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Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Mittwoch, de« 25. Juni 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

Die Schweinepest in Liebelsberg und Altheng- stett ist erloschen.

Calw, den 23. Juni 1913.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Die Balkantragödie.

Noch immer ist die Spannung unter den Bal­kanstaaten ausschlaggebend für die Richtlinien der Politik der übrigen Staaten in diesem Valkan- drama, das sich da unten vorbereitet, und zu dem die Exposition schon so weit gediehen ist, daß an der baldigen Vollendung der dramatischen Arbeit kaum noch ein Zweifel besteht, die typisch für die unseligen Folgen übereilter Vetternfreundschaft und ein Kriterium dafür, daß für das Balkan-Pan- slawentum doch noch nicht das Morgenrot leuchtet, das man in der Weltpolitik nach dem verglimmen­den Abendrot der europäischen Türkei allgemein erwartet hat. Erwachender politischer Wille, ge­boren in einem zwischen Erkenntnis und Dämme­rung eines nationalen Bewußtseins hin und her schwankenden Zustandes wird niemals eine Um­wertung aller Werte schaffen, wenn er sich nicht in einem einzigen großen mit eiserner Energie und unab­lässiger Beharrlichkeit verfolgten politischen Ziele konzentriert. Das türkische Joch ist abgeschüttelt. Das drückendere, noch größere Opfer fordernde Joch der slawischen Eifersucht und des slawischen Neides lastet bedrohlicher und furchtbarer auf den Balkan- staaten. Was gilt alles Niederreißen, wenn kein planvoller Aufbau folgt? Wer täuscht sich noch darüber, daß Bulgarien am Ende seiner Geduld ist, daß Bulgarien der Größere und Serbien der Kleinere ist und nach dem alten Rechte Serbien den Kürzeren ziehen wird im Kriege? Bet der augenblicklich durch persönliche Verhältnisse be­dingten Schwäche der russischen Außenpolitik wird der Zarenschiedsspruch mißachtet werden und auch alle übrigen politischen Dogmen, mögen sie Her­kommen, woher sie wollen, werden, wie das ewige Status Quo, wenn ihre Zeit erfüllt ist, zu den Balkangefallenen gehören. Kurz, der Ausbruch der offenen Feindseligkeiten zwischen den Verbün­deten ist nach Lage der Dinge jede Stunde zu er­warten, und wenn auch daraus noch keine euro­päische Gefahr fürs erste zu befürchten ist, Rumä­nien und Oesterreich werden auf der Hut sein. Was dann gegebenenfalls folgt, entzieht sich der Voraus­sage. In der Tat aber fordert das Andauern der qualvollen Krise allein schon täglich neue politische und wirtschaftliche Opfer. Die bedrohliche Nähe der Entscheidung wird sie nicht verringern.

Sofia, 24. Juni. Die bulgarische Regierung hat beschlossen, Ministerpräsident Dr. Danew am Mittwoch nach Petersburg zu entsenden, um der Einladung des Zaren und Sasonows zu einer Konferenz der 4 Balkan- Ministerpräsidenten Folge zu leisten. Die Abreise Da­news wird als Zeichen für eine friedliche Regelung des serbisch-bulgarischen Konflikts angesehen.

Belgrad, 24. Juni. König Peter von Serbien hat das Rücktrittsgesuch Pafitschs abgelehnt und ihn von neuem mit der Kabinettsbildung betraut. Pasitsch wird ausschließlich gemäßigte Elemente als Mitarbeiter heranziehen.

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 24. Juni. Nach Beantwortung einer klei­nen Anfrage über die Kontrollmaßnahmen der ameri­kanischen Zollverwaltung durch einen Regierungsver­treter setzte heute der Reichstag die zweite Beratung der Wehrvorlage fort. Nach Beendigung derselben ge­

langte man zur Lesung des Nachtragsetats für den Reichshaushalt des Rechnungsjahres 1913, der die ein­zelnen Posten für die Erhöhung der Friedenspräsenz­stärke des deutschen Heeres nach Kontingenten enthält. In der sich anschließenden Abstimmung über zurllckge- stellte Resolutionen und Anträge wurde u. a. die Reso­lution der Budgetkommission, die eine Reform der Mi­litärjustiz fordert, angenommen. In der morgigen, Mittwochs-Sitzung, soll die zweite Beratung des Wehr­beitrags stattfinden.

