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144. Amts- und Auzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- bezirk Calw sür die einspaltige Borgiszeile 10 Psg.. außerhalb desselben 12 Psg., Reklamen 25 Psg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Dienstag, de« 24. Juni 1913
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugspreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkebr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.« m Bayern und Reich 42 Psg,
Reichsvermögenszuwachssteuer.
(Schluß).
Der Haken ist nur, daß die Verbündeten Regierungen erklären, daß sie dieser Steuer keinesfalls zustimmen werden, weil sie sie notwendig brauchten, um leben zu können, und daß sie sehr ungern auch nur der einmaligen Besteuerung des Zuwachses zustimmen. Ganz unrecht kann man ihnen dabei nicht geben, und sie sind nun eben einmal, was der Reichstag nicht ignorieren kann, auch ein gesetzgebender Faktor, der nicht umgangen werden kann.
Was wird nun der Zuwachssteuer sonst noch vorgeworfen? Daß sie eine Be sitz st euer ist, kann doch eigentlich niemand bestreiten. Daß sie alle gleichmäßig erfaßt, ist bei gerechter Veranlagung, die wir und der Bundesrat doch wollen, gleichfalls unbestreitbar. Da nur größere Vermögen, sagen wir einmal solche von 10000 bis 20 000 Mark an steuerpflichtig werden sollen, wenn sie wachsen, kann man von einer unbilligen Belastung der Kleinen auch nicht reden. Da die Veranlagung alle drei Jahre nur einmal kommt, wenn die Steuer auch in drei Jahresraten bezahlt werden wird und da auch nur größere in der dreijährigen Periode entstandene Vermögenszuwachse — sagen wir einmal solche nicht unter 10000 Mark — umfaßt werden sollen, kann man von einer kleinlichen und chikanösen Steuer nicht reden. Aber, heißt es, die Steuer sei „eine Steuer auf den Erwerbsfleiß selbst, ein Hohn, der dem erwerstätigen Mittelstand zu alten Lasten abermals die Hauptlast aufpackt, eine Strafe für diejenigen, die an der Mehrung des Volksvermögens arbeiten" — in Summe ein „Volksbetrug". Wieso denn? Gewiß wird nur der, der etwas vor sich bringt, besteuert, der, der in seinem Vermögen stehen bleibt oder zurückgeht, nicht. Aber ist denn das bei der Vermögenssteuer nicht auch so? Auch die Erbschaftssteuer umfaßt in der Regel den Nachlaß des Fleißigen und Sparsamen anders, als den des Trägen oder Verschwenders, weil er größer ist. Wenn auf Gewerbe und Industrie die Zuwachssteuer, nicht minder aber auch die Vermögenssteuer und die Erschaftssteuer stärker lasten als auf der Landwirtschaft, so ist das keine ungerechte Sonderbelastung, sondern kommt eben davon her, daß ihr Vermögen glücklicherweise sich
im Ganzen rascher vermehrt und vermehren kann, als das in der Landwirtschaft steckende. Das trifft ja auch für die Einkommensteuer gerade so zu. Nur wenn der Anlegungsmaßstab für beide ungleicher wäre, könnte man von ungerechter und einseitiger Belastung reden. Ein Irrtum ist es auch, wenn die Kapitalisten fürchten, bei wiederholten Schwankungen der Kurse ihrer Wertpapiere könnte eine mehrmalige scheinbare Vermögensvermehrung durch Kurssteigerungen bei ihnen auch mehrmals als Zuwachs versteuert werden, während durch sie doch nur frühere Kursverluste ganz oder teilweise wieder eingeholt werden. Der Steuer wird aber in Wirklichkeit stets der höchste, einmal aber erreichte Stand des Vermögens zu Grunde gelegt. Nehmen wir als Beispiel einen Kapitalisten, der auf den 31. Dezember 1913 als sein Vermögen 100000 Mark einer Aktie, die pari steht, fatiert; nach drei Jahren steht sie 120, er versteuert den Zuwachs von 20000 Mark; am Ende der nächsten drei Jahre steht sie auf 90, natürlich zahlt er nichts. Dann aber zahlt er Zuwachs nicht etwa, wenn sie wieder auf 100, 110 oder 120 steigt, sondern erst wieder, wenn sie an einem Stichtage über 120 steht. Die Kursschwankungen, die zwischen den Stichtagen eintreten, sind