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Amis- und Auzeigeblatt für den Oberamlsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.. Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Samstag, de« 28. 3uni 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen

Erlaß an die Schultheitzeniimter, betreffend die Leichenschau-Register.

Die Leichenschau-Register sind nur noch einmal im Jahr, im Januar, einzusenden. (Reg.-Bl. Jahrgang 1911 S. 675.)

Calw, den 26. Juni 1913.

K. Oberamt: Der K. Obcramtsarzt: Binder. l)r. M ü l l e r.

Die Ortsbehörden für die Arbeiterverfichernng

werden unter Hinweis auf den Erlaß vom 13. März d. I. (Calwer Tagblatt Nr. 63.) veranlaßt, die Kataster­nachweisungen für die landwirtschaftl. Berufsgenossen­schaft nebst den erforderlichen Unterlagen auf das Jahr 1913 umgehend hieher vorzulegen.

4 . Calw, den 27. Juni 1913.

K. Bersicherungsamt.

Amtmann Rippmann.

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 27. Juni. Im Reichstag geht die Beratung der Deckungsvorlage ebenso rasch vorwärts, wie die gest­rigen Verhandlungen. Nach einer allgemeinen Debatte, die drei Stunden dauerte, und in der sich die Redner der großen Parteien zwar kurz faßten, in der es aber wiederholt zu lebhafterer Rede und Gegenrede kam, ge­langte man bei den ersten Paragraphen zu prinzipiellen Beschlüssen. Größere Schärfe und Lebhaftigkeit ent­wickelte sich in der Auseinandersetzung zwischen den Kon­servativen und dem Regierungstisch. Zunächst ent­wickelte der nationallib. Führer Vassermann in einer ausführlichen und klaren Darstellung den Stand­punkt seiner Partei. Er wies darauf hin, daß der Vorschlag der veredelten Matrikularbeiträge keine Dek- kung, sondern eine Abwälzung auf die Einzelstaaten sei. Er bestritt, daß der Vorschlag des Steuergesetzes der Würde der Einzelstaaten entspreche. Er entwickelte die politischen Gründe, die dazu führten, aus Anlaß der vaterländischen Heeresvorlage keinen wilden Partei­streit zu entfesseln, und führte schließlich kühl und gut aus, daß seine Partei keineswegs blind für die Fehler der jetzigen Beschlüsse sei. Deshalb sei es notwendig, von der Regierung genaue statistische Feststellungen zu haben, wie sie die Nationalliberalen in einer Resolution vom Reichstag verlangen. Die nationalliberale For­derung einer allgemeinen Besitzsteuer sieht der Redner in der Vermögenszuwachssteuer verwirklicht. Der So­zialem. Südekum bemühte sich, es so darzustellen, als ob die liberale Linke durch den Druck der 110 zu ihrer Stellungnahme gekommen sei, was aber später der fortschrittliche Führer v. Payer zurückwies. Ganz außerordentliches Aufsehen erregte die nunmehr fol­gende konservative Rede. Es war bemerkenswert, daß die Konservativen den Grafen Schweri n-Löwitz, von dem man weiß, daß er mit zu denen gehörte, die seiner­zeit die Erbschaftssteuer nicht ohne weiteres abgelehnt wissen wollten, vorschickten. Der Redner griff die Re­gierung ganz außerordentlich heftig an, sowohl nach Form wie nach Inhalt; er nannte die Verteidigung vollkommen unzureichend, und ironisierte die Regie­rung, die sich nicht einmal zu ihren eigenen Vorschlägen kekenne. Er lehnte jede Verantwortung für die Wen­dung, die er in diesem Vorgang erblickte, ab. Er sah in den Beschlüssen eine Durchbrechung aller Finanz­prinzipien und einen Eingriff in die finanzielle Selb­ständigkeit der Einzelstaaten, und konnte sich nicht genug tun, zum Ausdruck zu bringen, daß das, was hier ge­schehe, über das Maß des Zulässigen hinausgehe, erst recht über das Maß desjenigen, was den verbündeten Regierungen zustehe. Er suchte die Beschlüsse natürlich auch verdächtig zu machen durch den Umstand, daß die Sozialdemokraten zustimmen. Das rief eine scharfe Ent­gegnung durch den Schatzsekretär Kühn hervor, der aber gleichwohl vor allen Dingen großen Wert darauf legte, nrckmals an den Reichstag einen Appell zu richten,

