Wilson «nutz Rcchuung ablegen.
' r.sterdaril, 1. Sept. Das Pressebureau Ra, > melde- uis Washington, daß der GeldbewÄligungsausschni, die Aufgaben Wilsons für die amerikanische Friedensdtle- gation einer Prüfung unte rzieh en und Einzelheiten verlangen werde, bevor er die nachträglich verlangten 825000 Dollars bennlligt. Desgleichen beb^u er sich vor, eine Untersuchung über die vom Präsidenten Wilson geforderten 100 Millionen Dollars betragenden Verteidigungssonds anzustellen und Lansing zu ersuchen, Erklärungen darüber abzugeben.
Botschaft Wilsons an die Arbeiter.
Washington, 0 Sept. (Reuter.) Wilson richr: an die »amerikanischen Arbeiter eine Botschaft, in der re mitteilt, daß in kurzem eine Konferenz der Vertreter di r Arbeiterschaft und der Industrie einberufen werde, um grundlegende Mittel zur Besserung der gesamten. Beziehungen zwischen dem Kapital und den Arbeitern zu beraten und die ganze Frage der Arbeitcrlöhne auf eine neue Grundlage zu stelle::.
Die amerikanischen Arbeiter gegen die Einwanderung.
Neuyork, 2. Sept. Nach der „Newyork Times' unterstützen die Arbeiter der Vereinigten Staaten das Gesetz gegen die Einwanderung, da sie von der Konkurrenz der fremden Arbeiter eine Senkung der Löhne befürchten.
Der Krieg im Oste«.
Amsterdam, 2. Sept. Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" meldet, daß britische Flieger an d!er Archangelsk- Front auf Jen za Bomben geworfen haben. Hierauf nahmen 2 australische Infanterieregimente! nach heftiger Beschießung diesen Ort. 4 bolschewistische Kommissare und 500 Mann wurden gefangen genommen, sowie mehrere Geschütze erbeutet. Die Verluste der Australier betragen 2 Offiziere und 502 Mann.
London, 2. Sept. Die „Times" meldet aus Hel- singfors, laut dem bolschewistischen Blatt „Prawda" haben die Sovjett'wppen einen Bauernaufstand unterdrücken müssen, der von den Sozialrevolutionären organisiert war. Viele Mitglieder dieser Partei seien erschossen worden.
Amsterdam, 1. Sept. Englische Blätter melden, daß einem bolschewistischen Kommunique zufolge die Bolschewisten 30 Meilen südwestlick von Krasnaja eine der Divisionen Denikins geschlagen und 2000 Gefangene gemacht haben, darunter den Divisionsstab. Auch in der Gegend Kamischin und Korsun haben die Bolschewisten Erfolge errungen. Dia Trupven Denikins sollen sich in Unordnung in Richtung Znamenka zurückziehen.
Tie Bolschewisten berichten, daß alle britischen, kanadischen und japanischen Truppen Wladiwostok verlassen haben. , .
Der gefangene Schah.
Mailand, 2. Sept. Der Londoner Korrespondent des „Secolo" vergleicht die Europareise des Schah von Persien mit der Reise.des Khediven von Aegypten im Jahr 1914 und vermutet, daß der Schah niemals wieder in sein Land zurückkehren werde.
Carranzas Entgegenkommen.
Mexiko, 2. Sept. (Reuter.) Präsident Carranza hat angeordnet, daß Untertanen fremder Mächte' Ver- gülungsforderungen aus Schäden, die sie aus revolutionären Unruhen in Mexiko seit Bestehen der jetzigen Regierung erlitten haben, einbringen können. Der Präsident ist befugt, mit der einen oder anderen Macht ein Abkommen zur Bildung einer gemischten Untersuchungskommission zu treffen. In diesem Sinn wird das so viel angesochtene Gesetz über die „Ersatzansprüche der Fremden" abgeändert. _
M Lesefrucdt. M
Spar', wenn du liebst, des Mundes Hauch,
Und brauch' ihn nur am rechten Orte.
Wie Helles Feuer wenig Rauch,
Hat wahre Liebe wenig Worte.
Selbst geschmiedet.
Roman von A. v. Trystedt,
Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.!
' ' „Vielleicht kann ich dir einige Winke geben, Anneliese. Erschrick nicht wieder, aber dein Vetter spielt entschieden «ine Rolle in dieser geheimnisvollen Geschichte. Bei der Voruntersuchung hatte unser Rechtsanwalt Dr. Steier damals einen unserer findigsten Detektivs mitgebracht, und dieser machte die Bekanntschaft eines verkommenen Menschen, welcher behauptete, bei dem jungen Grafen in hoher Gunst zu stehen. Als Beweis zeigte er dem Detektiv einen Spazier- stock, dessen goldene Krücke mit Brillanten besetzt ist, und Lehauptete, diesen Stock von Egon als Geschenk bekommen zu haben.
