143. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
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Reichsvermögenszmvachssteuer.
In der Frankfurter Zeitung verbreitet sich der Reichstagsabgeordnete v. Payer über die Reichsvermögenszuwachssteuer. Seine Ausführungen, des parteipolemischen Inhalts entkleidet, geben eine gute sachliche Würdigung und Zergliederung der Steuer, die eine so große Rolle in der Deckungsfrage der Wehroorlagen zu spielen bestimmt ist. Payer schreibt:
Wie sieht die Zuwachs st euer praktisch genommen aus? Um den Wehrbeitrag erheben zu können, wird bekanntlich der Bestand der größeren Vermögen auf den 31. Dezember 1913 festgestellt. Diese Vermögensfeststellung gilt zugleich aber, unter vollständiger Ausschaltung der gleichfalls zum Wehrbeitrag herangezogenen Einkommen, als die erste für die Berechnung der Zuwachs st euer maßgebende. Daraus ergibt sich sofort das große Interesse, das das Reich und die Steuerzahler an der Sachgemäßheit und Richtigkeit dieser Vermögensfeststellung haben. Die Vorschriften über sie müßten nachträglich sorgfältiger behandelt werden, als es die bisherigen Kommissionsbeschlüsse getan haben, weil es sich jetzt nicht mehr bloß um eine einmalige Abgabe handelt. Weiter ergibt sich, daß die erste Grundlage des Zuwachssteuergesetzes weder dem Reich, noch den Steuerzahlern Mühe oder Kosten verursacht, denn sie ist ja ohnedies da. Endlich ergibt sich, daß diese doppelte Bedeutung der ersten Feststellung das Interesse des Steuerzahlers, zurückhaltend zu fatieren, erheblich abschwächt: zwar wird sein Wehrbeitrag kleiner, wenn sein Vermögen zu niedrig festgestellt wird, aber auf der anderen Seite wird eben dadurch auch wieder sein späterer Vermögenszuwachs, aus dem er Zuwachssteuer zahlt, um so größer; einmal, und wäre es erst nach seinem Tode, entrinnt er der Zuwachssteuer nicht.
Zunächst geht aber bis zum 31. Dezember 1916 auf welchen Tag nach demselben Grundsatz wiederum eine Vermögensfeststellung vorgenommen wird, die Zuwachssteuerpflichtigen die ganze Sache weiter nichts mehr an. Es ist also ein Irrtum, wenn geklagt wird, daß die Steuer jetzt im Augenblick einer weichenden wirtschaftlichen Hochkonjunktur, auch noch, und gar neben dem Wehrbeitrag her, auf die Steuerpflichtigen gelegt werde uud so zahlreiche Existenzen
Montag, den 23. Juni 1913.
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vernichten müsse. Erst auf den 31. Dezember 1916 ist wieder, genau wie zum Wehrbeitrag und wiederum unter Beiseitelassung aller auf das Einkommen bezüglichen Bestimmungen, der Vermögensstand zu fatieren. Die Steuerbehörde vergleicht die Vermögensstellung von 1916 mit der von 1913 und ein etwaiges Mehr der elfteren ist der Zuwachs, den im Prinzip die Zuwachssteuer erfaßt. Woher der Zuwachs rührt, ob aus Erträgnissen des bereits vorhandenen Vermögens, aus Arbeitsverdienst, aus Erbschaft, aus Schenkung, aus Spekulation oder Lotteriegewinn, aus Kursgewinn oder Wertsteigerung der Grundstücke ist gleichgültig und wird nicht untersucht. Der so erstmals festgestellte Zuwachs wird im Laufe des Jahres 1917 besteuert; ist er einmal besteuert, so unterliegt der Zuwachssteuer nur noch das, was weiterhin zu ihm hinzutritt. Nun wird mit großer Lebhaftigkeit verlangt, man solle statt dieses Zuwachses jeweils das Vermögen selbst besteuern, also eine normale Reichsver - mögenssteuer einführen. Dem Reich könnte das Recht sein, denn diese Steuerquelle fließt reichlicher. Die Vermögenssteuer umfaßt jedes Jahr das ganze vorhandene Vermögen ohne Rücksicht darauf, ob es sich vermehrt oder vermindert hat, die Zuwachssteuer alle drei Jahre nur den jeweiligen in den letzten drei Jahren hinzugekommenen Zuwachs, soweit ein solcher da ist. Dieser Unterschied ist auch den Rechtsparteien nicht entgangen. Bei der ersten Lesung der Deckungsvorlage haben sich Zentrum, Sozialdemokratie, Nationalliberale und Volkspartei für eine solche Vermögenssteuer ausgesprochen, und es ist heute zweifellos eine große Mehrheit für sie im Reichstag vorhanden. (Schluß folgt.)
