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Die Eiserrbahmmterbilanz.

Es ist festgestellt, daß die Eisenbahnverwaltung trotz steigender Transportpreise sich einem ständig wachsenden Defizit gegenüber befindet. Einem Ueberschuß von 700 Mülionen Mark in Friedenszeiten steht für 1919 ein De­fizit von 31/2 Milliarden Mark gegenüber. DemBerl. Tagbl." wird darüber geschrieben:

Wenn man di; Gründe verstehen will, die unser vor dem Kriege vorzügliches Eisenbahnwesen so her­untergebracht haben, so muß man sich zunächst vergegen­wärtigen, daß der vierjährige Krieg den Eisenbahnen eine außerordentlich starke Inanspruchnahme aller Be- triebsmittel gebracht hat. So geschwächt traten an die Eisenbahnen dann im .Herbst 1918 die gewaltigen An­forderungen heran, die der unglückliche Ausgang des Krie­ges, die überhastete Demobilmachung und alle die Schwie­rigkeiten der Revolutionszeit naturgemäß mit sich brach­ten. Durch den Waffenstillstand verloren wir 5000 der besten und stärksten Lokomo­tiven und 150000 Wagen. Die Besetzung der Rheinlande und die Unterbindung des Verkehrs in den Brückenköpfen durchschnitt viele der leistungsfähigsten Ei­senbahnwege und zwang zum Aufsuchen neuer Verkehrs­straßen.

Dazu kamen die Unruhen im Innern. 'Im ganzen ist die Eisenbahnverwaltung in der Zeit vom Januar bis Juli von 38 Streiks heimgesucht worden. Sie hatten fast stets betriebliche Störungen zur Folge und nötigten zu Verkehrssperren, die nicht nur den streikenden Bezirk, sondern auch noch erb iche tpeitere Gebiete be­rührten.

Es sind in großen Zügen die äußeren Ereignisse, die man sich gegenwärtig halten muß, um die jetzige be­drängte Lage des Eisenbahnwesens verstehen zu können. Seit langen Monaten hat die Gesamtheit hierunter schwer zu leiden. Im Güterverkehr ist die Wagengestellung seit Dezember 1918 auf etwa die Hälfte des Friedens­verkehrs zurückgegangen. Besonders stark ist der Rück­gang in den Kohlenrevieren. Tie Lage im Ruhrrevier ist so, daß gegenüber einer täglichen Friedensgestellung von über 30 000 Wagen in den letzten Monaten nicht mehr als 16 000 Wagen gestellt wurden. In Oberschlesien betrug die tägliche Friedensgestellung über 12 000 Wa­gen. Hier ist sie jetzt auf unter 5000 zurückgegangen.

Die schlechte Lage des Eisenbahnwesens kvmmt auch in den Finanzen der Eisenbahnv crwaltnng zum Ausdruck. Während im Frieden durch sorgfältige Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse und die pünktliche und reichliche Bedienung des Verkehrs die Ei­senbahnfinanzen fest und sicher dastanden, wirtschaftet sic jetzt mit einem ungeheuren Defiz it, das man kaum zu schätzen wagt, weil die Schätzung durch die traurige Entwicklung bisher über den Haufen geworfen ist. Für das Jahr 1919 hat inan bisher mit einem Defizit von rund 31/2 Milliarden Mark gerechnet. Das bedeutet, daß die Eisenbahnen täglich einen Zuschuß von mehr als 10 Millionen nötig haben. Trotz der Erkenntnis dessen, was hohe Tarife für Handel und Wandel bedeuten, hat die Eisenbahnverwal?- tnng daran denken müssen, durch Erhöhung der Personen- und Gütertarife zu versuchen, den Etat ins Gleichgewicht zu bringen.

