am Sonntag, 29. Juni, findet in den König Wilhelm-Anlagen von nachmittags 47 Uhr ein Gartenfest mit japanischem Tagesfeuer­werk und Tanz vor der Wandelhalle statt. Der Zu­zug von Kurgästen hat sich im Lauf der Woche erfreu­lich gehoben, so daß heute die Gesamtzahl der Kur- fremden 1314 beträgt gegen 1127 im Vorjahr. (Egsdt.)

Oberreichenbach, 27. Juni. Ein Arbeiter aus Calmbach, der heute abend nach Eeschäftsschluß mit dem Rad von hier heimwärts fuhr, flieh unter­wegs, da er infolge des Regens den Schirm halten mußte, und dadurch an einem freien Ausblick ge­hindert war, mit einem auf der Straße leerstehen­den Wagen zusammen. Die Deichsel des Fuhrwerks drang ihm in den Unterleib, daß die Gedärme zer­rissen wurden. Mit dem Automobil eines Fabri­kanten aus Calw wurde der Verunglückte am Abend noch nach Calw ins Krankenhaus gebracht.

S Schömberg OA. Neuenbürg, 27. Juni. Ein zur Kur hier weilender Russe, der verdächtig ist, einem Lie­benzeller Kurgast die Summe von 290 -R entwendet zu haben, wurde gestern auf Veranlassung der hiesigen Polizeiorgane vor seiner Abreise in Liebenzell festge­nommen. Ehe er aber verhört werden konnte, machte er auf dem dortigen Rathaus einen Selbstmordversuch, indem er sich eine Kugel in die Seite schoß. Der herbei­gerufene Arzt stellte jedoch fest, daß die Verletzung nicht lebensgefährlich ist und ordnete die Verbringung ins Krankenhaus an.

Neuenbürg, 28. Juni. Der Fuhrmann Heg­mann, der im hiesigen Bezirkskrankenhaus unter einen Wagen kam, ist gestern nachmittag im Be­zirkskrankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Er hi nterläßt eine Frau und drei Kinder. _

Württemberg.

Stuttgart, 27. Juni. Heute vormittag begann hier die 21. Tagung des Deutschen Journalisten- und Schriftstellervereins unter Vorsitz von Chef­redakteur Dr. Obst-Hamburg. Eine Abordnung von Journalisten begab sich in Automobilen nach Schloß Bebenhausen, wo Empfang durch den König stattfand. Abends war Empfang durch die Stadt Stuttgart.

Freudenstadt, 27. Juni. Das in einem Teil der Realanstalt eingerichtete Naturhistorische Schwarz­waldmuseum soll am Sonntag den 6. Juli der Oeffentlichkeit übergeben werden. Viele fleißige Hände sind, wie der Grenzer berichtet, zurzeit noch mit der Fertigstellung und Ausschmückung des Mu­seums beschäft, das eine Sehenswürdigkeit nicht nur für die Stadt; sondern für den ganzen Schwarz­wald werden wird. Mit weiser Beschränkung hat Oberreallehrer Dr. Geiger, der Vorstand des Vereins der Naturfreunde, sich bei Anlegung des Museums als Richtlinie gesteckt: Nur was zum Schwarzwald gehört, soll darin vertreten sein. Er hat für die Darstellung des Lebens im Walde drei Haupt­gruppen gewählt, 1. die Tiere des Waldes, 2. die Tiere des Wassers und 3. die Raubvögel. Es sind zum Teil prachtvolle Gruppen mit oft wundervollen Exemplaren der einzelnen Gattungen, die zum großen Teil aus dem K. Naturalienkabinett in Stuttgart stammen, wo infolge Ueberfüllung im Herbst vergangenen Jahres wertvolles Material abgegeben wurde. Außer diesen Hauptgruppen, von denen zwei in großen Glaskästen untergebracht wurden, sind in den Schaukästen entlang der Wände Schlangen, Vogelnester, Muscheln und Schnecken, Käfer und sonst noch eine ganze Reihe von Schau­stücken aufgestellt. Im August wird Dr. Geiger noch ein geologisches Profil aus der Gegend bei Alpirsbach darsteüen, für das ein größerer Platz Vorbehalten ist.