das große Werk mit möglichst allseitiger Zustimmung zustande zu bringen. Es war bezeichnend, daß vom Re­gierungstisch aus und aus dem Mund des Schatzsekre­tärs den konservativen Einwänden mit dem Hinweis auf das Recht des Reichstages als des andern Faktors der Gesetzgebung entgegnet werden mußte. Unter leb­haftem Beifall der Linken und des Zentrums stellte der Schatzsekretär fest, daß noch niemals an einem großen Steuergesetz so einmütig, so bereitwillig von allen Parteien gearbeitet wurde, wie aus diesem An­laß. Der Fortschrittler v. Payer entwickelte dann die Auffassung, daß man mit dieser Gesetzgebung an einem Wendepunkt der innern und der Finanzpolitik stehe. So viel sehe man auch, daß die Ausschließung der Rechten möglich sei. Nach einer Kritik der Kom­missionsbeschlüße durch den Reichsparteiler Schultz-Brom- berg folgte eine namentliche Abstimmung, aus der sich ergab, daß 91 Mitglieder für die konservative Aufforde­rung der Wiederherstellung der veredelten Matrikular­beiträge waren. Demgegenüber stellten sich aber über 270 Mitglieder auf den Boden der Kommissionsbeschlüsse zu den tzH 1 und 2. Das Haus trat darauf in die Einzelberatung ein. Der Reichskanzler wohnt der Sit- zung bei, h at aber bisher noch nicht das Wort ergriffen.

Stadt, Bezirk and Nachbarschaft

Ealw, 28. Juni 1913.

Vom Rathaus.

Der Eemeinderat war gestern, Freitag, zu einer Sitzung zusammengetreten. Dazu eingefunden hatten sich 7 Gemeinderäte. Stadtschultheiß Conz eröffnete l46 Uhr die Sitzung. Zur Verhandlung kamen zunächst Unterstützungsfälle, Befreiung von Schulgeldern, desgl. Einräumung eines Platzes zu einem Familiengrab, Be­stellung von Pflegern usw. Dem städt. Vorarbeiter Haug wird für besondere Arbeiten am Sonntag eine ausnahmsweise Belohnung gereicht, die betr. Arbeiter erhalten doppelten Lohn. Die Ausführung der Doh­lenanlage im Biegel, für die im vorjährigen und heurigen Etat zusammen 700 Mark eingestellt sind, wird der Firma Pfeiffer einschließlich der Röhrenlieferung

übertragen. Der Verputz mit Cement im Feuer­haus des Gaswerkes wird durch Beschluß des Ee- meinderats von Bwerkmstr. Alber angebracht werden; Kosten 200 -ll. Die Wandplattenverkleidung im Ma­schinenraum des Eashauses, die 450 hoch kommen wird, erhält die Firma Hugo Rau. Der Eemeinde­rat beschließt ferner die Anschaffung einer Pumpe für 193 -ll, zweier Kanalanzüge und Wasserstiefel mit zu­sammen r29 Kosten; Anschaffungen, die im Voran­schlag des städtisch. Haushalts vorgesehen sind. Der Baumwollspinnerei wird die Entnahme von Abraum aus dem Steinbruch bei Kentheim, um die sie nachge­sucht hat, genehmigt. Die Ortsarmenbehörde beriet sodann über einige Unterstützungsfälle und Ein­weisung eines Mädchens in die Kindererziehungsanstalt nach Stammheim. Zwischen dem Weiß'schen und Kleindienst'schen Haus auf dem Jnselweg soll beleuchtet werden. Der Eemeinderat beschließt die Aufstellung einer Easlaterne auf der rechten Seite des We­ges. Genehmigung erteilt wird ferner der Wei- terfllhrung der Gas- und Wasserleitung im Hir- sauerweg bis zum Pfeiffer-Kleindienst'schen Grundstück. In die auf 5100 berechneten Kosten teilen sich die Stadt mit einem Drittel, Pfeiffer, Kleindienst und die Vereinigten Deckenfabriken mit den restlichen zwei Dritteln. Die Obstanlage auf dem Brühl in der Nähe des Schlachthauses soll auch für künftig dem Obst­bauverein unentgeltlich gegen eine Anerkennungsgebühr von 1-ll jährlich und in stets widerruflicher Weise über­lasten werden. Den Verein hat die Anlage nach der Aeußerung von G.R. Baeuchle bis jetzt 700 gekostet.

Schluß )48 Uhr.

Nummer 6 des Kur- und Fremdenblattes gelangt heute zur Ausgabe. Inhalt: Die Kurlisten der Bäder Liebenzell und Teinach und der Luftkurorte Calw, Hirsau und Unterreichenbach. Es folgen als Text­teil ein Gedicht von Eichendorffs, eine Skizze über Calw

als Musikstadt; desgl. ein längerer Aufsatz über Ab­normitäten u. a. m.