Nach wie vor hat auch eine Besserung in dem Zu­stande der Betriebsmittel nicht herbeigeführt werden kön­nen. Dadurch entsteht ein Mangel an Lokomoti­ven, der vielleicht die Hauptursache für die Betriebs­schwierigkeiten ist. Auch jetzt noch gehen wöchentlich mehr Lokomotiven in die Werkstätten, als aus ihnen herausge­bracht werd-n können. Ter Reparaturstand der Loko­motiven, der in Friedenszeiten sich ständig unter 20 Prozent biett, steht jetzt aut über 40 Prozent und zeigt noch keine Neigung zum Linken. Eine mittlere Loko- motivmisbesserungsanstalt erzielte im Jahre 1916 bei efner durchschritt liehen Arbeiterzahl von 417 Köpfen einen Gesamtausgang von 484 Lokomotiven. In den fol­genden Jahren blieb Arbeiterzahl und Leistung ungefähr gleich. Nach dem Waffenstillstand wurde die Arbeiter- Zahl dieser Werkstatt auf 1187 erhöht, die Leistung jedoch tank trotzdem aus 411 Stück. In der Zeit nach dem 1. April 1919 stieg die Arbeiterzahl weiter auf 1253, der Lokomotivausgana dagegen fiel aus 353. Aehnlich liegen die Verhältnisse in fast allen Eisenbahnwerkstätten. Diese Zahlen beweisen unwiderleglich, daß die Hauptursache für den starken auffallenden Rückgang der Leistungen in der Arbertsunlust liegt.

Donnerstag, den 1t. September.

NmtStlatt s8r VfalzgrafenweUer.

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Im Personenverkehr hat der Mangel an Koh­len zu starken Einschränkungen geführt. Im Durchschnitt verfügt die Eisenbahn nur über die für acht bis neun Tage erforderliche Tienstkohle. Wenn die Verhältnisse sich nicht grundsätzlich ändern, besteht die Gefahr wei­terer starker Einschränkungen, denn in erster Linie muß für den Güterverkehr gesorgt werden, und hier sind die Aussichten für Herbst und Winter sehr trübe. Ein Bild der Mehrleistungen, die sich aus dem Herbstverkehr für die Eisenbahnen ergeben, bekommt man, wenn man hört, daß im vorigen Herbst im Oktober und November für Kartoffeln täglich 6000 bis 7000 Wagen, für Brotgetreide 2000 bis 2500, für Gemüse und Obst 2500 bis 3500, für Rüben 6000 bis 8000 Wagen gestellt worden sind. Daneben muß die Abfuhr der Kohle in mindestens demselben Maße wie jetzt erfolgen. Auch hier also besteht die Gefahr, daß zur Aufrechterhaltung dieser lebenswichtigsten Transporte starke Einschränkungen anderer Gütertransporte notwendig sein werden.

Amerikanische und deutsche Ernte.