Der Detektiv war natürlich sofort davon überzeugt daß der Stock gestohlen sei, und verständigte die Polizei. Der Mensch verlangte durchaus, zum Grafen geführt zu werden. Man tat ihm den Willen und brachte ihn unter Polizeilicher Eskorte ins Schloß. Und siehe da, Graf Egon «schrak sichtlich und gab zu, dem Individuum den koft- daren Stock geschenkt zu haben.
Dagegen war nichts einzuwenden, man mußte den Lttolch laufen lassen. Aber jeder war überzeugt, daß der Graf einem Zwange gehorchte. Die Polizei wollte den Menschen im geheimen beobachten, doch der war und btieb seit jenem Tage verschwunden."
„Dieses Mannes erinnere ich mich," sagte Anneliese nachdenklich, „« muß noch einmal bet meinem Detter ge- swesen sein, das wann und wo vermag ich stelüch nicht aAuasd«>»"
Bon der ArwöeU'/kvnferenz.
Amsterdam, 1. Sept. Englische Blätter melden, daß General Limau von Sanders Pascha sich werde wegen der Armenier- und übrigen Massakres verantworten müssen.
Amsterdam, 1. Sept. „Times" meldet aus Valparaiso, daß in ganz Chile als Protest gegen die Teuerung jegliche Arbeit ruht.
Ernennung.
Berlin, 2. Sept. Kommerzienrat Guggeu Heina er wurde zum Staatskommissar für die Rückgabe der belgischen und französischen Maschinen ernannt. Das Erstattungsamt wurde von der Waffenstillstandskommission losgelöst und mit dem Auswärtigen Amt verbunden. Die Rückgabe der Fiuauzdokumente und Kunstgegenstände wurde dem Herrn von Stein übertragen. Das den Wiederaufbau betreffende Arbeitsgebiet der Waffenstillstandskommission ist aus das Reichswirtschaftsministerium übergegangen.
Berkehrslage im Ruhrrevier.
Essen, 2. Sept. Die im Ruhrrevier verhängte allgemeine Gütersperre zugunsten der Kohlcnbeförderung machte sich erst in der vergangenen Woche voll bemerkbar. Tie Wagengestellung ging auf täglich rund 18 200 Wägers (15 900 in der Vorwoche) in die Höhe, die Fehlzisfer unter 2000 Wagen (5600) herunter, sodaß stellenweise unk einem Abtransport vom Lager begonnen werden konnte. Der Kohlen- und Koksumschlag in Duisburg und in den Ruhrorten Häfen erfuhr eine Steigerung von 13500 aus rund 22000 Tonnen arbeitstäglich.
Aus Dberschlesien.
Berlin, 2. Sept. Die Chefs der feindlichen Militärmissionen, die Generale Dupont, Malcolm und Ben- civenga haben sich heute nach Oberschlesien begeben.
Die Million.
Berlin, 2. Sept. Nach den Blättern ist die Million Mark in Gold, welche Frankreich für die Ermordung des Sergeanten Mannheim als Buße von der Stadt Berlin gefordert hatte, der deutschen Regierung von privater Seite angeboten worden. Die Regierung hat die Summe angenommen und an die französische Regierung abgeführt. Sie hat aber dabei betont, daß sie an ihrem Rcchtsstandpunkt unverändert festhalte und daß ihr der Betrag von privater Seite ausdrücklich für die Zwecke des Roten Kreuzes überlassen worden sei.
Amtliches.
Berkehr mit Heu, Eiroh «ud Häcksel
I. Das Reichseniährungsmiliisterium hat die Verordnung über den Rauhfuttcrverkehr und die Höchstpreise für Heu, Stroh uud Häcksel aus der Ernte 1918 mit Wirkung vom 1. Juli 1919 aufgehoben. Das Gleiche gilt für Stroh von Lupinen, Zuckerrübensamen- und Runkelrübensamenstroh, das bisher dem Kriegsausschuß für Ersatzfutter zum Kaufe anzubieten war.
Die allgemeinen Vorschriften gegen übermäßige Preissteigerungen haben jedoch für den Handel mit Heu und Stroh fortgesetzt Geltung.
Die Ein- und Ausfuhr von Heu, Stroh und Häcksel ist an die Genehmigung der zuständigen Stellen gebunden. Jedoch ist eingeführtes Rauhfutter nicht wehr an die Reichsfuitermittelstelle zi liefern, sondern kann frei gehandelt werden.
II. Für den Verkehr mit He«, Stroh uud Häcksel aus der Ernte 1919 sind vom Reichs ernährungsministerium keine Vorschriften erlassen worden.