Berlin, 23. Juni. Die Budgetkommission des Reichs­tags setzte die Beratung des Wehrbeitrags fort. Die Einkommen werden von 5000 -4t an herangezogen mit Prozentsätzen, die von 1 bis 8 bis 500 000 -4t steigen. Der Entwurf der Regierung begann erst bei 50 000 -4t. Die Kommission hat in erster Lesung die Grenze auf 5000 -4t herabgesetzt, und für die Berechnung der Steuer das vielbesprochene Multiplikationsverfahren behufs Fingierung eines Vermögens angenommen. Das fiel heute wieder. Der Berichterstatter Graf Westarp (kons.) brachte obigen Antrag ein. 8 Prozent sind die Höchst­grenze. Die Sozialdemokraten wollten für noch größere Einkommen als 500 000 -4t die Progression bis 15 Pro­zent fortsetzen. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Ab­stimmung ergibt die Annahme der neuen Staffelung. Diese einmalige Abgabe vom Einkommen zum Wehr­beitrag wird auf drei Jahre verteilt. Nach den An­trägen des Berichterstatters wird weiter in den Ausfüh­rungsbestimmungen die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bei der Veranlagung gestrichen. Der Be­schluß der ersten Lesung, Einkommen von weniger als 5000 -4t nur dann zu besteuern, wenn sie einem beitrags­pflichtigen Vermögen hinzuzurechnen sind, wird ge­strichen. Es wird dann zurückgegriffen auf eine zu­rückgestellte Bestimmung über die Steuerfreiheit von Vermögen bei kleinem Einkommen. Nach dem Be­schluß der ersten Lesung blieben Vermögen bis zu 50 000 Mark frei, wenn der Steuerpflichtige nur ein Einkom­men von unter 3000 -4t hatte. Ein Antrag Graf Westarp (kons.) verlangt Festsetzung der beitragsfreien Vermö­gensgrenze aus 50 000 -4t bei einem Einkommen von nicht mehr als 2000 -4t und auf 30 000 -4t bei einem Einkommen von 20004000 -4t. In der Sitzung vom Dienstag wurde ein Antrag Schiffer-Payer auf Aufhebung des Wertzuwassteuergesetzes vom 1. Juli 1913 ab und Weitererhebung des Eemeindeanteils mit Genehmigung der Landesregierung mit 14 gegen 12 Stimmen bei einer Stimmenthaltung, angenommen. Die Mehrheit besteht aus den Nationalliberalen, der Fortschrittlichen Volkspartei, zwei Konservativen und dem grötzern Teil des Zentrums. Der Antrag, den die Abgeordneten Schiffer und Payer im Anschluß an ihren Antrag gestellt haben, und der bis zum 31. März 1915 in der Hälfte der bisherigen Höhe für weitere zwei Jahre die Verlängerung der Umsatzsteuer zulassen will, wird gegen 12 Stimmen abgelehnt. Die Aufrechterhal­tung der Zuckersteuer wird nunmehr mit 14 gegen 13 Stimmen beschlossen. Der Schatzsekretär berechnet aus den neuen Beschlüssen eine Verschlechterung um 75 Mil­lionen einmalige und 20 Millionen dauernde Einnah­men. Die Regierung könne dem nicht zustimmen. An­träge der Konservativen auf Erleichterungen in der Abschätzung ländlicher und Eesellschaftsvermögen wer­den einstimmig angenommen.

Stadt, Bezirk and Nachbarschaft.

Calw, 25. Juni 1913.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Land­tags, sowie die neuesten Nachrichten aus Württem­berg konnte heute keine Aufnahme finden, da die betr. Postsendung von Stuttgart ausblieb.

Aus Anlaß seines schönen Erfolges sind dem Lieder­kranz auch schriftlich zahlreiche Glückwünsche zugegangen. In Telegrammen, Briefen und Karten gaben hiesige und auswärtige Mitglieder und Freunde ihrer Freude über das glänzende Gelingen Ausdruck. Reichstagsab­geordneter Schweickhardt sandte telegraphisch aus Ber­lin seinen herzlichen Glückwunsch, der frühere Vereins­

