146. Amts- und AnzeigeblaLt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

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Donnerstag, den 26. 3uni 1813.

Die Wehrvorlage nach ihrer 2. Lesung.

Wenn sich auch, so schreibt Generalleutnant z. D. Metzler dem Stuttgarter Tagblatt, die Verhand- handlungen über die Wehrvorlage in der zweiten Lesung des Reichstages lange hingezogen haben, so kannmandoch jetzt nach ihrer Beendigung annehmen, daß die Vorlage unter Dach und Fach ist. Die Heeresverwaltung kann mit ihrem Erfolg zufrieden sein und den Schmerz, daß ihr anstatt 34 mehrgefor­derter Eskadrons nur 19 (drei preußische Regimenter, 4 bayerische Eskadrons) bewilligt worden sind, wird sie schon verwinden. Hat sie doch das erreicht, worauf es ihr vor allem ankam: die Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht, die Verjüngung der in erster Linie vor den Feind tretenden Truppen, ganz bedeutende Etatserhöhungen, und ferner eine nicht unerhebliche Anzahl von Kaders für Reserve­formationen. lleberdies sind der Heeresverwal­tung die Formierung von 18 Bataillonen der In­fanterie, 7 der Fußartillerie, 11 der Pioniere, 13 der Verkehrstruppen und einem des Trains glatt bewilligt worden. Bis zum Ablauf des Quin- quennats am 31. März 1916 kommt unser Heer an Mannschaften auf die Stärke von 659563 Köpfen. Bis zur selben Zeit werden wir an Formationen haben 669 Bataillone Infanterie, 535 Eskadrons, 633 Batterien Feldartillerie, 55 Batattlone Fuß­artillerie, 44 der Pioniere, 31 der Verkehrstruppen, 26 des Trains. Schon am 1. Oktober d. 2s. werden die Hauptwaffen in dieser Formation bestehen und zur selben Zeit werden auch die Etatserhöhungen eintreten. Der Prozentsatz zur Bevölkerung be­trägt 1,018 v. H. Zählt man der Mannschaftsstärke alles hinzu, was unter der Fahne steht, Offiziere, Sanitätsoffiziere, Veterinäre, Unteroffiziere, ferner etwa 17 000 Einjahrig-Freiwillige, so erscheint am 1. Oktober 1913 die stattliche Macht von etwa 803 000 Mann auf dem Friedensplan. Daß die in Zukunft auszuhebende große Zahl von Mannschaften in ihrer körperlichen Tauglichkeit dieselbe ist wie bisher, das wurde in den Beratungen zur Wehr­vorlage festgestellt. Unsere Infanterie an den Grenzen steht nunmehr mit 68,66 v. H. ihrer Kriegs­stärke bereit, die in der Mitte des Reiches mit 61,04 v. H. Das gewährleistet doch ein schnelleres Uebergehen vom Friedens- auf den Kriegsfuß wie seither. Interessant ist es, auf das nunmehrige Stärkeverhältnis der drei Hauptwaffen unter- bezw. nebeneinander einen Blick zu werfen. Dies um so mehr, als nach taktisch-modernen und sehr richtigen Auffassungen die gegenseitige Kampfunterstlltzung als ein sehr wichtiges Zeitgebot erscheint. 1870 hatten wir 463 Jnfanteriebataillone, 460 Eskadrons, 251 Batterien. Am 1. Oktober werden wir haben: 669 Jnfanteriebataillone, 535 Eskadrons, 633 Batterien. Das Verhältnis der drei Haupt­waffen nebeneinander in Prozenten ausgedrückt war 1870: Infanterie 39,4, Kavallerie 39,2, Feld- artillerie 21,4; wird jetzt: Infanterie 36,4, Kaval­lerie 29,1 Feldartillerie 34,5. Das bedeutet eine ganz gewaltige Erhöhung der Kampfbewertung der Feldartillerie. Das ist auch der Grund, daß in der Zahl der Batterien die Feldartillerie die einzige Waffe ist, die in der Wehrvorlage nicht erhöht wurde. Sehr freudig begrüßt die Armee die künftige Mehr­zuteilung von Offizieren ohne Truppenkommando. Ihr Hauptwert tritt bei der Mobilmachung zutage. Geringer ist alsdann die Plünderung des Linien­offizierskorps zugunsten der aufzustellenden Reserve­formationen. Vom 1. Oktober d. I. ab werden von Kadersoffizieren zur Abgabe bereit stehen: bei dem Infanterieregiment 1 Oberstleutnant, 3 Majore, 3 Hauptleute,' beim Jägerbataillon 1 Major, ein Hauptmann; beim Kavallerieregiment 1 Major, 1 Rittmeister; beim Feldartillerieregiment 1 Oberst­leutnant, 2 Hauptleute; beim Fußartillerieregiment 1 Stabsoffizier, 1 Hauptmann. Wenn bei dieser