Dagegen ist für Württemberg behufs Sicherstellung einer möglichst gleichmäßigen Futterversorgung bezüglich Heu die Verfügung des Staatskommissars für wirtschaftliche Demobilmachung vom 13. Juni 1919 (Staatsanz. Nr. 13l) ergangen, die selbstverständlich nicht aufgehoben worden ist.
Der Verkehr mit Stroh uud Häcksel aus der Ernte 1919 unterliegt keinen Beschränkungen.
Die Landwirte werden unter Hinweisung auf die Futternot, die im Spätwinter und Frühjahr 1919 geherrscht hat, davor gewarnt, daß sie sich durch die von Händlern gebotenen hohen Preise nicht zu einer Entblößung ihrer Betriebe von Stroh verlocken lassen, die sich nächsten Winter schwer an ihnen rächen könnte.
Nagold, 1. Sept. 1919. Oberamt: Münz.
N!1ri»1e!a. s. September ISIS.
— Erhöhung der Zeuge« uud Sachverstan- digeupebühre«. Nach einer Verordnung der Rercks- regterung kann die Entschädigung eines Zeugen ober Sachverständigen für den durch Abwesenheit vom Aufenthaltsort verursachten Aufwand bis spätestens 31. Dezember bis zum Höchstbetrag Don 15 Mk. für jeden Tag und bis zum Höchstbetrag von 8 Mk. für jedes außerhalb genommene Nachtquartier bemessen werden.
— Schon 2969. Am 1. September trafen 1000 Kriegsgefangene aus einem englischen Lager in Köln ein; in der Nacht folgte rin weiterer ebenso großer Transport. Die eine HälüMwurde ins Lager von Meschede, die andere nach Gie^m verbracht.
— Vom Kartoffeltzandel. In der Versammlung des Verbands deutscher Kartoffelgroßhändler, die am 1. September in Berlin stattfand, wurde ausgeführt, die Zwangsbewirtschaftung verteure die Kartoffeln. Während die Reichskartoffelstelle in Holland 45 Mk. bezahlen müsse, könne . der Großhandel dort jede Menge für 30 Mk. kaufen. Infolge der Zwangswirtschaft sei der Anbau der Kartoffeln ständig zurückgegangen. Bei voller Freigabe des Handels würde der Großhandel imstande sein, ausreichende Mengen Kartoffeln zu 9 bis 10 Mk. der Zentner für die Verbraucher zur Verfügung zu stellen.
— WeiUpreisftutisLik. In den „Mitteilungen des tvürtt. Statistischen Landesamts" kommt demnächst eine Uebersicht über die Weinbergflächen, die Weinerträge und die Weinpreise (Kelterpreise) im Jahr 1918 zur Veröffentlichung. Die Nummer ist zum Preis von 40 Psg. bei der Plankammer des Statistischen Landesamts in Stuttgart gegen Vorausbestellung zu haben.
— Die Häute wieder beschlagnahmt. Infolge des Häutewuchers sind nach einer Verfügung des Arbeitsministeriums Versteigerungen von Häuten und Fellen jeder Art bis auf Weiteres untersagt. Mle Großviehhäute inländischer Herkunft werden bis auf Weiteres beschlagnahmt. Von der Beschlagnahme werden nicht betroffen Häute und Felle, die bis 31. August ds. Js. in das Eigentum und in den Gewahrsam von Gerbereien übergegangen waren.
— Ferienkurse des evang. Volksbunds. Ter
ev. Volksbund für Württemberg, der jetzt über 50 000 Mitglieder zählt, veranstaltete vom 25.-29. August zur Einführung seiner Mitarbeiter in zeitgemäße Fragen einen Ferienkurs in Tübingen, in dem Gegenstände wie „Kirche und Arbeiterschaft", „Die Kirche und die Gebildeten", Kinoreform u. a. behandelt wurden.
— Die italienische Valuta. Tie „Newyork Sun" meldet', es werde mit der Möglichkeit gerechnet, daißj der italienische Lire aus 'Vio Dollar (42 statt 80 Psg.) Fried-mSkurs) falle.
" ^Wenn vieler wcenjcy wies er auflaucyl, mutz man sekner habhaft zu werden suchen, vielleicht steht er sogar mit dem Morde in Verbindung."
„Ich will schon acht geben, Tilla, in meines Vetter«! Zimmer führt eine kleine Tapetentür, zu der ich de» Schlüssel besitze. Ich glaube, es ist wohl kein Unrecht, wenn ich dort heimlicherweise einigemale nachforsche. Wir müssen aber doppelt auf der Hut sein vor dieser Blanko."
„Ja, was ists eigentlich mit dieser seltsamen Freundin, Anneliese, die dich mit haßerfüllten Augen verfolgt? Entferne sie aus deiner Nähe, sie will dein Unglück."