Horb, 27. Juni. Die Sammlung für die Er­richtung eines Denkmals der drei bedeutenden Söhne Horbs: Fürstabt Martin Gerbert von St. Blasien, Bischofs Dr. Haffner von Mainz und Universitäts- Professor Dr. v. Schanz, macht schöne Fortschritte. Der Auffichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft Deutsches Volksblatt haben beschlossen, der Samm­lung 500 Mark zuzuweisen.

Böblingen, 27. Juni. Der Bau der neuen Bahn nach Renningen wird nunmehr kräftig gefördert. Bereits ist das erste Los in Länge von 4'/- Km ausgeschrieben. Es handelt sich um Arbeiten im Gesamtwert von 319 318 Mark.

Mühlacker, 28. Juni. Bei Oelbronn wurde das 10jährige Töchterchen des Taglöhners Christian Essig von einem Strolch bei der Feldarbeit überfallen. Er behielt das arme Kind die ganze Nacht auf dem Felde. Am andern Morgen kam es in krankem Zu­stande ins Elternhaus zurück. Der Verbrecher konnte noch nicht verhaftet werden.

Mittelfischbach OA. Gaildorf, 27. Juni. Aus Anlaß der Geburt des 7. Knaben des I. Häfele, Bauern in Engelhofen, hat der König die Paten­stelle übernommen und ein Geschenk von 20 ^ überreichen lasten.

Dörzbach, 27. Juni. Beim Heueinfahren wurde ein fünfjähriges Mädchen von einem beladenen

Wagen überfahren und schwer verletzt. Das Kind hatte vor einem Hund, den böse Buben hetzten, fliehen wollen und auf den Wagen nicht achtge­geben. Wo ist der Stecken?

Vom Schurwald, 27. Juni. In unseren Wal­dungen geht es gegenwärtig sehr lebhaft zu. Groß und Klein zieht in ganzen Scharen in die Heidel­beeren. Die Ernte liefert ein befriedigendes Re­sultat. Die Beeren werden in diesem Jabr, wo die Kirschen beinahe gänzlich fehlen, in der Hauptsache eingekocht oder angesetzt. Die Preise sind ziemlich hoch und betragen auf den Märkten der Umgebung 1820 Pfennig der Schoppen.

Leutkirch, 27. Juni Wie vermöglich und luxu­riös im Mitttelalter die Stadt war und schaltete, geht aus einem Bericht vom Ende des 15. Jahr­hunderts hervor. Bei einem Trunk nach der Stadt­ratswahl, der auf Kosten des Stadtsäckels ging, wurden 17 Gulden 56 Kreuzer verausgabt. Rechnet man das Maß Wein zu 10 Kreuzer, so ergibt das etwa 110 Maß Wein, was auf 38 Ratsherren, zu denen noch einige Ratsbeamte und Ratsdiener kamen, also auf höchstens 50 Personen gerechnet, pro Kopf beinahe drei Liter Wein ausmacht. Die Stadtrechnung bei einer anderen städtischen Ver­anstaltung lautet: 36 Mahlzeiten zu 56 Kreuzer tut 33 Gulden 36 Kreuzer, den Zimmerleuten und Spitalknechten für einen Trunk 2 Gulden 45 Kreu­zer, beiden Bau- und Rechenmeisters- und Rats­schreibersfrauen je 1 Maß Wein zu 13'/° Kreuzer tut 40'/- Kreuzer, beiden Torwarten 2 Maß Wein 29 Kreuzer, dem Einlaster 24 Kreuzer, Felix Heiß- dorffer 2 Maß Wein 22 Kreuzer, Zehrung für Herrn Tafinger 1 Gulden 26 Kreuzer, zusammen 39 Gulden 33 Kreuzer und 4 Heller. Für eine Portion Festessen bei einem Richtfest 56 Kreuzer das gibt nach heutigem Geldwert 4 ^ pro Gedeck mit Wein. Bei den damaligen Lebensmittelpreisen, 1 Pfund Fleisch kostete 3 Kreuzer, müssen um dieses Geld ganz bedeutende Vorräte an Wein, Fleisch und Brot aufgetragen worden sein. Wenn es keine harthölzerne Stadttafeln gewesen wären, so hätten sich die Tische buchstäblich unter der Last der Gasterei gehogen.