Regentage. Wohlbewaffnet mit Mantel und Re­genschirm entschließe ich mich am Abend eines Regen­tages, noch einen kleinen Gang auf die Höhe der Straße zu machen. Auf der Steige schließt sich mir ein altes Weiblein aus dem nächsten Ort an und ich frage sie verwundert, was sie denn Lei dem Wetter auf dem Weg mache. O, sagt sie, danket se onsrem Herrgott, daß regnet, onser Erdsbode ka's brauche u. mir Bauers­leut dürfet doch au e mol wieder en Dag verschnaufe em Heuet, i hau a E'schäft en der Stadt g'het und beim schöne Wetter kommt mer doch zu nex. Ja, ich gab ihr recht, auch ich (und wahrscheinlich noch manche an­dere) habeaufgeschnauft", als in der Frühe der Wecker rasselte, der mir die Aufstehzeit kündete und ein sanf­tes Aufklatschen in der Dachrinne über meinem Fenster mir sagte: 's ist Regenwetter! Flugs nocheinmal ein halbes Stündchen aufs Ohr gelegt und geschlafen, denn an einem Regentag hats keine Eile mit dem Aufstehen, da wartet kein Garten mit Sehnsucht aufs Vegossen- werden und die Gräslein, sie wachsen ruhig einen Tag länger und dann lassen sie sich um so besser herausrupfen; die Wäsche, die heute aufgehängt werden sollte, sie bleibt im Zuber liegen, denn man wartet lieber das gute Wetter ab und hängt ins Freie, was ja nicht lange gehen wird bis es kommt das gute Wetter nämlich. Das Kaffeestündlein wird etwas behaglicher ausgedehnt, keine Arbeit drängt und man sitzt gern im Zimmer. Der Schüler freut sich heute auf die Schule,weil man doch nicht mehr vor lauter Hitze lieber schlafen als auf- passen und denken möchte." Die Hausfrau freut sich auf die Kllchenarbeit und nimmt sich vor, heute etwas Gutes zu kochen, was nicht so schnell zu gehen braucht, wie in den letzten Tagen, an denen man sich vor der Hitze des Herdes fürchtete. Ihre Ausdauer und Mühe wird reichlich belohnt, denn an solch kühlem Regentag schmeckt das Mittagesten allen viel bester, als bei der Hitze und befriedigt kann sie ihre Arbeit verschwinden sehen. Nichts drängt und eilt für den Nachmittag, kein in den Wald- oder Eartensitzen, kein Spaziergang! Ge­mütlich kann die Hausfrau, wenn ihre Lieben der Ar­beit nachgegangen sind, ihr Flickkörbchen, das etwas zu­rückgestellt wurde für die längeren Abende, hervorholen und das Notwendigste, wieder einmal ausbestern. Kommt dann für die Gesundheit noch ein kleiner Abend­spaziergang dazu, wenns auch regnet, dann sammelt die zeitig hereinbrechende Dunkelheit die Familie um den Tisch beim Lampenschein. Kleine Arbeiten werden vor­genommen, vielleicht ein Buch gelesen oder durch die Hitze in Vergessenheit geratene oder verschobene Kor­respondenzen erledigt. Alles klingt schon etwas spät­herbstlich und doch traulich an. Aber gottlob, wir sind noch mitten im Sommer und nach dem Regen werden unsre Rosen aufblühen. In der Aussicht auf eine ge­ruhsame Nacht bei dem einschläfernden Regen, dessen Musik uns begleitet, wird der Tag beschlosten und wir alle wünschen uns eine gute Nacht und für morgen Sonnenschein. bl.-

Mehreinstellung von Rekruten. Die Heeresver­waltung hat in der Erwartung, daß bis zum 1. Juli die Wehrvorlage verabschiedet wird, bereits Vorbe­reitungen für die vermehrte Aushebung von Jung­mannschaften getroffen. Da nach der Wehrvorlage zum 1. Oktober dieses Jahres eine bedeutende Mehr­einstellung von Rekruten notwendig wird und das Aushebungsgeschäft für diesen Termin bis zum 1. August spätestens beendet sein muß, sind bei den diesjährigen Frühjahrsmusterungen bereits überden bisherigen Bedarf hinaus Militärpflichtige als taug­lich ausgehoben worden. Diese Pflichtigen sind zu­nächst vorläufig für den Herbst ausgehoben; sobald die Wehrvorlage Gesetz ist, werden sie endgültigen Bescheid erhalten.

scl). Mutmaßliches Wetter. Es ist mit dem Einfluß von Teilwirbeln zu rechnen, weshalb für Sonntag und Montag unbeständiges und mäßig warmes Wetter bevorsteht.