Die von Amerika vorliegenden Septemberschätzungen her Ernte melden einen weiteren Rückgang der Aus­sichten des Frühjahrsweizens auf 46,9 Prozent egen 53,9 Prozent un Vormonat und deuten aut em " gebnis von nur 201 Mill. Bushel gegen 225 Will, im Vormonat hin. (1 Bushel Weizen -- 27,2 Kilo). 1918 hatte die Frühjahrsweizenernte 3 2 2 Mill. Bu­shel. An Winterweizen und Frühjahrswei­zen zusammen stehen damit 916 Mill. gegen 917 Mill. in 1918 in Sicht. Für Mais lautet die Privattaxe auf 2788 Mill. Bushel (1 Bushel Mais -- 25,4 Kilo) 2583 im vorigen Jahre. Die scharfen Rückgänge thicagoer Mais-Terminpreise werden mit günstigem Wetter für die Maisfelder und mit nachgebenden argen­tinischen Forderungen begründet. Es ist nicht ganz un­wahrscheinlich, daß auch die kräftigen Laplata-Getreide- verschisfungen der vorigen Woche 140 OM Tonnen Weizen und 80 MO Tonnen Mais mit zu der mat­ten Chicagoer Tendenz beitrugen. In Deutschland ist das sonnige warme Wetter ebensowohl für das Ein­bringen der Getreideernte, wie für den zweiten Heuschnitt und für die weitere Ausbildung der Kartoffeln und Rü­ben willkommen gewesen. Für die Ablieferung von Brotgetreide während des September ist eine Prämie von 150 Mark, für die erste Hälfte vom Oktober von 75 Mark festgesetzt. Gleichzeitig wurde aber, damit der Ausdrusch des Brotgetreides nicht durch den des Hafers beeinträchtigt werde, der Haferausdrusch vom 5. Septem­ber Vis 15. Oktober verboten und es ist den Eisenbahn­behörden aufgegeben, nur solchen Hafer zu expedieren, der vor dem 5. September oder mit Genehmigung eines Kommunalverbands gedroschen ist. Was aus den sehr großen Septemberkontralten angesichts dieser Verhältnisse wird, ist noch nicht zu durchschauen. 'Eine Verordnung, die hohe Strafen auf die Ausfuhr von Getreide, Hülsen­früchten, Buchweizen oder von Erzeugnissen daraus setzt, hängt damit zusammen, daß die niedrige deutsche Valuta es für das Ausland lohnend erscheinen lassen könnte un­sere Ackerbauprodukte zu beziehen. Allerdings bot ja da­für schon bisher die Erfordernis einer Ausfuhrerlaubnis dem reellen Handel ein Hindernis.

Der Münchner Geiselmord.

München, 9. Sept.

Ter Schluß der Beweisaufnahme über die Behand­lung der Geiseln, die nicht erschossen, sondern wieder frei gelassen wurden, bringt manche interessante Momente. So muß bei der Erschießung der Geiseln offenbar alte Mu­nition verwendet worden sein, die bereits stumpf war, da nur so die furchtbaren Verletzungen an den Körpern der Geiseln zu erklären sind. Auch sollen Rot­gardisten die Munition noch besonders be a r- beitet Haben, damit siebesser wirke". Die Behand­lung der beiden Weißgardisten wird von sämtlichen Zeu­gen übereinstimmend als eine moderne Folter be­zeichnet. Man trat den armen Menschen auf dem Leib herum, und schließlich, als sie hingerichtet werden sollten, waren sie bereits halbtot. Ein Zeuge bekundet, daß, als die beiden Husaren an die Mauer geführt wurden, und man ihnen zurief, sie sollten sich umdrehen, einer von ihnen gesagt habe, man solle sie doch erst verhören. Dar­auf sei ihm geantwortet worden:Seidl sei noch nicht da, und sein Stellvertreter habe keine Zeit". Tie beiden Weißgardisten gaben sich zum Abschied nochmals die Hand

und ergaben sich dann stumm ihrem Schicksal. ttmige der Rotgardisten fühlten dann doch wohl Gewissenslaste, denn diesenc und jenem kamen die Tränen in die Augen. Andere dagegen sagten:Na, dem einen hat es den ganzen Kopf weggerissen, das ganze Hirn ist raus!" Und nach der Erschießung des Prinzen v. Thurn und Taxis hieß es:Dem hat's durch die Augen ge­mäht!" Daß Harmonika gespielt, gesungen, Wein ge­trunken, Zigaretten geraucht worden sind, wird auch wei­terhin von den Zeugen bestätigt. Ebenso, daß bei Eglhoser die Absicht bestanden hat, womöglich alle bayerischen Prinzen festzunehmen, da man in ihnen die Hauptmacher der Gegenrevolution erblickte. Der Vorsitzende der Ver- hastuugskommission, der schon einmal erwähnte Zeuge, der Russe Zrobel, bestätigt, daß bei dem Vollzugs­ausschuß jedermann davon überzeugt war, die Räte­republik würde nicht mehr lange bestehen, nachdem die weiße Garde München umstellt hatte.