Von der bayerischen Grenze, 27. Juni. Auf dem Exerzierplatz bei Kempten sah der mit seiner Kompagnie übende Hauptmann Rindle einen jungen Burschest in verdächtiger Weise flüchten. Er ritt nach und gewahrte zwischen Gebüsch einen anderen Burschen in seinem Blute liegen. Sofort leitete der Hauptmann durch seine Soldaten die Verfol­gung des Flüchtlings ein, der denn auch im Walde festgenommen werden konnte. Es stellte sich heraus, daß es der 16 Jahre alte Taglöhner Johann Rein­hardt war, der seinem um ein Jahr älteren Ka­meraden Joseph Schwarz drei Schüsse in den Kopf gegeben hatte, wodurch Schwarz sofort getötet wurde. Die Veranlassung war Habgier. Reinhardt hatte am Tage zuvor dem Schwarz einen Revolver für 5 ^ abgekauft und wollte das Geld wieder haben. Da er annahm, daß Schwarz das Geld in seiner Tasche habe, schoß er ihn nieder._

A«, Welt ««d Zeit.

Leipzig, 27. Juni. Auf der in der Leipziger Vaufachausstellung stattfindenden 2. Generalver­sammlung des Schutzverbandes für das deutsche Holzgewerbe unter der Leitung des Vorsitzenden Rahardt-Berlin, wurde nach einer regen Debatte beschlossen, die Preise für alle Fabrikate um 5°/° zu erhöhen, da die Holzpreise, Spesen und Arbeits­löhne um mindestens 5°/» gestiegen seien.

Leipzig, 28. Juni. Der bei der Firma Krupp angestellte Zeichner Köhler, der in zwei Fällen Zeichnungen mit militärischen Geheimnissen ge­stohlen und an Frankreich für 20 und 50 Mark verkauft hatte, wurde heute vom Reichsgericht wegen schweren Diebstahls und Landesverrats zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt.

Bon« a. Rh , 27. Juni. In Franken bei Sinzig ertränkte gestern abend die Lehrersgattin Pertzborn ihre vier Kinder im Alter von 1 bis 7 Jahren nacheinander in einer Waschbütte. Ihren Stief­kindern tat sie nichts zu leide. Nach der Tat flüch­tete die Frau. Ihr Aufenthalt konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Sie scheint geistesgestört zu sein.

Elbing, 27. Juni. In der vergangenen Nacht brannte in dem Elbing benachbarten Orte Eülden- bach ein von 6 Familien bewohntes Haus vollstän­dig nieder. Während es den meisten der Leute gelang, sich durch die Fenster zu retten, kam ein Vater mit zwei Kindern in den Flammen um. Die Gattin wurde schwer verletzt und fiel infolge des Schreckens in geistige Umnachtung. Bei den Ret­tungsversuchen erlitt ein Postbeamter, der sich mit eigener Lebensgefahr in das brennende Haus stürzte und mehrere Personen rettete, schwere Verletzungen.

Danzig, 27. Juni. Heute vormittag versam­melten sich im Rathause die Delegierten des Deut­schen Luftflottenvereins zur 5. ordentlichen Mit­

gliederversammlung. Der Verein zählt gegenwärtig 16 300 Mitglieder. Die Verlegung des Vereins­sitzes von Mannheim nach Berlin wurde aus prak­tischen Gründen ohne Debatte genehmigt.

Paris, 27. Juni. Die heutige Morgensitzung der Kammer, die eigentlich der Weiterberatung der drei­jährigen Dienstzeit gewidmet sein sollte, wurde voll­ständig von finanziellen Erörterungen über eine Reihe von Nachtragskrediten und die nachgeforderten Marokko­kredite ausgefüllt. Weiterhin forderte die Regierung die Bewilligung der siebenten Monatsquote des noch immer nicht bewilligten Budgets für 1913. Der So­zialist Jaures verlangte die Ablehnung dieser Quote, Er wies darauf hin, daß Deutschland die Militürlasten den zahlungsfähigen Schultern des Volkes auferlegt habe und daß der Reichstag gleichzeitig mit der Militär­frage die Deckungsfrage löse, während die französische Kammer sich nur mit der Regierungsvorlage befasse, ohne die Deckungsfrage im Auge zu haben. Nach einer kurzen Entgegnung Barthous, in der dieser wiederum eine Einkommensteuer ankündigte, genehmigte die Kam­mer die siebente Monatsrate mit 477 gegen 93 Stim­men. Am Nachmittag setzte man die Interpellation über die gegen die antimilitaristischen Gewerkschaften eingeleitete Untersuchung fort.