Die Komtesse lächelte trübe. „Sie hat mir ganz offen den Fehdehandschuh hingeworfen. Ich verlangte ihre Abreise, aber Egon nimmt das Fräulein in Schutz und wünscht, daß sie bleibt. Ich verstehe das alles nicht. — Wache du nur über mich, Tilla» wer weiß, was alles gegen mich geplant wird. Seit gestern bin ich aus meiner Apathie erwacht, und nun ich die Augen öffne, ist Mirs, als sei ich von Gefahren umlauert."
„Ich kann dir nur raten, den Schlüssel zu jener kleinen Tapetentür sogleich in deine Tasche zu stecken, jede Stunde kann Ueberraschungen bringen."
„Ich habe ihn bei mir," lächelte Anneliese, ein kleines Schlüsselbund hervorziehend, „dies ist der Schlüssel zu meinem Schreibtisch, dieser zierliche der zu meinem Schmuckschränkchen und der dritte schließt die Tür, von deren Vorhandensein Egon vielleicht gar nichts weiß. Wer nun will ich gehen, niemand darf er fahren, daß wir lange Gespräche führen. Alles, was auffallen könnte, muß vermieden werden." , ^ ^ ,
Sie herzte die Kinder und ging. In emem der Korridore begegnete sie dem alten Friedrich. Er fragte in seiner untertänig-treuherzigen Weise nach dem Grafen, der nirgends zu finden sei. Ein Mensch wünsche ihn zu sprechen, dem man eigentlich die Tür zu weisen gewohnt sei. Aber jener habe dem jungen, gnädigen Herrn einst einen Dienst geleistet und werde auch empfangen.
Annelieses Herz klopfte so ungestüm, als wolle es ihre Brust sprengen. Aber sie beherrschte sich sehr gut. Ihr Gesicht blieb ruhig und so weiß, wie frischgefallener Schnee. „Wenn dem Herrn Grafen so viel an dem einfachen Manne gelegen ist. so laß ihn nicht unverrichteter Sache fort. Er mag warten, bis du den gnädigen Herrn aelu nden und seine Befehle empfangen hast."
„Sehr wohl, gnädigste Komtesse, aber es ist etn ganz »heimlicher Mensch, im Dunkeln möchte ich dem nicht llein begegnen."
Anneliese ging weiter, nein, sie schleppte sich mühsam orwärts, denn es lag ihr wie Blei in den Gliedern, und och hätte sie sich Flügel gewünscht.
War dies nicht ein Wink des Himmels? Unwill- irlich faltete sie die Hände. Oh, daß es ihr doch gelänge, iese dunklen, geheimnisvollen Schleier, die den Geliebten l einen Abgrund zogen, zu lüften!
Es war ihr, als habe sie einen stundenweiten Weg arückgelegt, als sie endlich vor der kleinen Tapetentür and. Und die zitternden Hände brachten es fertig, den ichlüssel regelrecht einzustecken und zu öffnen. Sie schloß inter sich zu und tat einen Schritt vorwärts —sie befand ch in Egons Gemächern, heimlich, als Horcherin und
ipionin. . .. , .
„Mut! Mut!" Schwankend schlich sie vorwärts, ohne echts, noch links zu sehen. Wenige Minuten später stand e in Egons Arbeitszimmer.
Wohin nun?
Hinter dem Schreibtisch befand sich eine in schönen falten herabwallende Plüschportiere, die eine Tür ver- eckte. Anneliese mußte unter dem Schreibtisch durchkrieche«, afür befand sie sich aber nun in einem herrlichen Versteck, lur ein böser Zufall hätte sie verraten können. Dem» lese Tür war mit Tapete verklebt; aber in der Vertiefung es Rahmens fand ihre zierliche Gestalt ausreichend Platz, rin kleiner Spalt ermöglichte ihr, genau den Arbeitssessel u sehen, mithin würde sie Egon vortrefflich beobachten
önnen. .....
Der Mut der Verzweiflung war über sie gekommen, jeder Gedanke an eine Gefahr verscheucht, sie wartete, als ,andle es sich um die alltäglichste Sache.
Endlich hörte sie Egons raschen, elastischen Schritt. Eine Slutwelle ergoß sich in Annelieses bleiches Gesicht, doch eglos verharrte sie auf ihrem Posten.
Der Graf nahm nicht vor dem Arbeitstisch Platz, andern durchmaß ln sichtlicher Erregung das Zimmer. Wie charf seine Züge in der letzten Zeit geworden waren, ind in der kalten Beleuchtung des Februartages erschie» Sie Gesichtsfarbe aschgrau! Etwas wie stumme Verzweiflung glühte in seinem Blick.