Parlamentarisches.
AusdemReichstag.
Berlin, 21. Juni. Die heutige Sitzung setzte ihre Beratung bei den Resolutionen zum Militärstrafrechtwesen fort. Ein sozialdemokratischer Antrag verlangt Milderung und insbesondere Wegfall des strengen Arrests und Straffreiheit für eine von Untergebenen auf der Stelle erwiderte Beleidigung und Körperverletzung durch den Vorgesetzten. Ueber diesen und noch andere Anträge wird am Dienstag abgestimmt werden.
Aus dem Landtag.
Stuttgart, 21. Juni. Die Zweite Kammer trieb heute bei der fortgesetzten Beratung des Etats der Domänen wieder einmal eine große Zeitvergeudung. Zur Erörterung stand die Frage der Staatsvereinfachung auf dem Gebiete der Forstverwaltung und zwar durch die Aushebung von drei Forstämtern. Nach langem Hin- und Herreden betonte Keil (S.), von der ganzen Staatsvereinfachung bleibe nichts übrig als ein Haufen Papier und eine maßlose Zeitverschwendung. Wie bei allen anderen Gelegenheiten marschiere man auch hier mit den üblichen lokalen Wünschen auf, sodaß die Masse des Volkes von einer Staatsvereinsachung nichts am Leibe verspüre. Der Antrag Haußmann, die Sache nochmals an den Finanzausschuß zu verweisen, wurde abgelehnt, dagegen der Antrag Mohr (Z.) angenommen, die Forstämter Hürbel, Kleinaspach und wenn möglich auch Wiblingen in Forstamtmannsbezirke umzuwandeln. Der Antrag Mohr, den bisherigen Stand der Forstamtmänner im äußeren Dienst beizubehalten, wurde abgelehnt. Kurz (V.) legte Verwahrung dagegen ein, daß es den Forstwarten verboten sein soll, sich mit Abgeordneten ins Benehmen zu setzen und kritisierte namentlich die Verwendung der Forstwarte zu sogenannten Hausknechtsarbeiten. Obersorstrat von Keller bestritt entschieden, daß eine solche Verwendung vorkomme. Das Bedürfnis, zu den weiteren Kapiteln zu sprechen, erzeugte in der Folge eine wahre Flut von Reden. Dem Präsidenten ging eine Wortmeldung um die andere zu und als ihm etwa 20 Vorlagen, bat er um möglichste Kürze der Reden, da sich die Erste Kammer mit Recht darüber beschwere, daß ihr die wichtigsten Etats außerordentlich spät zugehen. Im weiteren Verlauf der Debatte wurde der Ausschußantrag, die Wegbaubeiträge an Gemeinden von 40 000 auf 50 000 und den Etatsatz für Wegherstellungsund Unterhaltungskosten von 900 000 auf 1 Million zu erhöhen, angenommen. Eine längere Aussprache knüpfte sich an die Arbeits- und Lohnverhältnisse der Waldarbeiter. Mehrere Abgeordnete traten dafür ein, daß in allen Bezirken mindestens 3 Mark pro Tag bezahlt werde. Auch wurde Organisationsfreiheit für die Waldarbeiter gefordert und darüber Beschwerde geführt, daß einzelne Waldarbeiter wegen ihrer Zugehörigkeit zu Organisationen chikaniert werden. Finanzminister von Eeßler betonte, daß die Oberförster ihr Amt durchaus zur Zufriedenheit versehen, und daß ihre Tätigkeit sehr ersprießlich sei. Differenzen mit den Arbeitern
Das Wirtshaus im Spessart.
37) Erzählung von Wilhelm Hauff.
„Mitternacht ist längst vorüber," sagte der Student, als der junge Goldarbeiter seine Erzählung geendigt hatte, „jetzt hat es wohl keine Gefahr mehr, und ich für meinen Teil bin so schläfrig, daß ich allen raten möchte, niederzuliegen und getrost einzuschlafen."
' ^,Vor zwei Uhr morgens möcht' ich doch nicht trauen," entgegnete der Jäger; „das Sprichwort sagt: von elf bis zwei Uhr ist Diebes Zeit."