Paris, 27. Juni. Der 21jährige Flieger Fou- quier stürzte gestern abend mit seinem Henriot- eindecker aus 70 Meter Höhe herab und war nach wenigen Minuten tot.

Madrid, 27. Juni. Hier und in ganz Spanien herrscht seit Wochen eine unerträgliche Hitze. Die Temperatur zeigt 3944 Grad Celsius. Selbst um Mitternacht tritt keine Abkühlung ein. Tausende schlafen in den Parks, auf Plätzen und Trottoirs. Hitzschläge, Wahnsinnsanfälle und Selbstmorde sind an der Tagesordnung. Das Trinkwasser ist spärlich und die Eisfabrikation beschränkt.

Vermischtes

Vom Trinken. (Aus der Sprachecke des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins.) In scherzhaften Ausdrücken und Redewendungen, die sich auf das Trinken, besonders auf ein Uebermaß beziehen, ist unser von jeher allzu trinkfröh­liches Volk unerschöpflich. Man nennt diese Seite sprach­lichen Humors nach dem Titel eines darauf bezüglichen Werks von Joh. Fischart auch die Trunkenlitanei. Zunächst gibt es für das Trinken selbst allerlei volkstümliche Aus­drücke. Der eine hebt einen, ein zweiter genehmigt ihn, ein dritter gießt ihn hinter die Binde, ein vierter Pfeift, tutet oder schmettert ihn gar, und ein fünfter ruft dabei aus:Nun ducke dich, liebe Seele, es kommt ein Platzregen!" oder:Setz' dich auf meine Rippe, liebe Seele, es kommt ein Wolken­bruch." Auch die Trinklust findet mannigfache Bezeichnungen. Einer hat eine trockene Leber, ein anderer ein gutes Gefälle, und wieder ein anderer kann einen gehörigen Hieb oder Stiefel vertragen; er trinkt wie ein Bürstenbinder, letzteres eine scherzhafte Anlehnung an 'mittellateinisches vursa, deutsch Bursch (mundartlich Burscht, so bei I. P. Hebel), was zunächst ein Haus bedeutete, in dem Studenten zu­sammen wohnten, dann diese selbst (vgl. Frauenzimmer). Wer einem guten Trunk etwas allzu reichlich zugesprochen hat, bekundet das auch in seinem Gange: er kann den Strich nicht halten, er hat schief oder schwer geladen, er gleicht also einem überladenen Erntewagen, u. dgl. m. Ueberhaupt be­ziehen sich auf die nicht immer angenehmen Folgen des Trin­kens, abgesehen von den dafür üblichen Tierbezeichnungen, wie Spitz, Bock, Affe, Kater eine Unmenge von Redewendun­gen, wie: Er hat sich die Nase begossen, zu stark eingeheizt, hat einen Hieb weg, sieht den Himmel für eine Baßgeige an, ist blau, hat ein Oelköpchen oder Oel am Hut, ist knüll, kanonenvoll oder gar sternhagelvoll. Von anderen Ausdrücken, die uns noch eine Stufe tiefer führen (gerben, Ulrich rufen u. dgl.), reden wir hier lieber nicht.

Mutter.

Nun weiß ich erst,

Wie Jugend so mit Jugend spielt,

Und nur die Mutter liebt und fühlt,

Wie tief der Menschheit Tiefen sind,

Wenn müde Augen flüstern:Kind,

Was wäre ich. wenn Du nicht wärst!"

Fritz Köpp in derJugend".

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner.

Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

Reklameteil.

M/r ^S/Ä/ÄS.