Ueber eine Woche nun dauert der Prozeß gegen die Geiselmörder. Die heute zum Abschluß gelangte Ver­nehmung der Zeugen ergab mit vollster Sicherheit, wer die Drahtzieher und die Täter dieser schauerlichen Untat vom 30. April gewesen sind. Am Mittwoch begannen die Plaidoyers des Staatsanwalts und der Verteidiger, wor­auf das Urteil frühestens am Donners: aa abend zu er­warten ist.

Das neue Vorgehen der Entente.

Berlin, 10. Sept. Das neue Verbandsultimatum an Deutschland ist vom Rate der Verbündeten einstim­mig angenommen worden. Es wird Deutschland am Mitt­woch zugehen.

Daily Mail" in London meldet hiezu aus Paris: Tie neue Forderung an Deutschland läßt keine lange Bedenkzeit Nicht nur die Besetzung einer einzelnen Stadt in der neutralen Zone kommt als Druckmittel in Frage, sondern ein allgemeines militärisches Vorgehen der Ber» bündeten gegen die unbesetzte deutsche Grenze.

Daily Expreß" berichtet dagegen: An den etwa gegen Deutschland notwendig werdenden militärischen Maßnahmen werden sich französische und englische Trup­pen beteiligen. Die militärischen Maßnahmen der Ver­bündeten würden sich auf die neutrale Zone beschränken.

Ter MailänderCorriere della Sera" meldet aus Paris, bei der Beratung des Obersten Rats über die Antwort an Deutschland habe Frankreich eine sehr ent­schiedene Fassung vorgeschlagen, die jedoch von der ame­rikanischen Vertretung abgelehnt worden sei.

Paris, 9. Sept. (Havas.) Den Blättern wird ge­meldet, daß der Oberste Rat, der die deutsche Antwort auf die Forderung der Entente nach Beseitigung des Artikels 61 der deutschen Verfassung als ungenügend er­achte, beschlossen habe, die Beseitigung des Artikels neuer­dings zu' verlangen. Eine in diesem Sinne gehaltene Note werde heute Dienstag abgefaßt werden.

Versailles, 9. Sept. DiePatrie" erklärt in Uebereinstimmung, wie sie behauptet, mit derDaily Mail", die Antwort auf die deutsche Note betreffend Artikel 61 komme keinem Ultimatum gleich.

Die amerikanischen Vorschläge zum Friedensvertrag.

Die Abänderungsvorschläge zum Friedens- und Böl- kerbundsvertrag, we che der amerikanische Senats an-chchuß für Auswärtige Angelegenheiten dem Senat gemach, hat, werden zum Teil nun bekannt. Es sind ja sehr viele und wahrscheinlich wird noch ein halbes Dutzend neuer Aenderungsanträge eingereicht werden. Besonders über Artikel 10 werden große Debatten erwartet. So er­klärte Senator Johnstvn, einen Aenderungsantrag ein- bringen zu wollen, welcher den Vereinigten Staaten im Rat des Völkerbunds sechs Stimmen gibt, das heißt die gleiche Anzahl, die Großbritannien und den Dominion- zusteht. Anscheinend besteht unter den Mitgliedern dev Kommission Einigkeit darüber, diesen Antrag anzunehmen. Ein zweiter Antrag bezieht sich auf das Saargebiet. Darin werden die Bestimmung des Friedensvertrags genau inter­pretiert. Insbesondere soll durchgesetzt werden, daß die endgültige Entscheidung über dieses Gebiet durch eine Volksabstimmung geregelt werden soll. Weiter soll die Shantungfrage ausführlich behandelt werden. Die Mehr­zahl der Kommissionsmitglieder ist der Ansicht, daß der Antrag bezüglich Shantungs vom Senat mit einer klei­nen Mchrheit genehmigt weichen wird. DerNew Nor-s Herold" jedoch diese Auffassung nicht. Da-Lvttt

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