„Das glaube ich auch," bemerkte der Zirkelschmied; „denn wenn man uns etwas anhaben will, ist wohl keine Zeit gelegener als die nach Mitternacht. Drum meine ich, der Studiosus könnte an seiner Erzählung fortfahren, die er noch nicht ganz vollendet hat."
„Ich sträube mich nicht," sagte dieser, „obgleich unser Nachbar, der Herr Jäger, den Anfang nicht gehört hat."
„Ich muß ihn mir hinzudenken, fanget nur an," rief der Jäger.
„Nun denn," wollte eben der Student beginnen, als sie durch das Anschlägen eines Hundes unterbrochen wurden, alle hielten den Atem an und horchten; zu- 6^ich stürzte einer der Bedienten aus dem Zimmer der Gräfin und rief, daß wohl zehn bis zwölf bewaffnete Männer von der Seite her auf die Schenke zukommen.
Der Jäger griff nach seiner Büchse, der Student nach seiner Pistole, die Handwerksburschen nach ihren
Stöcken, und der Fuhrmann zog ein langes Messer aus der Tasche. So standen sie und sahen ratlos einander an.
„Laßt uns an die Treppe gehen!" rief der Student, „zwei oder drei dieser Schurken sollen doch zuvor ihren Tod finden, ehe wir überwältigt werden." Zugleich gab er dem Zirkelschmied seine zweite Pistole und riet, daß sie nur einer nach dem andern schießen wollten. Sie stellten sich an die Treppe; der Student und der Jäger nahmen gerade ihre ganze Breite ein; seitwärts neben dem Jäger stand der mutige Zirkelschmied und beugte sich über das Geländer, in dem er die Mündung seiner Pistole auf die Mitte der Treppe hielt. Der Eoldarbeiter und der Fuhrmann standen hinter ihnen, bereit, wenn es zu einem Kamps Mann gegen Mann kommen sollte, das ihrige zu tun. So standen sie einige Minuten in stiller Erwartung; endlich hörte man die Haustüre aufgehen, sie glaubten auch das Flüstern mehrerer Stimmen zu vernehmen.
Jetzt hörte man die Tritte vieler Menschen der Treppe nahen, man kam die Treppe herauf, und auf der ersten Hälfte zeigten sich drei Männer, die wohl nicht auf den Empfang gefaßt waren, der ihnen bereitet war. Denn als sie sich um die Pfeiler der Treppe wandten, schrie der Jäger mit starker Stimme: „Halt! Noch einen Schritt weiter, und ihr seid des Todes. Spannet die Hähne, Freunde, und gut gezielt!"
Die Räuber erschraken, zogen sich eilig zurück und berieten sich mit den übrigen. Nach einer Weile kam
einer davon zurück und sprach: „Ihr Herren! Es wäre Torheit von euch, umsonst euer Leben aufopfern zu wollen, denn wir sind unserer genug, um euch völlig aufzureiben; aber ziehet euch zurück, es soll keinem das geringste zuleide geschehen; wir wollen keines Groschen Wert von euch nehmen."
„Was wollt ihr denn sonst?" rief der Student. „Meint ihr, wir werden solchem Gesindel trauen? Nimmermehr! Wollt ihr etwas holen, in Gottes Namen, so kommt, aber den ersten, der sich um die Ecke wagt, brenne ich auf die Stirne, daß er auf ewig keine Kopfschmerzen mehr haben soll!"
„Gebt uns die Dame heraus, gutwillig," antwortete der Räuber. „Es soll ihr nichts geschehen, wir wollen sie an einen sichern und bequemen Ort führen, ihre Leute können zurückreiten und den Herrn Grafen bitten, er möge- sie mit zwanzigtausend Gulden auslösen."
„Solche Vorschläge sollen wir uns machen lassen?" entgegnete der Jäger knirschend vor Wut und spannte den Hahn. „Ich zähle drei, und wenn du da unten bei drei nicht hinweg bist, so drücke ich los, eins, zwei —"
„Halt!" schrie der Räuber mit donnernder Stimme. „Ist das Sitte, auf einen wehrlosen Mann zu schießen, der mit euch friedlich unterhandelt? Törichter Bursche, du kannst mich totschießen, und dann hast du erst keine große Heldentat getan; aber hier stehen zwanzig meiner Kameraden, die mich rächen werden. Was nützt es dann deiner Frau Gräfin, wenn ihr tot oder verstüm-