dirigent Rummel, jetzt in Karlsruhe, teilte, gleichfalls telegraphisch, mit, daß er per Solo ein Sängerhoch auf den Verein brülle und gibt seiner Hochachtung vor dem tüchtigen Dirigenten des Vereins Ausdruck. Dieser möge den Verein mit dem hochbegeisterten Vorstand zu noch nie erreichter Höhe führen. Recht frisch, ein echter Schwarzwaldvereinsgruß, liest sich der Glückwunsch des Vorstandes der Ortsgruppe Lalw des Schwarzwaldver­eins. Herzliche Gratulation übersandte weiter Musik­direktor Schlegel aus Stuttgart, der den Verein zwei­mal abhörte; desgl. zumgroßartigen Erfolg" Stadt­pfleger Lenz-Nagold, Herr Schüßler aus Weilderstadt, ein früheres aktives Mitglied, und Herr A. Köcher- Weilderstadt, der früher gleichfalls aktives Mitglied war. Außerdem haben eine Reihe hiesiger Privater dem Vereinsvorstand in herzlichen Worten gehaltene Glückwünsche zukommen lassen. Im Anschluß an diese Kundgebungen sei noch gesagt, daß man in der Stadt allerlei Gespräche hört, nach denen bei der Bewertung des Liederkranz-Preisgesanges durch das Preisgericht persönliche Rücksichten aus Dirigent und Ehrenvorstand des Vereins mit den Ausschlag gegeben hätten. Im Ernst glaubt das nur jemand, den Fanatismus, Neid und Verbissenheit zu dieser Auffassung bringen ein Sänger und Mensch von Vernunft natürlich-nicht. Preis­richter für die Abteilung Gehobener Volksgesang waren: Professor Wörz-Tübingen, Oberreallehrer Bäuchlen« Eßlingen, (nicht Baeuchle!) H. Jüngst-Dresden, A. Kirchl-Wien, N. Wiesner-St. Gallen. Im übrigen soll sich der Liederkranz durch neidische Unterstellungen nicht aufregen lassen: Solche Leute gibts immer, die es nicht verstehen, daß andere auch etwas können und die Herren aus Dresden, Wien und St. Gallen haben sicherlich nicht um der schönen Augen der Sänger-willen dem Liederkranz la zuerkannt!

Königliche Spenden. Die Zentralleitung für Wohl­tätigkeit in Württemberg hat vom König und der Kö­nigin für die durch das Unwetter geschädigten Gemein­den des Landes die reiche Spende von 2000 Mark er­halten. Eine Spende von 600 -4t ist von Herzog Ulrich von Württemberg eingelaufen.

Gegenwärtig ist die Zeit der Arnikablüte. Von allen Seiten strömen die Fremden in die Wälder, um sich ihren Anteil an dieser Heilpflanze zu holen. Daran wird niemand etwas aussetzen. Doch sollte dabei Rück­sicht auf andere, die ebenfalls zum Sammeln kommen, und daraus, daß uns diese prächtige Pflanze erhalten bleibt, genommen werden. Leider wird aber diese Rück­sicht nicht immer geübt; es ist zu befürchten, daß Ar­nika in absehbarer Zeit nur noch vereinzelt anzutreffen ist. Jedermann sollte es sich zur Pflicht machen, nur soviel zu brechen, als er notwendig braucht und nicht alles zufammenrafsen, was ihm unter die Augen kommt. Die Wurzel sollte gegenwärtig auch nicht ausgerissen werden, denn ihre Heilkraft ist nur, wenn sie im balden Frühjahr gesammelt wird, von Bedeutung. Zu jener Zeit sind noch die im Spätsommer des vergangenen Jahres gesammelten Vorräte, auch der Heilstoff, in ihr enthalten, zur Blütezeit aber sind diese Stoffe schon zum Aufbau der Pflanze verwendet worden. Da die Heilstoffe in der Wurzel und in der Blüte die gleichen sind, kann sich auch jeder mit der Blüte begnügen. Da Arnika einen ausdauernden Wurzelstock hat, hat man ferner die Gewißheit, daß im nächsten Jahr am gleichen Ort wieder gesammelt werden kann, denn aus dem Wurzelstock wächst die neue Pflanze empor. Dies ist umso wichtiger, als die Vermehrung durch Samen fast gänzlich ausgeschlossen ist. Möge darum schonender mit der Arnikapflanze umgegangen werden! Wenn es so wie bisher weiter ginge, wäre es für die Zukunft nötig, daß diese Pflanze mit ihren herrlichen, leuchtend gelben Blüten ebenso von der Behörde geschützt würde, wie der Fingerhut, Stechpalme und andere.

scb. Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist zwar vorwiegend trockenes und warmes, aber strichweise trübes oder gewittriges Wetter zu erwarten.