überhaupt ganz ohne Belang. Ein anderer Vorwurf geht dahin, daß es das einzig richtige gewesen wäre, die Erbschaftssteuer auf die Kinder auszudehnen. Wer den politischen Machtkampf der Parteien in den Vordergrund stellt, hat dabei recht, vorausgesetzt, daß die Steuer zwischen den Klippen der Sozialdemokratie einerseits und der Nationalliberalen andererseits wirklich glücklich durchgekommen wäre, was allerdings das Wahrscheinlichere ist. Die Erbschaften der Kinder, die auch nichts anderes sind als Vermögenszuwachse, werden ja als solche besteuert, wenn auch nur einmal und nicht zweimal, wie die anderen Erbschaften, die zunächst Erbschaftssteuer zahlen und vom verbleibenden Rest noch Zu- wachssteuer. Aber man will und muß doch auch die Kinder milder behandeln als die anderen Erben. Nur das ist anzuerkennen, daß ein Kind, das beispielsweise im Jahr 1914 erbt und sein Erbe vor dem nächsten Stichtage, also vor dem 31. Dezember 1916 verliert oder verlumpt, steuerfrei bleibt, während es Erbschaftssteuer bezahlt hätte, aber das ist
doch glücklicherweise nicht die Regel. Dann aber die Hauptsache: Die Besteuerung des Kindes hat natürlich auch ihre Grenzen, und es wäre knapp möglich gewesen, so viel aus ihr herauszuholen, als man neben den anderen Steuervorschlägen der verbündeten Regierungen, Erbrecht des Staates, Erhöhung der Stempel auf Errichtung von Ee- seüschaftsverträgen, Einführung des Stempels auf Versicherungsverträge und Beibehaltung des Reichszuschlages zum Erundstücksstempel unbedingt notwendig hat. Aus der Besteuerung allen möglichen Vermögenzuwachses kann man aber begreiflicherweise mehr herausholen als aus der der Kindeserbschaften allein, und es scheint mir keinen Tadel zu verdienen, wenn wir dieses Mehr nützlich verwenden wollen. Es befähigt uns, vom Erbrecht des Staates, dessen Freunde immer weniger zahlreich werden, abzusehen, den tatsächlich schädlichen Zuschlag zum Grundstücksumsatzstempel aufzuheben und den Reichsstempel auf Versicherungsverträge teils fallen zu lassen, teils auf ein Minimum zu reduzieren. Darüber hinaus aber gestattet uns der Mehrertrag weiter die verhaßte Zuwachssteuer auf Grundstücke mit Einführung der allgemeinen Zuwachssteuer aufzuheben und den sinnwidrigen, den Verkehr hemmenden Scheckstempel abzuschaffen. Weltbewegende Reformen sind das freilich nicht, aber doch Reformen, die so wertvoll sind, daß sie den Verzicht auf einen formellen politischen Sieg recht- fertigen, von dem über Jahr und Tag kein Mensch mehr etwas hat . . .
Der Liederkranz Calw preisgekrönt!
Einem Lauffeuer gleich durcheilte die Stadt gestern nachmittag kurz nach 5 Uhr diese Kunde. Der Liederkranz kommt mit dem Ersten! Und die Leute umdrängten die Anschlagtafeln, um sich des Unglaublichen schwarz auf weiß versichern zu lassen. — So war es also gelungen. Dem Liederkranz ist es beschieden gewesen, einen ersten Preis im Wettgesang hcimzutragen nach Calw, seiner Fahne neben die zweiten Preise die langersehnte 1. Preis-Medaille anzuheften. Die Erfolge in Heilbronn, Ludwigsburg, Ravensburg, sind weit in Schatten gestellt. Diejenigen, die den Verein singen hörten in Tübingen, wutztens und empfandens, daß die Sache gut verlaufen müsse. Und die Sänger erzählten, daß ihnen im Verlauf des Festzugs so viele auffallende Auszeichnungen vom
Das Wirtshaus im Spessart.
38) Erzählung von Wi lh e lm H a u f f.
„Nur noch eine Bitte habe ich," antwortete Felix, „in diesem Ränzchen, das Sie auf dem Rücken tragen, befindet sich eine kleine Schachtel; verwahren Sie diese sorgfältig, — wenn sie verloren ginge, wäre ich auf immer und ewig unglücklich; ich muß sie meiner Pflegemutter bringen und —"
„Gottfried, der Jäger, weiß mein Schloß," ent- gegnete sie, „es soll Euch alles unbeschädigt wieder zurückgestellt werden; denn ich hoffe, Ihr kommet dann selbst, edler junger Mann, um den Dank meines Gatten und den meinigen zu empfangen."