Vermehrung der Osfiziersstellen, die nebenbei mit einer kleinen Aoancementauffrischung verbunden ist^ an der in der Wehroorlage verlangten Leutnants­zahl ein Abstrich gemacht wurde, so wird hierdurch die Armee nicht geschädigt, da das Material zu den Leutnantsstellen ja noch nicht vorhanden ist. Zu­erst müssen die jetzt bestehenden Manquements (etwa 1000) ausgeglichen werden. Ist dies durch den er­hofften erhöhten Andrang zur Offizierslaufbahn er­reicht, dann stehen der Heeresverwaltung zunächst eine genügende Zahl von Stellen zur Verfügung, auch wenn die verlangte Zahl von 4000 um etwa ein Viertel gemindert worden ist.

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 25. Juni. Zu Beginn der heutigen Sitzung beriet man eingehend über das Reichs- und Staats­angehörigkeitsgesetz und über eine Aenderung des Reichsmilitärgesetzes. Gröber (Z.) stellte zum 810 der bestimmt, daß Angestellte im Kirchendienst ohne weiteres die Staatsangehörigkeit erhalten, einen Antrag, wonach lediglich die Angestellten im Dienste einer vom Staate anerkannten Religionsge­meinschaft die Staatsangehörigkeit erwerben sollen. Trotz­dem. .Staatssekretär Dr. Delbrück sich gegen diesen Antrag wandte, fand er die Mehrheit des Hauses. Als Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes wurde nach einem Antrag der bürgerlichen Parteien der 1. Januar 1914 festgesetzt, woraus das ganze Gesetz gegen die Stim­men der Sozialdemokraten, Polen und Elsätzer ange­nommen wurde. Einstimmige Annahme fand eine na­tionalliberale Resolution, die eine Erleichterung der Wiedererlangung der deutschen Staatsangehö­rigkeit für solche Deutschen wünscht, die aus Grund der bisherigen, jetzt abgeänderten Bestimmungen die Staats­angehörigkeit verloren haben. Alsdann ging man zur ersten Beratung des Abkommens zur Vereinheitlichung des Wechselrechts vom 23. Juli 1912 über. Dieses Abkommen, das von der Mehrzahl der europäischen und einer Anzahl mittel- und südamerikanischer Staaten ge­troffen wurde, enthält den Entwurf einer einheitlichen Weltwechselordnung. Nach kurzer Debattezeit wurde das Gesetz in erster Lesung angenommen. Ebenso rasch stimmte man in zweiter Lesung den Diäten für Schöffen und Geschworene zu, um dann, nach Genehmi­gung des Nachtragsetats für 1913 in erster und zweiter Lesung zur Beratung des Wehrbeitrages überzu­gehen. Die Generaldiskussion hierüber eröffnete der Sozialdemokrat David, indem er u. a. ausführte, seine Partei könne die Wehrvorlage nicht verhindern. Da­für aber wolle sie dahin wirken, daß die Lasten auf die Schultern der Starken gelegt werden. Spahn vom Zentrum zollte dem Berichterstatter der Kom­mission, dem Grafen Westarp, Anerkennung für seine Tätigkeit. Vorher hatte noch der Reichsschatzsekretär Kühn dem Gesetzentwurf ein langes Exposee mit auf den Weg gegeben. Bei der Abstimmung über Z 1 des Gesetzes stimmten nur die Polen gegen diesen Para­graphen, während die Sozialdemokraten dafür ein­traten. Dann gab es noch längere Debatten über eine Reihe von Anträgen. So wurde der Antrag der Sozial­demokraten, der Schmucksachen im Werte von 1000 ^l an besteuern will, abgelehnt. Eine weitere Aussprache rief ein sozialdemokratischer Antrag hervor, der die Besteuerung der toten Hand verlangte. Aber auch dieser Antrag wurde gegen die Stimmen der Sozialdemo­kraten und einen großen Teil der Volkspartei abgelehnt.

Aus dem Landtag.

Stuttgart, 24. Juni. Die Zweite Kammer erledigte eingangs ihrer Tagesordnung ohne wesentliche Debatte verschiedene Spezialetats: Ertrag der Münze, des Staatsanzeigers, der Staatslotterie und Steuerstrasen. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs, betr. Bauten der Verkehrsan st alte »Verwaltung wurde der Gesuch der Heubergbahn-Eemeinden, speziell der Bahn SpaichingenNusplingen um zinslose Stundung der

Bezugspreis.- In der Stadt mit rrägerloh» Mk. I.2S vierteljährlich, Post. bezugSpretS für den OrlS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg;, in Bayern und Reich 42 Pfg

Barbeiträge der Regierung in dem Sinn zur Berück­sichtigung übergeben, daß der restliche Baukostenbeitrag der Gemeinden diesen gegen eine Verzinsung von 4 A bis zur Inbetriebsetzung der obigen Nebenbahn vom Staat gestündet würde. Roth-Stuttgart (V.) ver­langte von der Regierung Aufschluß darüber, nach wel­chen Grundsätzen die baren Baukostenbeiträge festgesetzt seien. Präsident v. Mezger erwiderte hierauf, bei allen Nebenbahnen werde als Minimum die freie Ab­gabe von Grund und Boden von den Gemeinden ver­langt; die Beiträge seitens der Gemeinden seien nicht gleichmäßig festgelegt, betragen aber mindestens 1000 Mark pro Kilometer; eine Abstufung nach der Leistungs­fähigkeit der Interessenten erscheine hier am Platze. Für den Bau weiterer Nebenbahnen durch den Staat werden als erste Teilbeträge 3 600 000 bestimmt. Dabei war es natürlich, daß all die Redner, denen die Anlegung ihrer Bahnen als ein mehr oder notwendiges Erfordernis auf dem Herzen lag, mit ihren Lokalwünschen aufmarschierten. Für den Bau von zwei­ten Gleisen sind 4 000 000 bestimmt, davon für die Bahnstrecke Horb-Rottweil als erster Teilbetrag 1000 000 -R. v. Kiene (Z.) und Storz (V.) be­tonten, mit den Verständigungsversuchen zwischen Bayern und Baden immer wieder einzusetzen, um den großen Verkehr von Nord nach Süd durch Württemberg durchzuführen und direkt Anschluß mit der Gotthard­bahn zu bekommen. Darauf erwiderte der Minister- präsident, daß wir leider nichts weiteres tun könn­ten, als unsere Bahnen zweigleisig auszubauen; auch mit der Schweiz müßten wir zuerst eins werden. Ein Schoßkind für die Bestrebungen der Regierung bleibe die Strecke JmmendingenRottweil. Sodann wurde die Beratung um 7 Uhr abgebrochen und auf Mittwoch 9 Uhr vertagt. In der Mittwochsitzung stellte Hey­mann (S.) an den Kultusminister eine Anfrage we­gen Versuchs mehrerer Rektorate, die Väter von Schü­lern durch Unterschrift dahin zu verpflichten, daß sie ihre Kinder nicht am Unterricht der Arbeiterturnver­eine teilnehmen lassen. Der Anfragesteller verlangt eine Verhinderung derartiger ungesetzlicher Eingriffe in die elterliche Gewalt. Dr. Lindemann (S.) wünscht in einer Anfrage an den Ministerpräsidenten Maßregeln gegen eine Beeinträchtigung der landschaft­lichen Schönheit durch den Bahnhofumbau in Stuttgart. Mit dem letzteren befaßte sich die heutige Beratung des Hauses. Der Berichterstatter Dr. v. Kiene erklärte, daß bisher für Erweiterungsbauten zwischen Ludwigs­burg und Plochingen 63 Millionen bewilligt wurden, während jetzt als 7. Teilbetrag weitere 10 Millionen Mark gefordert werden. Die Vollendung des Bahnhof­umbaus und der damit zusammenhängenden Arbeiten sei für 1919 in Aussicht genommen. Der Voranschlag werde wohl um 10 überschritten werden. In die Streitfr-ge, ob in Eßlingen aus Gründen des Heimat­schutzes der Bahnhof eine Hochlage erhalten soll, was einen Mehraufwand von nahezu einer Million ver­ursachen würde, mische sich die Kammer nicht ein. Mat- tutat (S.) trat dafür ein, daß bei den Bahnbauten möglichst einheimische Arbeiter verwendet weiden. Ministerpräsident v. Weizsäcker erwiderte, daß die­sem Wunsche'Rechnung getragen werde. Im Verlauf der Sitzung wurden ohne erhebliche Debatte 7 980 000 Mark für Erweiterungen und Verbesserungen an den im Betrieb befindlichen Bahnen, ferner 840 000 für Erbauung von Wohngebäuden, 9 500 000 für die Ver­mehrung der Fahrzeuge der Staatseisenbahnen, sowie 1 160 000 für Zwecke der Post- und Telegraphen­verwaltung genehmigt. Morgen Fortsetzung.

Stuttgart, 26. Juni. Der Landtagsabgeordnete Hiller (BK.) hat in der heutigen Sitzung der Zwei­ten Kammer folgenden Antrag gestellt:Infolge des Erlasses des K. Kultministeriums vom 29. November 1912 haben in einer großen Anzahl von Orten Geistliche oder Lehrer die Lieferung der neuen Gesangbücher an die weitesten Bevölkerungskreise in die Hand genom­men. Infolgedessen sind die Buchbindermeister, Schreib-