Ehe noch Felix darauf antworten konnte, ertönten non der Treppe her die rauhen Stimmen der Räuber; sie riefen, die Frist sei verflossen und alles zur Abfahrt der Gräfin bereit. Der Jäger ging zu ihnen hinab und erklärte ihnen, daß er die Dame nicht verlassen werde und lieber mit ihnen gehe, wohin es auch sei, ehe er ohne seine Gebieterin vor seinem Herrn erschiene. Auch der Student erklärte, diese Dame begleiten zu wollen. Sie beratschlagten sich über diesen Fall und gestanden es endlich zu, unter der Bedingung, daß der Jäger sogleich seine Waffen abgebe. Zugleich befahlen sie, daß die übrigen Reisenden sich ruhig verhalten sollten, wenn die Gräfin hinweggeführt werde.
Felix ließ den Schleier nieder, der über seinen Hut gebreitet war. setzte sich in eine Ecke, die Stirne in die Hand gestützt, und in dieser Stellung eines tief
Betrübten erwartete er die Räuber. Die Reisenden hatten sich in das andere Zimmer zurückgezogen, doch so, datz sie, was vorging, überschauen konnten; der Jäger saß anscheinend traurig, aber auf alles lauernd in der andern Ecke des Zimmers, das die Gräfin bewohnt hatte. Nachdem sie einige Minuten so gesessen, ging die Türe auf, und ein schöner, stattlich gekleideter Mann von etwa sechsunddreißig Jahren trat in das Zimmer. Er trug eine Art von militärischer Uniform, einen Orden auf der Brust, einen langen Säbel an der Seite, und in der Hand hielt er einen Hut, von welchem schöne Federn herabwallten. Zwei seiner Leute hatten gleich nach seinem Eintritt die Türe besetzt.
Er ging mit einer tiefen Verbeugung auf Felix zu; er schien vor einer Dame dieses Ranges etwas in Verlegenheit zu sein, er setzte mehreremal an, bis es ihm gelang, geordnet zu sprechen. „Gnädige Frau," sagte er, „es gibt Fälle, worein man sich in Geduld schicken muß. Ein solcher ist der Ihrige. Glauben Sie nicht, datz ich den Respekt vor einer so ausgezeichneten Dame auch nur auf einen Augenblick aus den Augen setzen werde; Sie werden alle Bequemlichkeit haben, Sie werden über nichts klagen können, als vielleicht über den Schrecken, den Sie diesen Abend gehabt." Hier hielt er inne, als erwartete er eine Antwort; als aber Felix beharrlich schwieg, fuhr er fort: „Sehen Sie in mir keinen gemeinen Dieb, keinen Kehlenabschneider. Ich bin ein unglücklicher Mann, den widrige Verhältnisse zu diesem Leben zwangen. Wir wollen uns auf
immer aus dieser Gegend entfernen; aber wir brauchen Reisegeld. Es wäre uns ein leichtes gewesen, Kaufleute oder Postwagen zu überfallen, aber dann hätten wir vielleicht mehrere Leute auf immer ins Unglück gestürzt. Der Herr Graf, Ihr Gemahl, hat vor sechs Wochen eine Erbschaft von fünfmalhunderttausend Talern gemacht. Wir erbitten uns zwanzigtausend Gulden von diesem Ueberfluß, gewiß eine gerechte und bescheidene Forderung. Sie werden daher die Gnade haben, jetzt sogleich einen offenen Brief an Ihren Gemahl zu schreiben, worin Sie ihm melden, daß wir Sie zurückgehalten, daß er die Zahlung so bald als möglich leisten möge, widrigenfalls — Eie verstehen mich, wir müßten dann etwas härter mit Ihnen selbst verfahren. Die Zahlung wird nicht angenommen, wenn sie nicht unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit von einem einzelnen Mann hierher gebracht wird."
Diese Szene wurde mit der gespanntesten Aufmerksamkeit von allen Gästen der Waldschenke, am ängstlichsten wohl von der Gräfin beobachet. Sie glaubte jeden Augenblick, der Jüngling, der sich für sie geopfert, könnte sich verraten. Eie war fest entschlossen, ihn um einen großen Preis loszukaufen; aber ebenso fest stand ihr der Gedanke, um keinen Preis der Welt auch nur einen Schritt weit mit den Räubern zu gehen.' Sie hatre in der Rocktasche des Goldarbeiters ein Messer gefunden. Eie hielt es geöffnet krampfhaft in der Hand, bereit, sich lieber zu töten, als eine solche Schmach zu erdulden. Jedoch nicht minder ängstlich war Felix selbst. Zwar stärkte und tröstete ihn der Gedanke, daß